Ocado verbündet sich für neuen Food-Delivery-Dienst mit Stuart
Sieht aus wie ein Online-Supermarkt, navigiert sich auch wie ein Online-Supermarkt – aber trotzdem wär’s ratsam, wenn Quickservice-Betreiber und Lieferrestaurants etwas genauer hinsehen, was Ocado Zoom da gerade in London anstellt. Ende vergangener Woche ist der neue Dienst gestartet, vorerst nur als Test im Westteil der Stadt. Wenn sich der allerdings als Erfolg herausstellen sollte, wären das nur so mittelgute Nachrichten für (Schnell-)Gastronomen.
Weniger, weil Ocado Zoom seinen Kunden verspricht, Müsli, Erdnussbutter und Waschmittel in „weniger als 60 Minuten“ nachhause zu bringen. Sondern eher, weil dieser Versuch, einen Schnelleinkauf mit automatisierter Kommissionierung zu etablieren, auch Potenzial hat, die Karten im Lieferessenmarkt noch mal völlig neu zu mischen. Zumindest hält das 10.000 Artikel umfassende Sortiment zahlreiche Möglichkeiten bereit, sich ein Mittagessen oder einen Snack für sofort nachhause oder ins Büro zu ordern. Und zwar ohne dafür einen hohen Mindestbestellwert einhalten oder üppige Lieferkosten in Kauf nehmen zu müssen. Genau das macht Ocado Zoom zum ernsthaften Restaurant- und Supermarktrivalen.
Noch betont Ocado diese Funktion nicht über, die Starseite lockt aber bereits mit einer hervorgehobenen Auswahl an „Quick meals“ und der Kategorie „Ready Meals & Pizza“, in der es Mahlzeiten aus unterschiedlichen Küchen gibt: italienisch, vietnamesisch, mexikanisch, indisch, britisch – die freilich, wenn sie ankommen, noch in die Mikrowelle geschoben werden müssen. Aber man muss ja bloß mal zu rechnen anfangen:
Einmal Chilli Ramen Chicken von Wagamama mit einem Portiönchen Edamame-Bohnen zur Vorspeise kostet bei Deliveroo 16,25 Pfund, obendrauf kommen stattliche 3,59 Pfund Liefer- und 50 Pence Servicegebühr. Macht zusammen 20,34 Pfund fürs Lunch.
Bei Ocado Zoom gibt’s z.B. Thai Coconut Curry von BOL, eine Higgidy-Mini-Quiche mit Feta und Tomaten als Vorspeise dazu, plus Softdrink und Gü Limited Edition Salted Caramel Cheesecake zum Nachtisch – und das Waitrose Roasted Mushroom Risotto für morgen, um die Mindestbestellwertpunktlandung zu schaffen. Obendrauf kommen 1,99 Pfund Liefergebühr. Macht zusammen 16,99 Pfund für ein ganzes Lunch-Buffet, wahlweise teilbar mit dem Bürokollegen, ohne sich einen Meter vor die Tür bewegen zu müssen. Klingt wie ein ziemlicher Alptraum für das Liefergeschäft etablierter Systemgastronomen und Schnellpizzerien.
Dabei müsste Ocados Sandwich-Lieferdienst natürlich erst die Testphase überstehen, um seine tatsächliche Wucht entfalten zu können: In der vergangenen Woche gab Ocado bekannt, sein britisches Liefergeschäft künftig im Joint-Venture mit den Food-to-Go-Spezialisten von Marks & Spencer betreiben zu wollen. Deren riesiges Sofortverzehr-Sortiment kann Ocado seinen Kunden aber wegen der bestehenden Vereinbarungen mit dem Wettbewerber Waitrose wohl erst im Herbst kommenden Jahres zugänglich machen. Wenn Zoom so lange durchhält, dürfte das dem Dienst noch einmal eine neue Dimension hinzufügen.
