holyEATS #36: Berlin Food Week holt das „Stadtmenü“ nach Hamburg und Düsseldorf, Brewdogs Bier-Erlebnispark, Salatroboter übernehmen die Lunch-Herrschaft

holyEATS #36: Berlin Food Week holt das „Stadtmenü“ nach Hamburg und Düsseldorf, Brewdogs Bier-Erlebnispark, Salatroboter übernehmen die Lunch-Herrschaft

Foto: Berlin Food Week/Dirk Mathesius
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Wie schmeckt die Stadt? Gastronomen im Norden und Westen probieren’s aus.

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Hamburg und Düsseldorf kriegen ihr eigenes „Stadtmenü“

Wie schmeckt die Stadt? Die Berlin Food Week probiert’s seit 2014 aus und bringt einmal jährlich Profiköche und Food-Manufakturen mit Hobby-Gastronomen und Start-ups zusammen – für den gemeinsamen Austausch, und natürlich: um miteinander zu essen. Die Vielfalt der unterschiedlichen Küchen zwischen Wedding und Steglitz bzw. Charlottenburg und Friedrichshain hat sich bislang zwar noch nicht ins Berliner Hauptstadt-Marketing herumgesprochen. Für Berliner:innen und Berlin-Besucher:innen ist es aber zur schönen Tradition geworden. 58.000 besuchten im vergangenen Jahr eine der Veranstaltungen, die von der Food Week als Klammer zusammengehalten werden: Food-Night-Gala, „Cooking Schools“ und das „House of Food“ im Alternativeinkaufszentrum Bikini.

Damit das dezentral konzipierte Festival tatsächlich in der ganzen Stadt erlebbar wird, gibt es zusätzlich das „Stadtmenü“: Restaurants aus allen Kiezen interpretieren ein jährlich wechselndes Motto kulinarisch für sich und setzen ein eigens für die Dauer der Food Week kreiertes Menü auf ihre Speisekarte – vom Szeneladen bis zum Fine-Dining-Restaurant. „Das ‚Stadtmenü‘ war von Anfang an eines der wichtigsten Formate der Berlin Food Week“, sagt Alexandra Laubrinus, Geschäftsführerin des Festivals, das die Agentur Schröder + Schömbs PR in Kooperation mit Gründer Alexander van Hessen organisiert. „Im Laufe der Zeit sind immer mehr Restaurants dazu gekommen. Die Gastronomen profitieren durch zusätzliche Aufmerksamkeit und können neue Gäste für sich gewinnen.“ Mit 70 Restaurant-Teilnehmern hat das in Berlin im vergangenen Jahr so gut funktioniert, dass daraus die Idee entstand, das Stadtmenü auch in andere Metropolen zu holen.

Los geht’s schon in wenigen Wochen: Vom 9. bis 15. September entwickeln Gastronomen in Hamburg und Düsseldorf erstmals spezielle Mehrgänge-Menüs, die wie in Berlin zwischen 29 und 99 Euro kosten sollen – je nach Angebot. „Beide Städte gehören auf jeden Fall zu den gastronomisch spannendsten in Deutschland“, sagt Laubrinus. Für den Stadtmenü-Start planen die Veranstalter mit jeweils 25 teilnehmenden Restaurants, von denen einige bereits zugesagt haben (z.B. Williams Bar & Kitchen, Karl’s, Massi, Berens am Kai und Patrick’s Seafood N°1 in Düsseldorf sowie Heimatjuwel, Meatery, Five und Haebel in Hamburg). Der Food-Week-Landespartner USA aus dem Vorjahr ist wieder mit von der Partie. Unterstützt werden die Gastronomen auf Wunsch mit Produkten ausgewählter amerikanischer Verbände und Erzeugergemeinschaften. In Hamburg sind US Beef sowie Food Export Northeast mit von der Partie, das dazu passende Motto lautet „Shell we Meat?“. In Düsseldorf wird „So(fish)ticated“ gekocht, als Produktpartner kommen California Wines und Alaska Seafood an Bord. Im Vordergrund soll aber erneut die „inhaltlich-kreative Herangehensweise“ der Gastronomen stehen – nur zum Motto muss sie passen.

Um auch tatsächlich die kulinarische Vielfalt der Städte abzubilden, haben sich die Organisatoren Kenner der lokalen Gastro-Szenen als Berater ins Team geholt. Und Ende Oktober geht dann das „Stadtmenü“-Original in Berlin in die nächste Runde – erstmals wahrscheinlich mit Produktpartnern aus mehreren Ländern.


Disneyland für Bier-Fans: Brewdog konkretisiert Berlin-Pläne

Die schottischen Craft-Beer-Brauer von Brewdog haben ihre Pläne mit der im Frühjahr vom Mitbewerber Stonebrewing in Berlin-Mariendorf erworbenen Brauerei (siehe holyEATS #30) verraten. Die Grundstruktur der erst vor drei Jahren sanierten Halle soll erhalten bleiben und um Brewdog-typische Designelemente ergänzt werden, bloß die Bar rückt nach vorne in die Mitte. Versprochen ist eine „vollständig neue Essenskarte“, was sich als Hinweis darauf deuten lässt, dass die neuen Eigentümer im Marienpark über die an ihrem Berliner Erststandort praktizierte Pizzagrundversorgung hinausgehen wollen. Außerdem wird künftig ein eigenes Bier für den deutschen Markt gebraut: ein „hopped up Helles – paying tribute to a classic German style whilst putting a BrewDog spin on this“. (Namensvorschläge sind willkommen.)

