Lidl, Netto (ohne Hund) und der große Discounter-Ganzjahresfasching

Lidl, Netto (ohne Hund) und der große Discounter-Ganzjahresfasching

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Mit großer Begeisterung verfolgt Netto (ohne Hund), wie Konkurrent Lidl sich und seine Produkte inszeniert – und paust das dann einfach für die eigene Werbung ab.

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Sind wir doch mal ehrlich: Der Discount mag in den vergangenen Jahrzehnten höchst erfolgreich Herzen und Einkaufswägen deutscher Kunden erobert haben; überbordende Kreativität war dem Format in seiner ursprünglichen Variante aber eher nicht in die Waage, äh: Wiege gelegt.

Das hat sich schon vor einer ganzen Weile geändert. Alle großen Discounter sind sehr viel experimentierfreudiger als noch vor zehn Jahren. Um sich gegen die direkte Konkurrenz zu positionieren. Und den klassischen Supermärkten jüngere Kunden und Marktanteile abzutrotzen.

Selbst der Edeka-Ableger Netto (ohne Hund), der lange Zeit nicht so recht viel mit dem Erbe des übernommenen (und sehr viel ausprobier-affineren) Plus anzufangen wusste, wandelt sich kontinuierlich: Die Kette testet bargeldlose SB-Kassen, motzt die Frischeauswahl auf und erprobt vegane Artikel im Sortiment.

So ganz lassen sich alte Gewohnheiten aber doch nicht abstellen. Und wieso, mag man sich in der Unternehmenszentrale in Maxhütte-Haidhof gesagt haben, sollte man unnötig Energie darauf verschwenden, das eigene Geschäft ständig neu zu erfinden – wenn sich schon jemand anderes was ausgedacht hat, das prima funktioniert?

Nach diesem Prinzip erfolgte im Discount (und nicht nur bei Netto [ohne Hund]) seit jeher die Gestaltung von Eigenmarken, deren Verpackungen denen der Markenvorbilder zum Teil zum Verwechseln ähnlich sehen (siehe Supermarktblog).

„Du entscheidest“ vs „Du hast die Wahl“

Abgesehen davon achten alle Discounter sehr genau darauf, ob die Konkurrenz neue Standards etabliert, die aus taktischen Gründen kopiert werden müssten – nicht nur beim Preis. Lidl hat im April eine neue Haltungskennzeichnung von Frischfleisch eingeführt, mit der Kunden auf der Verpackung erkennen können, wie die Tiere gehalten wurden („Stallhaltung“, „Stallhaltung Plus“, „Außenklima“, „Bio“). Netto (ohne Hund) und Aldi sind inzwischen mit ähnlichen Systemen nachgezogen, die kaum von der Lidl-Variante zu unterscheiden sind:

Es gibt aber noch mehr hübsche Beispiele dafür, wie sehr Discountketten die Arbeit der Kollegen bei der Konkurrenz zu gefallen scheint.

Vor zwei Jahren warb Lidl auf Plakaten und in Prospekten erstmals mit einer direkten Gegenüberstellung von Marken und Eigenmarken (siehe Supermarktblog von 2016 und 2017) und erklärte seinen Kunden:

„Du hast die Wahl – Starke Marken, starke Eigenmarken“

Das war (bei Markenherstellern) vor allem wegen des direkten Preisvergleichs brisant. Und hat auf die Verantwortlichen bei Netto (ohne Hund) offensichtlich soviel Eindruck gemacht, dass sie die Idee als regelmäßiges Element in den eigenen Werbeprospekt übernommen haben. Statt auf Schwarz und Weiß (wie bei Lidl) sind die Produkte dort vor den Netto-(ohne Hund)-Farben Rot und Gelb abgebildet. Darüber steht:

„Marke oder Netto-Marke? Du entscheidest!“

In den vergangenen Wochen sollten sich Kunden u.a. zwischen Lavazza Caffè Crema Classica und Mondo Italiano Caffè Crema (13,79 € vs 7,99 €), Haribo Color-Rado und Arizona Mix (1,09 € vs 0,79 €) sowie Held Curry Gewürz Ketchup delikat und Rich Gewürz Ketchup (2,39 € vs 1,39 €) entscheiden.


Abb. [M]: Netto (ohne Hund)/Smb

Das ist schon irgendwie – mutig: nicht nur die Eigenmarken-Produktentsprechung vom Original abzugucken, sondern auch noch die werbliche Inszenierung von der direkten Konkurrenz.

Und es gibt noch so viel mehr voneinander zu lernen!

