Kassen-Gestell bei dm, Platzprobleme bei Netto (ohne Hund): Wie Händler ihre SB-Bezahl-Tests vermasseln

Kassen-Gestell bei dm, Platzprobleme bei Netto (ohne Hund): Wie Händler ihre SB-Bezahl-Tests vermasseln

Inhalt:

Um zu testen, ob sich Kunden auch im Drogeriemarkt selbst abkassieren, hat dm in einer Filiale einen Rollkassentisch umgedreht. Netto (ohne Hund) schafft für den Einbau von SB-Kassen notfalls auch Artikel ab, die man daran bezahlen wollen würde.

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Sollten Sie schon immer mal mit dem Gedanken gespielt haben, sich als Kassierkraft bei Deutschlands führender Drogeriemarktkette dm zu betätigen (z.B. um dort Bastian Pastewka kennenzulernen), können Sie dort jederzeit nach Wunsch probearbeiten. Ohne Bewerbung, ohne Bescheidsagen, völlig flexibel – Sie müssten bloß in die schöne Fahrrad- und Studentenstadt Münster fahren.

Dort hat dm in einer Filiale einen rollbaren Kassentisch umgedreht und „SB-Kasse“ drangeschrieben.

„Schnell bezahlen und Zeit sparen“, wirbt das Unternehmen draußen vor dem Laden für die Neuerung; und wenn man als Kunde nicht ganz genau hinschaut, ist die Chance groß, dass man auf dem Weg zur regulären Kasse drinnen einfach dran vorbeiläuft, so verschämt wie das Gerät an die Wand neben den Schrank mit den gekühlten Getränken geschoben wurde.

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Bei dem umgedrehten Rollkassentisch handelt es sich um den offiziellen „Self-Scanning-Test“ der Handelskette, die sich von Journalisten zuletzt für ihre Modernität loben ließ, weil sie ihren Mitarbeitern Smartphones für den täglichen Einsatz im Laden zur Verfügung stellt.

Um gleichzeitig SB-Kassengeräte anzuschaffen, die zumindest halbwegs dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, hat das Budget offensichtlich nicht mehr gereicht.

Kunden ziehen ihre Produkte über den in die Tischoberfläche eingelassenen Scanner, stellen sie auf der Klapptischerweiterung daneben ab und klicken sich dann durchs Touchscreen-Menü, das dem Design nach zu urteilen auf Windows 95 läuft. (Aber funktioniert.)

Barbezahlen geht nicht, obwohl es dm auch zuzutrauen gewesen wäre, aus der vorne in den Tisch geschobenen (verschlossenen) Bargeldschublade eine Kasse des Vertrauens zu machen, in der sich Kunden ihr Wechselgeld nach dem Rundungsrabatt selbst rauspulen.

Kassen am Rande des Nervenzusammenbruchs

„Kontaktlos zahlen mit EC- oder Kreditkarte“, steht nebendran am Kartenterminal. Wer dem mit letztgenannten Zahlungsmittel Folge zu leisten gedenkt, bringt die improvisierte dm-SB-Kasse an den Rand des Nervenzusammenbruchs, produziert rot hinterlegte Touchscreen-Fehlermeldungen („Kartendaten fehlerhaft oder Bargeldabhebung für diese Karte nicht zulässig! [Eingabe]“) und findet mit dem herbei gerufenen Mitarbeiter gemeinsam heraus, dass Kreditkarten hier gar nicht akzeptiert werden, weder kontaktlos noch per Einschub.

(Was bei genauerem Hinsehen auf dem Touchscreen-Kartenbezahlbutton rechts unten steht, allerdings der Angabe am Terminal widerspricht.)

„Ist noch ein Prototyp“, sagt der (freundliche) dm-Mitarbeiter. Viele Monate nachdem dm-Geschäftsführer Erich Harsch erklärt hatte (PDF):

„Wir testen Self-Scanning in einigen Pilot-Märkten und werden weitere dm–Märkte mit dieser Technik ausstatten.“

dm-Mitarbeiter können sich also schon mal drauf einstellen, bald ein paar Kassentische in ihren Filialen umdrehen zu müssen.

Sechs auf einen Streich

Netto (ohne Hund) ist mit seinem Feldversuch auf den ersten Blick sehr viel konsequenter. Zumindest hat die Edeka-Tochter für Ihre SB-Kassen-Testfilialen Apparaturen angeschafft, die tatsächlich für die Selbstbedienung gebaut wurden, obwohl optisch durchaus Ähnlichkeit zum dm-Kassenrolltisch besteht.

