An diesem Montag fahren zum letzten Mal die kleinen E-Transporter von Alnatura durch die Straßen von Berlin und Frankfurt am Main, um Kund:innen ihre Online-Bio-Einkäufe nachhause zu bringen – danach beendet die Darmstädter Bio-Handelskette ihren Test eines eigenständigen Lieferservices (siehe Supermarktblog). Der Alnatura Online-Shop wird geschlossen. (An diesem Montag sind aktuell nur noch taggleiche Abholbestellungen möglich.)
Gleichzeitig verstärkt Alnatura seine bisherige Hauptstrategie, um Online-Besteller:innen weiter die eigenen Produkte zugänglich zu machen. Dafür hat das Unternehmen eine neue Partnerschaft mit dem Alleslieferdienst Wolt geschlossen.
In Berlin und Hamburg können Wolt-Nutzer:innen ab sofort zahlreiche Alnatura-Artikel ordern: u.a. Käse und Milch, pflanzliche Fleischalternativen, Tiefkühlkost, Babynahrung, Snacks, Getränke und Fertiggerichte.
Gepackt werden die Einkäufe dann aber nicht mehr wie beim eigenen Lieferservice in den Alnatura-Filialen, sondern in den Wolt Markets, die der zum US-Konzern Doordash gehörende Dienst seit einiger Zeit neu eröffnet, zuletzt im Sommer in Hamburg-Eimsbüttel.
In der Kategorienübersicht der Wolt Markets ist Alnatura innerhalb der Wolt-App derzeit prominent platziert: an vorderster Stelle. Darüber hinaus sind zahlreiche Alnatura-Artikel als „Startangebote“ preisreduziert erhältlich (siehe Screenshot).
Vierter Wolt-Market-Standort in Berlin
Außerdem geht bereits der vierte Berliner Market-Standort ans Netz, diesmal in Charlottenburg. Laut Wolt könne man damit nun das eigene Liefergebiet, in dem sonst hauptsächlich Restaurantessen ausgefahren werden, komplett auch mit Lebensmitteln versorgen. (Insgesamt liegt die Zahl der deutschen Markets also derzeit bei fünf.)
Die neue Partnerschaft ist wichtig für Wolt, um Wolt Markets zu stärken, das dabei hilft, Nutzer:innen öfter auf die Plattform zurückkehren zu lassen. Bislang werden aus den Markets auch schon Eigenmarken-Produkte des Partners Rewe geliefert.
„Wir sehen den Kund:innenenbedarf und die Nachfrage jeden Tag steigen: Kund:innen kaufen bei Wolt Lebensmittel ein und kommen deswegen auch neu auf die Plattform“, erklärte Bassel Soukar, Head of Retail bei Wolt Deutschland, im Frühjahr im Supermarktblog.
Die Alnatura-Kooperation hilft Wolt auch, sich ein Stück weit vom Rivalen Lieferando abzusetzen, der zuletzt ebenfalls eine Partnerschaft mit Rewe verkündet hatte (hinter der im Wesentlichen aber eine verstärkte Kooperation mit Flink steckt – es ist kompliziert).
Alternative für Lieferkund:innen
Aus Sicht des Darmstädter Bio-Händlers kommt die Zusammenarbeit genau zur rechten Zeit, weil man so zumindest den bisherigen Lieferservice-Kund:innen in Berlin eine Alternative anbieten kann. Fraglich ist jedoch, ob die Zielgruppen, die sich darüber bedienen lassen, tatsächlich deckungsgleich sind.
Bei Alnatura Super Natur Markt Online konnten Besteller:innen aus (fast) dem kompletten Alnatura-Marktsortiment wählen, nach eigenen Angaben „über 5.000“ Produkte. Wolt Market listet nun ausschließlich Alnatura-Eigenmarkenartikel, insgesamt immerhin 600. Wer bislang daran gewöhnt war, seinen kompletten Bio-Wocheneinkauf online abzuwickeln und dabei auch Bio-Herstellermarken zu kaufen, wird damit womöglich nicht erreicht.
(Gleichwohl scheint man sich bei Alnatura dagegen entscheiden zu haben, Bestellungen weiter in den Märkten kommissionieren zu lassen, um ein größeres Sortiment anbieten zu können.)
Dafür lassen sich via Wolt nun Bio-Artikel von Alnatura und Rewe Bio kombinieren, was ein interessanter Vorteil sein könnte (den bislang nur Edeka- und Tegut-Kund:innen in ähnlicher Form kennen). Und die Bestellungen kommen nicht erst am nächsten Tag, sondern innerhalb von 35 Minuten nachhause.
Weitere Städte auf der Agenda
In der Vergangenheit war Alnatura auch schon mit den Quick-Commerce-Spezialisten von Gorillas im Geschäft, die bis zur Aufgabe ihres Europa-Geschäfts durch die Mutter Getir ebenfalls Alnatura-Produkte lieferten. Bei Flaschenpost, Picnic und Knuspr gehören die Produkte der Darmstädter:innen ebenfalls zum Sortiment.
Interessant wird, wie zügig Wolt das Konzept seiner Wolt Markets in Deutschland ausrollt: Nach der Vollversorgung Berlins dürften demnächst weitere Städte auf der Agenda stehen. Man freue sich darauf, die „strategische Partnerschaft mit Alnatura weiter auszubauen“, heißt es seitens Wolt.
Bei der Auswahl neuer Standorte konzentriert man sich auf größere Flächen als es im klassischen Quick Commerce bislang üblich war. „Mit zusätzlichen Kategorien wie Haushaltsartikeln, Tierbedarf und lokalen Lebensmitteln ist es uns möglich, eine bessere Kund:innenerfahrung zu liefern und höhere Warenkörbe zu erzielen“, sagt Wolt-Retail-Deutschland-Chef Soukar.
Wettbewerber Lieferando scheint die Expansion seines „Express“-Formats, bei dem ebenfalls Artikel des täglichen Bedarfs von eigenen Flächen geliefert werde, derweil nicht voranzutreiben. Auf der Plattform sind nach wie vor nur die beiden Berliner Standorte gelistet.