Wie sich Waitrose in Großbritannien auf neue Konsumgewohnheiten seiner Kunden einstellt

Wie sich Waitrose in Großbritannien auf neue Konsumgewohnheiten seiner Kunden einstellt

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Um den Einkauf im Supermarkt zeitgemäßer zu gestalten, muss nicht immer gleich das ganze Ladenkonzept umgekrempelt werden. Manchmal reichen auch ein paar einfache Änderungen, wie Waitrose in seinem Laden in King’s Cross demonstriert.

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Wie stellen sich Supermarktketten in Europa auf Veränderungen im Lebensmitteleinzelhandel ein? Wo lauern neue Herausforderer? Und wie lassen sich in die Jahre gekommene Läden so umgestalten, dass Kunden nicht zur Discount-Konkurrenz wechseln? Das Supermarktblog sucht nach Antworten – auf Eurotour in Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Großbritannien. Bisher erschienen:


Muss immer gleich das ganze Ladenkonzept umgekrempelt werden, um den Einkauf im Supermarkt zeitgemäßer zu gestalten? Nö. Manchmal reichen auch ein paar einfache Änderungen. Zumindest wenn man als Händler Lust hat, sich vorher in seine Kunden hineinzuversetzen, um zu verstehen, was ihnen den Einkaufsalltag erleichtern könnte.

Die (an dieser Stelle schon öfter beschmeichelte) britische Supermarktkette Waitrose hat da eventuell einen kleinen Vorteil, weil sie weniger auf Kunden zielt, die beim Einkaufen zuallererst an den Preis denken. (Das hält Discounter wie Aldi in Großbritannien aber nicht davon ab, sich dort in regelmäßigen Abständen für die eigenen Läden inspirieren zu lassen.)

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Im Londoner Bezirk King’s Cross, den Investoren seit einigen Jahren von der Schmuddelgegend zum Szene-Stadtquartier für Wohlhabende (und Google) hochpimpen, eröffnete Waitrose 2015 in einer ehemaligen Lagerhalle einen 2.700-Quadratmeter-Markt, in dem gleich ein ganzer Schwung dieser Mini-Geistesblitze zu besichtigen ist.

1. Empfang am Tresen

Die Idee, sämtliche Services für Kunden an einem Ort im Markt zusammenzuziehen, hatte Waitrose schon vor längerer Zeit (siehe Supermarktblog). Aber der Empfangstresen in King’s Cross ist eine schöne Erinnerung daran, wie aufgeräumt und einladend das aussehen kann. Schnelle Auskünfte, die Abgabe des Anzugs zur Reinigung, ein Blick in den Online-Katalog, der kostenlose Kundentreue-Kaffee zum Einkauf – all das gibt’s an einem Platz.

Und wer seinen online bestellte Einkauf abholen will, wird auch nicht in einen Sonderbunker oder zum Klingeln an die Lagertür geschickt. Sondern fühlt sich in der Marktmitte im wahrsten Sinne des Wortes „empfangen“.

Im Grunde genommen ist das ein Prinzip, auf das auch Real und Kaufland setzen, nur sehr viel weniger konsequent. Selbst neu renovierte Kaufland-Märkte beschränken sich am Markteingang weitgehend auf die Funktion des Auskunftstresens; und bei Real bleibt die in vielen Läden arg schäbige Kundeninformation vor allem dann in Erinnerung, weil man dort betteln muss, per Summer wieder durch das metallene Sperrgatter aus dem Laden gelassen zu werden, wenn man unverrichteten Einkaufs wieder von dannen ziehen mag.

2. Sortierung nach Zubereitung

Hier die Tomaten, daneben der Bio-Salat und Rettich nebenan: Dass es auch in der Obst- und Gemüse-Abteilung hilft, Orientierung zu bieten, anstatt Kunden um jedes Schüttregal laufen zu lassen, müsste eigentlich selbstverständlich sein. (Ist es nicht.)

