BackWerk testet erweitertes Angebot mit Suppen und Burger
Brauchen etablierte Systemgastronomie-Anbieter alternative Formatkonzepte? Kommt drauf an: zu welchem Zweck. Um glaubwürdig Kaffee und süße Backwaren zu verkaufen, ist McCafé als Satellit für den sonst eher von Nuggets und BigMacs umkreisten Planeten McDonald’s von entscheidender Bedeutung. Die Bäckereikette Kamps hingegen hat sich mit ihrem Downgrading zum Busbahnhofskiosk und der dafür erfundenen Markenverrenkung KAMPuS eher keinen Gefallen getan (siehe holyEATS #37). Davon wollte sich der zum Schweizer Valora-Konzern gehörende Mitbewerber BackWerk jedoch nicht abschrecken lassen – und eröffnete seine Filiale im nordrhein-westfälischen Moers Anfang September als „BackWerk Deli“ wieder.
Originalitätspunkte gibt’s für den überstrapazierten Namenszusatz zwar nicht. Dafür aber im Laden ein erweitertes Angebot an belegten Snacks, wechselnde Suppen und Smoothies, die vor den Augen der Kund:innen frisch zubereitet werden – und anschließend auch noch „sehr viel“ verkauft, wie BackWerk-Geschäftsführer Karl Brauckmann im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (Abo) zwischenbilanziert: „[D]ie Verbraucher trauen uns, wie allen Bäckereien, grundsätzlich den Verkauf von vielseitigen Snacks zu. Das waren und sind ideale Voraussetzungen, um uns in Richtung Gastronomie zu entwickeln.“ Wie weit dieses Vertrauen reicht, testet Brauckmann bis Ende Dezember mit dem landesweit erhältlichen „BackWerk Burger“, einem Steinofenbrötchen mit Rindfleisch-Pattie, Gouda, Tomaten und Zwiebeln. Unter dem Label „gut für mich“ gibt es nicht nur gesund belegte Klappbrote und Sandwiches, sondern auch Joghurts mit Früchten und Salate. Dieser „Veredelungsprozess“, sei für BackWerk „immer wichtiger geworden“, so Brauckmann. „Da findet der größte Teil der Wertschöpfung statt, da liegt das größte Potential der Effizienzsteigerung“. Vorausgesetzt, dieser Schritt lässt sich den Kund:innen glaubwürdig transportieren.
Um den Wandel vom Back-Discounter zum „Deli“ zu unterstreichen, achtet das Unternehmen bei neuen Filialen deshalb verstärkt auf Ladenoptik und Produktinszenierung (siehe holyEATS #7). Dank Backsteinwänden, hellen Holzmöbeln und Kaffeestation in schlichtem Metallrahmen sieht’s dort immer öfter aus wie in einem Selbstbedienungs-Starbucks. Im Logo verzichtet BackWerk auf die ursprünglichen Grundfarben und hängt es in schlichtem Weiß auf Schwarz über die Ladeneingänge (Foto aus Wien). Im „Deli“ geht BackWerk noch einen Schritt weiter und schafft die glasverschlossenen Brötchenklappen ab. Stattdessen sind Snacks auf offenen Holztabletts drapiert, über denen nur noch ein einfacher Glasschutz angebracht ist; das „knusprige Plundergebäck mit frischem Obst, hausgemacht“ kann daneben aus weißen Schalen entnommen werden.
Gleichzeitig gibt es weiterhin zahlreiche Filialen, die von Franchise-Nehmer:innen an Orten betreiben werden, wo das klassische Schnitzelbrötchen immer noch Kassenkönig ist. Zur besseren Unterscheidung für Läden mit Avocado-affinerer Kundschaft wäre „BackWerk Deli“ deswegen durchaus eine geeignete Markenerweiterung. (Erst recht, wenn man sich anschaut, wie mal alles angefangen hat; Foto: BackWerk.)
