Wolt Market stellt sich gut mit der Nachbarschaft, Doordash holt Flink in seine App

Wolt Market stellt sich gut mit der Nachbarschaft, Doordash holt Flink in seine App

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An den Standorten seiner ersten deutschen Markets zur schnellen Lebensmittel-Lieferung stellt sich Wolt der direkten Nachbarschaft per Brief vor und verspricht ein kiezverträgliches Vorgehen. In Stuttgart integriert derweil Doordash das Quick-Commerce-Angebot von Flink.

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Mit ihrer rasanten Ausbreitung (bzw. wie Reuters hübsch schreibt: ihrem „mushrooming“) in zahlreichen europäischen Metropolen haben sich Sofortlieferdienste für Lebensmittel in den zurückliegenden Monaten nicht nur Freund:innen gemacht. Im Gegenteil: Vielerorts verärgerten Gorillas & Co. mit ihren Warenlagern in Wohngebieten die unmittelbare Nachbarschaft, weil Gehwege mit abgestellten Rädern blockiert wurden und die permanente Warenanlieferung für Lärm sorgte.

Gorillas verärgerte Nachbar:innen anfangs mit erhöhtem Platzbedarf; Foto: Smb

Zumindest in Berlin scheint sich das langsam einzuruckeln, weil die Anbieter zunehmend Ladenflächen anmieten, bei denen die Kurierfahrer:innen nicht mehr draußen vor der Tür warten müssen und zumindest ein Teil der E-Bike-Flotte drinnen oder auf markierten Flächen untergebracht werden kann. Durch die Etablierung zusätzliche Standorte – und die zunehmende Konkurrenz – hat sich die Überlastung einzelner Stadtlager zudem stark entspannt.

Anbieter Gorillas bekam inzwischen an einzelnen Standorten zudem Auflagen des zuständigen Bezirksamts, in welchem Umfang Flächen vor dem Objekt genutzt werden dürfen.

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Nicht ganz so breitbeinig gegenüber den Behörden aufzutreten, ist für die Lieferdienste auch insofern gut, als dass sie dann keinen Komplettblockade provozieren – so wie in Amsterdam und Rotterdam, wo die Eröffnung so genannter „Dark Stores“ im Stadtgebiet für ein Jahr vollständig untersagt wurde, weil die Beschwerden aus der Nachbarschaft gar nicht mehr aufhören.

Lebensmittel im 3-Kilometer-Radius

Wolt, das hierzulande bislang vor allem als Lieferant von Restaurantessen bekannt ist, versucht sich nun von vornherein an einer deeskalierenden Strategie, um seine eigenen Wolt Markets – die es bislang u.a. bereits in Finnland und Griechenland gibt – auch in Deutschland an den Start zu bringen.

Vor zwei Wochen eröffnete der erste deutsche Wolt Market zwischen den Berliner Bezirken Prenzlauer Berg und Friedrichshain (Foto); im März soll Nummer zwei an der Leipziger Straße in Mitte hinzu kommen, ein dritter in Charlottenburg ist nach Supermarktblog-Informationen bereits in Planung.

Erster Wolt Market in Berlin; Foto: Wolt / Jonathan Hefner

In der Wolt-App können Nutzer:innen, die innerhalb des festgelegten 3-Kilometer-Radius wohnen, frisches Obst und Gemüse, Käse und Wurst, Fisch und vegane Lebensmittel, Eis, Getränke, Drogerieartikel und Snacks bestellen. Anders als bei den klassischen Quick-Commerce-Anbietern wird die Zustellung allerdings nicht nach 10 Minuten versprochen, sondern innerhalb der Wolt-üblichen halben Stunde nach der Bestellung. (Die Lieferkosten liegen, je nach Entfernung, zwischen 1,90 und 2,90 Euro.)

Das durchaus umfassende Sortiment beinhaltet u.a. Backwaren der Berliner Bäckereien Le Brot und Die Brodstätte sowie Kaffee lokaler Röstereien; wer lieber Golden Toast und Jacob’s Krönung hätte, wird aber ebenfalls fündig.

Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt ein Wolt-Sprecher, das Basissortiment von 50 lokalen und regionalen Anbietern über die Plattform Choco zu beziehen, die sonst vor allem Gastronom:innen mit (Groß-)Händlern vernetzt.

Direktkontakt für die Nachbarschaft

Um Zoff mit Anwohner:innen von vornherein zu umgehen, kontaktiert Wolt zudem alle direkten Nachbar:innen der angemieteten Ladenlokale mit einem Schreiben des jeweiligen Store Managers, der sich und das Konzept von Wolt Market kurz vorstellt. In den Briefen, die bislang in der Danziger Straße und in der Leipziger Straße verteilt wurden, heißt es u.a.:

„Die letzten Monate haben wir viel Zeit damit verbracht, ein für den Kiez verträgliches Supermarkt-Angebot zu finden. So werden unsere Kolleg:innen weder vor der Tür auf die nächste Bestellung warten, noch werden wir innerhalb von 10min für die Zielgruppe der Superungeduldigen liefern. Anlieferungen werden auf ein notwendiges Mindestmaß beschränkt.“

Wer trotzdem Anlass zur Beschwerde hat, soll diese möglichst direkt loswerden können. Dazu wird für jeden Market-Standort ein E-Mail-Direktkontakt mit dem Management angeboten, über den man sein Anliegen kommunizieren kann.

