Erst essen gehen, dann einkaufen: Konsum Dresden kombiniert für „Genusskultur Konsum“ Gastronomie und Mini-Markt

Erst essen gehen, dann einkaufen: Konsum Dresden kombiniert für „Genusskultur Konsum“ Gastronomie und Mini-Markt

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Mit einem neuen Konzept will sich die sächsische Konsumgenossenschaft bei ihren Kund:innen auch als Anlaufstelle für frisch gekochte Gerichte etablieren – und sich stärker von großen Konkurrenten abheben.

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Wenn deutsche Handelsketten ihre gastronomischen Ambitionen entdecken, ist das: 1. eher eine Seltenheit und: 2. meist auch ein ganz guter Zeitpunkt, sich auf eine Spontanfastenkur einzulassen. Weil die Ambition vieler Unternehmen allzu oft nicht über die Stapelung von Fleischkässemmeln hinausreicht.

Insofern ist beachtenswert, was die genossenschaftlich organisierte Handelsgruppe Konsum Dresden seit Ende August im Südosten der sächsischen Landeshauptstadt ausprobiert: eine Mischung aus Mini-Supermarkt und Restaurant, in dem Gäste richtig bekocht werden, von morgens früh um 7 bis weit nach Feierabend um 22 Uhr.

„Die Gewohnheiten vieler Kundinnen und Kunden ändern sich stark. Wir haben heute weniger Zeit, wollen am liebsten alles frisch, fertig und in bester Qualität mit nach Hause nehmen. Das war ausschlaggebend für uns, über ein neuartiges Konzept nachzudenken“, sagt Martin Behrendt, Geschäftsführer der Konsum Dresden Gastro Gesellschaft, die eigens gegründet wurde, um „Genusskultur Konsum“ auszuprobieren.

So heißt das Laden-Lokal im ehemaligen Bahnhofsgebäude von Dresden-Strehlen, das in den vergangenen Monaten aus seinem Dornröschenschlaf aufgeweckt wurde, weil davor ein neuer Umstiegspunkt für den Nahverkehr entstand. An dem steigen laut Dresdner Verkehrsbetrieben täglich viele tausend Leute zu und um.

Seit vergangenem Sommer fahren dort nach diversen Bau-Verzögerungen und Komplikationen wieder Trams und Busse; Platz für Autos ist keiner. Und als sich die Gelegenheit ergab, das von einem Unternehmen in der Nähe erworbene Bahnhofsgebäude anzumieten, hat man sich bei Konsum Dresden die Frage gestellt: Welches Konzept passt dorthin, wenn auch die „Bedürfnisse [der Kund:innen] von morgen“ berücksichtigt werden sollen? „Schnell war uns klar: Ein reines To-Go-Konzept ist nicht die Antwort“, sagt Behrendt.

Foto: Konsum DresdenStattdessen hat die Konsumgenossenschaft ein Team mit ausgebildeten Gastronomen engagiert, die seit Ende August täglich frisch und mit regionalen Zutaten kochen: Aubergineninvoltini, Rathmannsdorfer Forelle, Galette mit Steakstreifen und Pflaumen-Chutney, gefüllte Zucchini, Rührei mit Rote Beete, Sauerbraten mit Wickelkloß und Rotkohl. Für alle was dabei.

Sämtliche Gerichte wurden vom Team selbst entwickelt, erklärt Behrendt – und genau so sehen sie auch aus: nämlich nicht, wie so oft in der Handelsgastronomie, aus Plastikschalen auf Teller geschöpft und einmal durch die Microwelle gezogen, sondern hausgemacht und appetitlich angerichtet.

Dableiben oder Mitnehmen

Selbst die Brötchen werden frisch gebacken: handwerklich und ohne Konservierungsstoffe. „Der Teig ruht zwölf Stunden, kann sich langsam entwickeln und wird dann auf Steinplatte gebacken. Dabei arbeiten wir mit einem regionalen Bäcker zusammen und bieten so beste handwerkliche Qualität“, sagt Behrendt. (Die aber noch besser erklärt werden müsste, weil man wegen des Brötchenknasts, aus dem sich die Backwaren zum Mitnehmen angeln lassen, eher auf Supermarkt-Aufbackware schließen würde.)

Das „Sandwich der Woche“ und andere Kleinigkeiten gibt es auf Wunsch auch für unterwegs. Auf klassisches To-Go-Essen in Plastikschalen verzichtet Genusskultur Konsum aber ganz. Die Gäste sollen besser dableiben und sich am Tisch bedienen lassen.

