Eigenmarken-Vergleich: Rewe reißt Mandarinen – und Tengelmann schweigt

Eigenmarken-Vergleich: Rewe reißt Mandarinen – und Tengelmann schweigt

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Vorhang auf für den „Superstar am Markenhimmel“, der sämtliche Eigenschaften besitzt, die es für eine langfristige Karriere im Supermarktregal benötigt: ein „Mehr an Genuss“, ein „Mehr an Qualität“, „den besonderen Geschmack“ und ein geheimnisvolles Logo, das aus drei Albinomuffins besteht.

(Alternative Interpretationsvorschläge für dieses Signet schreiben Sie bitte in die Kommentare.)

Zur Erinnerung: Es geht – ein letztes Mal – um Produkte, die von den Supermärkten unter eigenem Namen angeboten werden, einmal als Billigmarke, und einmal als etwas teurere Mittelmarke. Die Frage an die Unternehmen lautet: Wo ist eigentlich der Unterschied? Mal abgesehen von den fantastischen Werbeformulierungen, wie sie sich natürlich auch Kaiser’s Tengelmann für seine „Star Marke“ ausgedacht hat, den bereits erwähnten „Superstar am Markenhimmel“. Immerhin gibt es in den Läden der Unternehmensgruppe viele Produkte auch unter dem Namen „A&P“ („attraktiv & preiswert“) zu kaufen, und der einzige Unterschied, der auf den ersten Blick erkennbar ist, ist (außer der Verpackung) einmal mehr der Preis.

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Einkaufszettel 1: „A&P“
„Kidney Bohnen dunkelrot“, 400-g-Dose: 0,35 Euro
„Spitzen-Langkornreis im Kochbeutel“, 500-g-Packung: 0,49 Euro
„Orangensaft aus Orangesaftkonzentrat Fruchtgehalt: 100%“, 1-l-Packung: 0,95 Euro
Macht zusammen: 1,79 Euro

Einkaufszettel 2: „Kaiser’s Tengelmann Star Marke“
„Kidney Bohnen dunkelrot“, 400-g-Dose: 0,69 Euro
„Spitzen-Langkornreis im Kochbeutel“, 500-g-Packung: 0,99 Euro
„Orangesaft aus Orangensaftkonzentrat Fruchtgehalt: 100%“, 1-l-Packung: 1,29 Euro
Macht zusammen: 2,97 Euro

Auf die Bitte, das „Mehr an Genuss“, das „Mehr an Qualität“ und „den besonderen Geschmack“ zu erklären, die bei diesem Einkauf vermutlich den Preisunterschied von 1,20 Euro ausmachen, reagiert Kaiser’s Tengelmann noch zugeknöpfter als Edeka – und antwortet: es sei „uns nicht möglich, Auskunft zu geben“.

Sonst nichts.

Das ist vor allem deshalb spannend, weil es dem Konkurrenten Rewe, nach Edeka zweitgrößter Lebensmittelhändler Deutschlands, sehr wohl möglich ist: Aus der Zentrale in Köln kommt die ausführlichste Rückmeldung aller angefragten Unternehmen.

„Die Hauptunterschiede bzw. Differenzierungsmerkmale auch hinsichtlich des Preises liegen in der Verpackung, in der Qualität und der Verarbeitung“, fasst Rewe-Sprecher Raimund Esser zusammen. Und wird dann sehr konkret, zum Beispiel wenn’s um die Mandarinen aus der Dose geht, einmal unter dem Logo der Billigmarke „ja!“, einmal als Mittelmarke mit dem roten Rewe-Logo, beide in der 300-g-Dose mit identischen Nähwertangaben, zweimal „hergestellt in China“.