Waitrose versucht in King’s Cross einen zusätzlichen Kniff und sortiert das Gemüse auch nach seiner (möglichen) Zubereitungsart, quasi als Koch-Direktinspiration. „Pan-fry“, „Boil“, „Mash“, „Bake“ steht auf schwarzen Hinweistafeln, die dazu passenden Gemüsesorten sind direkt darunter einsortiert. Spinat und Kohl schmecken lecker aus der Pfanne, und wie wär’s mal mit einem Süppchen aus Karotten, Pastinaken und Sellerie?

Idealerweise ist ausreichend Platz da, um Gemüse doppelt in den Regalen zu platzieren.

Und falls nicht, funktioniert die Empfehlsortierung auch so wie mit der Pilzvielfalt am Regalkopf, über der aufgelistet ist, welche Sorten sich fürs Frühstück eignen, welche typischerweise für Hauptmahlzeiten und welche als Beilage.

Mit einfachsten Mitteln schubst Waitrose so die Inspiration seiner Kunden an – und braucht dafür weder Touchscreen-Terminals mit Rezeptdrucker noch aufwändig zu befüllende Gittertische mit Zutaten für ein „Rezept der Woche“.

3. SB-Kassen am Markteingang

Wer daheim einen gähnend leeren Kühlschrank zu bestücken und den Einkaufswagen entsprechend gut gefüllt hat, der zahlt gerne in aller Ruhe an den regulären Kassen. Alle, die es eiliger haben, steuern in der Regel die SB-Variante an. So ist das längst üblich in britischen Supermärkten. In King’s Cross hat Waitrose die SB-Kassen aber nicht neben den übrigen platziert. Sondern im gegenüber liegenden Marktteil, nur wenige Schritte entfernt von den Kühlregalen mit Sandwiches, Säften und Salaten.

Schnell-Snacker brauchen also nicht durch den ganzen Markt zu stapfen, um sich bloß was für die Mittagspause mitzunehmen. Und haben deswegen vielleicht noch Muße oder Zeit, in der Bistro-Ecke daneben Platz zu nehmen, um nicht im Büro am Schreibtisch zu essen. Und noch einen Kaffee dazu zu trinken.

Weil Waitrose auf die (in Deutschland immer noch weit verbreiteten) Kontrollwaagen an den SB-Kassen verzichtet, passen acht Monitore mit integriertem Scanner an einen schmalen Tisch, der kaum Platz im Markt wegnimmt.

Die Schnellkassen am Markteingang würden auch vielen deutschen Supermärkten gut stehen. Wenn man dort nicht so strikt auf eine vorgegebene Kundenführung bestehen würde. (Es gibt Ausnahmen: z.B. im Rewe City am Kölner Hohenzollernring mit zwei Ausgängen.)

4. Integrierte Café-Bar

Die offene Marktgestaltung hat noch einen weiteren Vorteil: Anders als in vielen Standardläden wirkt die „Café-Bar“ in King’s Cross nicht wie ein auf die Verkaufsfläche gerammter Fremdkörper, sondern durch den fließenden Übergang von den Snack-Regalen zu den quer gestellten offenen „Pastries“-Inseln zur Selbstbedienung als fester Teil des Markts. (Mit dahinter gelegener Kochschule übrigens.)


Natürlich lassen sich viele dieser Elemente nicht eins zu eins auf andere Supermärkte anwenden (nicht mal die von Waitrose). Vielen fehlt es schlicht an Platz, an Licht, an Experimentierfläche.

Das wissen auch die Briten. Und experimentieren gerade deshalb konsequent auch in Läden, die schon da sind, um den sich ändernden Konsumgewohnheiten der Kunden entgegen zu kommen. So wie im Markt, der in den Betonschluchten des Barbican-Quartiers in der Londoner Stadtmitte liegt und „The Kitchen“ eingebaut bekommen hat – eine Art Notversorgungstheke für eilige Angestellte aus den umliegenden Büros, die mittags schnell, aber deshalb nicht ungesund essen wollen.

