Bahn-Tochter reicht „Station Food“ an SSP weiter
Was war das für ein Hallo, als die Deutsche Bahn-Tochter DB Station & Service im Herbst des vorvergangenen Jahres ihr neues Quickservice-Ensemble im Berliner Hauptbahnhof (siehe holyEATS #6) eröffnete: „kein Food-Court wie jeder andere“, sondern einer für „Genießer“ , vorher „erfolgreich getestet“ in der Weltstadt Karlsruhe, gestemmt von Partnern mit gebündelter Expertise „aus jahrelangem Betrieb von Verkehrsgastronomie und der ausgezeichneten Entwicklung von Bahnhofsflächen“ (Rubenbauer mit DB Station & Service). Keine anderthalb Jahre danach ist die Euphorie verflogen. Die Bahn-Tochter hat angekündigt, ihre „Station Food“ getaufte Konzepthoffnung an den Verkehrsgastronomie-Spezialisten SSP zu verkaufen, inklusive des Standorts Köln (wo „Station Food“ noch nicht mal gestartet ist).
Für SSP (Pressemitteilung) ist das ein kleiner Triumph – insbesondere weil der Verkehrsgastro-Riese den Standort am Berliner Hauptbahnhof schon einmal betrieben und dann entzogen bekommen hatte, damit sich die Bahn dort selbst ausprobieren konnte. Ein paar ganz interessante Konzepte flattern mit der Übernahme nun auch ins hiesige Franchise-Portfolio.
Für DB Station & Service ist der Verkauf eine deutliche Niederlage – und er lässt sich am ehesten als Indiz dafür deuten, dass Station Food in Berlin bislang weit unter den Erwartungen geblieben sein muss. Sonst würde man ja nicht nach wenigen Monaten schon wieder die Reißleine ziehen. Die gerne verwendete „Rückbesinnung aufs Kerngeschäft“ lässt sich als Ausrede nur schwer geltend machen – immerhin ist die Food-Franchise-Planung ja wesentlicher Teil des Kerngeschäfts der für den Bahnhofsbetrieb zuständigen Konzerntochter. Genau wie für den Partner Rubenbauer, der mit seinen „Genusswelten“ die Schnellversorgung der Reisenden am Münchner Bahnhof sicherstellt. (Und der sich nach dem Station-Food-Flop auf seinen Stammmarkt konzentrieren dürfte.)
Was genau die Bahn-Tochter dazu bewogen hat, ihre Ambitionen als Verkehrsgastronomie-Betreiber so schnell entgleisen zu lassen, ist unklar. Sehr viel klarer hingegen ist, dass der Vorzeige-Food-Court am Hauptstadtbahnhof – sagen wir: bislang nur mittelmäßig gut organisiert schien. Obwohl die Voraussetzungen, Gäste anzulocken, angesichts zahlreicher neuer Konzepte und Franchise-Premieren eigentlich hervorragend war.
Das hilft aber wenig, wenn man Reisende früh morgens unnötig lange vor verschlossenen Türen stehen lässt – so wie das bei Pret A Manger nach der Deutschland-Premiere der Fall war (siehe holyEATS #21). Inzwischen wird zwar eine halbe Stunde früher geöffnet, die Regale bleiben dennoch erstmal gähnend leer, bis alle Sandwiches frisch geschmiert und einsortiert sind. Bei Dean & David nebenan darf man dem Personal um fünf vor Öffnung beim Tresenaufräumen zusehen – aber bloß nicht nach einem Heißgetränk fragen, wo kämen wir denn da hin! Nur beim Station-Food-Kamps nebenan wird schon gerödelt. Mit der verheißenen „Willkommensmentalität“ und dem versprochenen „exzellenten Service“ hat das wenig zu tun, und über das „angebliche Ambiente mit Wohlfühlcharakter“ in dem (auch vorher schon nicht besonders gemütlichen) Zwischengeschossverschlag müssten wir auch nochmal diskutieren.
