Österreich hat gewählt. Aber was genau das Ergebnis bedeutet (und von wem das Land in den kommenden Jahren regiert wird), muss erst noch auskoaliert werden. Eines lohnt sich aber schon jetzt: der Blick auf den österreichischen Lebensmitteleinzelhandel. Dieser unterscheidet sich zwar – wie hier im Blog im vergangenen Jahr bereits ansatzweise ergründet – in vielerlei Hinsicht vom deutschen.
Es gibt aber auch erstaunliche Parallelen bzw. Tendenzen, die sich als Vorboten für die Entwicklung im Nachbarland sehen lassen – oder (in Variationen) das aufgreifen, was hierzulande längst umgesetzt ist.
Einige davon sind Thema im neuen Supermarktblog Österreich Special, das in den nächsten Wochen an die Beobachtungen aus dem Vorjahr (hier ansehen) anknüpft.

Supermärkte halten Diskonter auf Abstand
Doch auch für sich genommen ist der österreichische Lebensmitteleinzelhandel eine Besonderheit – nicht zuletzt, weil mit Spar, Rewe und Hofer (Aldi Süd) nur drei große Handelskonzerne mehr als 85 Prozent des Markts abdecken.
Die Diskonter sind zwar stark, kommen aber nicht annähernd auf dieselben Marktanteile wie in ihrer Heimat. Lidl, das in Österreich erst 1998 von Salzburg aus mit eigenen Filialen gestartet ist („Wir haben die Expansion zu Beginn vielleicht ein bisschen verschlafen“, räumt der vormalige Österreich-Geschäftsführer Alessandro Wolf ein), sieht sich nach eigenen Angaben seit zwei Jahren nach „internen Zahlen“ als „Wachstumssieger“. Der Marktanteil sei seit 2020 von 4,8 auf sechs Prozent ausgebaut worden. Wettbewerber Hofer reklamiert etwa 20 Prozent für sich – was sich nicht ganz mit den Zahlen unabhängiger Marktforscher:innen ausgeht, die beide Handelsketten zusammengenommen in 2023 bei 22,9 Prozent sahen.
Die eigentliche Macht im Markt sind aber unbestreitbar die zwei großen Vollsortimenter: Marktführer Spar mit 36,8 Prozent Marktanteil und Rewe International (Billa, inklusive dem Diskontgeschäft von Penny) mit 33,9 Prozent. (Zum Vergleich: In Deutschland kommt Marktführer Edeka auf rund 25 Prozent, Rewe liegt bei gut 21 Prozent.)
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Lidl will zügig aufholen
„Rückenwind haben Diskonter derzeit nicht“, konstatierte „Der Standard“ im laufenden Jahr – obwohl die Lebensmittelpreise in Österreich oft höher sind als in Deutschland. Denn: „Klassische Supermärkte halten Diskonter auch mit dem rasanten Ausbau ihrer Eigenmarken auf Abstand.“ So erzielte Spar zuletzt etwa 43 Prozent seines Umsatzes in Österreich mit Handelsmarken, „um zwölf Prozent mehr als im Jahr zuvor“. Im Preiseinstieg mit den Marken zum Diskontpreis soll sich der Umsatz innerhalb von fünf Jahren sogar verdoppelt haben, ließ sich der „Standard“ sagen.
Lidl will mit gezielten Preisaktionen und der Ausweitung des Filialnetzes dagegen halten: „Wir wollen jährlich drei bis fünf neue [Läden] eröffnen. Derzeit haben wird 253 Märkte – Ziel sind 280 bis 300“, sagte der damalige Österreich-Chef Wolf im Frühjahr. (Im Sommer startete die Schwarz-Gruppe außerdem ihren Online-Marktplatz Kaufland.at in Österreich – im Lebensmittelbereich ist die Lidl-Schwester allerdings nicht vertreten.)