Interessant ist aber auch, mit wem sich Ocado für Zoom zusammengetan hat: Ausgeliefert werden Bestellungen nämlich nicht mit den bekannten Ocado-Vans, sondern vom Partner Stuart, einem in Paris gegründeten Delivery-Start-up, das 2017 von GeoPost übernommen wurde, einer Tochter der französischen Groupe La Poste. Stuart ist auf „last mile delivery“ spezialisiert, bringt in Paris z.B. Bestellungen von Zalando per Express nachhause und ist zudem seit 2016 Partner des Handelskonzerns Carrefour für dessen Zoom-Pendant „Carrefour Livraison Express“, das inzwischen in zahlreichen französischen Städten angeboten wird.
Mit der Direktlieferung frischer Lebensmittel und Snacks treten die Franzosen nun verstärkt als Konkurrenten der klassischen Restaurant-Lieferlogistiker in Erscheinung. „Kunden gewöhnen sich zunehmend an den Komfort immer schnellerer Direktlieferungen“, wirbt das Start-up derzeit in Anzeigen für seine Dienste. „[…] Stuart ermöglicht Händlern und Restaurants On-Demand-Delivery ohne risikoreiche Vorab-Investitionen.“ Derzeit sind die blau uniformierten Radler – die für größere Lieferungen auf Motorrad oder PKW umsteigen – in 60 Städten in Großbritannien, Frankreich und Spanien unterwegs. „Wir schauen uns aber auch andere europäische Länder an“, lässt sich Commercial Director Nicole Mazza zitieren.
Im deutschen Logistikmarkt ist die Stuart-Mutter GeoPost mit ihrer Tochter DPD engagiert, die wiederum am Same-Day-Delivery-Spezialisten Tiramizoo beteiligt ist, von dem man schon länger nix Neues mehr gehört hat. Aber vielleicht kriegt der ja auch irgendwann Appetit auf Sandwiches?
Snacks aus dem Supermarkt per PrimeNow und Deliveroo
Es gibt freilich noch mehr Beispiele dafür, dass die Grenzen zwischen den Lieferlogistikern für Gastronomen und denen für Händler zunehmend verschwimmen. Deliveroo zum Beispiel bringt seinen Kunden – ähnlich wie Thuisbezorgd.nl in den Niederlanden (siehe holyEATS #25) – nicht mehr bloß fertig gekochte Mahlzeiten, sondern z.B. in Manchester und London auch Artikel aus dem Super- bzw. Convenience-Markt. Dafür kooperiert das Unternehmen mit der britischen Supermarktkette The Co-op. Das Sortiment in der Deliveroo-App ist – je nach Standort und Verfügbarkeit – sehr viel begrenzter als bei Ocado Zoom. Aber für den schnellen Hunger und den abendlichen Durst reicht’s allemal.
Bislang stehen vor allem (alkoholische) Getränke im Mittelpunkt („Beers – Ciders – Wines – Spirits“), aber direkt danach folgen „Snacks“, „Pizza/Ready Meals“ und „Convenience Food“. Nach dem Start Anfang 2018 haben Deliveroo und The Co-op das Angebot relativ geräuschlos ausgebaut, vorerst als Zusatzangebot für alle Kunden, die in der App bislang auch schon fertiges Lieferessen geordert haben und keine Lust auf Supermarktschlangestehen.
Zu den Hauptkonkurrenten gehört Amazons PrimeNow, das die jetzige Entwicklung zwar angestoßen haben mag, aber zugleich die vielleicht größte Enttäuschung ist – weil Amazon zuzutrauen gewesen wäre, PrimeNow sehr viel zeitiger auch als expliziten Lunch-Lieferdienst zu positionieren. (Erst recht, nachdem sich der Konzern mit seinem Gastro-Pendant Amazon Restaurants aus London zurückgezogen hat.) Seit dem Erwerb der Biomarktkette Whole Foods verfügt Amazon schließlich über ein reichhaltiges Repertoire an Quick-Lunch-Optionen, die in den amerikanischen Filialen zum absoluten Standard gehören – und zumindest im amerikanischen PrimeNow auch schon deutlich prominenter platziert sind.
