Netto (ohne Hund) übernimmt 51 Kaiser’s-Tengelmann-Märkte in NRW und Bayern: Taugen Discounter als „Nahversorger“?

Netto (ohne Hund) übernimmt 51 Kaiser’s-Tengelmann-Märkte in NRW und Bayern: Taugen Discounter als „Nahversorger“?

Inhalt:

Nicht alle früheren Kaiser’s-Tengelmann-Filialen werden zu Edeka oder Rewe. Kleinere Läden übernimmt Netto (ohne Hund). Im Antrag zur Ministererlaubnis hatte Edeka vor Transfers an Discounter noch gewarnt.

Partner:

„Liebe Kunden, wir schließen am 25.2.“,

steht in Tengelmann-Rot auf dem Schild an dem geschlossenen Markt im Münchner Stadtteil Giesing. Und untendrunter in roter Schrift auf Netto-(ohne Hund)-Gelb:

„Ab 21.3. sind wir als Netto-Filiale neu für Sie da.“

Die alte Ladeneinrichtung ist schon entsorgt, der neue Boden fast vollständig verlegt. Fehlen nur noch Kühlmöbel, Kassen und Regale bis zur Wiedereröffnung in anderthalb Wochen.

Nach der Übernahme von Kaisers Tengelmann hat Edeka nicht nur einen Großteil der Berliner Märkte an den Mitbewerber Rewe abgegeben (siehe Supermarktblog), sondern auch 42 Märkte in Nordrhein-Westfalen und neun in Bayern an die eigene Discount-Tochter Netto (ohne Hund) – solche nämlich, die aufgrund ihrer Größe, Lage oder ihres Ertragspotenzials nicht für das Vollsortiment geeignet seien, hieß es einst im Zuge der Übernahme.

Ursprünglich war sogar mal von 84 Filialen die Rede, die an Netto (ohne Hund) hätten gehen sollen; weil sich aber die Erlaubnis der Übernahme bekanntlich eine Weile hinzog, sind unrentable Märkte zwischenzeitlich wohl schon geschlossen worden.

Die übernommenen Märkte baut Netto (ohne Hund) eigenen Angaben zufolge direkt auf sein neues Filialkonzept um (rechts das Foto ist aus einem ehemaligen Kölner Kaiser’s-Markt).

Und besänftigt treue Kunden mit einer Einkaufswagen-Kunstinstallation, die demonstrieren soll, wieviel günstiger ein Beispieleinkauf jetzt im Vergleich zu früher kommt, hat Supermarktblog-Leser @sebbo in NRW beobachtet:

„Dieser Einkauf lostet bei Kaiser’s 100,24 € / Netto 75,73 €
24% günstiger – Sie sparen 24,74 €“

Damit wollen sich nicht alle ehemaligen Kaiser’s-Tengelmann-Kunden zufrieden geben. In Unterhaching bei München sind vor allem ältere Anwohner sauer und befürchten laut „Süddeutscher Zeitung“ eine „schlechter werdende Versorgungslage“, weil Netto (ohne Hund) als Discounter künftig nur noch halb so viele Artikel führt wie der frühere Tengelmann-Supermarkt (4.000 statt 8.000) und keine Frischetheke mehr anbiete.

Die Stadt ist hingegen froh, dass die Einkaufsmöglichkeit überhaupt erhalten bleibt. Noch dazu, weil Netto (ohne Hund) außer Preisreduktionen auch verspricht, die Läden „nicht nur attraktiver, sondern vor allem auch energieeffizienter und nachhaltiger“ zu gestalten.

Woher kommt dann bloß die fixe Idee, Discounter seien automatisch die schlechtere Wahl?

Naja: von Edeka.

Discounter als Verschlechterer?

Vor zwei Jahren reagierte die Hamburger Unternehmenszentrale auf die Untersagung der Übernahme durch das Kartellamt mit einem Antrag auf Erteilung einer (schließlich auch gewährten) Ministererlaubnis.  Als dafür sprechender Gemeinwohlgrund wurde vor allem der Erhalt der Arbeitsplätze angeführt.

Eines der weiteren Argumente (siehe Supermarktblog) war aber auch die „Sicherung der Nahversorgungsstrukturen“.

