Amazon, Basic und der große Bio-Lebensmittel-Lieferkorks mit Prime Now

Amazon, Basic und der große Bio-Lebensmittel-Lieferkorks mit Prime Now

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Mit seinem Schnellbringdienst Prime Now liefert Amazon in Berlin Lebensmittel direkt aus dem Bio-Supermarkt von Basic. Das ist in vielerlei Hinsicht erstaunlich unausgegoren.

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Seit vergangener Woche liefert Amazon mit seinem Schnellbringdienst Prime Now in Berlin Lebensmittel direkt aus dem Bio-Supermarkt und hat sich dafür mit der Biomarktkette Basic zusammengetan. Das ist in vielerlei Hinsicht erstaunlich. Erstaunlich unausgegoren nämlich.

Die Lieferung funktioniert aktuell nur aus einer einzigen Basic-Filiale im Bezirk Steglitz und ist auf einen bestimmten Radius beschränkt, um das versprochene Zeitfenster einhalten zu können. Wie groß dieser Radius genau ist, kann Amazon auf Nachfrage nicht sagen. (Bei Basic ist die Pressestelle noch in Osterurlaub, schöne Grüße!) Auf der Seite erschließt er sich auch nicht. Prime-Now-Kunden müssen ihre Postleitzahl eingeben, danach sehen sie, ob sie im Lieferradius wohnen – oder halt nicht.

Deshalb kann Amazon derzeit nicht umfassend für die zusätzliche Liefermöglichkeit werben. Sie funktioniert ja in einem Großteil der Stadt überhaupt nicht. Das mag während der Testphase in Ordnung gehen.

Aber selbst wenn der Dienst gut ankommt, ist Basic der denkbar schlechteste Partner für Prime Now in der Hauptstadt – weil die Biomarktkette dort gerade einmal drei (!) Filialen zählt, und zwei davon noch südlicher liegen als die, aus der jetzt kosmissioniert wird.

Für Bestellungen, die in den Norden der Stadt gebracht werden müssten, wäre das maximal unpraktisch. Vor allem lässt es darauf schließen, dass Amazon für Prime Now sonst offensichtlich keinen anderen Partner gefunden hat, der mit einem größeren Filialnetz sehr viel besser geeignet wäre, um sämtliche Bezirke abzudecken. (Und dafür gäbe es in Berlin wahrlich genügend Kandidaten.)

Artikel kombinieren? Geht nicht

Da hilft es auch wenig, das Ganze als Kooperation mit „lokalen Geschäften“ zu verklausulieren. (Der „lokale“ Händler Basic hat seinen Unternehmenssitz übrigens in München – wie die deutsche Amazon-Dependance.)

Damit ist der Korks aber noch nicht vorbei: Prime Now liefert zwar Bio-Lebensmittel von Basic. Die können beim Einkauf aber nicht mit anderen Prime-Now-Artikeln kombiniert werden, die der Schnellbringdienst in seinem Stadtlager am Kurfürstendamm vorrätig hat.

Prime Now von Basic ist ein separater „Shop“ innerhalb von Prime Now, mit separatem Warenkorb und separatem Mindestbestellwert.

Wer einen Kasten Beck’s und frisches Bio-Gemüse von Basic mit Bio-Nudeln fürs abendliche Kochen mit Freunden bestellen will, muss zusehen, dass er zweimal 20 Euro Warenwert erreicht, um die Lieferung überhaupt auslösen zu können. Und wird, wenn ihm das gelingt, wahrscheinlich von zwei unterschiedlichen Prime-Now-Fahrern beliefert. Ein logistischer Alptraum.

Macht ja nix, sagen Sie, die kommen ja ökologisch korrekt mit dem E-Bike, oder?

Nee, das schicke E-Bike hat Amazon offensichtlich nur für das Foto zur Pressemitteilung vor die Steglitzer Basic-Filiale gephotoshoppt. Am Laden selbst sieht die Situation zumindest am vergangenen Samstag ein bisschen anders aus: Die wechselnden Prime-Now-Kuriere warten dort in klassischen Benzin- und Diesel(miet)schleudern auf ihren nächsten Einsatz, zur Not auch im Halteverbot, weil die Filiale mitten in der Stadt keine eigenen Parkplätze hat. Manchmal auch drei auf einen Schlag, jeder mit reichlich Zeit für Langeweile.

In der Filiale kommissioniert ein Mitarbeiter von Basic die Bestellung, die auf einem Amazon-Wägelchen zwischengelagert und anschließend in die bekannten Papiertüten verpackt wird.

Produkte werden im Laden mit dem Smartphone abgescannt und so offensichtlich direkt aus dem Basic-Bestand gebucht; immerhin spart sich der (sichtlich genervte) Aushilfsmitarbeiter so den Weg durch die Kasse.

