Neue Lieferdienste (1): Wie Knuspr sich als Alternative zu den „Supermarkt-Giganten“ positioniert

Neue Lieferdienste (1): Wie Knuspr sich als Alternative zu den „Supermarkt-Giganten“ positioniert

Foto: Knuspr
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Bei seiner Deutschland-Expansion will Knuspr einiges anders machen als die etablierten Wettbewerber und setzt dabei stark auf regionale Produkte von kleinen Höfen und Herstellern. Zur Zielgruppe gehören vor allem junge Familien, die sonst im Supermarkt und im Bio-Laden einkaufen.

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Was ist der Unterschied zwischen Lebensmittel-Lieferdiensten und Superheld:innen? Die einen – Rewe Lieferservice, Amazon Fresh, Bringmeister – sind Generalisten und sorgen dafür, möglichst den kompletten Wocheneinkauf nachhause zu bringen. Die anderen – Thor, Black Widow, Iron Man – sind Spezialisten und garantieren mit ihren hochspeziellen Spezialkräften, dass bis zum ausgesuchten Liefertermin die Welt nicht untergeht. Zumindest war das bisher so. Es ändert sich aber gerade.

Auch die neuen Lieferanbieter wollen zwar stets zur Stelle sein, wenn ihre Kundschaft sie braucht. Gleichzeitig versuchen sie sich aber eine Superkraft zuzulegen, die sie von ihren Mitbewerbern unterscheidet. Am offensichtlichsten praktizieren das die Quick-Commerce-Dienste, die fast alles dem Versprechen unterordnen, „in Minuten“ mit der App-Bestellung an der Haustür zu stehen.

Doch Schnelligkeit ist nicht mehr das einzige Argument, mit dem Kund:innen überzeugt werden sollen, zum Einkaufen zuhause zu bleiben. Und kein anderer Dienst weiß den Superpower-Vorteil gerade so clever einzusetzen wie das zur tschechischen Rohlik-Gruppe gehörende Knuspr.

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Lästern gegen die „Supermarkt-Giganten“

Der niedliche Name und das putzige Croissant im Logo täuschen ein bisschen über die Angriffslustigkeit hinweg, mit der Knuspr im vergangenen Jahr in München aufgeschlagen ist und kurz vor Jahresende seine Ambition für die nächsten Jahre formuliert hat (siehe Exciting Commerce).

Denn die lautet: Mit rund 30 Prozent Marktanteil bis 2024 im deutschen Lebensmittel-Onlinehandel Marktführer zu werden. Davon ist man mit bislang einem aktiven Standort noch weit entfernt. Aber erstens kommt in knapp zwei Wochen – am 15. Februar – mit dem Rhein-Main-Gebiet bereits der nächste hinzu. Und zweitens gibt sich Deutschland-Geschäftsführer Erich Comor schon seit Monaten große Mühe, Neukund:innen auf Knuspr aufmerksam zu machen.

Knuspr-Geschäftsführer Erich Comor; Foto: Knuspr

Comor lästerte per Pressemitteilung über die „dürftige Qualität von frischen Lebensmitteln in den deutschen Supermärkten“, die von den „alteingesessenen Supermarkt-Giganten“ mitzuverantworten sei, weil deren „jetzige Struktur (…) systematisch Kleinbetriebe aus dem Markt“ dränge – und versprach im gleichen Atemzug, mit Knuspr „die Probleme des festgefahrenen Lebensmittelhandels“ zu lösen. Was die anderen (aus Knuspr-Sicht) alles falsch bzw. nur so mittelrichtig machen, hatte man auch direkt parat.

Soviel Provokation hat sich hierzulande bislang noch keiner getraut, und möglich ist das vor allem deshalb, weil Knuspr im Gegensatz zu manchem Konkurrenten nicht darauf ausgerichtet ist, mit einer der großen Handelsketten ins Geschäft zu kommen, um sich die aufwändige Warenbeschaffung zu erleichtern.

Einkaufsalternative für Supermarkt- und Bio-Kund:innen

Ganz im Gegenteil: Knuspr versucht sich – wie die Geschwister in Tschechien, Ungarn und Österreich – bewusst als Alternative im Markt zu etablieren, nicht nur, was die schnelle Lieferung innerhalb von drei Stunden am selben Tag oder am nächsten Morgen angeht (wofür Kommissionier-Mitarbeiter:innen in „Dauernachtschicht“ gesucht werden).