Die Bedienung ist dann aber doch etwas komfortabler, und Kontaktlos-Kreditkarten werden mit einem freundlichen Bestätigungs-Hicks aus dem Terminal ebenfalls akzeptiert.

Nach dem Supermarktblog-Bericht vom Januar hatte das Unternehmen die Geheimniskrämerei um seinen Test aufgegeben und etwas umständlich erklärt:

„Mit den Expresskassen möchte Netto Marken-Discount seinen Kunden einen weiteren Service auf Basis neuester Technologien anbieten. Damit können Kunden längere Wartezeiten an den Kassen umgehen, die trotz maximaler Kassenbesetzung durch unsere Filialmitarbeiter in Stoßzeiten gegebenenfalls nie gänzlich zu vermeiden sind.“

Nicht in allen Testfilialen ist die gegebenfallsige Warteschlangenumgehung so großzügig gestaltet wie im Osnabrücker Netto (ohne Hund), wo das Unternehmen das offizielle Pressefoto zum „Pilotprojekt“ geschossen hat.

Im Untergeschoss der Wilmersdorfer Arcaden, einem Einkaufszentrum im Westen Berlins, sind sechs der schmalen Kassentresen zwischen die verbliebenen regulären Kassen geklemmt. Das wirkt den erweiterten Bezahlgelegenheiten zum Trotz gar nicht mehr so arg platzsparend.

Natürlich ist es begrüßenswert, dass die Edeka-Tochter überhaupt mit neuen Technologien experimentiert. Für Märkte, in denen es auf jeden Quadratmeter Platz ankommt, hätte Netto (ohne Hund) aber vermutlich besser eine SB-Kassengeneration übersprungen und direkt mittesten können, ob Kunden sich auch an Modelle wagen, die nur noch aus Monitor und Scanner bestehen. (So wie bei Waitrose oder Tesco.)

Freilich hat der Laden mit den „Expresskassen“ trotzdem einen Schnelligkeitsvorteil gegenüber der wenige Meter daneben in der Fußgängerzone gelegenen, nicht sonderlich experimentierlaunigen Rewe-to-Go-Filiale (siehe Supermarktblog).

Trotzdem sind die Netto-(ohne Hund)- Ladendesigner nicht auf die Idee gekommen, während der Marktmodernisierung vor wenigen Wochen zusätzlich zum SB-Kassen-Einbau auch das Angebot für sparfuchsige Sofort-Snacker zu erweitern, um dem teureren Wettbewerber im Erdgeschoss ein Schnittchen zu schlagen. Stattdessen hat Netto (ihne Hund) sein  Snack-Sortiment im Laden – na klar: zur Hälfte abgeschafft.

Gekühlte Getränke? Kein Platz mehr

Wer im Markt nach gekühlten Getränken Ausschau hält, wird von einem bedauernden Mitarbeiter informiert, dass die bislang in Kassennähe dafür reservierte Theke wohl aus Platzgründen ersatzlos ausgebaut wurde: Kühlgetränke gibt’s nicht mehr.

Salate und Sandwiches kriegen auch keinen schicken „take away“-Kühlschrank spendiert, wie in anderen Filialen üblich, sondern müssen sich an dem Rand des übrigen Kühlsortiments quetschen.

Anders gesagt: Netto (ohne Hund) hat einen Laden gebaut, der für Kunden praktisch ist, die bloß schnell ein paar Kleinigkeiten für die Mittagspause kaufen wollen; nur halt ohne besonders gute Auswahl an Kleinigkeiten, die man schnell für die Mittagspause kaufen wollen würde.

Das EHI Retail Institut hat in seiner SB-Kassen-Bestandsaufnahme Ende des vergangenen Jahres nur einen verschwinden geringen Anteil an SB-Kassen im deutschen (Lebensmittel-)Einzelhandel festgestellt. Man muss vielleicht hinzufügen: Selbst Handelsketten, die so tun, als wollten sie das ändern, erreichen mit ihrem Bemühen höchstwahrscheinlich, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Fotos: Supermarktblog"

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14 Kommentare
  • Ich Frage mich immer wenn ich in den Niederlanden unterwegs bin, warum dort sowas alles schon längst Standard ist und in Deutschland die Supermärkte es nicht hinbekommen. Jeder Albert Heijn und jeder Jumbo hat die Handscanner für die Kunden zum direkt scannen am Einkaufswagen oder Sb-Kassen. Ganz zu schweigen von den innovativen Produkten um schnell und gesund ein Essen zu Hause zu machen.