Die Tüten werden stattdessen durch den Seiteneingang an die Kuriere (im Halteverbot) weitergereicht.

Offensichtlich handelt es sich bei der Basic-Prime-Now-Kombi um ein Angebot für Kunden, die gerne Bio kaufen, denen aber zugleich die Ökobilanz der zu ihnen gebrachten Ware, die sie sonst zu Fuß vor der Tür eingekauft hätten, wurscht ist. (Basic pressemeldet, man wolle „saubere Bio-Lebensmittel zeitgemäß, modern und attraktiv in Top-Qualität“ anbieten. Tja.)

Innovativ ist daran exakt gar nix. Stattdessen holt sich Basic mit der Laden-Kommissionierung die Probleme ins Haus, die die großen Supermarktketten inzwischen mit Dark Stores bzw. Lieferlagern zu umgehen versuchen: Die Online-Kunden kaufen den klassischen Basic-Kunden im Laden die frischen Karotten weg; dazwischen rumpelt der wenig ansehnliche Kommissionierwagen durch den Laden.

Kann man natürlich so ausprobieren. Lässt sich bestimmt auch noch verbessern. Aber wenn Amazon Fresh genauso ausgefeilt funktionieren sollte, können die großen Handelsketten das Zittern jetzt wieder einstellen.

Fresh lässt sich Zeit

Über den Startzeitpunkt des (eigenständigen) Wocheneinkauf-Lieferdiensts für Berlin schweigt sich Amazon derweil weiter aus. Frische-Lieferungen an das Logistics-Lager in Tegel laufen allerdings schon seit einer Weile. Offensichtlich lässt das Unternehmen den Dienst derzeit (wie Kaufland vor dem Start im vergangenen Jahr) von eigenen Mitarbeitern testen.

Das wäre jedenfalls zu hoffen. Die vor zwei Wochen angelieferten Pilze würde ich im Mai, wenn’s dann wirklich losgehen sollte, jedenfalls nicht mehr kaufen wollen.

Fotos: Supermarktblog"


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11 Kommentare
  • Ein sehr deutscher Kommentar. Amazon probiert immer verschiedenste Konzepte aus und entscheidet sich dann für die, die am besten funktionieren. Eben wegen dieser Experimentierfreude gewinnen sie ja auch.

    • Ah, das Amazon-Generalverteidigungsargument!

      Wenn Sie mit „sehr deutsch“ meinen, nicht von vornherein alles spitze zu finden, was Amazon unternimmt, und die geringfügig umformulierte Pressemitteilung dazu zu publizieren, kann ich gut damit leben.

      Mir wäre allerdings eine Unterscheidung wichtig: Ich sage nicht, dass Amazon nicht ausprobieren soll – im Gegenteil. Die Experimentierfreudigkeit ist, glaube ich, ein Teil des Erfolgs. Aber bei Fresh sieht man gerade, wie sehr sich das Unternehmen Zeit nimmt, um zum Start einen funktionierenden Service anbieten zu können. Das Prime-Now-Experiment mit Basic ist (meiner Ansicht) etwas völlig anderes: nicht durchdacht, zumindest in Berlin so mit diesem Partner nicht skalierbar – und am schlimmsten: durch den Doppel-Mindestbestellwert nicht einmal kundenfreundlich oder praktisch. Wenn sich das ein anderes Unternehmen leisten würden, würden viele, die jetzt vorzeitig klatschen, bloß lachen.

      Darauf bezieht sich meine Kritik.

    • Hallo Peer,

      wäre es Ihr Wunsch wieder einmal gleich einen der größten Supermarkt Ketten zu nutzen? Damit sie noch größer werden?

      Wäre es nicht toll zu wissen das die Basic Bio Markt Kette mehr als 10 Arbeitsplätze geschaffen hat? ( intern nachgefragt ).

      Übrigens sah ich auch Lieferanten, die haben in der Ladezone gegenüber geparkt.

      Gut das nicht nur die großen da mit spielen und auch der kleine, noch Charakterstarke Bio Laden eine Chance hat.

      An dem Artikel / Beitrag ist so gar nichts positives, das stimmt mich nachdenklich,
      gegen was kämpfst du? Bist du traurig das dein PLZ Gebiet nicht im Kreis liegt? Mach dir nichts draus, meiner auch nicht.

      Supermarkt von heute zu sein bedeutet auch im Internet mit präsent zu sein. Ich nutze das auch schon.

      Nun ja
      Liebe Grüße

    • Lieber Klaus, mit „10 Arbeitsplätze“ meinen Sie vermutlich: Aushilfen, die abwechselnd als Kommissionierer in Schicht tätig sind, falls jemand bei Basic/Prime Now kurz vor 23 Uhr noch Auberginen bestellen will (die so spät abends ohnehin nicht mehr verfügbar sind)?

