Start für Mjam Market in Österreich: Delivery Hero wird zum Sofortlieferanten für Lebensmittel

Start für Mjam Market in Österreich: Delivery Hero wird zum Sofortlieferanten für Lebensmittel

Foto/Screenshot [M]: Mjam / Smb
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Um außer Restaurantessen auch Lebensmittel zu liefern, will die Delivery-Hero-Tochter Mjam zunächst in Wien ein Netz mit eigenen Warenlagern etablieren. CEO Artur Schreiber und Market-Director Melanie Kollmann über ihre Pläne mit Mjam Market.

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Amsterdam, Berlin, London: Überall in europäischen Städten werden gerade Strukturen für die schnelle Lieferung von Gütern des täglichen Bedarfs geschaffen, oftmals jenseits der großen Handelsketten. Start-ups wie Gorillas und Flink etablieren die Zustellung von Lebensmitteln innerhalb weniger Minuten; Lieferdienste wie Picnic trauen sich den Start in neuen Märkten zu.

Auch in Wien verändert sich der Markt rasant. Seit kurzem bietet sich Gurkerl.at, Ableger des tschechischen Online-Supermarkts Rohlik, dort als Einkaufsalternative an (siehe Supermarktblog).

Und bereits seit vergangenem Jahr liefert der bislang auf Restaurantessen spezialisierte Lieferdienst Mjam (in dem 2019 Foodora Österreich aufging) auch aus kleinen Supermärkten, Läden kooperierender Händler (z.B. Lindt), den Merkur-inside-Shops der Tankstellenkette BP und rezeptfreie Arzneimittel aus Apotheken. Anfang Februar ist die Delivery-Hero-Tochter noch einen Schritt weitergegangen – und hat ihren ersten selbst betriebenen „Mjam Market“ eröffnet.

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Seitdem bekommen Kund:innen in vier Wiener Bezirken Snacks, Getränke, Käse, Wurst, Olivenöl und Nudeln direkt von den Mjam-Kurierfahrer:innen mit den neuerdings leuchtend grünen Rucksäcken nachhause gebracht. Die Lieferung erfolgt aus einer rund 700 Quadratmeter großen ehemaligen Filiale der (2015 aus dem Markt verschwundenen) Discountkette Zielpunkt im 15. Bezirk – bislang an Adressen in der Umgebung sowie solche in den Stadtteilen Margareten, Mariahilf und Neubau (also in die Postleitzahlengebiete 1050, 1060, 1070 und 1150 bzw. angrenzenden Straßen).

Banabi und Pandamart als Vorbilder

Das Warenlager ist das erste, soll aber nicht das einzige bleiben, wie Mjam-Geschäftsführer Artur Schreiber im Supermarktblog-Gespräch erklärt:

„Delivery Hero hat schon weit vor Corona erkannt, dass Lebensmittel-Lieferungen der nächste große Schritt für uns sind, weil wir dort enormes Potenzial sehen. Seit vergangenem Jahr sind wir dabei, entsprechende Konzepte in all unseren Märkten auszurollen.“

Die Grundidee bestehe darin, die ursprünglich zur Lieferung von Mahlzeiten aus Restaurants aufgebaute Logistikkapazitäten und Fähigkeiten auch für andere Artikel zu nutzen, die Kund:innen in der Regel schnell und direkt geliefert bekommen wollen.

Vorbild ist der türkische Markt, wo der Delivery-Hero-Dienst Yemeksepeti mit Banabi diese Entwicklung schon vor einigen Jahren vorwegnahm und mit Getir konkurriert; europäische Start-ups wie Gorillas nennen die Dienste als Liefervorbilder. In Asien ist Foodpanda (das ebenfalls zu Delivery Hero gehört) schon einen Schritt weiter und eröffnete gerade seinen 150. „Pandamart“.