Wolt Markets gibt es bislang nur in wenigen europäischen Städten; Foto: Wolt

Wie es sonst vor allem bei bevorstehenden Partys in Häusern mit mehreren Mietparteien üblich ist, lädt Wolt die Nachbar:innen zudem ein, selbst vorbei zu kommen – und verspricht (bei vorheriger Kontaktaufnahme) eine kurze Market-Besichtigung. Einen 30-Euro-Gutschein für die Erstbestellung gibt’s für die Angeschriebenen obendrauf; außerdem soll künftig wohl ein regulärer Rabatt für die Nachbarschaft gelten.

Die Anti-Gorillas-Strategie

So sorgt Wolt nicht nur dafür, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlt, wenn im Erdgeschoss künftig öfter mal Kurierfahrer:innen mit hellblauen Wolt-Rucksäcken auf die Bestellabholung warten; man sichert sich auch gleich potenziell regelmäßige Kund:innen – die ihren Einkauf im übrigen auch direkt am „Pick-up“ im Market abholen können (anders als es Gorillas, Flink, Getir & Co. bislang handhaben).

Die Maßnahme ist unübersehbar eine Reaktion auf den Ärger, den sich insbesondere Gorillas über viele Monate mit seiner aus Sicht vieler Direkt-Nachbar:innen brachialen Kiezausbreitung zugezogen hat – oftmals völlig zurecht (siehe Supermarktblog).

Den damit verbundenen Image-Schaden würde man sich bei Wolt verständlicherweise gerne sparen, zumal sich der Lieferdienst mit dem niedlichen Maskottchen ja auch bislang schon als sympathischere Alternative aus dem freundlichen Finnland zu positionieren versucht.

Ob das als europäische Tochter des US-Lieferriesen Doordash künftig aufrecht erhalten werden kann – insbesondere wenn Lieferfahrer:innen regelmäßig bei Fußgänger:innen für Ärger sorgen, weil sie im Affentempo über Gehwege heizen – wird sich erst noch zeigen müssen. Es ist aber eines der ersten Male, dass ein neuer Quick-Commerce-Anbieter proaktiv die Belange der Nachbarschaft in seine Strategie miteinbezieht.

30 Minuten sind auch okay

So kann Wolt auch den vermeintlichen Nachteil, nicht in zehn, sondern in 30 bis 35 Minuten auszuliefern, in einen Vorteil umkehren. Anstatt eigene Lieferfahrer:innen standortbezogen vor den Markets warten zu lassen, wird einfach die reguläre Flotte, die sonst Restaurantessen und Einkäufe bei anderen Händlern ausfährt, genutzt. Im Nachbarschaftsbrief erklärt Wolt, sich nicht an „die Zielgruppe der Superungeduldigen“ wenden zu wollen.

Möglich ist all das auch, weil eine rasche Expansion der Wolt-Market-Standorte zunächst wohl nicht zu erwarten ist: Erstmal dürfte es bei den drei Berliner Stadtlagern bleiben, um Erfahrungen zu sammeln. Durch die 30-Minuten-Lieferung kann jeder Wolt Market aber ein sehr viel größeres Liefergebiet abdecken als es Wettbewerbern bislang möglich ist.

Rücken Wolt und Flink demnächst enger zusammen? Foto: Smb

Und dann ist ja auch noch nicht final entschieden, wie gut sich Wolt künftig mit den Quick-Commerce-Kolleg:innen von Flink verstehen soll, wo sich Wolt-Baldeigentümer Doordash ebenfalls beteiligt hat (vermutlich um langfristig ebenfalls eine vollständige Übernahme anzustreben, siehe Supermarktblog). Wie eine Kooperation konkret aussehen könnte, demonstriert Doordash seit kurzem aber schon mal in Stuttgart, der einzigen europäischen Stadt, in der die Amerikaner seit Ende des vergangenen Jahres aktiv sind.

Dort ist Flink nämlich bereits in die Doordash-App integriert – als (bislang einziger) Anbieter in der ganz vorne in der App positionierten Rubrik „Lebensmittel“ („Dein Einkauf geliefert in Minuten“)..

Flink in der Doordash-App; Screenshots [M]: Doordash / Smb

Stuttgarter Doordash-Kund:innen wurden gerade per Mail informiert, dass sie auf die ersten beiden Flink-Bestellungen über die Doordash-App jeweils 5 Euro Rabatt erhalten. (Die Liefergebühren betragen regulär 1,80 Euro Euro für Bestellungen ab einem Warenwert über 10 Euro.)

Damit sind Artikel von Flink erstmals nicht über einen Flink-eigenen Kanal – die Website oder die App – bestellbar. In den Bedingungen für das Angebot wird zudem „Doordash Technologies Germany“ und nicht Flink selbst als verantwortlicher „Verkäufer der Artikel dieses Anbieters“ genannt.

Inwiefern Rot, Pink und Hellblau hierzulande weiter zusammenwachsen und welche Marken in einem konsolidierten Angebot übrig bleiben, dürfte sich in den kommenden Monaten entscheiden, wenn die behördliche Genehmigung der Übernahme von Wolt durch Doordash erwartet wird, und zudem klar ist, ob auch Flink vollständig in amerikanischen Besitz übergeht.

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