Mit einem Scroll und einem Klick in der Whole-Foods-Produktübersicht haben Kunden Bestellzugriff auf „Quick and easy meals“: Superfood-Salate, Sushi-Kombinationen, Chicken-Empanadas, Suppen und Sommerrollen, die per PrimeNow nachhause kommen. Bislang allerdings mit dem Hindernis, dafür trotz Prime-Mitgliedschaft nochmal 4,99 Dollar Liefergebühr im Zwei-Stunden-Zeitfenster blechen zu müssen. Da will das Hungergefühl wohl überlegt sein.
Mag sein, dass Amazon auf diese Weise vermeidet, seinen in den USA weiter betriebenen Restaurants-Service zu kannibalisieren. Aus Kundensicht dürfte es aber zunehmend unverständlicher werden, wozu es dieses Sammelsurium unterschiedlicher Direktlieferdienste mit wechselnden Konditionen gibt – wenn man doch einfach nur was zu essen bestellen möchte.
Shake Shack brät Burger on the Road
Höhere Lohnkosten und teure Neueröffnungen haben bei der zackig expandierenden US-Burgerkette Shake Shack (siehe holyEATS #17) im vergangenen Jahr die Gewinne gedrückt. Macht aber nix, die Fast-Casual-Spezialisten haben schon eine neue Idee, wie sich künftig mehr Shack-Burger und Cheese Fries verkaufen lassen, ohne dafür lästige neue Mietverträge in teuren Innenstadtlagen abschließen zu müssen: Indem man die Speisekarte kurzerhand motorisiert.
Seit vergangener Woche gibt es den „Shack Truck“: eine fahrende Burgerkettenfiliale, buchbar für private Partys, Events und Festivals. Was der Frittenspaß kostet, verrät das Unternehmen nur bei konkreten Buchungsanfragen; auch das tatsächliche Menü scheint bislang anlassabhängig zu sein. Mit vorerst zwei Trucks, die im Raum New York (inklusive New Jersey, Connecticut und Pennsylvania) bzw. Atlanta unterwegs sind, dürfte die Burger-Revolution außerhalb klassischer Restaurantlagen zwar ein Weilchen dauern. Wenn sich Streetfood-Betreiber die Strategien für ihre Expansion bei der Schnellgastronomie abschauen, ist es aber natürlich bloß konsequent, wenn sich Fast-Casual-Anbieter umgekehrt von der Foodtruck-Szene inspirieren lassen.
Vielleicht sagt das jemand dem neuen Vapiano-Chef, damit der für seine Mission zur Schnellnudelkettenrettung flugs zwei rollende Live-Cooking-Stationen auf die Straße bringen kann und deutsche Hochzeitspaare den schönsten Tag ihres Jahres mit der Anmietung einer Bolognese-Basis aufwerten können. Arbeitstitel: Vapiano Pasta-Laster.
Nachschlag
- Die auch in diesem Newsletter regelmäßig berücksichtigen Bowl-Pioniere von Beets & Roots haben für ihre Expansion einen „siebenstelligen Betrag von Investoren erhalten“, weiß Gründerszene.de – viel mehr aber auch nicht. (Gründerszene)
- Nein, kein Witz: Air Asia will sein Flugzeugessen künftig in einem eigenen Fastfood-Restaurant auch Am-Boden-Gebliebenen zugänglich machen. (Skift)
- Und in den dieses Jahr eröffnenden Star-Wars-Themenwelten von Disneyland und Disney World wird niemand hungern müssen, die Bereitschaft zum Space-Food-Verzehr vorausgesetzt. (Eater)
P.S.: Happy Birthday, holyEATS! Dieser kleine Newsletter ist am 1. März bereits ein Jahr alt geworden. Ich freu mich, dass Sie mitlesen!
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