Sondern auch hinsichtlich des Produktangebots, für das Waren von – großen und kleinen – Herstellern direkt beschafft werden, und bei dem „Regionalität und Frische“ im Mittelpunkt stehen, weswegen Knuspr „Supermarkt und Hofladen in einem“ sein will.

Das ist schlau, um bei Kund:innen Neugierde zu wecken, die ihren Wocheneinkauf bislang aus Märkten von Edeka oder Rewe und reinen Bio-Läden kombinieren, weil sie klassische Markenartikel und ökologisch hergestellte Produkte gleichermaßen schätzen. Das Knuspr-Angebot lautet: Macht das doch künftig einfach beides bei uns – ohne selbst zu schleppen. Es ist aber auch ein ziemlicher Aufwand, diesem Versprechen überall gerecht zu werden.

Um überzeugend zu wirken, verspricht der Neuling, je nach Standort bis zu 30 Prozent seiner Produkte aus der jeweiligen Region zu beziehen und mit Höfen und Hersteller:innen eine „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ zu pflegen. Insbesondere solchen, deren Artikel es sonst nur in Ausnahmen in die großen Ketten schaffen, weil sie nicht ausreichend Ware liefern können, um hunderte von Marktregalen damit zu füllen.

Startschuss in Rhein-Main …

Nach eigenen Angaben befinden sich aktuell 12.000 Artikel im Knuspr-Sortiment, so viele wie in einem regulären Supermarkt. In München werden aktuell bereits 40.000 Kund:innen mit einem durchschnittlichen Warenkorb von rund 80 Euro beliefert. Pro Liefertour mit den per Gas oder Strom betriebenen Fahrzeugen werden zwischen sieben und zehn Haushalte versorgt.

In München fahren die Liefertransporter das Knuspr-Croissant auf dem Dach bereits durch die Stadt spazieren; das Rhein-Main-Gebiet und Hamburg kommen als nächstes; Foto: Knuspr

Das klingt so, als habe Knuspr im Süden der Republik, wo nach dem Start Erding, Freising und Augsburg als weitere Liefergebiete dazu gekommen sind, tatsächlich einen guten Start erwischt. Das bisherige Lager sei gerade mal zu 20 Prozent ausgelastet, drohte Comor den Mitbewerbern bereits – und will bei voller Auslastung die Nachfrage von 40 Supermärkten abdecken. Pro Lagerstandort.

Den nächsten Angriff wagt Knuspr in und um Frankfurt am Main, wo derzeit bereits Testlieferungen in die Umgebung laufen, bis in wenigen Tagen alle Kund:innen rund um das neue Lager in Bischofsheim bestellen können.

Patrick Weiss, Head of Brand & Marketing Communications bei Knuspr, konkretisiert im Supermarktblog-Gespräch das Liefergebiet:

„Wir werden im Norden Frankfurts bis Bad Homburg liefern, im Osten bis kurz hinter Offenbach, im Süden bis Pfungstadt unterhalb von Darmstadt und im Osten umschließen wir Mainz bis Nieder-Olm.“

… und dann im Norden

Auch kurz vor dem Start werden noch Mitarbeiter:innen gesucht, u.a. für den Lager-eigenen Backshop, in dem Knuspr „Brot-, Klein- und Feinbackwaren“ selbst aufbacken und veredeln lässt, um sie ofenwarm zur Kundschaft bringen zu können. Gleichzeitig sollen regionale Partner aber auch fertig gebackene Ware zum Verkauf bereit stellen. Das nächste Ziel für Knuspr steht auch schon fest.

„Wir planen den Start in Hamburg für das dritte Quartal dieses Jahres. Unsere Zielgruppe inklusive der jungen Familien ist dort ähnlich ausgeprägt wie in München und Rhein-Main. Und das Alte Land passt mit seiner Vielfalt an Produkten von kleinen Höfen perfekt zu unserem Ansatz“,

sagt Knuspr-Manager Weiss. Im Norden Deutschlands hat sich Knuspr in Hamburg-Obergeorgswerder nieder gelassen. Dass in Düsseldorf-Lierenfeld und Köln-Porz bereits weitere Lagerflächen angemietet sind, ist kein Geheimnis mehr. Wann die ersten Knuspr-Transporter dort ausfahren, will Weiss aber derzeit noch nicht verraten.