SSP wird sich ziemlich ins Zeug legen müssen, um das Image des Morgens-zu-Food-Courts aufzubessern. Gerade hat das Kartellamt der bereits Mitte Dezember gemeldeten Übernahme zugestimmt (B9-203/19).
Hensslers Ahoi am Frankfurter Bahnhof: Quickservice im Fast-Casual-Style
Den Jamie-Oliver-Vergleich wollte Steffen Henssler dann doch nicht so durchgehen lassen, als er Mitte Dezember in Frankfurt am Main die Bahnhofspremiere seines Gastro-Konzepts „Ahoi Steffen Henssler“ vorstellte. „Dann müsste ich ja auf einen Schlag fünf Ahois eröffnen! Wir wollen aber lieber organisch wachsen“, wiegelte der Namensgeber ab – und fügte mit gewohnt großer Klappe und Augenzwinkern hinzu: „Außerdem würd ich mal behaupten, dass ich besser kochen kann.“ Kochen lässt Henssler in Frankfurt allerdings andere – nämlich schon wieder SSP (wo man gerade einen kleinen Lauf hat), das offizieller Betreiber des Ahoi ist, angesiedelt in einem gläserneren Pavillon zwischen Gleis 18 und 19 als Nachfolger für Gosch Sylt.
Dafür haben Henssler und dessen Bruder, der sich auch um den Betrieb der beiden anderen Ahois in Hamburg und Travemünde kümmert, das eher als klassische Bediengastronomie angelegte Konzept zum Franchise-System umgebaut und in Absprache mit SSP für den Standort angepasst. Zusätzlich zu Fish’n’Chips „Henssler Style“ (mit Peperonimayonnaise und Remoulade) und Bowls mit Sushi oder Teriyaki-Hähnchen gibt’s erstmals Fisch-Sandwiches zum Mitnehmen (mit originellen Namen wie „Klabauter Mann“, „Ei-Ei Käptain“, „The Moby“ und „Der goldene Kalle“). Wer’s nicht so eilig hat, darf sich auch hinsetzen.
Das Projekt ist gleich in mehrfacher Hinsicht interessant. Nicht nur, weil Henssler im Erfolgsfall natürlich doch ein bisschen in die Fußstapfen anderer europäischer Prominentenköche treten könnte, denen es gelungen ist, mit eigenen Gastromarken im Massenmarkt (zumindest vorübergehend) erfolgreich zu sein. Sondern auch als Test dafür, ob sich in der Verkehrsgastronomie womöglich auch Quickservice-Konzepte im Fast-Casual-Style durchsetzen können: mit höherer Qualität in einem mittleren Preissegment. Denn die Ahoi-Gerichte sind – vor allem für Bahnhofsverhältnisse – zwar hervorragend präsentiert und schmecken so frisch zubereitet, wie das vor Ort demonstriert wird; sie kosten aber auch mehr als das, was Pendler:innen in der unmittelbaren Nachbarschaft von Discount-Bäckern und klassischen Quickservice-Anbietern angewöhnt bekommen haben. (Fish’n’Chips starten bei 9,50 Euro, größere Sandwiches bei 5,50 Euro.)
Henssler geht mit dem Franchise-Experiment ebenfalls kein ganz kleines Risiko ein, immerhin ist das Ahoi durch die starke Personalisierung untrennbar mit ihm verbunden und ein funktionierendes Qualitätsmanagement ziemlich entscheidend für den Erfolg. „Selbst als langjähriger Gastronom ist so ein Standort eine enorme Herausforderung“, räumte Henssler in Frankfurt ein – und versicherte gleichzeitig, mit SSP einen Partner gefunden zu haben, dem er vertraue. Als Reaktion auf das am Köln-Bonner Flughafen gefloppte Konzept „Ben Green“, bei dem er mit im Boot war, will Henssler die Kooperation aber nicht gelten lassen; dort sei vor allem der Standort das Problem gewesen.
