Eine der wichtigsten Grundregeln im Goldenen Buch Des Einkaufens lautet: Geh niemals mit leerem Magen Lebensmittel besorgen! Weil der Magen sonst alleine bestimmt, wie lang der Kassenzettel wird. Die Supermärkte sind da natürlich anderer Meinung. Dass Rewe seine Umsätze mit hungrig in den Laden stürmenden Mittagspäuslern jetzt so konsequent selbst sabotiert, ist also erklärungsbedürftig.
Am Dienstag öffnet am Kölner Waidmarkt das erste „Made by Rewe“, ein Bistro mit direktem Supermarktanschluss, das auf den ersten Blick ein bisschen aussieht als sei ein Ikea-Restaurant mit einer Kantine zusammengestoßen.
Einige Supermarktblog-Kommentatoren haben an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass auch viele selbstständige Kaufleute und SB-Warenhäuser Bistros an ihre Läden angedockt haben. „Made by Rewe“ ist trotzdem was Besonderes. Weil es im Erfolgsfall der Auftakt zu einem Strategiewechsel im deutschen Lebensmittelhandel wäre.
Rewe-Supermarktvorstand Lionel Souque erklärt, „Made by Rewe“ sei „für uns der konsequente Schritt, Supermärkte in hochfrequentierten Lagen verstärkt zu sozialen Treffpunkten zu machen“. Das heißt nichts anderes als dass Rewe daran glaubt, dass Supermärkte in Städten künftig nicht mehr nur die Orte sein werden, die wir ansteuern, um für zuhause einkaufen. Sondern mindestens auch, um dort unsere Mittagspause zu verbringen oder uns abends vor dem Kinobesuch kurz mit Freunden zu treffen. Das Bistro am Waidmarkt hat jedenfalls genauso lange auf wie der normale Supermarkt: von 7 bis 22 Uhr.
Darüber hinaus ist „Made by Rewe“ ein riesiger Schritt in Richtung Convenience, bislang eine der größten Schwachstellen der Rewe-Märkte in Deutschland, die auch dreieinhalb Jahre nach dem Start von „Rewe to Go“ nicht behoben ist. Ein paar einfallslose Salate und Wraps in die Kühltheke zu schleudern, macht einen eben noch nicht zum Starbucks-Konkurrenten.
Mit dem nun versprochenen Angebot aus frisch zubereiteten Pizzen, Nudelgerichten, Sandwiches und Desserts ginge das schon eher.
(Wird auch höchste Zeit: Der niederländische Convenience-Konkurrent Albert Heijn to Go hat sich gerade bis in die Rewe-Hauptstadt vorgearbeitet.)
Zeitgleich kündigen die Kölner die neue Eigenmarke „Smart People – Ready to Cook“ an: vorportioniertes Fertiggeschnibbel zum Selberkochen. In jeder Packung sollen sämtliche Zutaten für eine Mahlzeit enthalten sein, inklusive Kochanleitung. Rewe verspricht: alles ist frisch. Die Zubereitung soll nicht länger als acht Minuten dauern. Kosten werden die meisten Gerichte 4,99 Euro. (Zur Auswahl gehören u.a.: „Mediterrane Tagliatelle mit Pesto, Oliven und Rucola“, „Grünes Thai Curry mit Hühnerbrust mit Zuckerschoten“, „Reisnudeln Vietnamese-Style mit Hühnerbrust“, „Orientalische Tajine mit Butternuss-Kürbis“.)
Damit springt Rewe-Chef Alain Caparros auf einen Trend auf, der hierzulande bisher vor allem von Start-Ups wie YouCook vorangetrieben wurde – und tritt mit diesen in direkte Konkurrenz.
Völlig neu ist vor allem die Kombination von Supermarkt, Bistro und vorbereitetem Zuhause-Essen. Im Vergleich zur innovationsträgen deutschen Supermarkt-Branche gehören „Smart People“ und „Made by Rewe“ deshalb zu den derzeit spannendsten Tests. (Außerdem passen die Neuerungen besser zu Rewe als die Showkocherei.) Eine zweite Filiale soll demnächst im Kölner Stadtteil Zollstock (Höninger Weg) eröffnen. Dann wolle man „über einen nicht festgelegten längeren Zeitraum erst einmal Erfahrungen mit dem Konzept und der Betreibung sammeln“, heißt es in der Zentrale.
Nach der Erfindung „Rewe to Go“ bewirbt sich Rewe jetzt mit „Made by Rewe“ außerdem auf den ersten Platz im Wettbewerb der Unternehmen mit den albernsten Englischnamen-Zweigstellen.
(Was gerade noch zu verkraften ist, solange man sich nicht den ausgeschriebenen Namen des Neustarts vor Augen ruft: „Made by Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften“.)
Aber vielleicht weist die flotten Supermarktkonzepttester aus Köln mal jemand darauf hin, dass „Smart People – Ready to Cook“ womöglich schon von einem der in Äquatornähe lebenden Kannibalenstämme markenrechtlich geschützt sein könnte?
Warum Rewe mit seiner Idee, dass Supermärkte ihre Bedeutung für die Kunden verändern werden, nicht alleine ist, steht am Mittwoch im Supermarktblog.
Fotos: Rewe