Alle Jahre wieder – kommt für die einen das Christkind und für die anderen der Weihnachtsmann. Im deutschen Lebensmittel-Discount allerdings kommen die Heinzelmännchen und räumen über Nacht heimlich die Regale so um, dass man beim nächsten Einkauf verwundert davor steht und rätselt, was das jetzt wieder soll.
Dabei ist es doch ganz einfach: Zum Beispiel bei Aldi Nord, wo die kleinen Heinzeltheos anno 2017 beschlossen, die Filialen mit einem neuen Ladenkonzept zu modernisieren, bevor sie dreieinhalb Jahre später wieder anrückten, um das mutig quer gestellte Obst und Gemüse in Längsregalreihen zurückzuschieben, weil die Kund:innen das so gewohnt waren (siehe Supermarktblog).
Weitere zwei Jahre darauf, kurz nachdem alle Filialen umgebaut worden sein sollten, folgte schon die nächste Änderung: Obst und Gemüse rückte an den Ladeneingang, um dort in Kombination mit gekühlten Getränken und Aufbackwaren besser zur Geltung zu kommen (siehe Supermarktblog).
Und die gute Nachricht ist: Die Aldi-Nord-Frische-Bucht hält jetzt schon länger, als das anzunehmen war.
Abkürzung in Richtung Sonderangebot
Nur eine klitzekleine Änderung hat sich ins Konzept geschlichen: Seit einiger Zeit gibt es in der ursprünglich abgeschlossen geplanten Obst- und Gemüseabteilung (wieder) einen direkten Schleichweg zur Kasse, für den zwischen Salatgurken und Kartoffeln anderthalb Regalmeter weichen mussten – das scheint Aldi Nord aber in Kauf zu nehmen, um Kund:innen die Abkürzung beim Schnelleinkauf zu gestatten und sie – wie in einem bekannten Märchen – durchs Kaninchenloch ins Wunderland mit den bunten Aktionsposten rutschen zu lassen.
(Zum Ausgleich hat die Obst- und Gemüse-Regalinsel gegenüber einfach eine weitere Ebene spendiert bekommen.)
Deutlich umfassender fallen die Änderungen der Heinzeldieters bei ihrem Hausdiscounter Lidl aus: Dort ist das seit 2020 testweise verbaute Filialkonzept mit dem sexy Namen „FK20“ schon wieder Geschichte. Ins Auge fällt hauptsächlich der Rückbau des Querregals beim Obst und Gemüse, mit dem die Abteilung in umgekehrter L-Form sehr viel supermarkiger wirkte und abgetrennt vom restlichen Markt war (siehe Supermarktblog).
Freier Blick vom Salat zur SB-Wurst
Im neuen Konzept „Unser Frische Markt“, dessen Schriftzug prominent über die Ware getackert ist und sich mit Ackerfotos schmückt, ist die Rennstrecke zum gegenüberliegenden Ladenende wieder offen und man kann mühelos vom Salat bis zur SB-Wurst in der Ferne blicken. Außerdem gibt es eine Passage zum Brötchenknast.
Die Längsregalreihen für Frische ergänzt – je nach Filiale – eine vierte, die zwar quer gestellt ist, aber gleichzeitig als Barriere zum Ausgang hinter den Kassen funktioniert.
Die „Lebensmittel Zeitung“ hatte sich die Umbauten schon vor einiger Zeit von Lidl bestätigen lassen. Der Discounter habe durch das Obst und Gemüse in L-Form Umsätze mit Schokolade und Fruchtgummi verloren, weil die dahinter nur durch einen Mini-Umweg zu erreichen waren.
Mit der neuen Regalpositionierung ist das hinfällig, denn der Übergang vom Obst und Gemüse ins übrige Sortiment ist wieder fließend und so sanft wie möglich gestaltet: kaum hat man das Paprika-Trio in den Wagen gelegt, steht man schon bei Pilzen, Trockenfrüchten, Nüssen, Süßwaren und hat – huch! – drei Tafeln Schokolade in der Hand.
Weniger Zeit für die Warenverräumung
Gleichzeitig vermutet die „LZ“, Lidl wolle von den Kund:innen wieder stärker als Discounter wahrgenommen werden – nachdem man sich zuvor über viel Jahre große Mühe gegeben hatte, supermarkiger zu wirken. (Während die Supermärkte sich angesichts teurer gewordener Lebensmittel stärker als Discounter inszenierten.)
