Warum der Börsenerfolg von Hello Fresh auch an der Supermarktkasse entschieden wird

Warum der Börsenerfolg von Hello Fresh auch an der Supermarktkasse entschieden wird

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An der Börse muss der Kochboxenversender Hello Fresh beweisen, dass sein Geschäftsmodell funktioniert. Das geht nur, wenn neue Zielgruppen erschlossen werden – und dafür braucht das Start-up ganz altmodische Partner.

Partner:

Wundern Sie sich manchmal auch, wie schnell die Zeit vergeht? Schon sechs Jahre ist der kleine Kochboxenversender Hello Fresh alt. Und dieses Jahr wird er endlich eingebörst! (Nachdem das 2015 kurzfristig wieder verschoben wurde; der kleine Racker war damals einfach noch nicht soweit.)

300 Millionen Euro soll die Einbörsung bringen (siehe Exciting Commerce). Damit noch mehr vorportionierte Lebensmittel für Kochbuchlethargiker durch die Republik geschickt werden können und „strategische Flexibilität zum Aufbau neuer Geschäftszweige“ dazu kommt.

Das ist ein guter Moment, kurz innezuhalten – und einen Blick ins Familienfotoalbum zu werfen, um sich an die schönsten Momente des jungen Senkrechtstart-ups zu erinnern, auf das Papa Rocket und Mama Internet sicher ganz stolz sind gerade. (So lange das mit dem Aktienkurs besser läuft als mit dem eigenen.)

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Wissen Sie noch, wie das anfangs war? Eine „Revolution in Ihrer Küche!“, drunter hat’s der kleine Hello vor ein paar Jahren nicht gemacht. Herrlich!

Das Logo sah damals auch noch aus wie von WordArt ausgehustet, dieses potthässliche Platzdeckchen mit der dünnen Schreibschrift und dem – ähm: Blatt?

Von dem konnte das aufwachsende Hello ja lange nicht lassen, auch als das Versprechen längst „Leichter kochen, besser essen“ lautete. Bisschen blass war es zwischendurch am den Rändern:

Aber das hat sich schnell wieder gelegt. Hier, ein schönes Bild aus der Sturm-und-Drang-Phase: „Probier mich“, bekam ein jeder zugeflötet, der unser Hello in die Hände bekam – ganz grün hinter der Eselsohren, aber zum Anbeißen vergünstigt!

Inzwischen sind die Altlasten alle abgestreift, die grüne Zitrone mit der flotten Schrift ist das neue Erkennungszeichen des künftigen Börslings – und großzügiger ist der Kleine auch geworden!

Nicht mehr 20, nein: 30 Ocken macht er locker, um uns „Willkommen im Abwechslungsreich“ zu heißen.

Ewig könnte man da weiterblättern. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, zu der Hello Fresh tatsächlich beweisen muss, was es kann. Und zwar nicht nur tausendfach Gutscheine zu verschleudern, um mit 1,3 Millionen „aktiven Kunden[1]“ angeben zu können heimliche Kochtalente mit passend zu den Rezeptinspirationen eingetüteten Lebensmitteln glücklich zu machen. Sondern eben auch: Geld damit verdienen.

Die Aussichten sind, ehrlich gesagt, so mittelmäßig.

In den USA ist das gehypte Vorbild Blue Apron nach dem Börsengang im Frühjahr zuletzt spektakulär abgestürzt, weil zwischenzeitlich absehbar wurde, dass Amazon im Markt für Kochboxen mitmischen will.

Und ausgerechnet im Gründungsland Deutschland fehlen bislang wichtige Allianzen – zumindest wenn Hello Fresh die an der Börse eingesammelte Kohle nicht weiter ausschließlich in Gutscheine pumpen will, um neue Kunden zu gewinnen.

Hello Fresh will mit dir befreundet sein

Im Ausland steht der Kochboxenversender besser da – weil er erkannt hat, dringend neue Zielgruppen erschließen zu müssen, um langfristig Geld zu verdienen. Die wichtigste sind: Spätentscheider, die nicht tagelang vorausplanen, was sie als nächstes kochen wollen – sondern vielleicht erst kurz vor Feierabend, auf dem Weg nachhause in die Laune kommen, sich selbst an den Herd zu stellen.

In Großbritannien kooperiert Hello Fresh deshalb mit der Supermarktkette Sainsbury’s, die im März testweise „Recipe Kits“ mit der grünen Zitrone als Absender in die Regale einiger Supermärkte in London und Umgebung aufgenommen hat. Die (zweifellos schick designten) Boxen mit Tragegriff kosten 10 britische Pfund (11 Euro), drin stecken Zutaten für Rezepte, von denen zwei Spätentscheider satt werden sollen.


Screenshot: sainsburys.co.uk / Smb

Mit fünf verschiedenen Gerichten war die Auswahl zum Start relativ breit, dafür sollten die Rezepte nur alle sechs Wochen wechseln.

Hello-Fresh-Mitgründer Patrick Drake erklärte dem britischen „Grocer“ zum Start, dass man sich die Kooperation sehr genau überlegt habe:

„This product isn’t just instinctively what we thought was correct. The data from customer responses shows a retail product is something they want and these are the recipes they would like.“

Kurz zuvor hatte Hello Fresh den Verkauf der 10-Pfund-Mealkits bereits in einem – pfui! – „Pop-up-Store“ in eine Londoner U-Bahn-Station getestet.