Dafür gibt man sich bei Knuspr flexibel, was die künftige Entwicklung der Liefergebiete angeht:

„Wir sehen natürlich sehr genau, wo sich Kund:innen auf unserer Seite für eine Belieferung voranmelden und versuchen darauf relativ dynamisch zu reagieren, so lange ein Standort innerhalb unseres zugesagten Lieferfensters am gleichen Tag erreichbar ist.“

Klassische Marken, Alnatura-Bio, M&S

Um dem Versprechen, anders als die klassischen Anbieter zu sein, Nachdruck zu verleihen, verlässt sich Knuspr bei der Expansion nicht nur auf Regionalität und eine schnelle Zustellung, sondern demonstriert auch in anderen Punkten Geschick – zum Beispiel bei der Zusammenstellung des Sortiments.

In dem gibt’s ganz selbstverständlich den Marktführer unter den Nuss-Nougat-Streichcremes und das Lieblingsmarkenknäckebrot zu kaufen, dazu – genau wie in Tschechien und bei der österreichischen Schwester Gurkerl – eine große Auswahl an Bio-Produkten des Partners Alnatura sowie exklusiv Lebensmittel der britischen Kette Marks & Spencer (wenn die nicht gerade „leider ausverkauft“ sind).

Markenkooperationen werden zum Standard im Online-Lebensmittelhandel; Foto [M]: Gurkerl.at/Smb

Gleichzeitig will man Kund:innen die Möglichkeit geben, den Lebensmittel-Einkauf zumindest ein klein bisschen nachhaltiger zu gestalten.

Dafür gibt’s u.a. die „Eco Delivery Slots“ – Lieferzeitfenster, die mit einem grünen Blatt gekennzeichnet sind und zu denen es heißt: „Wir liefern bei dir in der Gegend aus. Bestell doch auch und hilf uns so dabei, die Umwelt zu schonen.“ Knuspr-Manager Weiss erklärt, die Münchner:innen würden bereits „rege Gebrauch“ davon machen – was auch daran liegen könnte, dass viele die Möglichkeit vom Wettbewerber Bringmeister kennen, der es fast genauso macht.

Liefer-Einkauf in der Mehrwegtüte

Mit seinem im vergangenen Sommer eingeführten Pfandsystem für Mehrwegtaschen ist Knuspr zumindest im deutschen Markt aber aktuell (noch) konkurrenzlos: Kund:innen zahlen einmalig 10 Euro Pfand dafür, dass sie ihre Lebensmittel nicht mehr in Einweg-Papiertüten gebracht bekommen, sondern in wiederverwendbaren Taschen aus recycelten PET-Flaschen, die bei der nächsten Lieferung zurückgenommen, von einem Dienstleister professionell gereinigt und wiederverwertet werden.

Wer sich dafür entscheidet, kann die Option „Wiederverwendbare Taschen“ im Menü „Einpacken“ auf der Website auswählen. Das Pfand gibt’s auf Wunsch wieder zurück.

Jede:r, der regelmäßig Lebensmittel nachhause bestellt und dann auf einem riesigen Berg Papiertüten sitzen bleibt, dürfte den Service zu schätzen wissen; für die Lieferfahrer:innen sind die PET-Taschen auch praktischer, weil sie eine höhere Traglast besitzen. Und ehrlich gesagt ist es ein ziemliches Wunder, dass keiner der Anbieter, die schon seit Jahren am Markt aktiv sind, bislang auf die Idee gekommen ist, ein solches System umzusetzen.

Gegen einen einmalig zu zahlenden Pfandbetrag kommen die Einkäufe künftig in der Mehrwegtüte; Foto: Knuspr

„Derzeit nutzen bereits 20 Prozent unserer Kund:innen in München unser Angebot, sich ihre Einkäufe in Mehrwegtüten liefern zu lassen. Bei Rohlik in Tschechien ist der Wert ähnlich hoch, die österreichischen Kolleg:innen sind schon einen Schritt weiter“,

zieht Patrick Weiss von Knuspr Zwischenbilanz – und verspricht: „Wir werden weiter Tüten aus Recyclingpapier anbieten, wollen den Mehrweg-Anteil aber durch Aufklärung weiter erhöhen.“ Seit August vergangenen Jahres wurden bereits rund 100.000 Papiertüten eingespart.

Konkurrenz kann nicht schaden

Und vielleicht demonstriert das, wie gut der deutsche Online-Lebensmittelhandel neue Konkurrenz gebrauchen kann, um nicht auf der Stelle zu treten und weiter Innovationen voran zu treiben.

