Alles auf eine Karte: Wer riskiert mehr beim Deal zwischen DHL und Amazon Fresh?

Alles auf eine Karte: Wer riskiert mehr beim Deal zwischen DHL und Amazon Fresh?

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Medienberichten zufolge will Amazon beim Start seines Lebensmittel-Lieferdiensts keine eigene Flotte aufbauen, sondern mit DHL kooperieren.

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Einem Bericht des „Handelsblatts“ (Paywall) zufolge will sich Amazon für den Deutschland-Start seines Lebensmittel-Lieferdiensts Fresh mit DHL als Lieferpartner verbünden – genau dem Unternehmen also, von dem sich der Online-Riese derzeit mit dem Aufbau einer eigenen Logistiksparte unabhängiger zu machen versucht. Eine Bestätigung (oder ein Dementi) der Unternehmen gibt es dazu bislang nicht.

In jedem Fall wäre die Kooperation ein hochinteressantes Experiment und für beide Seiten mit Risiken verbunden. Ein paar Überlegungen zum Thema:

DHL: Top, die Wette gilt!

Wenn DHL in Deutschland exklusiver Lieferpartner von Amazon Fresh würde, sähe das zunächst nach einem wichtigen Sieg für den Logistik-Marktführer aus. Zumindest könnte DHL die weitere Emanzipation des Online-Riesen, der mit seinen Diensten Prime Now und Logistics zunehmend unabhängig von DHL agiert, vorerst stoppen.

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Bei der Diskussion „Lebensmittel im Web: Die neue Bedrohung des Einzelhandels?“ auf der Münchner Messe „Internet World 2017“ äußerte sich DHL-Paket-CEO Achim Dünnwald Anfang März betont gelassen zum Start von Amazon Fresh. Dabei gäbe es durchaus Risiken, die Dünnwald für die Fresh-Kooperation in Kauf nähme.

Zum einen würde DHL seinen eigenen Online-Supermarkt Allyouneed Fresh damit torpedieren, den der Konzern Ende 2012 übernahm. Allerdings betonte DHL in der Vergangenheit bereits, man habe damit vor allem den Markt für online bestellte Lebensmittel mitentwickeln wollen – um Erfahrungen für den Versand frischer Waren zu sammeln und externe Unternehmen für den Versand ihrer Bestellungen durch DHL zu gewinnen. Mit Amazon Fresh als Auftraggeber wäre diese Rechnung aufgegangen.

Allerdings agiert DHL schon heute als Versandpartner u.a. für Büntings Online-Supermarkt Mytime.de und auch für Rewe. Dort dürfte sich die Begeisterung über die Amazon-Kooperation in Grenzen halten.

Mehr noch: Dadurch, dass DHL Amazon helfen würde, zum unmittelbaren Konkurrenten der etablierten Supermarktketten zu werden, dürfte bei denen die Bereitschaft, ihrerseits mit DHL zu kooperieren, stark abnehmen. Das beträfe ganz unmittelbar die DHL-Packstationen, von denen deutschlandweit zahlreiche auf Parkplätzen von Supermärkten und Discountern (z.B. bei Rewe und Aldi) aufgestellt sind.

Gut möglich, dass sich DHL nach Ablauf der vereinbarten Mietzeiten nach Alternativen umsehen müsste.

Auf der „Internet World 2017“ erklärte DHL-Paket-CEO Dünnwald ebenfalls, er können sich nicht vorstellen, DHL-Lieferfahrzeuge mittelfristig mit eigener Kühltechnik auszustatten.

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Das hieße, DHL würde Amazon-Fresh-Bestellungen in seinen bereits für Allyouneed Fresh entwickelten „Multiboxen“ ausliefern, in denen Lebensmittel auch in normalen Lieferfahrzeugen frisch gehalten werden können. Das „Handelsblatt“ geht ebenfalls davon aus, dass Bestellungen in gekühlten Taschen bzw. mit Trockeneis geliefert werden.

Das hätte den großen Vorteil, keine teure neue Flotte aufbauen zu müssen. Und den Nachteil, bei einer steigenden Zahl an Bestellungen auf normalen Touren schnell zu Platzproblemen in den Lieferfahrzeugen führen zu können.

DHL scheint gewillt, diese Risiken für eine Amazon-Fresh-Partnerschaft in Kauf zu nehmen. Womöglich spekuliert Dünnwald auch darauf, dass den übrigen Geschäftspartnern die DHL-Dienste derart unverzichtbar scheinen, dass sie die Amazon-Kröte schlucken müssen. Top, die Wette gilt!

Amazon: Ein Schritt zurück für den Schritt nach vorn?

Aus Sicht von Amazon würde sich ein Deal mit DHL lohnen, weil er das finanzielle Risiko drastisch entschärfen würde: der Aufbaus einer eigenen Lieferflotte wäre dann nicht mehr nötig. Laut „Handelsblatt“ sei das Angebot von DHL „finanziell so attraktiv gewesen, dass Amazon nicht habe ablehnen können“. (Was im Umkehrschluss bedeuten dürfte, dass DHL einen wesentlichen Teil des finanziellen Risikos von Amazon Fresh einfach zu sich verlagert.)

Andererseits hatte Amazon bislang auch keine Probleme, Investitionen zu tätigen, vor denen die meisten anderen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen zurückschrecken würden.