Supermarktkollaborateur gesucht

Großbritannien ist nicht der einzige Markt, in dem Hello Fresh von seinem ursprünglichen Geschäftsmodell abweicht und Alternativen zum klassischen Boxenversand austestet. Seit Ende September kooperiert das Start-up auch mit der niederländischen Supermarktkette Plus, die ebenfalls Hello-Fresh-Kochschachteln ins Sortiment aufgenommen hat – zunächst allerdings nur für einend dreimonatigen Test in gerade einmal fünf Läden (u.a. in Rotterdam).

Für 9,95 Euro können Kunden dort zwischen einer Fleisch-, einer Fisch- und einer Veggie-Variante wählen.


Foto: Plus (NL)

Dass eine solche Kooperation auch in Deutschland praktisch wäre, damit Hello Fresh die hohen Erwartungen seiner künftigen Aktionäre erfüllen kann, ist vermutlich keine übertriebene Spekulation. Bloß welche Handelskette käme als Partner in Frage?

„Lidl Kochzauber“ hält dagegen

Einfacher ist: welche nicht. Lidl hat sich vor zwei Jahren bekanntlich seinen eigenen Kochboxenversender namens Kochzauber ins Unternehmen gekauft und spannt den seit diesem Sommer dafür ein, eine Variante mit Lidl-Eigenmarken für den Ladenverkauf zu produzieren: „Unsere Kochtüte“ (siehe Supermarktblog).

Die Discount-Schwester Kaufland folgte prompt und probiert, wie das Kochtütenverschicken per Lieferservice läuft (siehe Supermarktblog).

Zudem bewirbt Lidl die Kochzauber-Boxen-Abos inzwischen offensiv im eigenen Online-Shop und im Newsletter. Die bsiherige Webadresse kochzauber.de leitet direkt auf die neue lidl-kochzauber.de um. Gut möglich, dass der Discounter auch bald im Logo des Ablegers sichtbar wird (anders als ursprünglich geplant).


Screenshot: lidl-kochzauber.de / Smb

Wenn Hello Fresh landesweit in deutsche Supermarktregale stürmen will, bleiben nicht mehr so viele Alternativen. Real würde gar nicht schlecht passen, ist aber wahrlich kein ideales Pendler-Einkaufsziel; Aldi könnte dem direkten Wettbewerber Lidl eins auswischen wollen und fremdelt bekanntlich weniger mit Marken als je zuvor, hat aber nur geringe Kooperationserfahrung.

Am ehesten kämen wohl Edeka und Rewe in Frage – weil die nicht nur über die notwendigen Stadtsupermärkte verfügen, in deren Sortiment sich die Kochboxen hervorragend einfügen würden. Sondern auch, weil eine solche Partnerschaft ein weiterer Schritt zur vorsorglichen Amazon-Abwehr wäre, falls man dort auf die Idee kommt, seine Rezeptboxen auch hierzulande an die Kunden zu bringen. (Amazon-Fresh-Besteller kriegen schon jetzt Rezeptboxen des Partners Kochhaus nachhause gebracht.)

Egal, wer’s wird, eins steht fest: Der Börsenerfolg von Hello Fresh dürfte künftig zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil auch an der Supermarktkasse entschieden werden.

Fotos: Supermarktblog"


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5 Kommentare
  • Der Artikel ist zwar schon über 5 Jahre alt, aber meine Güte: Wie kann man einen so überheblichen Artikel verfassen und dabei gleichzeitig so unfassbar daneben gelegen haben? Was sagt das über die Qualität der heutigen Blog-Einträge aus, wenn die Zeit mittlerweile gezeigt hat, dass alle die hier mit Arroganz vertretenen Thesen sich als vollkommen falsch entpuppt haben?

    Das Kochboxen-Geschäft hängt eben genau nicht an der Supermarktkasse, das war ein absoluter Irrweg, weswegen auch kein einziger Player mehr diesen Weg geht bzw. sich die alten Hasen (Lidl usw.) diese Idee wieder verworfen haben. Kochboxen machen nur Sinn, wenn sie auf eine Art und Weise vertrieben werden, welcher den Aufbau einer antizipativen Beschaffungspolitik ermöglicht, soll heißen, wenn ich mit einem zentralen, gekühlten Produktionszentrum Bestellungen bediene, die mindestens 4-5 Tage im Voraus aufgegeben wurden. Denn damit einhergehend können zwei wichtige Effizienz-Hebel genutzt werden: Deutliche Reduktion in der Lebensmittelverschwendung auf Seiten des Verkäufers und deutlich weniger Personal- und Flächenbedarf im Vergleich zu traditionellen Supermärkten. Alles andere ist weder wirtschaftlich noch sinnvoll skalierbar…

    • Die Supermarktkooperationen mögen ein Irrweg gewesen sein (bzw. haben sich vermutlich vor allem für die Handelsketten nicht rentiert); aber die Aktivierung neuer Zielgruppen ist für HF nachpandemisch nach wie vor ein Riesenproblem und scheint nur mit massivem Werbedruck und Gutscheinen zu gehen, die jetzt (im Heimatmarkt) mit 95-Euro-Ersparnis locken müssen. Weiß nicht, ob das so sinnvoll skaliert.

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