Beim Wettbewerber, der – ähem – Hitmaschine Hofer, mit landesweit rund 540 Standorten richten sich die Blicke derzeit in erster Linie auf den fürs Jahresende angekündigten Abgang des langjährigen Österreich-Chefs Horst Leitner, der nach 32 Jahren in Aldi-Süd-Diensten in Ruhestand geht. Seine Zuständigkeiten reicht Leitner an eine Doppelspitze weiter: Max Hofmarksrichter wird CEO von Hofer Österreich, Sean Sacher übernimmt die Verantwortung für die übrigen Ländermärkte (Aldi Suisse, Hofer Slowenien, Aldi Ungarn, Aldi Italien).
MPreis kämpft für Unabhängigkeit
Mit der hohen Konzentration im Markt haben vor allem regional agierende Handelsketten zu kämpfen, die sich mit gerade mal knapp über 6 Prozent der Anteile begnügen müssen. „Die Luft für kleinere Lebensmittelhändler in Österreich wird immer dünner“, bilanzierte die „Lebensmittel Zeitung“ in diesem Frühjahr.
Im Westen des Landes kämpft die MPreis-Gruppe für ihre Unabhängigkeit. Zuletzt hatten die Tiroler:innen mit hohen Verlusten umzugehen. Gründe dafür sind: höhere Einkaufspreise, die wegen des harten Wettbewerbs nur teilweise an die Kundschaft weitergegeben werden können, sinkende Umsätze mit Bio- und Regional-Ware, höhere Energie- und Transportkosten.
Medienberichten zufolge soll es bei Rewe International Interesse an einem Einstieg bei MPreis geben bzw. gegeben haben – das wurde zuletzt aber von beiden Seiten vehement zurückgewiesen.
Gleichwohl hat Rewe bereits die Kaufleute der Regionalversorgerkette ADEG in den Konzern geholt, und seine Vorarlberger Billa-Märkte in den vergangenen Monaten u.a. an diese abgegeben. Das spart Logistikkosten – erhöhe laut „Standard“ aber „im Falle einer Beteiligung an MPreis“ auch die Chance, „grünes Licht von der Wettbewerbsbehörde zu erhalten“. An der Vorarlberger Handelskette Sutterlüty ist Rewe ebenfalls beteiligt (mit 24,9 Prozent).
Unimarkt verzichtete auf SB-Boxen
Im Osten des Landes befindet sich derweil die Unimarkt-Gruppe mit ihren rund 120 Märkten in Turbulenzen. Im Geschäftsjahr 2022/23 wurden die geplanten Ergebnisse verfehlt, für die Jahre danach zeichnen sich laut Medienberichten Verluste ab; schwarze Zahlen soll es erst wieder 2025/26 geben. Auch hier nennt man hohe Energiepreise, gestiegene Zinsen, teurer gewordenes Personal und gestiegene Einkaufspreise als Problem.
Zuletzt hatte Unimarkt zehn seiner Standorte aufgegeben, den österreichweiten Online-Shop für Lebensmittel eingestellt und 17 Selbstbedienungsboxen in der Steiermark und Oberösterreich komplett geschlossen. Mit denen war die Gruppe zwar Technologie-Pionier. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs verstieß die 24-Stunden-Öffnung allerdings gegen die österreichischen Öffnungszeitengesetze. Das machte die Boxen aus Unternehmenssicht unrentabel.
Um wieder auf Kurs zu kommen, plant Unimarkt eine Reorganisation und die Abgabe sämtlicher Filialen an selbstständige Kaufleute (bei 70 von 120 Märkten ist das bereits der Fall).
„Kein margenträchtiges Land“
Die kleinen Nahversorger haben zwei Hauptprobleme: Anders als etwa Spar oder Billa können sie gestiegene Kosten nicht auf ein riesiges Filialnetz umlegen, sodass weniger rentable Standorte von umsatzstärkeren mitfinanziert werden; gleichzeitig verfügen sie über eine viel geringere Einkaufsmacht und keinerlei Druckmittel gegenüber großen Nahrungsmittelkonzernen, auf deren Marken sie nicht verzichten dürfen, um keine Kundschaft zu verlieren – diese aber im Zweifel teurer einkaufen als die Großen.