Pizza Express will sich mit Format-Ableger Za verjüngen
„Fast, fresh, to go“: So fasst der Fast-Casual-Neuling Za seine Mission über dem Eingang des ersten (und bislang einzigen) Restaurants in der Londoner Fenchurch Street, knapp 600 Kilometer westlich von Moers entfernt, zusammen. Das Format ist der Versuch der hochverschuldeten britischen Systemgastrokette Pizza Express, jüngere Gäste zu gewinnen, die nur schnell was essen oder mitnehmen wollen, ohne sich tischbedienen zu lassen (siehe holyEATS #29). Statt ganzen Pizzen gibt es vorgebackene „Pizza by the Slice“, dazu Pizza-Wraps, fertig zubereitete Salate, Granola-Joghurts, hausgemachte Limonaden, Matcha Chai Tee. Was die Zielgruppe halt so wünscht.
„The whole place hums with misspent money“, ätzt der „Independent“ in seiner gnadenlosen Gastrokritik – und hat insofern recht, als dass der Laden wirklich sehr danach aussieht, als hätten zu viele Agenturen zu lange an der Bilderbuchmarkenverjüngung gearbeitet. Schlimmer ist aber: Die Pizza Slices sind zwar durchaus lecker – aber direkt wieder kalt bis man sie an seinen Platz getragen hat.
Andererseits: Um die Fast-Casual-Lücke der vor 54 Jahren (!) gegründete Restaurantkette zu schließen und Leute anzulocken, die in der Mittagspause nicht viel Zeit haben oder nach dem abendlichen Pub-Besuch noch Hunger, geht Za schon in Ordnung. Die Pizzabrötchen mögen trotz ihrer Verkleidung als „Dough Balls“ nicht weiter der Rede wert sein. Dafür brauchen sich die Salatkombinationen nicht vor dem Angebot der Wettbewerber von A bis Pret zu verstecken, mit denen sich Za am gewählten Standort umzingelt hat. Außerdem haben die Formatentwickler verstanden, dass richtig guter Kaffee wichtig ist, wenn man bereits morgens um sieben aufsperrt, um Pendler:innen mit Omelette-Piadinas, Cheddar-Croissants und Porridges zu versorgen. Und dass man dafür vielleicht besser mit einem Partner zusammenarbeitet, der was davon versteht (in diesem Fall: Union Coffee).
Auch was das Ladendesign angeht, zeigt sich Za mit dem flächigen Dunkelblau und den roten bzw. türkisen Farbspots sowie dem Mobiliar aus Metall und Holz sehr viel moderner als mancher Konkurrent. Ausreichend Platz zum hinsetzen ist im Obergeschoss auch, und beim Treppensteigen kann man den Mitarbeiter:innen beim Pizzabacken in der offenen Küche zusehen. Essen gibt’s, wie draußen ansteht, bis „Late“.
Und falls Ihnen die Pizza irgendwann zu den Ohren rauskommt: In wenigen Metern Entfernung hat gerade der To-Go-Ableger des erfolgreichen asiatischen Fast-Casual-Anbieters Wagamama eröffnet – Mamago. Bestellt wird, genau wie bei Za, am Tresen (oder alternativ, wie bei McDonald’s, an Touchscreens); die Küche ist offen und auf der Ganztageskarte stehen Mitnahmegerichte „with an asian Twist“: Reisbowls, Frühstück-Wraps, Omelettes, Obst-Pots. Fehlt noch was? Klar, Kaffee gibt es auch! Alle Gerichte werden frisch zubereitet und sollen spätestens nach vier Minuten über den Tresen gehen. Für Quickservice-Verhältnisse ist das eine kleine Ewigkeit. Aber Mamago glaubt fest daran, dass die Gäste das in Kauf nehmen: „It’s lunch hour, not rush hour.“
Nachtrag, 20. Dezember: Lange hat die Euphorie nicht gehalten. Pizza Express meldet heute, Za am jetzigen Standort schließen zu wollen und dort zum klassischen Konzept zurückzukehren. Za solle 2020 an einem neuen, bisher noch nicht genannten Standort zurückkehren. Die Za-Website hat Pizza Express bereits abgeschaltet.