Durch die Fusion von Kaiser’s Tengelmann mit Edeka werde der „Erhalt und Ausbau des wohnortnahen Vollsortiments“ garantiert, referierte die Monopolkommission damals die Position der beiden Unternehmen. „Eine Abwicklung von KT ohne die geplante Übernahme würde hingegen eine erhebliche Ausdünnung der Filialdichte in der Nahversorgung bewirken.“ Auch wenn die Discount-Konkurrenz einspringe, sei das ein Problem, prognostizierten die Antragsteller:

„Die Übernahme von vielen Filialen durch Discounter würde die Versorgungsstruktur ebenfalls verschlechtern.“

Also genau das, was die Unterhachinger jetzt fürchten.

Damals diente die Argumentation dazu, dem Wirtschaftsminister die Fusion unter den Bedingungen schmackhaft zu machen, die Edeka und Kaiser’s Tengelmann miteinander vereinbart hatten. Nach der Sondererlaubnis (mit zahlreichen Einschränkungen und Verzögerungen) und der Umwandlung von 51 Filialen in Discount-Märkte kann jetzt praktischerweise das Gegenteil gelten.

„Optimale Nahversorgung“

In der in der zurückliegenden Woche pressemeldete Netto (ohne Hund) stolz:

„Service: Netto garantiert optimale Nahversorgung vor Ort. (…) Mit rund 4.000 Artikeln, einem ausgewogenen Verhältnis an Marken und Eigenmarken sowie einem Sortimentsfokus auf Frische, Regionalität und Nachhaltigkeit präsentiert sich Netto als idealer Nahversorger vor Ort. (…) Wir freuen uns, den Kunden vor Ort nach nur kurzer Unterbrechung einen attraktiven Nahversorger bieten zu können (…).“

(Hervorhebungen von mir.)

Ziemlich nützlich, so ein Discounter. Ist wahlweise als Versorgungsstrukturverbesserer oder -verschlechterer einsetzbar; je nachdem, ob man ihn gerade braucht, um Kunden zu besänftigen. Oder um eine Fusion durchzuwinken, von der die meisten Experten abgeraten haben.


Welche Kaiser’s-Märkte in NRW von Netto (ohne Hund) übernommen wurden, steht u.a. bei RP Online. (Wenn Sie auch eine gute Übersicht kennen, teilen Sie die doch bitte mit uns in den Kommentaren.)

Die vollständige von Netto (ohne Hund) bestätigte Liste der bayrischen Tengelmann-Filialen, die ins Filialnetz integriert werden, ist:

  • 82008 Unterhaching, Parkstraße 17
  • 86199 Augsburg, Bgm.-Aurnhammer-Straße 59
  • 83435 Bad Reichenhall, Frühlingstraße 64
  • 82205 Gilching, Landsberger Straße 66
  • 80992 München, Pelkovenstrasse 143-147
  • 80933 München, Aschenbrennerstraße 8
  • 81539 München, Deisenhofener Straße 80
  • 81539 München, Herzogstandstraße 19
  • 80636 München, Weiglstraße 5
  • 85716 Unterschleißheim-Lohhof, Maxfeldhof 6

(In München-Giesing übernimmt Netto [ohne Hund] damit offensichtlich zwei 900 Meter auseinander gelegene Tengelmann-Märkte, die bislang mit einer Netto-[ohne Hund]-City-Filiale in der Mitte konkurrierten.)

Danke an S. für das Köln-Foto!

Fotos: Supermarktblog

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16 Kommentare
  • Der relativ kleine Tengelmann-Vinzenzmurr Filiale in 85551 Heimstetten sollte eigentlich auch ein Netto werden, und am 25.02. schließen. Doch die Gemeinde, Haupteigentümer (Vinzenzmurr) und die Centervweraltung haben dagegen gewehrt, vorallem Vinzenzmurr wollte die Filiale nicht an Netto übergeben, da die ja dann raus müssten.

    Wochenlang war es ein hin und her, dass es ein Edeka wird, dass es doch ein Netto wird, dann doch nicht. Edeka wird kommen und bekommt 270qm Ladenerweiterung, der Anbau soll bald gebaut werden. Bin richtig gespannt!

  • Noch was: Die Filiale an der Verdistraße wird gerade komplett umgebaut und als EDEKA am 21.03. wiedereröffnen. Außen tritt die Filiale aber immer noch als Tengelmann auf. Genauer gesagt: Es wird ein Tengelmann-EDEKA

  • Der Markt in München-Aschenbrennerstraße liegt dann ca. 400m neben dem in der Linkstraße, welcher früher mal ein Plus war. Mal sehen ob dieser dann verschwindet…

  • Die Anzahl der Produkte alleine sagt wenig aus, da viele Produkte von mehren Herstellern angeboten werden.
    Ob man jetzt einige Produkten von 5 oder nur 2 Herstellern kaufen kann macht wenig Unterschied.
    Interessanter wäre die Anzahl an unterschiedlichen Produkten ohne Beachtung des Herstellers.