Dazu kommen hausgemachte Probleme des Markts: Es gibt einen sehr hohen Aktionsanteil, hohe Lohnkosten und eine – auch topografiebedingt – aufwändigere Logistik. Zudem verfügt der österreichische Lebensmitteleinzelhandel für die Größe des Markts über viel zu viele Flächen, was den Konkurrenzdruck massiv verstärkt.
Oder wie Lidl-Österreich-Chef Wolf es formuliert: „Es kostet mehr, zwei kleine Märkte zu unterhalten anstelle eines großen.“ Sein Unternehmen verdiene in Österreich „nicht mehr Geld als in Deutschland“: „Die Kostenstrukturen sind andere. Österreich ist kein margenträchtiges Land.“
Trendsetter für Bio und Vegan-Konzepte
Aber eines, in dem den Händlern Innovationen – trotz komplexer Strukturen – oftmals leichter von der Hand zu gehen scheinen als anderswo: sei es die konsequente Einführung einer qualitativ hochwertigen Bio-Handelsmarke wie „Zurück zum Ursprung“ bei Hofer, die die große Schwester Aldi Süd nun in der Heimat kopiert; oder das Experimentieren mit veganen Konzepten wie Billa Pflanzilla, von dem sich Rewe zu Rewe voll pflanzlich in Berlin hat inspirieren lassen.



Gleichzeitig spiegelt sich der Trend zur Marktkonzentration, die insbesondere regionale Handelsketten zunehmend unter Druck setzt, auch im deutschen LEH: Kaiser’s Tengelmann, Sky und Real sind bereits Geschichte, die entsprechenden Standorte aufgeteilt.
Tegut hat nach wie vor an mehrere Fronten zu kämpfen – trotz oder gerade wegen seiner Zugehörigkeit zur Schweizer Migros, die sämtliche Geschäftsfelder auf den Prüfstand stellt; vom Saarland aus hat sich Globus mit der Integration der Real-Standorte verhoben. Und die Einkaufsgemeinschaft RTG, in der die vorgenannten Unternehmen gemeinsam mit Bünting, Bartels-Langness, Klaas & Kock und Discount-Winzling Netto (mit Hund) zusammengeschlossen sind, musste zuletzt mehrere Rückschläge (Real) und Teil-Abgänge (Rossmann im Drogeriewarengeschäft) verkraften.
Mehr Umsatz durch mehr Selbstbedienung?
Derweil steht in Österreich die lange vorbereitete Einführung des Einwegpfands bevor, die zum Jahresstart 2025 erfolgt und personelle Ressourcen binden wird; außerdem streitet die Branche über längere Öffnungszeiten. Rewe-International-Vorstand Marcel Haraszti kämpft dafür, Billa-Märkte bis spätabends aufsperren zu können; Branchenbeobachter:innen sind skeptisch und befürchten, dass das nur die großen Ketten stemmen könnten, während kleinere Händler auch personell im Nachteil wären.
Unimarkt-Eigentümer Andreas Haider argumentiert dagegen und will Märkte technologisch so umrüsten, dass sie zu Randzeiten für eine Selbstbedienung der Kund:innen ausgelegt sind – Testläufe hätten „zu 20 Prozent mehr Umsatz bei 20 Prozent geringeren Personalkosten“ geführt.
Zur gleichen Zeit versuchen sich neue Akteure im Online-Lebernsmittelhandel bei den Kund:innen zu etablieren: Rohlik-Ableger Gurkerl mit seinem regional fokussierten Sortiment, Foodora als Lieferlogistiker für etablierte Handelsketten, Ninjas als Lokalsupermarkt mit Blitzlieferung.
Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf das zu werfen, was den österreichischen Lebensmitteleinzelhandel antreibt und beschäftigt. Genau darum geht’s in den kommenden Wochen wieder hier im Blog. Ich freue mich, wenn Sie dabei wieder so zahlreich mitlesen wie im vergangenen Jahr.
Vielen Dank an Umdasch The Store Makers, die dieses – redaktionell unabhängig entstandene – Special als Content Partner ermöglichen!
Alle Texte aus dem Supermarktblog Österreich Special 2024 ansehen.
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