Mehrgenerationen-Wohnen im Supermarktregal mit Großväterchen Günstig und Neffe Nutzwert

Mehrgenerationen-Wohnen im Supermarktregal mit Großväterchen Günstig und Neffe Nutzwert

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Wenn die Tochter Eigenmarke irgendwann zur Mutter Eigenmarke kommt und wissen will: „Du, Mama, wie war der Opa früher so?“, wird die Antwort höchstwahrscheinlich lauten: billig. Und das wäre gar nicht böse gemeint, sondern bloß wahr.

Selbst wenn es Ihnen beim Einkaufen nicht sofort auffällt: In den Supermarktregalen stehen tatsächlich Eigenmarken verschiedener Generationen. Manche sind noch an ihrem altmodischen Aussehen zu erkennen, bei anderen lässt sich ihr Alter wegen der vielen Facelifts kaum noch erahnen, und wieder andere fallen sofort als Frischlinge auf.

Erste Generation: Die Günstigen

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Sie hatten ja damals nichts, die ersten eigenen Produkte der Supermärkte: keine besonders schöne Verpackung, keine fantasiereichen Namen, nicht mal einen ordentlichen Preis. Und zwar mit voller Absicht. Großväterchen Günstig wurde förmlich aus dem Nichts erschaffen, sozusagen unbefleckte Regalempfängnis. Dafür besaß die erste Eigenmarkengeneration einen eindeutigen Auftrag: die Verteidigung des Supermarktgeschäfts gegen die aggressiven Discounter mit sichtbar billigen Grundnahrungsmitteln wie Milch, Butter und Doppelkeksen.

Zweite Generation: Die Selbstverwirklicher

Mit ihren Eltern wollten die Eigenmarken der zweiten Generation nicht mehr so viel zu tun haben. Das Sparsamkeitsdiktat war ihnen suspekt, plötzlich zählten Werte wie Vielfalt und Geschmack. Einige Eigenmarken imitierten ihre Vorbilder, die Marken, indem sie deren Verpackungen nacheiferten. Im Laufe der Jahre gründete sich eine Öko-Bewegung, die strikt auf ihre biologische Herstellung besteht und geradezu fanatisch Zertifikate sammelt. In den vergangenen Jahren sind vereinzelt Neureiche hinzugekommen, die offen damit kokettieren, wie edel ihre Zutaten und wie modisch ihre Hüllen sind. (Eine gewisse Arroganz lässt sich bereits an der Selbstbezeichnung als „Premiummarke“ ablesen.)

Gewöhnlichkeit gilt als verpönt. Viele Eigenmarken der zweiten Generation lassen sich inzwischen ganz selbstverständlich die Verpackungen aufspritzen oder ändern ihr komplettes Outfit, um trotz fortschreitenden Alters ihre Attraktivität herauszustellen. (Die Rewe-Mittelmarke „Rewe“ kombiniert das derzeit mit einem vollständigen Namenswechsel zu „Rewe Beste Wahl“ – vermutlich ein Zeichen für eine beginnende Midlife Crisis.)

Dritte Generation: Die Nutzwertorientierten

Eigenmarken der Gegenwart sind Realisten: Die Sparsamkeit ihrer Großeltern können sie nachvollziehen, da sie mitten in der Wirtschaftskrise hergestellt werden. Eher schon fremdeln sie mit dem ausschweifenden Individualismus ihrer Eltern. Die dritte Generation ist wieder mit weniger zufrieden: Es muss nicht alles Bio sein; wichtiger sind eine solide Basis und ein klarer Nutzwert.

In Großbritannien ist sind sämtliche Produkte der Tesco-Billigmarke „Tesco Value“ gerade geschlossen zurückgetreten, um dem Nachwuchs Platz zu machen. „Tesco Everyday Value“-Artikel werden zwar ebenfalls zu günstigen Preisen verkauft, sind aber deutlich hübscher verpackt und versprechen, weder Geschmacksverstärker, noch künstlichen Fette, künstliche Farb- und Geschmackszusätze oder gentechnisch veränderte Stoffe zu beinhalten. (Seitdem wissen Tesco-Kunden allerdings, was bisher in ihrem Billigessen drin war.)

Derweil sorgen sich einige Produkte des britischen Konkurrenten Waitrose geradezu rührend darum, ihren Konsumenten eine bewusstere Ernährung nahezulegen. Anfang des Jahres hat sich „Waitrose Love life“ (ohne Zusätze und Gedöns) als „Waitrose Love life You count…“ (ohne Zusätze und Gedöns, aber mit Gehaltsangabe – des Energiewerts) neu erfunden. Auf den Verpackungen steht die Kalorienzahl nicht mehr verschämt auf der Rückseite, sondern ganz groß vorne auf der Packung. Wer will, kann sich schon im Supermarkt ausrechnen, wie viele Kalorien sein Sofortessen haben wird und wie viele Kassensprints zum Ausgleich nötig sind.

Erklärtes Ziel der Produktlinie sei es, der Kundschaft dabei zu helfen, höchstens 1500 Kalorien am Tag zu sich zu nehmen, erklärt Waitrose – was ja zum Beispiel mit der “ Waitrose Love life You count… creamy cheddar cheese sauce on a bed of pasta“ mit „most comforting macaroni cheese“ kein Problem sein dürfte. (Übersetzung: Fett und Kohlenhydrate mit reduziertem Fett und Kohlenhydraten.)

Fast schon zu zahlenfixiert ist die erstgeborene Eigenmarke der Schweizer Convenience-Kette Migros (die zum Supermarktkonzern Migros gehört). Unter dem irritierenden 80er-Jahre-Namen „Get fresh!“ gibt es in den Filialen seit Anfang Mai Säfte, Sandwiches, Wraps, Joghurts, Smoothies, Obstschalen und Salate zu kaufen, die sich in knallig gelbe Strampler haben hüllen lassen. Der jeweilige Inhalt ist darauf leidglich in dünner Schrift angegeben. Dafür sind sämtlichen 120 Produkten große schwarze Zahlen auf die Folie tätowiert worden. Anders als bei „Waitrose Love life You count…“ handelt es sich dabei allerdings nicht um eine Kalorienangabe (was spätestens nach übermäßigem Verzehr der 32er-Wraps auffallen dürfte), sondern um eine simple Seriennummer.

Die ermögliche es Kunden, ihr Lieblings-Sofortessen im Laden schneller wiederzufinden, erklärt Migros (bzw. im Marketingbingo-Wortlaut: „ein einfaches und unkompliziertes Einkaufserlebnis“, „einzigartiges Nummerkonzept“, „qualitativ hochwertige Frische- und Convenience-Produkte“ usw.).

Für solche Sperenzchen haben ältere Eigenmarken-Generationen natürlich keinen Sinn. Aber die sollen sich nicht so anstellen, sonst werden sie in den Discounter abgeschoben.

Fotos: Supermarktblog, Waitrose/Pearlfisher, Migros

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