Heute basteln wir uns eine Eigenmarke. Ist ganz leicht und dauert auch nicht lange. Dazu brauchen wir:
1. eine Flasche.
2. eine zündende Idee für ein erfrischendes Sommergetränk, weil Produkte ja stets antizyklisch entwickelt werden. Zum Beispiel: erfrischende Melonenschorle mit einem Schuss von allem, was gerade hip ist – Guarana, Rhabarber und Mateextrakt.
3. eine ungefähre Ahnung von dem, was wir da überhaupt tun.
Na gut, kleiner Exkurs: Ein erfolgsorientierter Händler gibt sich nicht damit zufrieden, Produkte zu verkaufen, die andere hergestellt haben. Ein erfolgsorientierter Händler will immer auch Produkte verkaufen, die andere hergestellt haben, ohne dass er zuviel vom Umsatz abgeben muss. Und mit Eigenmarken, die im Auftrag der Handelsketten produziert werden, sind nunmal höhere Margen zu erzielen als mit klassischen Markenprodukten.
Darüber hinaus werden Eigenmarken vom Kunden unmittelbar mit dem jeweiligen Discounter oder Supermarkt in Verbindung gebracht – können also auch ein Grund sein, wieder dorthin zu gehen, wenn man zufrieden war. Die Händler sind zugleich unabhängiger vom Produzenten, der jederzeit ausgetauscht werden kann ohne dass der Kunde was merkt. Die Verpackung bleibt ja dieselbe.
Der Anteil, den die Eigenmarken in Deutschland am Umsatz der Händler haben, ist zuletzt leicht zurückgegangen (vor allem bei den Discountern), lag im vergangenen Jahr aber laut den Marktforschern von Nielsen immer noch bei durchschnittlich 37,4 Prozent.
4. eine Entscheidung: Discounter oder Supermarkt?
Der Unterschied ist durchaus relevant. Um unsere Melonenschorle im Discounter anzubieten, benötigen wir nämlich auch noch einen albernen Fantasienamen, etwa: „Schorly Melone“.
Das liegt zum einen daran, dass Discounter offensichtlich gerne Leute einstellen, die vorher Namen für Produkte in Daily Soaps erfunden haben. Vor allem aber liegt es daran, dass Discounter üblicherweise für jede Produktgruppe eine eigene Dachmarke haben. Bei Aldi Nord kommen Backwaren alle von „Goldähren“, auf die Verpackung seiner Milchprodukte druckt Lidl immerzu „Milbona“, das Dosenobst von Aldi Süd heißt „Sweet Valley“ – und der Typ, der für Penny das Toilettenpapier getauft hat, lacht sich heute noch kaputt, dass die seinen Vorschlag echt genommen haben.
Warum das so funktioniert? Keine Ahnung. Es wäre aber gut möglich, dass das mal als Vielfaltsdemonstration gegenüber der Kundschaft gedacht war.
Im Supermarkt hingegen funktionieren Eigenmarken meistens mit ein- und derselben Dachmarke, vom Toastbrot über die Salzstangen bis zur Frischhaltefolie. Rewe hat dafür „ja!“ erfunden, bei Edeka heißen die Billigprodukte „Gut und Günstig“, Kaiser’s Tengelmann setzt auf „A&P“ („Attraktiv & preiswert“) und Real hat „TIP“ („Toll im Preis“). Sie sehen schon, die sind allesamt „BLÖD“ – Besonders Langweilige und Öde Dachmarken. Dafür steht unter dem Logo meistens auch das drauf, was drin ist.
Für unsere Schorle bedeutet das: sie muss ebenso BLÖD sein und vor allem auch zu anderen Produktgruppen passen. Also: „oh! Melonenschorle“.
Wie die „Lebensmittelzeitung“ kürzlich berichtete, will sich der Krisen-Discounter Penny übrigens künftig am Supermarkt-Konzept orientieren und zum November ebenfalls produktübergreifende Marken einführen: „Penny Basic“, „Penny Premium“ und (für Kosmetik) „Penny Hier und Heute“. Ist also gut möglich, dass die Grenzen künftig stärker verwischen.
5. den Ehrgeiz, der Kundschaft mehr Geld abzuknöpfen.
Ursprünglich waren die Billigmarken im Supermarkt (die offiziell „Preiseinstieg“ heißen, was aber Quatsch ist) vor allem zur Discounter-Abwehr gedacht. Das gilt zwar immer noch – aber alle großen Handelsketten haben zusätzliche Eigenmarken erfunden, um damit auch Zielgruppen anzusprechen, die bereit sind, auch etwas mehr Geld auszugeben.
Deshalb gibt es inzwischen über 1000 „Rewe“-Produkte, die etwas ansprechender verpackt sind, das rote Rewe-Logo aufgedruckt haben und etwas weiter oben im Regal stehen. Edeka ist gerade dabei, seine Mitte-Marken zu vereinheitlichen und überall den eigenen Namen zusätzlich aufzudrucken. (bei Säften heißt das dann zum Beispiel „Edeka Rio Grande“). Real hat erst vor drei Jahren „Real Quality“ eingeführt. Und wer sich bei Tengelmann die „Star Marke“ mit den drei Kochmützchen (?) drüber ausgedacht hat, muss leicht angeschwipst gewesen sein.
Neuste Masche der Supermärkte sind Edelmarken wie „Edeka Selection“ und „Rewe Feine Welt“, unter denen (vermeintliche) Spezialitäten verkauft werden: der besonders edle Schinken, schnörkelig verpackte Antipasti und Nachtische, die mit einem einzigen Mal ausgelöffelt werden können.
In dieser Kategorie hätte unsere Melonenschorle keine Chance. (Es sei denn, wir dichten sie zum „Nektar aus sonnengereiften kanarischen Charentais-Melonen“ um.)
6. einen zuverlässigen Hersteller.
Zwei Möglichkeiten: Entweder kontaktieren wir einen international operierenden Melonenschorle-Produzenten, drohen ihm, sein Produkt zu kannibalisieren – und bieten ihm an, dass er unsere Eigenmarken selbst herstellt, natürlich mit vereinbartem Stillschweigen. Einziges Risiko ist, dass uns „Akte 20.11“ mit seinem „Markendetektiv“ auf die Schliche kommt. Oder wir fragen einfach ein mittelständisches Unternehmen, dem es nicht so wichtig ist, mit einer eigenen Marke im Markt vertreten zu sein, solange es an der Herstellung gut verdient.
Fast fertig. Jetzt fehlt eigentlich nur noch eins:
7. eine Verpackung, die nicht aussieht als sei sie mit Filzstift auf Packpapier gemalt.
Aber das heb ich mir mal für den nächsten Blogeintrag auf.
Fotos: Supermarktblog