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Jetzt ist Europa an der Reihe, sagt Schreiber über die „Q-Commerce“ („Quick Commerce“) getaufte Strategie der „DMarts“ (Zusammenfassung bei Exciting Commerce):

„Der Vorteil von Delivery Hero ist, dass es einen ständigen Austausch zwischen den Ländern gibt, in denen das Unternehmen aktiv ist, um Best-Practice-Beispiele weiterzugeben. In fast allen unseren europäischen Märkten starten derzeit ‚DMarts‘ bzw. Kooperationen mit klassischen Supermarktketten.“

Dass Mjam seine Lieferpartnerschaften im Vorjahr bereits auf nicht-gastronomische Betriebe erweitert hat, war quasi ein vorbereitender Schritt. Über den Stellenwert sagt Schreiber:

„Auch wenn wir in diesem Bereich noch ganz am Anfang stehen, ist die Lieferung außerhalb des klassischen Restaurantgeschäfts bereits jetzt eine relevante Größe für uns. Wir sehen aber vor allem noch ein großes Wachstumspotenzial.“

Platz für mehrere Anbieter

Genau das nennt der Mjam-CEO auch als Grund dafür, warum man das Zusatzgeschäft nicht einfach komplett externen Partnern überlasse, sondern selbst aktiv werde:

„Wir glauben, dass im Markt Platz für mehrere Anbieter ist, um tatsächlich abdecken zu können, was Kund:innen wollen und brauchen. Deshalb setzen wir ganz bewusst auf eine Drei-Säulen-Strategie: die Lieferung aus kleinen lokalen Läden und Apotheken; unseren eigenen Mjam Market; und schließlich wollen wir – wie im Ausland – gerne auch mit größeren Supermarktketten zusammenarbeiten.“

Neues Logo, leuchtenderes Grün: Mjam in Östrerreich; Foto: Mjam

Ob es bereits Verhandlungen gibt, mag Schreiber im Gespräch nicht verraten, betont aber, man sehe die klassischen Handelsketten als potenzielle Kooperationspartner für eine schnelle Lebensmittel-Lieferung über die Mjam-App.

Wie ernst man es in Wien gleichzeitig damit meint, selbst in dem neuen Geschäftsfeld aktiv zu werden, zeigt sich daran, dass sich der Logistikspezialist mit ausgewiesener Handelsexpertise verstärkt hat, um Mjam Market erst in der größten österreichischen Stadt und danach auch in weiteren aufzubauen.

Seit Oktober kümmert sich Melanie Kollmann als Director Mjam Market Austria um Auf- und Ausbau des „schnellsten Online-Supermarkts in Wien“. Kollmann war zuvor über viele Jahre für Rewe International in Österreich tätig, zuletzt u.a. als Head of Strategy & Innovationsmanagement bei Merkur, davor bei Billa für Marken- und Produktmanagement (Ja! Natürlich) bzw. im Projekt- und Category-Management Local Food. Zuletzt verantwortete Kollmann die Expansion von Alnatura in Österreich. Jetzt ist es ihre Aufgabe, Kund:innen von Mjam daran zu gewöhnen, dass sie über den Dienst nicht nur fertig zubereitete Pizza, Chicken Vindaloo und Tafelspitz mit Kren bestellen können. Sondern auch die Zutaten dafür, um selbst zu kochen.

Zügiger Ausbau des Sortiments

Im Supermarktblog-Gespräch verspricht Kollmann:

„Die Kund:innen können darauf vertrauen, dass sie bei Mjam Market zu einem Preis-Leistungs-Verhältnis wie im regulären Supermarkt einkaufen. Das soll auch so bleiben.“

Gestartet ist Mjam Market mit rund 1.000 Artikeln, insbesondere aus dem Trockensortiment, und zahlreichen Convenience-Artikeln für den sofortigen Verzehr. Das soll der Mjam-Market-Chefin zufolge aber schnell mehr werden:

„Wir (…) streben an, im Laufe des ersten Halbjahres 2021 insgesamt 2.500 Artikel zu führen. Im März wollen wir das Frische-Sortiment deutlich ausbauen, vor allem was Obst und Gemüse und Molkereiprodukte angeht.“

Ziel sei es, „in der Sortimentsbreite sehr gut aufgestellt zu sein und in bestimmten Warengruppen in die Tiefe zu gehen“. Kollmann gibt sich überrascht davon, wie groß nach dem Start das Feedback der Lieferanten war, die mit Mjam Market zusammenarbeiten wollen: große Hersteller aus der Industrie, aber auch kleine Produzenten.

