Neues Lidl-Filialdesign: Von der Kühl-Schlucht zum Frostkost-Canyon

Neues Lidl-Filialdesign: Von der Kühl-Schlucht zum Frostkost-Canyon

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Fällt jetzt das letzte Tabu im deutschen Lebensmittel-Discount? Lidl testet in einzelnen Filialen tatsächlich Querregale – und verändert dadurch den bisherigen Einkaufscharakter der Märkte massiv.

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Mit Querdenker:innen als Kundschaft können und müssen die allermeisten Discounter leben; aber bei Querregalen hört der Spaß für die allermeisten wirklich auf. Und diesmal dürfen Sie sich bitte schön selbst durchs Blog-Archiv klicken, weil ich es allmählich leid bin, die lange, laaange Historie des meist vorübergehenden Einsatzes von querstehenden Regalen im deutschen Discount zusammenzufassen.

Aldi Nord hat’s versucht – und wieder abgeschafft. Zuletzt hatte es Lidl beim Obst und Gemüse versucht – und wieder abgeschafft, weil sich hintendran zu wenige Kund:innen vor den Süßwaren stauen wollten (siehe Supermarktblog).

Aber: jetzt ist schon wieder alles ganz anders. Vielleicht.

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Für die nächste Generation seiner Filialen testet Lidl, wie die „Lebensmittel Zeitung“ zu Beginn des Jahres berichtete, – hui: Querregale! Und zwar für frisches Fleisch, Fisch, Wurst, Käse, gekühlte Aktionsartikel und Wochenangebote. Umbauten in größerem Stil seien derzeit nicht vorgesehen, ließ die Lidl-Zentrale ausrichten, erklärte laut „LZ“ aber, durch die „Gegenüberstellung der Kühlregale“ im hinteren Ladenbereich „können wir den Energieverbrauch signifikant senken“.

Die volle Ladenbreite durchgekühlt

Umgebaute Läden empfangen Kund:innen erstmal im gewohnten Ladenlayout: mit Obst und Gemüse neben Brötchenknastrondell. Anschließend folgt das Standardsortiment traditionsreich in Längsregalen.

Erst im hinteren Drittel wird die Transformation sichtbar: Schon die Non-Food-Aktionsware steht quer vor der Kühlware. Anschließend werden Kund:innen mit ihren Einkaufswagen seitlich auf eine durchgangsfreie Rennstrecke geführt, die die vollständige Ladenbreite einnimmt – was vor allem in neugebauten Filialen durchaus beeindruckend wirkt.

Auf der einen Seite sind Käse und Salate untergebracht, auf der anderen Wurst; Frischfleisch und Fisch finden sich eine Reihe davor gegenüber der Non-Food-Aktionsware.

Auf der Eingangsseite locken in rot gekennzeichnet Aktionsartikel („Aus unserer Werbung“) in die heruntertemperierte Kühl-Schlucht; auf der Ausgangsseite werden die Kund:innen mit Milch, Butter und Joghurt in Richtung Weinsortiment entlassen, das in der von mir besuchten Berliner Filiale nun seitlich an der Wand untergebracht ist, weil sich die Kühlware ja nicht mehr bis in den vorderen Marktbereich zieht.

Es ruhe die Truhe

Das ist durchaus ansprechend gestaltet, wirkt aber auch leicht erdrückend – und vielleicht nehmen Sie für Ihren Einkauf im Sommer noch ein zusätzliches Beinkleid mit, um ohne Verkühlung durch die Passage zu kommen.

Die Umgestaltung hat auch zur Folge, dass die Kühlware neuerdings vollständig abgetrennt von ihren Tiefkühlcousins und -cousinen ist; denn die sind – schon aus praktischen Gründen – weiterhin am Marktende untergebracht. Und zwar in hohen Schränken rechts und links, wie in einer Art zusätzlicher Frostkost-Canyon, durch den man durch muss, um zur Kasse zu gelangen.

Wer vom Marktende zu den Kassen will, muss durch diese kühle Gasse; Foto: Smb

Kühl- bzw. Tiefkühltruhen scheint Lidl in diesem Testkonzept vollständig aussortiert zu haben – vermutlich, um breitere Gänge bei gleichbleibendem Sortiment umsetzen zu können und den Platz auf der Verkaufsfläche optimal auszunutzen.

Weniger Übersicht im Markt?

Die Änderungen haben durchaus Charme, führen aber dazu, dass selbst Kund:innen, die nur ausgewählte Kühlartikel kaufen wollen, zwangsweise immer die gesamte Ladenbreite entlang müssen; zur besseren Übersichtlichkeit trägt die Neuordnung nicht bei – vor allem, wenn wenn man das Tiefkühlmassiv am Ausgang einschließt.

In kleineren Bestandmärkten könnte das im Falle eines Umbaus sogar dafür sorgen, dass der Markt deutlich enger wirkt. (Hab ich aber noch nicht selbst gesehen.)

Aus welcher Motivation der plötzliche Sinneswandel bei Lidl erfolgt, lässt sich nicht sagen – der bislang in Frankreich für Lild tätige neue Deutschland-Chef, Friedrich Fuchs, hat die Quergänge jedenfalls schon mal nicht aus seinem bisherigen Wirkungsraum mitgebracht.

Aber vielleicht ist die Neugestaltung ja auch dem Ehrgeiz geschuldet, die geschätzte Discount-Kundschaft 50 Jahre nach der Erfindung des Schnelleinkaufkonzepts doch noch mal an etwas Neues gewöhnen zu können. Entweder das. Oder in Bad Wimpfen hat jemand in der für Ladenbau zuständigen Abteilung beim Durchwinken der neuen Designs doll Fieber gehabt.

