Die Rabattfalle: Wie Preisaktionen ganz schnell schief gehen können

Die Rabattfalle: Wie Preisaktionen ganz schnell schief gehen können

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Angenommen, mit der folgenden Frage ließe sich bei Günther Jauch die Million gewinnen. Wahrscheinlich wüsste jeder Kandidat schon vor Einblendung der Antwortmöglichkeiten, dass es gleich was zu feiern gibt:


Foto [M]: RTL / Supermarktblog

Die richtige Antwort ist natürlich D: Tiernahrung.

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Sie wissen das vermutlich, weil es vor den Werbespots der Baumarktkette Praktiker eine Zeit lang fast kein Entrinnen gab. Vor allem, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Praktiker an Aktionstagen zum Teil ein Umsatzplus von 300 Prozent eines normalen Tages machen konnte.

Inzwischen ist das Geschichte (siehe FAZ.NET) – und Praktiker steckt trotz des zwischenzeitlichen Erfolgs in der Krise. Vor drei Wochen wurden die neusten Zahlen bekannt gegeben. Die Umsätze sind massiv eingebrochen, eine Jahresprognose traut sich die Geschäftsführung derzeit nicht zu. In den Meldungen wird unter anderem eine „verfehlte Marketingstrategie“ als Grund für die Misere angegeben.

Das Problem an der 20-Prozent-auf-alles-Aktion war: Sie funktionierte so gut, dass Praktiker sie in immer kürzeren Abständen wiederholte. 2007 gab es an über 100 Tagen 20 Prozent Rabatt auf „alles außer Tiernahrung“. Die Kunden haben sich daran gewöhnt – und mit ihrem Einkauf gewartet, bis der nächste Aktionstag ausgerufen wurde. War ja meistens auch nicht zu überhören. An anderen Tagen blieben die Märkte allerdings leer.

Jetzt, da die Prozent-Aktionen abgeschafft sind, gibt es für viele Kunden keinen Grund mehr, ausgerechnet zu Praktiker zu gehen. Weil die Kette versäumt hat, ihnen einen anderen Grund dafür zu geben als den Preis.

Das Beispiel gehört zu den spannendsten in der Studie „Die große Preisfrage“, für die sich die Unternehmensberatung OC&C Consultants mit unterschiedlichen Preisstrategien im Einzelhandel beschäftigt – und damit, wie wichtig es für Handelsfirmen ist, die jeweils richtige zu finden, um erfolgreich zu sein. Rabattaktionen sind eines von vielen Mitteln, die erst einmal für Wirbel und Umsatz sorgen, aber auch völlig daneben gehen können.

Christian Ziegfeld, der die Studie bei OC&C verantwortet, sagt:

„Das Problem ist, dass an dem Tag, an dem die Aktion abgeschaltet wird, ein Unternehmen meist nichts mehr davon hat, weil sich diese nicht auf das langfristige Leistungsversprechen auswirkt.“

Das „langfristige Leistungsversprechen“ hört sich zunächst einmal sehr danach an als sei es gerade aus einem Marketingfachbuch gefallen. Aber die Idee, die dahinter steckt, ist hochinteressant. Die Preisstudie geht nämlich davon aus, dass es für den Erfolg eines Unternehmens gar nicht so wichtig ist, wie günstig es seine Produkte anbietet. Entscheidend sei vielmehr, was die Kunden glauben, wie günstig die Produkte angeboten werden – also die „Preiswahrnehmung“.

Diese Preiswahrnehmung lässt sich beeinflussen, zum Beispiel durch Werbung. Aber das kollektive Gedächtnis der Kundschaft ist träge: Zwei, drei Jahre kann es dauern, bis sich die Preiswahrnehmung der Verbraucher ändert. Genau das ist auch das Problem der Rabatt-Tage.

„Natürlich hilft es erstmal, wenn durch eine Preisaktion viele Kunden in die Filiale kommen“, sagt Ziegfeld. „Die Frage ist aber: Glauben die Kunden auch noch nach einem halben Jahr, dass dieser Händler wirklich günstig ist?“ Denn nur dann gehen sie dort auch einkaufen, wenn es gerade mal keine aufwändig beworbene Sonderaktion gibt.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Wenn Praktiker mit seiner Strategie so arg auf die Nase gefallen ist, warum riskieren dann Discounter wie Lidl, Netto (ohne Hund) und Penny wöchentlich dasselbe?

Die Antwort darauf lautet: weil Aldi es nicht macht.

Aldi liegt im Discountmarkt so weit vorne, dass die beiden Unternehmenshälften (Aldi Süd und Aldi Nord) dort – noch – auf Sonderaktionen verzichten können. Gleichzeitig bringt es den Konkurrenten wenig, lediglich genauso gut wie Aldi zu sein. Unterbieten lässt sich Aldi auch nicht, weil alle Discounter ihre Preise für die wichtigsten Lebensmittel permanent aneinander angleichen. Ziegfeld sagt: „Aldi ist zu groß und zu gut aufgestellt als dass die anderen Discounter im Preiswettbewerb wirklich dagegen halten können – und deshalb wird versucht, über solche Aktionen mehr Kunden anzulocken.“

Das schafft aber noch immer nicht die Gefahr aus der Welt, dass sich die Preisaktionen der Discounter negativ aufs Geschäft auswirken könnten, oder?

Doch, meint Ziegfeld, denn zumindest die Lidl-Aktion sei so konstruiert, dass sie eigentlich keinen Schaden anrichten könne. Am „Super-Samstag“ werden zum Beispiel immer nur zwei Markenprodukte zu stark herabgesetzten Preisen angeboten, es gibt ein begrenztes Kontingent – und danach ist Schluss. Das ist für die Kunden leichter nachzuvollziehen als wenn ein ganzes Sortiment rabattiert wird, bei dem es von den meisten Artikeln auch noch einen ausreichenden Vorrat gibt. (Genau so war’s bei Praktiker.)

„Wenn Preisaktionen mit unterschiedlichen Zeitrhythmen, Inhalten oder Sortimenten laufen, kann der Kunde nicht vorausplanen. Noch dazu werden Lebensmittel ständig benötigt. Wenn Sie zuhause ihr Badezimmer neu fliesen wollen, planen Sie das oft ein paar Wochen vorher“, erklärt Ziegfeld. Dass Lidl mit dem „Super-Samstag“ und dem „Montags-Alarm“ sein Geschäftsmodell schädigen könne, glaubt er nicht.

Als Allheilmittel allerdings funktionieren Preisaktionen auch im Lebensmittelhandel kaum. Weil die übrige Konkurrenz sich anpasst und die unterschiedlichen Rabatte der Aldi-Herausforderer schon jetzt kaum noch auseinanderzuhalten sind. Und weil die generelle Preiswahrnehmung im Zweifel wichtiger ist.

„Dass es irgendwann mal eine 25-Prozent-Aktion gab, weiß nach sechs Monaten jedenfalls kaum noch jemand“, meint Ziegfeld.

Außer natürlich die Aktion hatte einen kessen Tiernahrungs-Slogan und funktioniert inzwischen als mahnendes Beispiel dafür, wie ein vermeintlich cleverer Marketingtrick ganz schnell das Gegenteil von dem bewirken kann, was er ursprünglich sollte.

Abbildungen: Lidl, Penny, Netto

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