„For You. Vorbei“? Wie sich Schlecker in seinem Neuanfang verheddert

„For You. Vorbei“? Wie sich Schlecker in seinem Neuanfang verheddert

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Die Revolution bei Schlecker ist bonbonfarben, läuft seit Mitte Mai und verspricht der Kundschaft, dass jetzt alles besser wird. Der neue Schlecker ist fair zu seinen Mitarbeitern, kommuniziert offen mit der Presse und baut die engen Filialen modern und großzügig um. Damit vielleicht auch mal die Leute wiederkommen, die sich daran gewöhnt haben, bei der Konkurrenz einkaufen zu können, ohne in den Gängen einen meterlangen Rückstau zu produzieren, wenn sie im Regal nach einem neuen Shampoo suchen.

Als Zeichen für den Neuanfang hat sich das Drogerieunternehmen ein aufgepepptes Logo zugelegt, einen denglischen Werbespruch texten lassen und beides auf tausende von Aufklebern gedruckt, die in den Schaufenstern der Filialen angebracht wurden.

„Schlecker. For You. Vor Ort“ steht darauf. (Und nicht nur bei Twitter hat der Spott darüber nicht lange auf sich warten lassen.)

Im Schlecker um die Ecke von meinem Büro ist außerdem ein Plakat ins Fenster geklebt worden, auf dem unter dem neuen Logo zu lesen war: „Auf Wiedersehen!“. Zwei Wochen später hatte die Filiale geschlossen.

Das ist also der Neuanfang, den Schlecker gerade wagt? Erst Besserung versprechen und dann zumachen?

* * *

Lars Schlecker ist nicht zu beneiden. Sieben Monate ist es her, dass der 39-jährige Sohn des Firmengründers Anton Schlecker die undankbare Aufgabe übernommen hat, sozusagen als Pressesprecher seiner Familie das wieder gerade zu biegen, was vorher über Jahre hinweg vermasselt wurde. Er eröffnet umgebaute Filialen, spricht ständig mit Journalisten und darf dabei auch ein bisschen die Wahrheit über die Fehler der Vergangenheit sagen: dass die ramschigen Läden wirklich ein bisschen zu ramschig sind; und dass statt unterbezahlter Zeitarbeiter jetzt alle mit Tarifvertrag beschäftig werden.

Das ist ein Anfang. Und die Journalisten sind beeindruckt von so viel Offenheit. Die „Lebensmittelzeitung“ lobte kürzlich sogar, der junge Schlecker spiele „gekonnt mit den Medien“. Wer die Interviews mit ihm liest, hat eher den gegenteiligen Eindruck.

Im Februar fragte die „Stuttgarter Zeitung“, warum das Unternehmen seines Vaters denn überhaupt jahrelang Lohndumping betrieben habe, wenn man jetzt zu dem Schluss gekommen sei, dass das falsch war. Und Lars Schlecker antwortete hoffnungslos ehrlich:

„Weil es halt billiger war.“

Genau das ist das Problem dieses Neuanfangs: Er macht den Eindruck als sei er Schlecker von der ins Haus geholten Unternehmensberatung aufgezwungen worden, aber nicht, als sei er in der Familie auch gewollt oder werde verstanden. Der Umbau ist eher ein lästiges Übel, weil die Kunden durchgedreht sind und plötzlich nicht mehr nur Wert darauf legen, billig einzukaufen, sondern sich auch noch wohl dabei fühlen wollen und es gut finden, wenn die Mitarbeiter nicht unterbezahlt und überfordert sind.

Wo gibt’s denn sowas?

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Bei Schlecker gibt’s sowas jetzt auch – zumindest theoretisch. Im Februar hat im schwäbischen Allmendingen mit einem Riesenbohei die erste neue Filiale eröffnet, in der die Gänge 1,40 Meter breit sind, 40 Prozent breiter als in den Stadtfilialen. Die Regale sind hingegen nur noch 1,60 Meter hoch, damit die Kunden den ganzen Laden überblicken können. Und zur besseren Orientierung hängen in den Fluren jetzt Piktogramme, die darauf hinweisen sollen, an welcher Stelle die unterschiedlichen Produktgruppen zu finden sind.

Modern ist das alles nicht: weder das verschnörkelte Logo, bei dem einzelne Buchstaben aneinanderkleben und andere sich lieber voneinander fernhalten, noch die quietschbunten Bildchen, die aussehen als seien sie als Cliparts aus dem Textverarbeitungsprogramm herausgeschüttelt worden. Selbst der Spruch „…modern …preisberühmt …Fotarbeiten“ hatte mehr Charme als jetzt „For You. Vor Ort“; zumindest war er witziger.

Das größte Problem ist aber, dass die meisten Kunden von den Versprechen, die Schlecker nun macht, nichts zu sehen bekommen. Die alten Logos in den Läden sind nicht abmontiert, die Filialen noch genauso ramschig, die Regale manchmal sogar leerer als vorher. Kurz: Der neue Schlecker sieht aus wie der alte.

Und das wird auch noch eine ganze Zeit so bleiben. Im Interview mit der F.A.S. erläuterte Lars Schlecker gerade, wie es mit dem Umbau vorangeht: „Wir haben schon 60 Märkte modernisiert.“ Und:

„Wir sind mit dem Programm voll im Plan. In diesem Jahr werden wir 250 bis 400 Filialen umstellen. Wenn das neue System erst eingespielt ist, bauen wir im Jahr 1500 Filialen um.“

Man muss dazu wissen, um wieviele Filialen es geht – nämlich rund 8300. Mal angenommen, Schlecker schließt davon noch – wie angekündigt – höchstens 800; mal angenommen, in diesem Jahr würden wirklich bestenfalls 400 weitere Läden umgebaut und ab 2012 jedes Jahr 1500: Dann würde der letzte Schlecker also im Jahr 2016 das moderne Ladendesign bekommen, das den Kunden seit Anfang 2011 angekündigt wird? In fünf Jahren?

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Es ist auch ohne den Zeitdruck ein Kunststück, Schlecker zu der modernen Drogerie werden zu lassen, die es nicht nur mit Rossmann und dm aufnehmen kann, sondern auch mit Supermarktketten wie Rewe, die gerade verstärkt in eigene Drogerieabteilungen investieren.

Denn die neue Großzügigkeit wird vielerorts überhaupt nicht in die angemieteten Filialen passen. Während die Konkurrenten vor allem auf große Läden in Einkaufspassagen und Stadtzentren setzen, eröffnete Schlecker stets auch in Wohngebieten und Randlagen. Das soll ja auch der neue Werbespruch kommunizieren: die Nähe zu den Kunden. Wie es das Unternehmen aber fertig bringen will, in die oftmals verwinkelten, mit Säulen verbauten, schlauchartigen Geschäfte breitere Regalgänge und geräumige Theken einzufügen, ist ein Rätsel.

Wenn das Konzept auch in kleinen Läden konsequent umgesetzt werden sollte, wird jedenfalls kaum Platz sein, um überhaupt noch ein angemessen großes Sortiment unterzubringen.

„Wir wollen der nette Nachbar sein, zu dem man auch in Bademantel und Schlappen auf einen Schwatz geht“, hat Lars Schlecker im F.A.S.-Interview gesagt. Es wäre halt nur ganz praktisch, wenn man bei der Gelegenheit auch zukünftig Waschmittel, Sonnencreme und Windeln bekommen würde.

Sonst kann sich Schlecker bald schon wieder einen neuen Werbespruch texten lassen: „For You. Vorbei“ würde ganz gut passen.

Fotos: Supermarktblog / Logo: Schlecker

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