Da sitzt Lars Schlecker „zum ersten Mal für ein Interview im deutschen Fernsehen“ – und keiner merkt’s. Irre, oder? Für seine TV-Premiere hat sich der Sohn des Firmengründers, der seit einiger Zeit auch Mitglied der Geschäftsführung und (gemeinsam mit seiner Schwester) offizielles Maskottchen ist, kein geringeres Prestigemagazin ausgesucht als das ARD-„Moma“, freitagmorgens um 6.44 Uhr. (Wahrscheinlich waren bei „News & Stories“ im Sat.1-Nachtprogramm schon alle Plätze belegt.)
Und tatsächlich wirkt es gleich viel sympathischer, wenn sich der Chef einer deutschlandweit in Verruf geratenen Drogeriekette kurz nach der Insolvenzankündigung mit einer lustig-modischen Brille in ein Studio setzt, um dann mal ganz locker darüber zu plaudern, warum bei Schlecker jetzt alles besser wird. (Interview bei Youtube ansehen.)
Dass die Mitarbeiter der Kette, die vor einiger Zeit wegen der Arbeitsbedingungen noch gegen Schlecker schimpften, sich jetzt für das Unternehmen engagieren (Spiegel Online hat nochmal an der Filialbasis nachgefragt: warum?), fand Lars Schlecker im Ersten „klasse“, „superklasse“ und „total klasse“.
Er hat referiert, was falsch gelaufen ist: „Das mit der Zeitarbeit war ganz klar ein Fehler.“ Und: „Wir haben vielleicht zu langsam reagiert.“ Mit der Zeitungsinterview-Erfahrung der vergangenen Monate, konnte er fehlerfrei die Stichworte der Schlecker’schen Kehrtwende vortragen: „Kulturwandel im Unternehmen“, „Führungsgrundsätze“, „komplett andere Unternehmenskultur“ – Sie wissen schon.
Als Bonus gab’s noch zu erfahren, wie das Umstyling des öffentlichkeitsscheuen Drogerieriesen zum sympathischen Pleitenachbarn überhaupt zustande kam. „Natürlich gab es intensive Diskussionen“ über die Neuausrichtung, meinte Schlecker. Und „Moma“-Interviewerin Anne Gesthuysen (die sowieso ganz gute Fragen stellte) meinte: „Wie muss ich mir das vorstellen: Haben Sie am Frühstückstisch gesessen und diskutiert?“ – Zum Beispiel.“
Dass der in diesen Tagen in Zeitungen und auf Prospektrückseiten erschienene offene Brief an die Kunden („Wir arbeiten gerne in unserem Schlecker-Markt, weil…“) vermutlich nicht die „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier bei Ihrem Schlecker vor Ort“ als Absender hat, sondern eine kluge PR-Agentur, konnte zum Zeitpunkt des Interviews leider noch nicht besprochen werden.
Für die Drogeriekette ist der Gründersohn aber in jeglicher Hinsicht ein kommunikativer Glücksfall. Gegen jemanden, der so schüchtern, fast unsicher und mit leiser Stimme redet, lässt es sich einfach viel schwerer demonstrieren als gegen einen abgebrühten Allesverteidiger.
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Die Kollegen vom „Manager Magazin“ müssen sich jetzt, da Schlecker plötzlich so redselig geworden ist, natürlich einen neuen Schweigekonzern suchen, der dann in aufgepumpten Titelgeschichten entmystifiziert werden kann – sonst verkauft sich das Heft ja nicht. Also hat sich die Redaktion in ihrer aktuellen Ausgabe Aldi vorgeknöpft, den „Discount-Krösus“, den „Kraftladen“, der einen „geheimein Schlachtplan“ entwickelt hat, um „die Konkurrenten [zu] düpieren“, vor allem aber, um: „aufzurüsten“. Die militaristischen Assoziationen wurden mit einem Cover komplettiert, auf dem eine in die Weltkugel gerammte Aldi-Standarte steckt, ähnlich wie bei „Asterix“. Wahrscheinlich müssen die Unternehmensgründer froh sein, nicht noch in die erste Reihe eines römischen Eroberungsfeldzugs montiert worden zu sein.
So sehr sich das Blatt aber angestrengt hat, die Geschichte möglichst martialisch zu verkaufen: was dann drinsteht im Text ist bloß eine anekdotenangereicherte Unternehmensentwicklungsgeschichte, die durchaus interessant zu lesen ist, aber teilweise auch Standards wiederholt, die immer in der Presse zu lesen sind, wenn’s um die Brüder Albrecht geht.
Hätten Sie’s gedacht: Gründer Theo Albrecht war, bevor er im vergangenen Jahr starb, von einem „nahezu krankhaften Sparzwang besessen“ und gab „so wenig Geld wie möglich“ aus? (Und, wenn wir gerade dabei sind: Im Osten geht die Sonne auf!)
Mit dem „geheimen Schlachtplan“ meint das „Manager Magazin“ womöglich die bereits angekündigte und seit Monaten bekannte Renovierung der Nord-Filialen. In einem Absatz zum Schluss steht immerhin noch, dass es Pläne gebe, mehr Markenprodukte ins Regal zu nehmen („berichtet ein handelserfahrener Berater“). Dafür wäre die ganze Aufregung jetzt aber nicht notwendig gewesen.
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Und dann hat die MDR-Redaktion „Umschau“ einen spannenden Bericht darüber gemacht, dass zwischen den Billigmarken und den Mittelmarken, die von den Supermärkten unter eigenem Namen angeboten werden, manchmal gar kein erkennbarer Unterschied besteht. Zum Beispiel bei den Schokokeksen von Real. Und den Mandarinen bei Edeka, wo die Erdnuss-Billigmarke auch noch fast genauso aussieht wie das Markenoriginal (Beitrag bei mdr.de ansehen.)
Wie, das wussten Sie schon? Aus dem Supermarktblog? Aus dem Supermarktblog? Und aus dem Supermarktblog?
Na, dann ist ja gut. Die Kollegen vom MDR haben übrigens auf die Bitte, nächstes Mal einfach die Adresse dieses Blogs dazu einzublenden, reagiert und meinen, es handele sich um ein Versehen. Gut. Dann sind wir jetzt ja quitt.
Screenshot: Das Erste