DELIVERY
Takeaway.com kann in die „Zukunft des Essens“ sehen
Was gibt’s Neues bei Takeaway.com, das gerade alle paar Tage Gegenreden zu den Argumentationsattacken des Rivalen Prosus reinschickt, der sich den bereits fusionsverplanten Übernahmekandidaten Just Eat ebenfalls gerne einverleiben würde? Ach ja, der orangefarbene Lieferriese bietet sich europäischen Unternehmen neuerdings als Ersatzkantine an. Firmen können ihren Angestellten Zuschüsse fürs Abhol- bzw. Lieferessen spendieren, wenn die über die Takeaway.com-Marke Ihres Vertrauens Lunch bestellen, und kriegen am Monatsende eine Sammelrechnung. Mit demselben Konzept ist 10bis, das im vergangenen Jahr von den Niederländern übernommen wurde, bereits in Israel erfolgreich. Takeaway.com hat die Technologie wie angekündigt in die eigene Plattform integriert und sieht schon die Kassen klingeln: Während reguläre Kund:innen im Schnitt zwölf mal jährlich Essen ordern, würden 10bis-Nutzer:innen bis zu 85 Mal Essen an den Arbeitsplatz bestellen, schwärmt man in Amsterdam.
Die Pressemitteilung des Unternehmens ist dennoch etwas kryptisch geraten; also hab ich für Sie mal nachgefragt, wie das eigentlich genau funktioniert. Und schon klingt alles etwas weniger verheißungsvoll: Hierzulande startet der neue Dienst mit einer (in der Mitteilung nicht erwähnten) Pilotphase, in der Takeaway.com Versuchskanin…, Pardon: Pioniere auswählt, die über eine für den eigenen Lieferdienst Scoober bewältigbare Mitarbeiterzahl verfügen. (Was angesichts dessen regelmäßig von Gastronom:innen beklagter Überlastung zu Stoßzeiten auch unbedingt notwendig ist.) Der Rest kommt auf eine Warteliste. Eine Eingrenzung der Restaurants, bei denen Mitarbeiter:innen bestellen können, ist momentan nicht möglich. Nur falls Sie wissen wollen, warum’s im Büro bald öfter nach den Leckereien vom Lieferando-Glutamesen duftet. Sammellieferungen? Geht nicht. Der Empfang darf sich also im Zweifel darüber freuen, dass zur Mittagszeit alle paar Minuten ein neuer Essenskurier mit dem E-Bike vorradelt, um einzelne Bestellessen abzugeben. Nicht einmal eine simple Lösung, um die Lieferessen zentral zu lagern bzw. warmzuhalten, liefert Takaway.com seinen Partnern, die nach einer Testphase Kommission zahlen sollen, mit. Man wolle den Service gemeinsam mit den Unternehmen weiterentwickeln, heißt es bei Lieferando in Berlin.
Nur kurz zum Verständnis: Kann es sein, dass der Laden, der sich seiner „compelling strategic rationale“ und dem „best-in-class, founder-led management team“ rühmt, im Vorjahr 158 Millionen Euro dafür ausgegeben hat, ein eher simpel klingendes Sammelbestellsystem für Firmenkunden zu erwerben? Das potenzielle Auftraggeber zum europäischen Marktstart mit der logistischen Abwicklung der angebotenen Dienstleistung in ihren Räumlichkeiten auch noch weitgehend alleine lässt?
Die wichtigste Frage zur versprochenen „Zukunft des Essens für Unternehmen“ lautet aber: Warum, zur Hölle, heißt dieses Firmen-Fastfood-Sponsoring bitteschön „Takeaway Pay“?
Nachschlag
In Ländern, die nicht Deutschland sind, müssen die von Lieferdiensten beauftragten Essenskuriere nach wie vor eigene Transportmittel für ihre Arbeit mitbringen. Das klingt doch nach Marktlücke, meint das australische Start-up Bolt – und verleiht E-Bikes an Kuriere für 39 Dollar pro Woche, Smartphone-Halterung am Lenker, USB-Port und Sicherheitsschloss inklusive. Postmates testet die Mietflotte in San Francisco, Großbritannien steht auch auf der Startliste, weiß TechCrunch.
Nach Flughäfen und Bahnhöfen macht sich Kamps jetzt auch an Tankstellen breit und kooperiert für die forcierte Beliebigkeitswerdung mit Shell.
McDonald’s schafft seine mit großem Tamtam eingeführten Signature-Burger wieder ab: In den USA kam das Aus schon im Frühjahr, in Großbritannien war im November Schluss. Hierzulande stehen „Signature Trüffel“, „Signature Bacon & Spiegelei“ & Co. noch auf der Karte.
Und dass es Los Pollos Hermanos, die Chicken-Kette aus „Breaking Bad“, in den USA inzwischen tatsächlich als Bestellrestaurant gibt, haben Sie mitbekommen, oder?
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