Erkältung? Fieber? Verdauungsprobleme? Ab nächstem Jahr könnte die Arzneimittelantwort auf diese Beschwerden mal nicht von der Stadt-Apotheke, der Markt-Apotheke oder der Hirsch-Apotheke um die Ecke kommen – sondern direkt vom Drogerieartikelhändler Ihres Vertrauens.
Wie das „Handelsblatt“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet (via msn.com), will das Unternehmen von Tschechien aus ab 2025 freiverkäufliche Arzneimittel nach Deutschland versenden.
Details sind noch nicht bekannt. Sebastian Bayer, Geschäftsführer Marketing und Beschaffung bei dm, bestätigte aber die Gründung einer entsprechenden Gesellschaft in Tschechien. „Wir planen ausschließlich den Onlinehandel von frei verkäuflichen Arzneimitteln“, sagte er dem Bericht zufolge. Ein konkreter Starttermin wurde nicht genannt, Branchenkenner rechnen aber mit einem Start im Sommer.
Plant dm auch Gesundheitsberatung?
Der dm-Vorstoß ist aus Sicht des Unternehmens nachvollziehbar: Der Markt für rezeptfreie Arzneimittel in Deutschland wächst stetig und erreichte im vergangenen Jahr ein Volumen von 6,2 Milliarden Euro. Besonders der Online-Handel boomt.
Auch wenn dm sich bisher zum Namen der geplanten Online-Apotheke bedeckt hält, erscheint es naheliegend, dass das Unternehmen auf seine etablierte Marke „Mivolis“ setzen könnte. Unter diesem Label vertreibt dm bereits diverse apothekennahe Produkte in seinen Filialen: (Wundversorgung, Mineralstoffel, Erkältungshelfer u.a.).
Die Marke ist inzwischen auch für Versanddienstleistungen und telefonische Gesundheitsberatung registriert, auch Auskünfte in Bezug auf gesundheitliche Probleme auch übers Telefon – was perfekt zur geplanten Ausweitung ins Apothekengeschäft passen würde. Gleichwohl hat man auch die Hauptmarke dm auf „medizinische Dienstleistungen“ und „Beratungen in der Pharmazie“ erweitert.
Auswirkungen auf Online-Apotheken
Die Ankündigung sorgte an der Börse für Reaktionen, zu Ungunsten der etablierten Online-Apotheken, die eine bittere Pille schlucken müssen. DocMorris verlor in Zürich zeitweise fast 18 Prozent, Redcare Pharmacy (ehemals Shop Apotheke) musste Kursverluste von bis zu 11 Prozent verkraften. Das könnte sich auch auf eine von Exciting Commerce vermutete Marktkonsoliderung auswirken.
Sebastian „Bayer von dm argumentiert derweil, der Gesundheitsmarkt in Deutschland stehe „vor gewaltigen Herausforderungen“: „Für dm stellt sich deshalb die Frage, was wir beitragen können.“ Die Drogeriekette dürfte auch deshalb großes Potenzial sehen, weil bereits über fünf Millionen Menschen mindestens einmal monatlich die dm-App nutzen. Dafür hat die Handelskette in den vergangenen Monaten mit regelmäßigen Aktionen gesorgt (siehe Supermarktblog und Supermarktblog).
Im Zweifel ermöglicht diese teilweise mit Rabatten erkaufte Steigerung der App-Nutzung dem Unternehmen nun den Einstieg in eine umsatzstarke Sortimentserweiterung. Die sich dank der großflächig verbreiteten Abholstationen nach vorheriger Bestellung auch unkompliziert in den einzelnen Filialen abholen ließe.
Gescheiterte Versuche in Österreich
Für dm ist es nicht der erste Versuch, im Apothekenmarkt Fuß zu fassen. Pick-up-Stationen in Kooperation mit der Versandapotheke Zur Rose wurden vor einigen Jahren aber wieder abgebaut, weil die Kund:innenenresonanz zu gering war. In Österreich hat dm bereits mehrere Versuche unternommen, das Apothekenmonopol anzugreifen – bislang ohne Erfolg. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat bisher Anträge von dm zur Prüfung des Apothekenmonopols aus formalen Gründen abgelehnt.
Was in den Bergen bislang nicht klappte, soll nun also mit Umweg über die tschechische Tiefebene funktionieren.
Die traditionellen Apotheken sehen die Entwicklung naturgemäß kritisch. Das Argument der „Apothekenlobby“, wie dm-Chef Christoph Werner sie bezeichnet, lautet seit jeher: Die persönliche Beratung durch approbierte Apotheker:innen sei durch nichts zu ersetzen. Werner kontert im Interview mit den „Badischen Neuesten Nachrichten“: Digitale Entwicklungen wie E-Rezept und elektronische Patientenakte würden den Markt ohnehin grundlegend verändern.
Zumindest die Zeit der Online Apotheken ist ein Stück weit vorbei, da sie ersetzbarer werden. Es wird auf Zusatzgeschäfte verzichtet, da eine Shop Apotheke zum Beispiel nur noch an Postadressen liefert ( keine Packstationen ). DocMorris schiesst den Vogel ab, indem Rezepte gelegentlich wegen kurzfristiger Nichtverfügbarkeit unangekündigt zurückgeschickt werden. Dann lieber gleich zur Apotheke, und den Rest beim günstigen (!) Drogeriemarkt des Vertrauens.
Zuletzt haben die aber sehr wohl noch an Packstationen verschickt. Habe ich was verpasst?
Das war die Antwort der Shop Apotheke im August 2024:
„Eine Versendung von rezeptpflichtigen Medikamenten an eine Packstation nehmen wir nicht mehr vor. Ihre Gesundheit liegt uns am Herzen. Daher möchten wir sicherstellen, dass alle bestellten Arzneimittel auch über die erforderliche Qualität und Wirksamkeit verfügen, wenn Sie diese in Empfang nehmen. Bei der Lieferung von Arzneimitteln an Packstationen ist dies mit größeren Herausforderungen verbunden, da wir nicht wissen, wann Sie ihr Paket in der Packstation abholen. Das gilt insbesondere für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die besondere Lagerungsbedingungen bedürfen.
Wir prüfen derzeit, wie wir zukünftig auch für diese Arzneimittel eine sichere Zustellung gewährleisten können.“
Auch im November konnte ich aus dem Bestellprozess heraus nicht an die Packstation liefern lassen. Anscheinend hängt die Entscheidung nicht mit dem heissen Sommerwetter zusammen.
Interessant, danke! Macht eine Bestellung tatsächlich unattraktiver, finde ich.
Viel schöner wäre es, wenn man rezeptfreie Medikamente auch endlich zu verbraucherfreundlichen Zeiten im Supermarkt kaufen könnte. Unsere Nachbarländer sind da deutlich pragmatischer. In den Niederlanden gibt es Ibuprofen zu deutlich niedrigeren Preisen bei Jumbo.
Ach, überall auf der Welt geht man es pragmatischer an, nur in deutschsprachigen Ländern herrscht Stillstand, Rückschritt und Niedergang. Ein Trauerspiel.
Die zeit der Online Apotheken geht vorbei? Wider mal so eine Boomer-Vorhersage, wie mit dem Internet. Ich kenne nur Leute, die Online bestellen, einfach weil es bequemer und vor allen Dingen günstiger ist.
Für akute Probleme kann man die Vor Ort Apo nehmen.