    • Stimmt, das war auch kürzlich in einem niederländischen Albert Heijn unser Gedanke, der nur scheinbar paradox ist: Mit so einem Convenience-Sortiment würden wir viel häufiger zuhause frisch kochen. Mit der appetitlichen Auswahl an bereits geschnippeltem Gemüse in einem dutzend Variationen, fertigen Geflügelstreifen oder auch dazu einem Tiegel Saté-Sauce für 99 Cent wäre jede deutsche Supermarktkette sofort mein neuer Standard-Versorger. SB-Kassen gab es allerdings in den Dörfern des ländlich-touristischen Seeland auch nicht zu sehen.

    • Gibt’s doch. Aber nicht beim Discounter. Das einzige was mir im deutschen Supermarkt bisher wirklich fehlt sind geschälte und gekochte Kartoffeln im Schrumpfbeutel. Das kriegen hierzulande nur Gewerbetreibende im Großmarkt, warum auch immer, gibt im Bereich der Privatkunden wohl noch zuviele Hausfrauen mit zuviel Zeit. Ich koche ja unheimlich gern mit Kartoffeln, wie eigentlich jeder, den ich kenne, aber das Schälen grenzt an Bestrafung und ist gemeinsam mit dem Kochen einfach zeitraubend. Daher ist es auch in gehobener Gastronomie üblich, und auch legitim, die bereits geschält und gekocht zu kaufen.
      Vielleicht liest ja jemand der großen Ketten hier mit. Damit könnte sich ein Supermarkt echt herausheben.

    • Die Angebotsvielfalt in diesem Bereich die Albert Heijn und Jumbo haben, erreicht kein mir bekannter Supermarkt in Deutschland.

    • Deine Wortwahl impliziert ein Problem der Umsetzung oder Modernität. Es ist aber fehlender Wille. Selbst bei den Discountern sind Gewerkschaft und Arbeitnehmervertreter insgesamt noch gut genug mit den Zentralen vernetzt um SB Kassen zu bekämpfen. Letztlich führen sie eben zu Personalabbau. Daher dümpelt das Thema bewusst auf kleiner Flamme dahin.

      Der eine findet das gut, der andere, wie zB du schlecht, aber so ist es eben.

    • Die Supermärkte in den Niederlanden haben mehr sichtbares Personal im Laden, als dir Deutschen. Die Regale werden ständig gefüllt und aufgeräumt. Sie sitzen halt weniger an der Kasse rum.

  • Wenn SB-Kassen das einzige oder dringendste Problem für die Netto-Manager ist, na dann Prost. Die ehemaligen Plus-Filialen sehen auch fast 10 Jahre nach der Übernahme immer noch so aus wie Plus-Filialen mit überklebtem Logo (viel orange-blau überall), Netto City-Filialen werden kaputt gespart und arbeiten mit einem Personalschlüssel wie früher die schlimmsten Schlecker-Märkte, das aktuelle Filialkonzept (v.a. in den ehemaligen Kaiser´s-jetzt-Netto-Märkten umgesetzt) wird fast nirgendwo umgesetzt etc. pp. Mein Netto City steht auf der Schließungsliste und wird so mies geführt und in Schuss gehalten, auf dem Rücken der Mitarbeiter, dass entweder zuerst aus Frust die Kunden komplett ausbleiben oder das Ladenlokal zusammenbricht. Das Schnapsregal z.B. wurde abgebaut, dahinter ein riesiger Wasserschaden und Löcher in der Wand. Aber die Mitarbeiter wurden über den Grund des Abbaus und das weitere Vorgehen nicht informiert…

    • Das Netto Märkte in der Regel eine einzige Katastrophe sind, sehe ich genauso. Hier in der Nähe gibt es einen umgebauten Plus und einen neugebauten Netto. Der eine eng und unordentlich, der andere halt nur unordentlich.

  • Ich hab auch noch keinen schönen Netto gesehen. Ich fand die Plus-Filialen auch schon immer unangenehm zugestellt.

    Am schlimmsten find ich es in Duisburg in der Innenstadt: Da wird schon mal in den Personalräumen geraucht, was auch nach vorne in den Kundenbereich zieht. Die Gänge sind zugestellt mit Paletten und Aktionswaren, das man im Getränkebereich vor der Kasse manchmal nicht mit dem Wagen vorbeikommt, weil es sich zur Sackgasse verengt (rückwärts wieder raus). Vor dem Eingang sitzt häufig eine Bettlerin aus Rumänien oder Bulgarien.