Die übrigen Vorhaben lesen sich ein bisschen so, als würden die Schotten am Rande der Stadt einen Craft-Beer-Themenpark aufziehen wollen. Es soll eine Spielfläche mit alten Videospielautomaten und Shuffleboard-Tischen geben, ein Craft-Beer-Museum – und wer sich dann immer noch nicht ausreichen behopft fühlt, kann gleich zum Arbeiten dableiben: in Europas (vermutlich ersten und einzigen) Co-Working-Brauereibüro. Platz für Haustiere ist auch: im „Dog Park“ mit Biergartenanschluss. Für alle deutschen Brewdog-Unterstützer bzw. Investoren („Equity Punks“), von denen die Brauer inzwischen „fast 1.500“ zählen, gibt es noch eine weitere Ansage: Im Herbst soll das traditionelle „Annual General Mayhem“ – eine Art Hauptversammlung mit Live-Konzert und Freibier – erstmals nicht am Brewdog-Gründungsstandort im schottischen Aberdeen, sondern eben in Berlin passieren (am 7. September). Ach, und wenn die Brewdog-Gründer James Watt und Martin Dickie gerade schon am Investieren sind: Könnten sie dann nicht gleich dafür sorgen, dass das mit der neuen in der Nähe geplanten S-Bahn-Haltestelle ein bisschen schneller als geplant geht? Davon profitiert dann ja auch das Craft-Beer-Disneyland. Klasse, danke.


Macht Karakuri Lunch-Personalisierung zum Standard?

Extra Zwiebeln, lieber kein Gürkchen, Barbecue-Sauce statt Ketchup? Im Schnellrestaurant können hungrige Kunden die Zubereitung ihres Lieblingsburgers bereits seit längerem an Bestellsäulen individualisieren – und neuerdings auch per App. (Gerade meldete McDonald’s offiziell Vollzug für die deutschlandweit nutzbare App-Bestellung im Restaurant.) Und die übrige Gastronomie kann sich – inklusive der großen Delivery-Plattformen – schon mal darauf einstellen, dass die digital gesteuerte Personalisierung von Bestellessen schon bald zu den Standards in der Branche gehören wird. Vorausgesetzt, der Salatroboter von Karakuri macht im Live-Dauerbetrieb nicht die Grätsche.

Als der britische Lebensmittel-Lieferdienst Ocado vor einem Monat meldete, sich an besagtem Robotics-Start-up zu beteiligen, war das zahlreichen Medien eine kurze Meldung wert. Dabei ging aber ein bisschen unter, was sich Gründer (und Neueigentümer) von der neuen Technologie eigentlich versprechen: Nicht nur die Automatisierung der Zubereitung von Ready Meals und frischen Salaten. Sondern auch die Möglichkeit für Besteller:innen, sich ihr Wunsch-Lunch aus den 48 vom Salatroboter kombinierbaren Zutaten selbst zusammenzustellen – auch, um ungeliebte Rosinen von vornherein aus dem Salat zu picken, aber vor allem, um Allergien, Unverträglichkeiten und unterschiedlichen Ernährungsstilen Rechnung zu tragen. Laut Karakuri-CEO Barney Wragg sollen davon in erster Linie Schnellrestaurants und Handelsketten profitieren, die bislang aus Kostengründen auf standardisierte Rezepte setzen. „Our systems prepare personalised meals onsite in real-time and to the exact requirement of each customer.“ Und Ocado? Könnte die individualisierten Salate mit seinem derzeit in London erprobten Schnelllieferdienst Zoom (siehe holyEATS #28) rechtzeitig zur Mittagspause im Büro liefern, um damit zum ernsthaften Konkurrenten für etablierte Sandwichketten zu werden.

Hört sich womöglich leichter an als es ist. Weil Karakuri sicherstellen muss, dass Allergiker auch wirklich nur die Zutaten in ihrem Bestellsalat finden, die sie vertragen. Pret hat in den vergangenen Jahren erlebt, was passiert, wenn das nicht der Fall ist: 2016 starb eine 15-Jährige an einem allergischen Schock, nachdem sie ein Baguette der Kette verzehrt hatte, in dem Sesam enthalten war (ohne Hinweis auf der Packung). Bisher mussten frisch zubereitete Snacks in Großbritannien nicht individuell gekennzeichnet sein. Pret ändert das jetzt von sich aus: Vergangene Woche kündigte CEO Clive Schlee an, sämtliche frisch hergestellten Pret-Produkte mit vollständigen Inhaltsangaben zu labeln. In den Shops können Kund:innen zudem an Touchscreens nach Produktzutaten suchen, auf die sie potenziell allergisch reagieren. Schlee hat angeboten, die Erkenntnisse seines Teams auch mit direkten Wettbewerbern zu teilen.


Nachschlag

  • Die US-Pizzakette Papa John’s startet in Deutschland und übernimmt dafür Uno Pizza aus Halle, wo man was von „übereinstimmenden Werten“ faselt – hoffentlich nicht die hier. (Mitteldeutsche Zeitung, NRN Restaurants)
  • Österreichische McDonald’s-Restaurants funktionieren seit kurzem als Ersatz-Botschaften für US-Bürger? (BBC News)
  • Und das Gastrobranchenwerbe-Organ „Food Service“ beginnt sein Interview des mächtig unter Druck stehenden Vapiano-CEO Cornelius Everke mit dem Satz: „Glückwunsch zum Deal mit den Alteigentümern und den Banken.“ (Food Service)
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