    • Hallo Peer,

      nein, bei Gesprächen kamen tatsächlich 10 neue Vollzeit Arbeitsplätze raus.

      Viele Grüße

  • … ah, deswegen standen an dem Basic-Eingang kürzlich statt der Basis-Raucher so komische Leute… Dass Amazon ausgerechnet auf Basic verfällt, finde ich angesichts der Übermacht von bio company und Denn’s strategisch auch etwas überraschend. Andererseits würde es mich freuen, wenn es Basic unterm Strich womöglich zu ein paar mehr Filialen verhelfen würde.
    Ich habe alle 3 Ketten in Laufweite und gehe wenn möglich zu Basic. Allein dass es dort und nirgends sonst neben den immer gleichen Öko-Marken eine Eigenmarke gibt, finde ich interessant. Die Käsetheke ist dazu wirklich sehr professionell gepflegt, und mit gelegentlichen Fleischkäufen bin auch auch noch nie reingefallen.
    Dass es dort langjährige MitarbeiterInnen gibt, die rauchen und Nagel- und Sonnenstudios besuchen dürfen und nicht nach Müsligesinnung eingestellt werden, finde ich ideologisch auch äusserst angenehm.

  • „Offensichtlich handelt es sich bei der Basic-Prime-Now-Kombi um ein Angebot für Kunden, die gerne Bio kaufen, denen aber zugleich die Ökobilanz der zu ihnen gebrachten Ware, die sie sonst zu Fuß vor der Tür eingekauft hätten, wurscht ist.“

    Wenn Lieferdienste erstmal entsprechend ausgebaut wären ist das ja anders. Ähnlich, wie der DHL Laster nicht extra für mein Paket durch meine Straße kommt, sondern sowieso durch meine Straße kommt weil irgend jemand im Haus immer ein Paket von DHL zugestellt bekommt (analog die ganze Infrastruktur dahinter), so wäre die Ökobilanz sogar positiver, wenn Lieferdienste erstmal so alltäglich wären, wie inzwischen der Paketbote (diverser Paketdienste) im Haus.

    Und umgekehrt schreibst du ja selbst, diesen Markt gibt es ganze dreimal in Berlin. Die allermeisten Berliner können dort also nicht fußläufig einkaufen. Und bevor jeder Kunde individuell von A nach B fährt (Wohnung zu Laden und zurück) ist es ökologischer und ökonomischer, wenn ein Bote eine Tour abfährt, die streckenoptimiert ist. Zumindest wenn man es unbedingt auf Waren von Basic abgesehen hat. Wenn man tatsächlich in einem Bilderbuchkiez voller fußläufiger Obst- und Gemüsegeschäfte lebt mag die Sache anders sein, aber das ist ja auch in Berlin nicht die Regel.

    Summasummarum, gerade das Öko-Argument spricht langfristig doch eher dafür, den Einzelhandel mehr oder weniger komplett durch Shops und Boten mit zentralen Komissionierungslagern und maximal optimierten Lieferrouten zu ersetzen. Und die so gesparte Lebenszeit dann, anstatt mit Konsum, mit schöneren Dingen zu verbringen. Und genau das ist es ja, wieso viele Leute die Unzulänglichkeiten der Lieferdienste, die diese bisher noch haben, letztlich in großer Zahl in Kauf nehmen. Die meisten Leute hassen Einkaufen nämlich schlicht, alle Diskussionen über aufgehübschte Supermärkte hier im Forum zum Trotz.

    • Das Ökobilanz-Argument klingt einleuchtend, ist aber (höchstwahrscheinlich) keins, weil es (meines Wissens) dafür keine Belege gibt; eher im Gegenteil: Zustellfahrten nehmen drastisch zu, Ersatzfahrten sorgen dafür, dass die Bilanz nichht besser wird. Mehr dazu wollte ich ohnehin bald mal hier aufschreiben. Aber falls Sie Studien kennen, die eine bessere Ökobilanz durch steigende Heimzustellung belegen, freue ich mich über einen Hinweis darauf!

    • dem kann ich nicht folgen. Zu Monopolzeiten der Post galt das vielleicht. Heute kommen aber 5-10 Lieferdienste durch die Straße: DHL, Hermes, GLS, UPS, DPD, trans-o-flex usw.

      „Und umgekehrt schreibst du ja selbst, diesen Markt gibt es ganze dreimal in Berlin. Die allermeisten Berliner können dort also nicht fußläufig einkaufen.“
      Es steht doch da, dass amazon nur im Umkreis des Ladens liefert. Also können „die allermeisten Berliner“ auch nicht bestellen.

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