Zum Beispiel für „XXL-Wochen“: Das dröhnend hässliche Riesen-„XXL“ in roten Buchstaben auf gelben Hintergrund, das Netto auf Großpackungen druckt, erinnert stark an das dröhnend hässliche Riesen-„XXL“ in roten Buchstaben auf gelben Hintergrund, das Lidl verwendet – nur die Perspektive ist eine andere.


Foto [M]: Lidl/Netto (ohne Hund)/Smb

Derweil lässt sich nicht mehr so genau sagen, wer mit seinem Verpacksungsdesign für italienische Aktionsprodukte zuerst da war: Lidl, das die Artikel seit geraumer Zeit unter seiner Eigenmarke „Italiamo“ anbietet; oder Netto (ohne Hund) mit „Creazioni d’Italia“, das offensichtlich zusammen mit den Partnern der Einkaufsallianz Alidis/Agecore (u.a. mit Intermarché, Eroski, Colruyt, Conad und Coop Schweiz) entwicklt wurde. In beiden Fällen stehen die Mareknlogos  sanft golden umrahmt auf einem in Blautönen gehaltenen Verpackungshintergrund; dazu haben sich beide Verpackungsdesigner ein eigenes Fantasie-Stiefel-Siegel gebaut („Specialita Italiana“ bei Lidl bzw. „Prodotto Italiano“ bei Netto [ohne Hund]).


Foto [M]: Lidl/Netto (ohne Hund)/Smb

Im großen Discounter-Ganzjahresfasching scheint sich jeder Discounter ein bisschen darum zu bemühen, so wie der andere auszusehen.

Den jeweils betroffenen Wettbewerbern bleibt kaum mehr übrig, als das als Kompliment für die eigene Arbeit zu sehen – und Lidl kann sich immerhin damit trösten, nicht die einzige Inspirationsquelle für den bayerischen Konkurrenten zu sein.

Darf’s ein bisschen mehr Osten sein?

Während sich der zur dänischen Salling Group (bisher: Dansk Supermarked) gehörende Netto (mit Hund) seit zwei Jahren als „Dein regionaler Mehrwerte-Discounter“ positioniert, der sich mit einem umfassenden Sortiment an aus Ostdeutschland stammenden Produkten von der nationalen Konkurrenz abgrenzen will, ist dem Konkurrenten (ohne Hund) eine Spitzenidee gekommen: Wie wär’s, wenn man mit einem umfassenden Sortiment an aus Ostdeutschland stammenden Produkten gleichzieht?

Im Wochenprospekt inszeniert sich der Netto ohne Hund jetzt einfach wie der mit Hund: als „Ihr regionaler Discounter“, der „Gutes aus dem Osten“ bietet.


Abb.: Netto (ohne Hund)/Smb

Weil es bekanntermaßen völlig unnötig ist, Energie darauf zu verschwenden, das eigene Geschäft ständig neu zu erfinden – wenn sich schon jemand anderes was ausgedacht hat, das prima funktioniert.

Titelfoto [M]: Netto (ohne Hund)/Supermarktblog"

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5 Kommentare
  • Die regionale Seite gibt es natürlich auch im Westen seit einiger Zeit – und erinnerte mich prompt an die NRW-Doppelseite, die es im real-Prospekt auch immer gibt (und mit „Gutes aus der Heimat“ ähnlich benannt ist). Beim Hunde-Netto ist selten etwas eine eigene Idee.

  • Ich trauer noch immer dem PLUS Markt hinterher. Die ganze netto-Aufmachung sieht einfach nur billig aus. Sogar die Farben schreien: „ICH BIN BILLIG“ Passend dazu hat der netto-Laden bei uns im Dorf auch den Charme einer ALDI-Filiale in den 80ern.

  • Dito. Egal wieviel Netto ohne Hund kopiert, man ist auch mit dem neusten Filialkonzept noch bei weitem nicht auf dem Stand, den Plus schon kurz vor der Übernahme 2008, also vor ganzen 10! Jahren, erreicht hatte. Man hat jede Plus-Innovation ausradiert, das Netto-Brachialdesign drangeschmiert und jetzt stümpert man mal hier mal da an neuen Konzepten herum. Netto ist vom Design her die BILD unter den Discountern.

  • Die Ironie wäre jetzt, wenn LIDL wiederum eine TV Werbung á la in neuer ALDI NO/SÜ („weil einfach einfach ist..“) Mentaität zeigen würde. Und dabei die eigenen „Erfolge“ (kopierte Aktionen, Fleisch Stufen,..) mit der Kopie der anderen Märkte. Mit dem origninal Slogan „Vieles haben wir (LIDL) bewegt in den letzten Jahren und waren Vorreiter, lasst uns weiterhin gemeinsam alles einfacher machen..“

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