5. „The Kitchen“

Avocado auf Toast, ein warmer Porridge, Omelettes: Die Mini-Mahlzeiten werden vom Frühstück bis zum Abendessen direkt in der offen einsehbaren Ladenküche zubereitet („Freshly prepared. All day“) und können sofort mitgenommen werden. Das zu Appetitanregungszwecken angerichtete Beispielessen ausgenommen.

Eigene Sitzgelegenheiten gibt es nicht – „The Kitchen“ ist voll und ganz darauf ausgelegt, Leute zu versorgen, die ohnehin keine Zeit haben, dazubleiben.

Um herauszufinden, ob das dauerhaft funktioniert, lotst Waitrose Kunden notfalls auch vom Kühlregal mit den typisch britischen „Ready Meals“, an dem sie schon stehen, wieder weg – und hin zur „The Kitchen“-Theke um die Ecke („made in store for now or later“).

Auch das ist freilich keine Neuerfindung der Supermarkt-Gastronomie; aber das „The Kitchen“-Konzept passt gut zum selbst aufgebauten Image der Handelskette. Anders als z.B. Rewes „deli am Markt“, wo Mitarbeiter aufgewärmten Billigfleischkäse aus Metallwannen ziehen, bleiche Discountsemmeln mit Minimalbelag im Akkord schmieren und „Pulled Pork Burger“ zum Dumpingpreis von 2 Euro verschleudern.

Wie gesagt: Um den Einkauf im Supermarkt zeitgemäßer zu gestalten, muss nicht immer gleich der ganze Laden umgekrempelt werden. Aber auch kleine Änderungen sollten so durchdacht sein, dass sie zum restlichen Angebot passen, wenn man als Händler Wert darauf legt, von seinen Kunden als glaubwürdig empfunden zu werden.

Hat der Supermarkt ihres Vertrauens auch so gute Ideen zur Einkaufserleichterung? Oder noch viel bessere? Dann teilen Sie die doch mit uns in den Kommentaren!

Fotos: Supermarktblog"

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5 Kommentare
  • Was meiner Meinung nach immer ein wenig untergeht bei der hochinteressanten Präsentierung der Geistesblitze anderer Supermärkte ist die starke Abhängigkeit von der Kaufkraft (die, um fair zu bleiben, durchaus hin und wieder in einer Nebenbemerkung fällt). Hier konkret: Das Zentrum von London strotzt vor Leuten, die sich auch teure Mitnehm-Mahlzeiten locker leisten können, denen es aber massiv an Zeit (weil zu viel Arbeit) und gesundem Lebensstil fehlt, was dann gut für’s eigene schlechte Gewissen *und* für die Selbstdarstellung gegenüber Kollegen mit Rucolasüppchen ausgeglichen werden kann und wird. Gleichzeitig ist über das statistische Mittel seit Jahren Deutschland Schlusslicht, wie viel Geld Leute bereit sind, für Lebensmittel auszugeben.
    Ganz praktisch sehe ich das in Düsseldorf und München ständig: In finanziell besser gestellten Gegenden sind die Supermärkte schicker; ja, sogar ein real (selbst die (real-)Markthalle Krefeld hat es geschafft, ihr edles Image inkl. vorzeigbarer Empfangstheke beizubehalten, aber nur um den Preis, die alte Klientel fast vollständig zu verdrängen; dafür bekommt man Samstags dort fast keinen Parkplatz mehr, da selbst die niederländischen Nachbarn gerne zum Einkaufen und Essen vorbei schauen). Andererseits landete ich letzten Samstag in einer Filiale in Breitscheid, in der wohl jeder Versuch der Verschönerung zum Scheitern verurteilt wäre… Wenn das knappe Investitionsbudget ständig für Vandalismus-Reparaturen aufgebraucht wird, und man fast schon Verständnis, nein, eher Mitleid für die Mitarbeiter aufbringt, die sich mit, sagen wir, eher weniger höflichen Kunden abgeben müssen, sind gestylte Café-Bars kaum umsatzfördernd („was, mehr als 50 Cent für einen Kaffee??? Vorne krieg ich die Leberkäs-Semmel für einen Euro!“).
    Aber ich sehe auch, daß (für mich gefühlt eigentlich schon immer) England und Nordamerika uns meilenweit voraus sind in der Auswahl und Präsentation von Speisen zum Schnell-Essen und Mitnehmen. Woran es liegt, weiß ich nicht, und leider erfährt man ja nie im Detail, woran z.B. die Rewe-Konzepte nun konkret gescheitert sind. Auch ist mir selbst nach eifrigstem Lesen dieses Blogs immer noch nicht klar, wie viel Gestaltungs- und Experimentierspielraum ein Rewe-Markt denn nun tatsächlich hat; selbständige Edeka-Leiter scheinen mehr zu können/dürfen, z.B. eine vierseitige „Salat“bar mit normal „nacktem“ Salat mit Dressings, angemachten Salaten, warmen Beilagen (vom Hähnchenflügel bis zum Falafel), und Süßspeisen. Das war für hiesige Lande schon ein echtes Erfolgserlebnis, aber auch im Modeviertel Düsseldorfs (Kaiserswerther Straße), womit wir wieder bei der Kaufkraft wären…