Mehr noch: Eine Verbrüderung mit DHL würde die bisherige Begründung der Strategie, in den Aufbau einer eigenen Lieferlogistik zu investieren, ad absurdum führen.

Bernd Schwenger, Amazon-Logistics-Director für Deutschland, hatte dazu im vergangenen Jahr wiederholt erklärt, die von Amazon selbst geschaffenen Strukturen dienten vor allem dazu, Same-Day- und Next-Day-Lieferungen rechtzeitig zu den Kunden zu bringen:

„Unsere Intention ist nicht, DHL oder Hermes zu verdrängen. Wir wollen zusätzliche Kapazitäten im Markt zur Verfügung stellen.“

(Wie „zusätzlich“ diese Kapazitäten tatsächlich sind, steht durchaus in Frage: In Berliner Bezirken, wo Amazon Logistics aktiv ist, werden kaum noch Pakete mit anderen Paketdiensten zugestellt.) Offensichtlich fällt es aber zumindest DHL gar nicht so schwer, „zusätzliche Kapazitäten“ zu schaffen, um nebenbei noch frische Lebensmittel durch die Stadt zu kutschieren.

Eventuell hat Amazon beim Logistics-Aufbau auch bemerkt hat, wie anspruchsvoll und schwierig das Geschäft ist – und wird deshalb vorsichtiger.

Aus diversen Bezirken gibt es Beschwerden darüber, dass die Zustellung auch mit den von Amazon ausgesuchten Paketpartnern nur mäßig klappt: Pakete werden weiter irgendwo in der Nachbarschaft abgegeben, Hinweiszettel gehen verloren – sehr viel besser ist die Situation dadurch für viele Kunden nicht geworden. Kein Wunder, dass Amazon so sehr darauf drängt, mit seinen Paketstationen Amazon Locker alternative Zustellorte zu etablieren.

Am Verteilzentrum in Berlin-Tegel gab es außerdem Ärger mit der Lieferflotte, die nach Ansicht von Anwohnern zu viel öffentlichen Straßenraum belegte. Inzwischen ist gegenüber des Verteilzentrums eine eigene Abstellfläche für Pakettransporter angemietet worden, die gerade nicht im Einsatz sind.

Außerdem soll in den daneben gelegenen denkmalgeschützten Fabrikhallen, die über Jahre verfallen sind, weiterer Parkraum für das Areal geschaffen werden. (Ob für Amazon, ist jedoch unbestätigt.)

DHL wiederum könnte bereit sein, mit Fresh ins Risiko zu gehen, um sich zumindest einen Teil des Paketgeschäfts in den Metropolen zurückzuholen (bzw. nicht noch mehr davon zu verlieren). Bisher war davon auszugehen, dass Amazon die sich durch Fresh ergebenden Synergien selbst nutzen wolle: Kunden einerseits den Wocheneinkauf nachhause zu bringen, mit derselben Tour aber auch das bestellte Buch, den neuen Mixer oder den Amazon Fire TV Stick.

Das „Handelsblatt“ berichtet weiter, der Lebensmittel-Lieferdienst solle nach dem Start so schnell wie möglich im ganzen Land angeboten werden. Mit DHL als Partner wäre das in der Tat machbar – aber zugleich ein Modell, das massiv von der Praxis in den USA und in Großbritannien abweicht, wo es Fresh bislang nur in ausgewählten Städten gibt.

Für ein flächendeckendes Angebot müsste Amazon von seiner Strategie abrücken, frische Lebensmittel zentral aus einem Verteilzentrum in der Stadt heraus zu liefern (so wie es wohl für München geplant ist).

Es sei denn, der Konzern hält in den Metropolen an seinem bisherigen Modell fest – und kombiniert es für die Belieferung der übrigen Regionen mit der Kommissionierung aus einem Zentrallager. Wie praktisch, dass DHL das mit seinem Online-Supermarkt Allyouneed Fresh schon in petto hätte. Dass der in Amazon Fresh aufgehen könnte, ist aber reine Spekulation.

(In diesem Fall könnte Amazon außerdem seinen Kistenlieferdienst „Pantry“ direkt einstellen, weil der dann überflüssig würde.)

Bislang sind all das nur Überlegungen. Fest steht hingegen, dass Amazon es Ernst meint mit Fresh: Mehrere Unternehmen berichten von ersten Warenlieferungen ins Berliner Verteilzentrum und dass Amazon vor allem auf maximale Sortimentsbreite ziele (zunächst weniger auf große Mengen). Im April dürfte es soweit sein und Amazon kann endlich zeigen, ob es seinem Ruf als Supermartktschreck tatsächlich gerecht wird.

Aufmacherfoto: First Amazon Fresh Delivery: amish.patel, CC BY-ND 2.0 via Flickr; andere Fotos: Supermarktblog"

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2 Kommentare
  • Die „maximale Sortimentsbreite“ wird Amazon sicher nicht auf Dauer durchhalten. Irgendwann werden die sich auf Schnelldreher konzentrieren, um überhaupt einmal in den Genuss zu kommen, Geld zu verdienen.

    • Ich habe mir bei Amazon im Dezember1998 mal Bücher bestellt und damals auch gedacht, das halten die aber nicht lange durch, das wird nie was.
      Es ist wohl doch etwas anders gekommen, als ich damals dachte.
      Bei den Lebensmitteln bin ich mal gespannt, wie das laufen wird und hoffe das Herr Schader weiter darüber berichten wird.

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