„Das wollen wir in den nächsten Monaten auch von uns aus forcieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unseren Kund:innen bald eine gute Auswahl an Produkten anbieten können, die es aktuell im österreichischen Online-Supermarkthandel noch nicht gibt.“

Vorstellbar seien Kooperationen jeglicher Art. Ob Mjam Market bald auch Produkte von Kohlmanns früherem Arbeitgeber Alnatura im Sortiment haben könnte, will sie aber nicht verraten. Das Angebot an Bio-Artikeln, regionalen Produkten und Convenience auszubauen, läge in einer Stadt wie Wien aber nahe. Über welchen Handelspartner Mjam derzeit einkauft, verrät man in Wien nicht.

Momentan konzentriere man sich vorrangig auf den Ausbau des Lebensmittel-Sortiments, sagt Kollmann. Mann wolle mittelfristig aber auch Non-Food-Artikel anbieten. Schon jetzt seien u.a. Batterien, Kerzen, Feuerzeuge, Körperpflegeprodukte und Haushaltsartikel über Mjam Market bestellbar.

Endlich bis 21 Uhr einkaufen

Die Lieferung erfolgt – so das Versprechen – innerhalb von 30 Minuten an die Haustür. Man experimentiere noch damit, wie weit sich das Gebiet mit dem jetzigen Standort ausdehnen ließe, erklärt Mjam-Geschäftsführer Schreiber:

„Aber 30 Minuten (…) geben uns schon den Freiraum, im Umfeld von zwei, drei Kilometern zu liefern.“

Screenshot: Mjam App

Für Nutzer:innen der Mjam-App, die mit ihrer Adresse im Liefergebiet liegen, ist das neue Angebot unübersehbar. Auf einer Vorschaltete steht die hellblaue Mjam-Market-Kachel direkt unter „Burger, Sushi, Salate und mehr“ – zumindest während der Öffnungszeiten.

Die schöpft Mjam Market derzeit im Rahmen des gesetzlich Erlaubten voll aus: Werktags lässt sich bis 21 Uhr abends bestellen – dann also, wenn zahlreiche klassischen Supermärkte in Wien schon geschlossen haben. Samstags kann zwischen 8 und 18 Uhr online eingekauft werden. Aktuell kümmern sich vier Picker:innen auf der Lagerfläche um die Kommissionierung der Bestellungen; mit steigender Orderzahl soll auch das Team wachsen.

Bis zum Sommer sollen Kund:innen in ganz Wien über Mjam Market bestellen können. Dafür benötigt das Unternehmen schätzungsweise vier bis fünf weitere Standorte im Stadtgebiet. Dazu, ob bereits Mietverträge unterschrieben wurden, äußert man sich noch nicht. Kollmann erklärt aber, man wolle bei der Größe der Warenlager „nach unten flexibel sein“, also auch kleinere Flächen in Betracht ziehen. Mehr als 700 Quadratmeter sollen es aber nicht werden.

Wie reagieren die Gastro-Partner?

Der größte Vorteil, den die Delivery-Hero-Tochter anderen Liefer-Start-ups wie Gorillas oder Flink voraus hat, dürfte die Tatsache sein, dass die Lieferlogistik für das neue Geschäftsfeld bereits vorhanden und erprobt ist.

Gleichzeitig stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob Market-Bestellungen dem Restaurantgeschäft in die Quere kommen könnten – dann nämlich, wenn Kund:innen sich entschließen sollten, Lebensmittel zu denselben Zeiten zu ordern wie zubereitetes Essen. Schreiber gibt sich gelassen:

„Es ist durchaus möglich, dass sich die Peak-Bestellzeiten von Mjam Market mit denen des Restaurantgeschäfts überlappen. Unsere Aufgabe ist, mit diesem Wachstum zu rechnen und das beim Ausbau der Flotte zu berücksichtigen, um ausreichend Kurierfahrer:innen auf die Straße zu bringen und der Nachfrage gerecht zu werden.“

Mjam ist mit seinen Kurierfahrer:innen auch in anderen österreichischen Städten unterwegs, hier in Graz; Foto: Mjam