Zielgruppe sind Angestellte in den umliegenden Büros und Pendler:innen, die in der Mittagspause nicht nur hastig ein belegtes Brötchen einatmen wollen; und natürlich die Strehlener, die mal keine Lust aufs Selberkochen hat. Viele Gerichte wechseln wöchentlich. „Besonders das Mittagsangebot wird sehr gut angenommen“, sagt Behrendt. Nur beim Frühstück hapert‘s noch, räumt der Konsum-Gastro-Chef ein. Da habe man sich mehr erwartet und wolle noch nachbessern.

Die Preise für die Gerichte sind fair, liegen angesichts des Anspruchs und der verwendeten Zutaten aber klar über Supermarkt-Niveau; Mittagstisch gibt es dennoch bereits für 5,50 (Suppe) bzw. 6,50 Euro (Fleisch-, Fisch- oder Veggie-Lunch). Für den „Hauptgang“ geht’s dann aber schon rauf auf bis zu 16,50 Euro.


Foto: Konsum Dresden

Dass die Karte dabei arg umfassend geraten ist, sieht Behrendt als Plus und beteuert, das Angebot noch erweitern zu wollen. Dabei fällt der Überblick schon jetzt eher schwer und man muss aufmerksam studieren, welcher Teil der Karte zu welcher Tageszeit bestellfähig ist: die „Aufwecker” von 7 bis 11 Uhr, „Brotzeit“ hingegen bis 15 Uhr; ab 11 Uhr gibt’s die wechselnden Mittagsgerichte (montags bis freitags und bis 15 Uhr), dazu aber auch schon alles von der Haupt- und Kinderkarte (11 bis 21.30 Uhr), ausgenommen das zusätzliche Fünf-Gänge-Menü, das abends ab 18 Uhr bestellbar ist.

Hinsetzen, aufessen, einkaufen

So schön diese Vielfalt auch sein mag: Die rund 30 – zum Teil wechselnden – Gerichte, verteilt auf eine reguläre und eine Wochenkarte, lassen einen klaren Fokus vermissen, der dem Konzept durchaus guttun würde.

Dafür punktet Genusskultur Konsum mit supermarktuntypischer Gemütlichkeit: Die 50 Sitzplätze sind drinnen auf einen großen Raum im Erdgeschoss und eine Empore verteilt, auf der man direkt über der offen einsehbaren Küche sitzt. Bei sommerlichen Temperaturen kommen draußen nochmal 50 Sitzplätze dazu.

Dass am Standort ein kleiner Laden integriert sein sollte, war von Anfang an klar. Der belegt nun gerade mal einen Raum im hinteren Gebäudeteil und besteht aus nicht viel mehr als drei Regalen, zwei Kühlelementen und einem Kassentresen – für ein Unternehmen, das sich bislang als klassischer Lebensmitteleinzelhändler positioniert, durchaus erstaunlich.

Behrendt erklärt, der Mini-Markt solle alles für den täglichen Bedarf und den Snack unterwegs bieten. Ein bisschen setzt Konsum auch darauf, dass Restaurantgäste dort nach dem Essen noch Kleinigkeiten mitnehmen. „Wenn die Familie bei uns zu Abend isst, können die Kinder danach noch Schokobons einkaufen, und die Eltern eine Flasche Wein für zu Hause mitnehmen oder das, was fürs Frühstück am nächsten Morgen gebraucht wird.“ Nach ersten Anlaufschwierigkeiten werde der Markt inzwischen gut angenommen und rücke „immer mehr in das Bewusstsein unserer Kunden“, meint Behrendt: „Seit Anfang Oktober wächst der Anteil des Marktes von Woche zu Woche.“

Bei meinem Besuch an einem geschäftigen Freitagmittag im Dezember, als sich das Restaurant zur Mittagszeit zügig füllte, war davon nicht so viel zu sehen und die einzige Marktmitarbeiterin eher mit Gemüsedekoration als mit Kassieren beschäftigt. Das könnte zum einen daran liegen, dass die Preise im Mini-Markt höher sind als im klassischen Frida-Supermarkt, mit dem Konsum seinen Kund:innen in 800 Metern Entfernung ein Komplettsortiment bietet. Zum anderen dürfte es auch die Discounter-Dichte im Umkreis dem Laden nicht einfach machen.

Ein Königreich für ein Schild!