  • Das Beste am Netto ohne Hund ist die großartige Markenvielfalt bei Süß- und Sauerkonserven, oft nehmen die verschiedenen Varianten von Essiggurken einen halben Gang ein. Viele andere Artikel vermisst man hingegen….

  • Und der nächste Discounter prescht mit einer SB-Kasse vor: Penny. Hatte Penny 2009 noch einen Versuch mit SB-Kassen in Bonn abgebrochen ( Paywall, siehe https://www.lebensmittelzeitung.net/it-logistik/SB-Kassen-Penny-bricht-Test-ab-71103 ), so ist im Berliner Markt Weitlingstraße 9 gegenüber vom Lichtenberger Bahnhof jetzt eine einzige (!) SB-Kasse vorhanden, aber noch nicht in Betrieb.

    Ich wurde heute beim Einkaufen durch blaue Pfeile auf dem Fußboden „Scannen Sie doch selber an der SB-Kasse aufmerksam“. Der Markt hat weiterhin 3 personalbediente Kassen, es waren 2 besetzt und die üblichen Schlangen. Von links nach rechts gibt es 2 Kassengänge, links eine heute nicht besetzte personenbediente Kasse und gegenüber die SB-Kasse, rechts einander gegenüber 2 personenbediente Kassen.

    Die SB-Kasse befindet sich dort, wo vorher Quengel- und Aktionsware stand, sie ist noch nicht in Betrieb laut Mitarbeiterin. Ich frage mich ja, wie das dann mit der Aufsicht läuft. Eine Aufsicht für eine SB-Kasse lohnt ja nicht wirklich (bei Kaufland ist eine Aufsicht für 4 – 6 SB-Kassen zuständig, bei Real und Rewe für 4). Ob eine Kassenkraft dann an der personalbedienten Kasse kurz unterbrechen muss bei SB-Kassenproblemen (z. B. Alkoholfreischaltung) oder das an ihrem Kassenbildschirm machen kann ohne aufzustehen frage ich mich.

    Die Kasse akzeptiert Münzen, Scheine (jedoch keine 200- und 500-Euro-Scheine) und bargeldlose Zahlung, jedoch zur Zeit keine Visa-Karte. Sodexo- und Edenred-Gutscheine können nicht eingelöst werden.

    Vielleicht gibt es ja demnächst hier einen ausführlichen Bericht des Autors, die Anreise ist ja nicht so weit…

  • Der Münchner Netto mit SB-Kassen, den ich inzwischen gefunden hab (Augustenstraße, sehr schmaler, aber langer City), ist (oder war?) offenbar so designt, dass die SB-Kassen, die an der Wand stehn, von der direkt gegenüberliegenden Kasse mitbetreut werden können. Hat aber trotz beträchtlicher Schlange eh niemand benutzt; einige haben als Ablagefläche für Gerümpel gedient. (War seither nur einmal drin. Eigentlich hat der vor nicht allzu langer Zeit neue Kassen gekriegt; u.U. sind mir da die SB-Kassen zunächst nicht aufgefallen (möglich, wenn man an der anderen Kasse ansteht).)

  • Im o. g. Penny-Markt war die eine SB-Kasse heute in Betrieb und wurde auch von einigen Kunden genutzt. Wie vermutet wird sie von der gegenüberliegenden Kasse mit betreut, wenn diese nicht besetzt ist, ist auch die SB-Kasse geschlossen.

    Während an den Rewe-Kassen die Schrift groß genug ist, dafür aber Überprüfung der eingeworfenen Münzen ewig dauert, wird hier bei einem anderen SB-Kassenmodell winzig kleine Schrift geboten, dafür geht die Münzüberprüfung sehr schnell.

  • Wie anderswo zu lesen ist (www.chip.de/news/Lidl-bringt-revolutionaeres-Kassensystem-nach-Deutschland_148087275.html) will Lidl wohl demnächst auch SB-Kassen in Filialen in Deutschland installieren. Entgegen dem verlinkten Artikel scheinen zumindest die SB-Kassen bei Lidl in Frankreich (siehe das Photo im Artikel) auch Barzahlung zu unterstützen (espèces auf den Schildern über den SB-Kassen bedeutet in dem Zusammenhang Bargeld).

    Sicher nicht nur mich würde interessieren, ob der Herr Schader schon mehr darüber weiss.

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