„Bei der Preiseinstiegsmarke ‚ja!‘ sind die Mandarinen in einer herkömmlichen Dose, die mit einem Dosenöffner geöffnet werden müssen. Die Mandarinen von ‚Rewe‘ sind in einer aufwendigeren ‚Convenience-Dose‘, die vom Verbraucher schnell und einfach ohne Dosenöffner über einen ‚Ring-Pull‘ geöffnet werden können.“

Auch beim Inhalt kann Rewe differenzieren:

„Hinsichtlich der Roh-Warenspezifikation verfügen die ‚ja!‘-Mandarinen über eine andere Spezifikation als die ‚Rewe‘-Mandarinen. Konkret sprechen wir hier von ‚ganzen Segmenten‘ (‚Rewe‘-Mandarinen) und ‚gerissenen Segmenten‘ (‚ja!‘-Mandarinen). Die Fehlertoleranzen bei der Rohware, sprich Qualitätskriterien (Größe der Früchte, ganze Stücke, angerissene Stücke), sind bei ‚Rewe‘-Produkten viel enger gefasst als bei ‚ja!‘-Produkten. Insgesamt gibt es alleine bei Mandarinen drei verschieden Größenklassen.“

Klingt nachvollziehbar – bis auf die Tatsache, dass auf beiden eingekauften Mandarinen-Dosen „ganze Segmente“ als Inhaltsangabe steht. Mit 49 Cent ist das „ja!“-Produkt deutlich günstiger als dieselbe Menge „Rewe“-Mandarinen mit 95 Cent.

Die geschälten Tomaten aus der Dose von „Rewe“ für 79 Cent sind sogar mehr als doppelt so teuer als die von „ja!“ für 35 Cent. Die Unterschiede beträfen auch hier wieder Verpackung und Auswahl, erklärt das Unternehmen. Und:

„Die ‚Rewe‘-Tomaten‘ unterliegen höheren Qualitätskriterien, wie höher spezifizierterer Tomatensaft oder mehr Tomatenfeststoff im Saft als die preislich günstigeren ‚ja!‘-Tomaten.“

Als letztes geht’s um Orangensaft: Die „Rewe“-Variante kostet 1,29 Euro, die von „ja!“ zwar 1,43 Euro, allerdings ist im Billigmarkenkarton auch deutlich mehr drin als in der Mittelmarkenflasche (1,5 Liter statt 1 Liter). Bei der Herstellung greife man „auf viele verschieden Hersteller zurück und das Produkt ist extrem saison- und ernteabhängig“, sagt Rewe-Sprecher Esser. Der wesentliche Unterschied besteht aber diesmal im – immerhin klar erkennbaren – Unterschied bei Menge und Verpackung:

„Ein Tetra Pack ist in der Herstellung wesentlich günstiger als die hochwertigere PET-Flasche, in der der ‚Rewe‘-Orangensaft verkauft wird. Die 1-Liter-PET-Flasche mit dem ‚Rewe‘-Orangensaft bietet dem Verbraucher wesentlich mehr Convenience und Frische, weil der Frischeartikel Orangensaft nach Öffnung spätestens nach vier Tagen entleert sein sollte. Diese Wahrscheinlichkeit ist bei einem 1-Liter-Behältnis wesentlich größer.“

Nun gehören Sie vielleicht zu den Lesern, die selbst ganz gut einschätzen können, wie lange sie benötigen, um Ihre „Frischeartikel“ auszutrinken, und die deshalb gut darauf verzichten können, deshalb für eine hübschere Verpackung mehr Geld auszugeben, die sowieso die meiste Zeit im Kühlschrank steht. Aber es bleibt ja jedem selbst überlassen, ob er beim Einkaufen ein paar Euro draufzahlen möchte, wenn er dafür keinen Dosenöffner betätigen muss, auf die Segmentierungsgröße von Mandarinen Wert legt und sich mehr Tomatenfeststoff im Saft wünscht.

Es wäre halt nur schön, wenn diese Unterschiede von vornherein so offen kommuniziert würden, dass man nicht erst mehrere Wochen Anfragezeit einkalkulieren muss, um nachher am Supermarktregal die richtige eine Entscheidung zu treffen.

Fotos: Supermarktblog

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