Weniger hochwertige Möblierungen sollen nun das Gegenteil erreichen; in diesem Zuge ist auch das schickere Weinregal mit dem kessen Eckknick wieder einkassiert worden – das neue ist deutlich funktionaler und verfügt über einen klassisch geraden Gondelkopf, an dem Flaschen mit einem Handgriff nach vorne gezogen werden können, um Zeit bei der Warenverräumung zu sparen.
Die Blockplatzierung von Bio-Artikeln wurde schon vor längerer Zeit wieder abgeschafft (siehe Supermarktblog), beim Obst und Gemüse muss jetzt ein einfacher grüner Einschub mit dem Hinweis „Große Bio-Vielfalt“ reichen – suchen Sie bitte selbst danach.
Mehr Bio im Dauersortiment?
Dem aktuellen Fortschrittsbericht der Lidl-Mutter Schwarz lässt sich entnehmen, dass die Zahl der Bio-Artikel, die Lidl international verkauft, im Laufe der vergangenen Jahre gesunken ist (via „LZ“): von 454 im Geschäftsjahr 2020 auf 403 in 2022 (Durchschnittswert mit Gewichtung über die Anzahl der Filialen je Land, aber ohne Aktions- bzw. Saisonartikel). Lidl Deutschland relativiert in einem eigenen Bericht: die Zahl der „Bio-Artikel im Dauersortiment“ sei von 349 auf 399 gestiegen. Die Zahl der Bio-Aktionsartikel war hingegen stark rückläufig (minus 42,9 Prozent) – „aufgrund von Lieferschwierigkeiten“.
In welchem Umfang das Angebot von frischem Obst und Gemüse in Bio-Qualität ausgeweitet oder verkleinert wurde, ist nicht separat ausgewiesen – tatsächlich sind aber zahlreiche frische Bio-Artikel bei Lidl wieder aus dem Sortiment verschwunden (z.B. Bio-Auberginen).
Und falls Ihnen das alles noch nicht wieder discountig genug ist, gibt in Neckarsulm bald bestimmt jemand die Drehkreuze für den Markteingang frei, die sicher noch irgendwo eingelagert sind und mühelos zurückgeholt werden können – sicher ist sicher!
Die Taktik „was billig ist, soll auch billig aussehen“ konnte ich als Konsument noch nie nachvollziehen. Ist die Mehrheit der Kunden wirklich so gestrickt, dass Läden oder Produkten von denen man Discountigkeit erwartet in ihrer Preisattraktivität misstraut wird, wenn diese nicht nach billig aussehen?
Ob günstig oder nicht, ein Laden mit langen graden Gängen wirkt unattraktiver zum Einkaufen.
Also Aldi Süd scheint darauf zu vertrauen, dass die Kunden „blind“ kaufen, weil ja „bei Aldi immer alles am billigsten ist“. Deren Preise, selbst (oder gerade) bei Sonderaktionen von Markenprodukten werden oft von „normalen“ Supermärkten unterboten.
Ich finde, Lidl strafft auch das Sortiment zur Zeit sehr stark (gibt es da Zahlen?). Die hatten vor 2-3 Jahren sowohl noch gute Saisonware (zb. zu Weihnachten) als auch Vielfalt bei den Eigenmarken (bspw. kreativere Salate, Brotaufstriche, Brötchen/Backstation, Schokoladen…), wo jetzt viel mehr der Standardkrams im Regal steht und es absolut gar keine Kaufanreize mehr durch das Sortiment gibt. Witzig finde ich auch, dass sie weiterhin „Raumschiffe aus Glas“ neu eröffnen, diese aber innen mit Querregalen nun zustellen und die Sicht durch 220 Regale weiter einschränken (am Ende wirkt das 10 Mio € teure Glas-Raumschiff dann wieder sehr kramig).
Finde es zum kxxxx, dass bei Lidl und Aldi Nord wieder auf „BILLIG“ und „08/15“ bei den Discounter umgebaut wird. Nur weil der Boomer nicht gleich sein 99ct Schnitzel sowie den „Billo Non Food“-Part gleich beim Check In sehen kann?!? Fande es recht angehem, dass Lidl da mutig war. Ein anno 1980 Style im Ladenbau ist meiner Meinung acht veraltet. Denn was da zu kurz gedacht wird, dass dann bei den Kunden das Merkmal schneller auf den Preis fällt, der sich durch das Faktum Inflation in den nächsten Wochen ändern wird.
Die Angebotspreise steigen ja nun schon seit längerem; insofern finde ich es interessant bis mutig, dass Lidl immer noch ganz klein den „letzten Angebotspreis“ angibt, der oft niedriger liegt als der aktuelle. Hat aber vielleicht noch niemand in der Marketingzentrale bemerkt…