  • Mich würde ja mal interessieren, was aus den wirklich ganz kleinen Tengelmann-Filialen werden soll, von denen es in München ja auch einige gibt (z.B. Türkenstraße 77, Triftstraße, Willibaldplatz; in letzterem sind die Regale so eng gestellt, dass zwei Personen kaum aneinander vorbei kommen).
    Die jetzt an Netto abgegebenen Filialen sind im Vergleich zu diesen Mini-Tengelmännern riesig. Eigentlich kommt da ja nur die Schließung oder eine Umwandlung in „nah und gut“ in Frage…

    • Das würde mich auch interessieren. Sagen Sie Bescheid, wenn die Umwandlung durch ist? Das wäre großartig! In Berlin gibt es auch so ein paar Kandidaten.

    • Berlin bekommt ja nicht einen Netto-Markendiscount in eine Kaiser’s-Filliale, sondern ausschließlich Rewe bzw. Edeka.

      Rewe gestaltet kleine Fillialen in Rewe City mit kleinerem Sortiment um, größere Fillialen werden Rewe. Alle Fillialen unterstehen übrigens Rewe direkt ohne selbständige Kaufleute. Einzige Ausnahme könnte die recht kleine Kaiser’s-Filliale im Berliner Hauptbahnhof werden (übrigens die einzige Filliale, in der die Extrakarte als Kundenkarte nicht gilt). Rewe hatte doch mal Rewe to go geplant, ich vermute ja, dass es dort dann ein Rewe to go wird.

      Edeka stellt zur Zeit nur die IT intern um, nach Umstellung gilt die Deutschland-Card statt der Extrakarte und der Bon läuft auf Edeka. Äußerlich steht noch Kaiser’s dran und es gilt auch noch die Kaiser’s-Werbung dort. Egal wie groß oder klein die Filliale ist alles wird einfach nur Edeka. Und ja auch die Winzfillialen (z. B. Wittenbergplatz, Ritterstraße oder Reichsstraße) wurden bzw. werden Edeka. Die aktuelle Kaiser’s-Werbung wirbt übrigens auf der letzten Seite ebenfalls wie Netto NRW mit einer Preisersparnis durch günstigere Edeka-Preise, siehe http://www.kaisers.de/fileadmin/content/Wochenprospekt/berlin_KW11.pdf

      Nicht lohnende 7 Fillialen (z. B. Müllerstraße oder Flankenschanze) wurden doch schon extra vorher im Februar 2016 geschlossen, damit sie nicht übernommen werden müssen und stehen seitdem leer bzw. in der Boddinstraße hat die Kaiser’s-Filliale
      im Oktober 2016 als Edeka-Filliale geführt von einem selbständigen Kaufmann neu eröffnet.

    • Das spannende in München ist meiner Meinung nach, dass es hier auch ein paar der winzigen Filialen gibt, die augenscheinlich gut laufen. Im Lehel zB oder in Schwabing (ich glaube Türkenstraße). Die sind kaum größer als eine drei Zimmer Wohnung, aber man steht dort jedes Mal an der Kasse in einer Schlange. Auch deswegen gehört Tengelmann für mich irgendwie einfach zu München und ich werde die Logos im Stadtbild vermissen.
      Edeka nah&gut hingegen kenne ich meist nur in leer.

    • Bescheid!
      An der Mini-Filiale am Willibaldplatz in München hängt seit gestern statt dem Tengelmann-Schriftzug ein „E xpress“-Schild.

    • In der Filialsuche gibts eine ganze Reihe umgewandelter Tengelmänner; nicht bloß die 3, von denen die Wirtschaftswoche schreibt, sondern fast alle zwischen Pasing, Untermenzing und Neuhausen (bloß der in der Gollierstraße fällt etwas raus). Die meisten davon werden als „E xpress“ geführt und sind nicht alle ganz winzig und auch nicht alle in guter Convenience-Lage. 3 größere werden jetzt als normaler Edeka geführt (erkennbar am Betreiber „NK Südfilialen“). Prospekte fehlen noch: „Die Angebote des von Ihnen ausgewählten Marktes stehen in Kürze wieder zur Verfügung.“

    • Einer der allerkleinsten (obwohl Neubau Ende der 80er, wo das schon winzig war) ist in der Isoldenstraße; da hat inzwischen praktisch direkt gegenüber ein Edeka mit Rossmann aufgemacht. Wird aber bisher tapfer weiterbetrieben, und es ist auch gelegentlich ein Kunde drin. Viele Tengelmänner sind eigentlich auch für einen nah&gut zu klein.