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16 Kommentare
    • Ich schätze mal ein halbes Jahr? In deutschen Discount-Zentralen verfällt man ja gerne wieder zurück in „alte Tugenden“, wenn das neue Konzept die gewünschten Zahlen nicht liefert. Das haben Sie ja bereits oft berichtet.

  • Soso, Lidl will den Energieverbrauch senken. Das ist löblich, besonders in der aktuellen Zeit, wo der Klimawandel eines der größten Probleme der Menschheit ist. Warum sehe ich dann aber auf den Fotos offene Kühlregale ohne Türen? In Vollsortimentern (Rewe, Edeka, Kaufland) sind Kühlregaltüren inzwischen Standard. Selbst beim Real sind welche verbaut, obwohl da sonst – mal abgesehen von den Kassen – alles in die Jahre gekommen ist. Nur der Discount (Lidl, Aldi, Netto ohne Hund) scheint gegen Kühlregaltüren eine Allergie zu haben.

    • In unserem Penny wurden jetzt auch welche eingebaut. Mir stellt sich nur die Frage. Ist es wirklich nachhaltig wenn man alles austauscht nur für Türen?

    • Und ich kenne keine Kaufland-Filiale mit vertürten Kühlregalen, dafür aber hinreichend Aldis, Nettos mit und ohne Hund etc., die ganz oder gemischt/standortabhängig Türen ausgegraben haben (Lidl würde ich unter „teils“ einordnen).

  • Ich finde immer schon die Filiale in Berlin am Oranienplatz seltsam. Die hat einen fast dreieckigen Grundschnitt und daher vorne Löngsreihen neben dem Brötchenknastrondell und hinten Querregale mit Obst und Gemüse genau in der Mitte des Ladens im Übergang von längs nach quer.
    Jedes Mal aufs Neue verwirrend. Aber ich mag es irgendwie.

  • Diese Lidl Filiale in Berlin Springpfuhlist dies ein „Ersatzneubau“ (Beamtendeutsch) einer ehemaligen Filiale mit einem Hochhaus darüber. Wer das Gebäude beobachtet hatte, sah die Fertigstellung des Rohbaus schon im letzten Jahr. Daher sieht man, wie lange am Ladenkonzept gewerkelt wurde. Was noch beindruckender ist, ist der Tiefkühlgang zu den Kassen mit neuer SB-Express Kasse. (Die hoffentlich bleiben wird, da netto Markendiscount diesen Service wegen „hohem Diebstahl“ wieder eingestellt hat)

  • Ich habe es bedauert, als Aldi Nord die Obst- und Gemüseabteilung wieder auf zwei lange Gänge umgebaut hat statt weiter mit Querregalen zu arbeiten. Mit Querregalen wirkt es auf mich einladender.
    Auf ein paar der Fotos hat das neue Lidl-Konzept aber auch Ansätze von „Edeka/Rewe auf begrenzter Fläche“.

    • Ja, das bedauere ich auch. Besonders gewöhnungsbedürftig finde ich die umgebauten Aldis mit der Obstabteilung vorne. Da wird man – meinem Empfinden nach – als Kunde immer in den zweiten Gang gelotst. Das hat zur Folge, dass man an so genannten Brötchenknast im ersten Gang gar nicht mehr vorbei kommt. Zudem ist die schöne Übersicht im hinteren Teil dahin, da man einfach die hohen Regalreihen verlängert hat. Aber auch hier würde ich mich nicht wundern, wenn es da wieder eine Kehrtwende gibt.

    • @Jonas K.: Mit dem neuen Ladendesign wieder abgeschafft (und durch die neue Kund:innenführung ins Gegenteil verkehrt).

    • Meiner Meinung nach, ist das Penny „Sackgassen-Konzept“ das schlimmste. Einfach nur nervig, oft staut es sich in den vollgestellen Buchten. Daher gehe ich nicht mehr zu Penny.

    • Obwohl es niemand mag, weder Kunden noch Mitarbeiter, setzt Penny weiterhin konsequent (oder eher stur) dieses grausame Buchten-Konzept um. Einer der letzten Umbauten in BE, den ich mir gerade erst heute angeschaut, ist der Penny Seddiner Straße. In kleinen verwinkelten Märkten wie diesem wirkt es noch um ein Vielfaches schlimmer. Es scheint irgendwie absolut nichts zueinanderzupassen und überall stehen nun auch Säulen teils direkt vorm Regal bzw. vor der Ware. Es ist mir ein Rätsel wie sowas zustanden kommen konnte, wo es doch bei Penny so kreative Köpfe zu geben scheint, wenn man nur an die Themen-Märkte denkt.

  • Wen das schon verwirrt, der sollte von „Spezialitäten“ wie einer Aldifiliale in Trieste die Finger lassen. Denn die ist quasi sternförmig im EG eines Altbaus arrangiert: mit Eingangs- und Kassenbereich in separaten „Sternspitzen“, eigener Spitze für O/G/Kühlconvenience, Aufwärmknast am anderen Ende zwischen zwei Spitzen, blockierenden (Nonfood-) Regalen im „zentralen“ Bereich usw. – nichts mit geführter Rennbahn und mal eben ein paar Dinge einkaufen. Und trotz der ganzen langen Sackgassen mit ihren Nebensackgassen sind die Kühl-/Tk-Schränke jeweils längs mit Trocken- bzw. Nonfood gegenüber angeordnet. Nett wird es auch, wenn sich in den „Schluchten“ noch die Kassenwarteschlange vergnügt; passenderweise hat man in Richtung Kasse vermehrt Erwachsenenquengelware wie .süße & salzige Snacks, Softdrinks etc. angeordnet, damit die Wartezeit „sinnvoll“ zur Ergänzung des Einkaufs genutzt werden kann 😉

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