Allerdings war von außen bislang auch kaum erkennbar, dass sich an Ort und Stelle überhaupt einkaufen lässt. Der einzige Hinweis auf das Supermarkt-Sortiment war bei meinem Besuch auf eine  Gastro-Tafel geschrieben, die auf der Außenterassse hervorragend übersehen werden konnte.

Aus Denkmalschutzgründen konnte bislang auch das golden-blaue Genusskultur-Logo noch nicht an der Fassade angebracht werden; Behrendt hofft, das bald nachholen zu können, um für alle, die noch nicht von sich aus den Weg in Restaurant und Markt gefunden haben, sichtbarer zu werden.

Das ist auch deshalb notwendig, weil Konsum seinen Kund:innen erstmal beibringen muss, dass sie der Supermarkt ihres Vertrauens neuerdings auch bekochen möchte. „Natürlich waren unsere Kunden anfangs überrascht, weil sie unter dem Namen Konsum Dresden eher einen klassischen Supermarkt erwartet hätten“, räumt Behrendt ein. Mittlerweile spreche sich aber herum, dass sich die Genossenschaft breiter aufstellen will. Ein funktionierendes Gastro-Konzept böte Konsum Dresden die Chance, sich von Rewe, Lidl & Co. zu unterscheiden, die zunehmend schickere Läden bauen und ihre Verzehrangebote für unterwegs stetig ausweiten.

Behrendt: „Bei Genusskultur wollen wir lecker, modern und frisch kochen – mit hoher gastronomischer Kompetenz – und als Marktführer im regionalen Lebensmitteleinzelhandel unsere Stärke ausspielen, indem wir dazu ein breites, aber nicht zu tiefes Supermarktsortiment anbieten. Wir sehen darin die Chance, uns vom Wettbewerb deutlich abzuheben.“

Noch mehr „Genusskultur“ für Dresden?

Davon, dass das Konzept „auch ohne den Laden als klassische Gastronomie funktionieren“ könnte, ist man nach dem Zuspruch in Strehlen schon jetzt überzeugt: „Zum Beispiel in Shopping Centern, in Fachmarktzentren, wenn die Frequenz stimmt womöglich sogar als Stand-alone-Angebot, zum Beispiel in Universitätsnähe.“

Ob das allerdings mit demselben Konzept gelingt? Schwierig. Der Vorteil von Genusskultur Konsum mag sein, dass es viele Gäste mit unterschiedlichen Geschmäckern glücklich machen kann. Gleichzeitig scheint das Konzept schon sehr auf den ersten Standort zugeschnitten zu sein, wo in direkter Nähe keine unmittelbare gastronomische Konkurrenz existiert.

Anderswo dürfte die Herausforderung noch mal größer sein – zumal die Komplexität der Karte kaum zu halten sein wird, wenn es im innerstädtischen Mittagsgeschäft plötzlich viel zügiger gehen muss. Die durchaus sympathische Entschleunigungstaktik wird sich deshalb wohl kaum an alle Standorte exportieren lassen, die für Konsums neues Konzept interessant sein müssten. Behrendt sagt zwar, der Fokus liege zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin auf Strehlen. „Aber natürlich ist es das Ziel, weitere Standorte aufzumachen.“

Aktuell stehe man bereits in Verhandlungen mit einem Vermieter in der Dresdner City – die trotz bzw. wegen des umfangreichen Angebots an Franchise-Gastroketten auf jeden Fall noch etwas mehr Lunch-Variation vertragen könnte. (Zum Beispiel in bzw. an so manchem Shopping Center.)

Um sich langfristig auch als Anlaufstelle für fertig zubereitete Gerichte zu etablieren, wird Konsum Dresden in jedem Fall noch einiges an Anpassungsarbeit bevorstehen. Die Handelskette muss das bloß als Chance begreifen – und nicht, wie mancher national agierende Wettbewerber, als lästigen Ballast, den man schnell wieder loswerden will, wenn mal was nicht nach Plan läuft.

Dann hätte Genusskultur die Gelegenheit, sich zumindest im Regionalen als zukunftsweisende Ergänzung des klassischen Lebensmitteleinzelhandels zu etablieren. (Ach, und wenn der Kaffee noch ein bisschen besser würde, wäre das sicher auch hilfreich.)

Mehr zum Thema: im Dossier Handel & Gastronomie.

Titelfoto: Konsum Dresden, Fotos: Konsum Dresden, Supermarktblog"

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