Auch mit negativen Reaktionen der Partner aus der Gastronomie, die skeptisch auf die neue Plattformkonkurrenz reagieren könnten, rechnet der Mjam-Chef eher nicht:

„Ich glaube nicht, dass wir mit einer klassischen Market-Bestellung einem Restaurant das Geschäft wegnehmen. Unserer Auffassung nach bedienen wir da sehr unterschiedliche Nutzungssituationen. Das Feedback aus der Gastronomie ist bislang sogar eher positiv, weil viele Mjam Market als Beleg dafür sehen, dass wir es ernst meinen mit unserem Logistikservice.“

Vorratskäufer:innen willkommen

Außerdem müssten Restaurants nicht befürchten, im Bestellprozess benachteiligt zu werden:

„Der Algorithmus berechnet immer, wie sich eine Bestellung mit der aktuell zur Verfügung stehenden Flotte am schnellsten zur Kundin oder zum Kunden bringen lässt. Dabei wird nicht unterschieden, ob eine Bestellung bei Mjam Markt oder in einem Restaurant getätigt wurde.“

Anders formuliert: Market-Bestellungen sollen nicht priorisiert ausgeliefert werden.

Interessant ist zudem, mit welchen Nutzungssituationen die Delivery-Hero-Tochter plant. Man sei nach den ersten beiden Wochen „sehr zufrieden damit, wie die Kund:innen Mjam Market annehmen, und auch positiv überrascht“, meint Schreiber. Bestellungen lägen teilweise schon jetzt relativ deutlich über dem Mindestbestellwert von 15 Euro. Kollmann ergänzt:

„Der größere Anteil der Warenkörbe, die wir seit dem Start generiert haben, ist Impulskäufen zuzurechnen. Aber das Feld an Kund:innen, das wir mit Mjam Market bedienen, ist schon jetzt sehr breit und umfasst die unterschiedlichsten Kaufsituationen, teilweise auch Wochenendeinkäufe.“

Grundsätzlich wolle man Kund:innen auch in Zukunft beides anbieten: den schnellen Zusatz- genau wie den umfassenderen Vorratseinkauf. Schreiber:

„Technisch ist es möglich, für größere Bestellungen auch mal zwei Radkuriere loszuschicken. Das ist aber nicht unser Ziel, deshalb führen wir zusätzliche ‚vehicle‘-Arten ein und werden von Bestellung zu Bestellung entscheiden, welches Fahrzeug zum Einsatz kommt.“

Lieferung auch per Lastenrad

Außer klassischen Fahrrädern gehören dann auch Lastenräder und Autos zur Flotte. Das ist zugleich die Grundlage, um über eine weitere Ausdehnung des Lieferangebots hinauszugehen, wie es man ein Wettbewerber im europäischen Ausland bereits versucht.

„Langfristig wird interessant sein, ob sich auch andere Dinge des täglichen Bedarfs außerhalb des Food-Bereichs in die Lieferung integrieren lassen“,

sagt Schreiber, ohne konkreter zu werden. Nun steht erst einmal die Expansion von Mjam Market in Wien an:

„Wenn dort die nächsten Schritte gemacht wurden, wollen wir uns weitere Städte in Österreich anschauen.“

Damit dürfte Mjam auch zunehmend für Partner aus dem Lebensmitteleinzelhandel attraktiv werden, die noch über keine eigene Lieferlogistik verfügen, sich aber auf Dauer kaum vollständig aus dem stark wachsenden Markt heraushalten können, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Im vergangenen Jahr hatte Horst Leitner, Generaldirektor des österreichischen Aldi-Süd-Diskonters Hofer der österreichischen Presseagentur APA bereits anvertraut, man wolle 2021 „mögliche Konzepte für die Online-Lebensmittelzustellung prüfen“ und gesagt, den Markt zu ignorieren, „wäre nicht das Richtige.“

Der „Standard“ berichtete damals, eine vorstellbare Variante „wäre laut dem Hofer-Chef die Zustellung via einer externen Lieferplattform“. Lange suchen braucht Leitner dafür jetzt ja nicht mehr.

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