Ob Knuspr seine Zusagen auch tatsächlich einhalten kann, wird sich angesichts der angekündigten raschen Expansion schnell herausstellen. Aber der Ansatz, sich als aus dem europäischen Ausland stammender Anbieter konsequent von den etablierten deutschen Handelsketten abzugrenzen, von denen viele immer noch vorrangig darauf fokussiert sind, ihre stationären Filialnetze zu hätscheln, ist schlau. Und mit der richtig ausgewählten Superpower womöglich auch erfolgsversprechend.

An diesem Donnerstag ist Knuspr-Chef Erich Comor ab 10 Uhr zu Gast bei K5 TV.

Und im nächsten Blog-Text geht’s um den norwegischen Lieferdienst-Newcomer Oda.

Im Text oben wurden die Zahl der in München belieferten Kund:innen und der Titel von Patrick Weiss nachträglich korrigiert.

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8 Kommentare
  • Wir wohnen in München und sind von Knuspr wirklich sehr angetan. Gerade die kurzfristige Lieferung am gleichen oder nächsten Tag ist sehr praktisch, wenn man von jetzt auf gleich in Quarantäne muss… Die Lieferanten waren bisher immer ausnehmend freundlich und mit FFP2 Maske ausgerüstet, was wir auch sehr angenehm finden. Die Papier-/Mehrwegtaschen sind dann noch das Tüpfelchen auf dem i.

  • Auch ein Kunde aus München hier: Knuspr hat für mich einfach eine Auswahl an Bio-Lebensmitteln, die ich bisher nirgends gefunden habe. Es gibt eine App die auch wirklich funktioniert und die Fahrer sind so freundlich, wie noch nie zuvor gesehen. Die Jungs haben einfach ein paar Dinge durchdacht, die bisher niemand anderes eingehalten hat (inkl. Amazon Fresh von dem ich mir echt mehr erhofft hatte).

  • Das mit dem Wiederverwenden von Mehrwegtüten durch den Lieferdienst hätte ich hier (in Mittelamerika) auch gerne. Einwegtüten sind zwar gesetzlich verboten; das wird aber dadurch umgangen, dass das Wiederverwenden einfach ganz auf den Kunden abgewälzt wird. Da werden dann bei jedem Einkauf wieder zwei oder drei (ökologisch eh schon zweifelhafte) Kunststoffgewebetaschen auf die Rechnung gesetzt. Als der eigens abgestellte Wäschekorb dann irgendwann überquoll, hat man endlich auf unser Geschreie im Kommentarfeld der Bestellung (UNGEFÄHR SO!!!!! DAMIT MAN ES NICHT ÜBERSEHEN KANN!!!!!) reagiert und – nimmt die Taschen immer noch nicht zurück, sondern liefert jetzt in Umverpackungskartons. (Und da es hier keine Mülltrennung gibt, dürfen wir unseren Umweltentlastungsversuch jetzt mit Fronarbeit beim mülleimerkonformen Kartonschnippeln bezahlen.)

    • OT Update: Bei der letzten Lieferung gab es nun wieder – natürlich kostenpflichtige – Pseudomehrwegtaschen. Den verärgerten Anruf beantwortete der zuständige Packer damit, das wäre eine Anordnung von oben – zum Umweltschutz! Wir haben die lokale Verbraucherschutzbehörde mal freundlich auf dieses groteske und ein ganz ein kleines bisschen heuchlerische Geschäftsgebaren hingewiesen.

  • Vielen Dank für den informativen Artikel und den Hinweis auf den Start in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main, den ich sonst nicht mitbekommen hätte.
    Ich habe knuspr jetzt zwei Mal ausprobiert und bin vor allem von den im Vergleich zu Rewe sehr viel kurzfristiger verfügbaren Lieferzeitfenstern und der Freundlichkeit der Mitarbeitenden sehr angetan.
    Als Dauerkunden wird mich knuspr aber wohl nicht bekommen, dazu ist mir das Angebot zu schmal und zu hochpreisig. Es ist toll, um einmalig sonst nur schwer zu bekommenden Luxus-Schnickschnack auszuprobieren, aber für den regelmäßigen wöchentlichen Einkauf fehlt mir eine breite Auswahl von Bio-Produkten in der Preiseinstiegsschiene, wie z.B. Rewe Bio. Leider sind sogar die Alnatura-Sachen, die knuspr führt, teils deutlich teurer als bei Alnatura selbst.

    • Ich bin vor allem erstaunt, wie wenig man zum Start in Rhein-Main die regionalen Produkte herausstellt. Ist offensichtlich noch ausbaufähig. Service scheint aber super zu funktionieren.

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