    • Dass die Supermärkte in besseren Gegenden systematisch schicker sind, würd ich jetzt für München so nicht bestätigen. In den besseren Gegenden gibts hier eh nur sehr wenige Supermärkte, und sie haben auch nicht die Ausdehnung, dass sie einkaufstechnisch völlig von der Umgebung abgekoppelt wären. Ok, es gibt z.B. den Rewe in den 5 Höfen, aber da wohnt man nicht, sondern da fährt man halt zum Einkaufen hin.

      Die Rewes in München sind bis auf ganz wenige Ausnahmen alle Regiemärkte und experimentieren schon deshalb nicht viel mehr, als die Zentrale vorgibt. Die Vor-Tengelmann-Edekas sind dagegen meistens inhabergeführt, wobei die hiesigen trotzdem sehr viel von der Stange übernehmen. Sind auch überwiegend kleinere, die nicht nur faktisch eher vom Konzern abhängig sind, sondern auch rechtlich teils nur bessere Franchisenehmer.

    • Stimmt schon, München bietet da einige Überraschungen, im positiven wie im negativen… aber für die Snack-Versorgung kommt es ja weniger auf die Menge der Anwohner als auf die Anzahl der hungrigen Werktätigen an, und das gilt sowohl für die meisten innerstädtischen Märkte in London wie auch in München, siehe „5 Höfe“ oder auch den schon hier (https://www.supermarktblog.com/2017/03/20/rewes-ladendesign-offensive-mehr-schick-mehr-snacks-und-das-ende-des-vorkassenbaeckers/) besprochenen, äußerst angenehmen Rewe in der Neuen Hopfenpost zwischen Hauptbahnhof und Bayerischen Rundfunk.

  • Mal schauen, was der neue Düsseldorfer Edeka Zurheide in zwei Wochen zu bieten hat (https://www.antenneduesseldorf.de/nachrichten/neuer-grosssupermarkt-an-der-berliner-allee-eroeffnet-am-22-maerz_28159.html), flächenmäßig und vom selbst beschriebenen Anspruch her sollte da auch was gehen…
    (Ich bin weder verwandt, bekannt, noch beteiligt, nur SEHR neugierig, da schon der Zurheide im Süden Düsseldorfs ein bemerkenswertes Ausflugsziel ist, mit (wenn ich mich nicht verzählt habe) sechs zumeist im Markt (also nicht davor) integrierten Cafés, Restaurants, Theken.)

  • Der Rewe City in der Europapassage in Hamburg wurde vor kurzem umgebaut, sieht jetzt noch mehr nach to go aus als vorher und hat einen Sushistand, einen Kaffeeautomaten, der sehr an Penny erinnert (sieht ganz so aus als wäre da einfach ein Rewe-Logo drübergeklebt worden) und 6 (oder 8?) SB-Kassen, aber natürlich das typisch deutsche Modell mit Waage und Bargeldakzeptanz.

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