      Tatsächlich gehören die, die jetzt in München Nettos werden, eher zu den größeren Tengelmännern. Die beiden in Giesing sind deutlich größer als der bestehende Netto City in der Mitte. Der in der Perlacher (nominell Herzogstand-) Straße war bis zur Insolvenz ein Krone (Großflächenversion von Katra). Da passt heute auch locker ein richtiger Netto (ohne City) rein.

      Der in der Pelkovenstraße im Mona hat erst nach den Fusionsplänen eröffnet und ist mindestens so groß wie der ebenso neue Aldi daneben. Unweit im OEZ ist halt ein Edeka-Center (IIRC Regiemarkt), aber zum nächsten großen Netto mit Parkplatz (ehemals der größte Münchner Plus) sind es auch nur gut 300 Meter (potenziell könnte das dafür ein Edeka werden). Aschenbrenner- und Weiglstraße kenn ich nicht von innen. Aschenbrennerstraße bedient mit dem Frauenholz das sozial niedrigste Viertel Münchens.

      Den in Unterhaching kenn ich auch nicht, aber bei einem neuen Netto City dürften 4’000 Artikel grob übertrieben sein. Jüngst renovierte kleine Netto Citys (insbesondere die am Hohenzollern- und Bonner Platz) haben ihr Sortiment radikal reduziert (ist auch keine „Backstube“ reingekommen). Die wirken zwar jetzt nicht mehr so verramscht, aber dafür sind auch absolute Basics rausgeflogen und vieles nur noch als Markenware erhältlich (Publikum dort ist aber auch eher zahlungskräftig).

      Bis auf den im Mona, der offenbar noch als Tengelmann offen hat, sind die künftigen Nettos übrigens alle schon in der Filialsuche mit Eröffnung am 21. März verzeichnet (Unterhaching 14.). Bis auf Unterhaching und Lohhof alles als Vollnettos und nicht als City.

  • Im Krefelder Ortsteil Hüls (15.000 Einwohner) gibt es mittlerweile das Kuriosum, dass 2 Netto-Märkte zu Fuß ganze 7 Minuten, bzw. 550 m auseinander liegen. Der rechte Markt im angehöngen Bild war bis vor kurzem noch ein Kaisers-Markt, dessen komplette Schließung im Zuge weiterer Schließungen im letzten Jahr eigentlich schon besiegelt war… Wie nun 2 dieser Märkte wirtschaftlich zu betrieben werden sollen erschließt sich mir wenig.

    https://img2.picload.org/image/rllcglgi/image1.jpg

    • Und dann auch noch ein Edeka direkt neben dran. Theoretisch wären das ja vom Hauptlager aus eine ganze einfache Belieferung…

  • Wir in Berlin haben den Luxus, dass die ehemaligen Kaisers Märkte und jetzt REWE Märkte sich nur mit dem Firmennamen und JA Produkten den Unterschied zu Kaisers früher machen. Selbt die BACKSTOPS (jetzt mit „REWE“ statt alten Keisers-Kanne im Punkt) haben neue WMF Kaffeemaschinen bei der Umstellung erhalten und führen wie früher Kuchen, belegte Brötchen, Bockwurst, uvm. – Wenn man die anderen vor einem Jahr neu eröffneten REWE Märkte in der Region anschaut, war der Bäcker an einen externes Unternehmen vergeben und die Regale nach Muster „Green Bilding“ in Reihe und Glied. Folglich langweilig und 08/15. Doch selbt im verstaubten REWE im Zetrum des Kiezes werden seit kurzem die „Partyplatten“ wie einst bei Kaisers per Prospekt den Kunden angeboten. Delbst kürzlich neu gebaute REWE Märkte (siehe Hermann Hesse Straße in Berlin) verfügt über den neuen Typ BACKSTOP mit dem Namen „DAILY by REWE“. Und wer hätte es gedacht: mit Kuchen, belegten Brötchen, uvm. . Man merkt, dass REWE erstaunlicherweise durch die Übernahme von Kaisers etwas aufgewacht ist im Thema Angebot und flexibilität des Shops. Denn die Gafahr, dass durch das merklich einhalten von gewissen Standards im Bereich Aufbau und Konzept in neuen REWE Märkten, führte zunehmens in die Belanglosigkeit der Marke REWE – salopp gesagt: Einheitsbrei.

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