Darum muss er sich in Frankfurt Hbf mit täglich rund 460.000 Reisenden schon mal keine Gedanken machen. Ob für das Konzept eine Exklusivpartnerschaft mit SSP vereinbart wurde, wollte Henssler nicht verraten, man strebe aber „eine Partnerschaft auf lange Sicht“ an. Die freilich auch im Interesse der Bahn wäre, die sich zunehmend mit jüngeren Gastrokonzepten in ihren Bahnhöfen profilieren will. (Was durchaus schlau ist.) Man habe ausreichend Fantasie, das Ahoi im Erfolgsfall „auch an anderen Standorten umzusetzen“, hieß es seitens SSP. Parallel dazu expandieren die Henssler-Brüder weiterhin in Eigenregie an Standorten im Norden. Nächster Halt: wahrscheinlich Scharbeutz.
Wird das noch was mit virtuellen Küchen in Europa?
Mangelnden Anpassungswillen kann man den Gründern des virtuellen Restaurantbetriebs Keatz (vormals Guru Collective bzw. Green Gurus) gewiss nicht unterstellen, so oft wie das Konzept seit 2016 an die sich stetig wandelnden Markterfordernisse angepasst wurde. Dass Keatz nach dem Deliveroo-Rückzug aus Deutschland vor wenigen Monaten seine Küchen in Berlin und München schloss (wie an dieser Stelle zuerst gemeldet), war auch deshalb bitter, weil man ja eigentlich mal mit eigener Lieferflotte gestartet war – die dann abgewickelt wurde, um Delivery den damals noch zahlreichen Anbietern zu überlassen (siehe holyEATS #1).
Das hat sich fundamental geändert. Alleine daran kann’s aber auch nicht gelegen haben: In den immer noch mit Delivery-Vielfalt gesegneten Niederlanden scheint Keatz seinen Betreib inzwischen ebenfalls eingestellt zu haben, meldete nrc.nl bereits im Dezember. Die Küche im Amsterdamer Stadtbezirk De Pijp (Foto) ist geschlossen, auf Deliveroo sind die virtuellen Restaurantmarken nicht mehr zu finden. Deutsche-Startups.de hat sich von Co-Gründer Paul Gebhardt sagen lassen, man habe nach dem Deutschland-Aus „aggressiv Kosten sparen“ müssen, mache „aber nicht dicht”. Irgendwie aber auch nicht mehr so richtig – auf? Die Keatz-Facebook-Seite ist schon seit längerem verwaist, der letzte Instagram-Post stammt vom vergangenen Oktober.
Derweil hat Delivery Hero, einst mit Foodora Lieferpartner von Keatz, den ebenfalls in Berlin ansässigen Ghost-Restaurant-Konkurrenten Honest Food gekauft. Dessen Geschäftskonzept unterscheidet sich insofern von dem anderer virtueller Restaurants, als dass man Gerichte dort tiefgekühlt an Partnergastronomen liefert, die sich dann ums Aufwärmen, Pardon: um Anrichtung und Auslieferung kümmern. Bestellt werden konnte (zumindest in Österreich) über eigene Liefer-Websites, so richtig durchsichtig ist das – „vorrübergehend geschlossen“ (sic) – alles jedoch auch nicht.
Ob Delivery Hero nun tatsächlich wieder in den (schwierigen) deutschen Markt einsteigen will, wie mancherorts spekuliert wird? Unwahrscheinlich. Sehr wohl können die Berliner aber das eingekaufte Know-How gebrauchen, zum Beispiel für die steigende Zahl virtueller Küchen, die man inzwischen in den übrig gebliebenen Delivery-Hero-Märkten betreibt (siehe holyEATS #35). Für die wurden in den vergangenen Monaten u.a. die Marken „Wing it“, „Pokéd“, WanT“ und „Jacksons’ Fried Checken“ registriert, zuletzt auch für den in Asien und Osteuropa betriebenen Lieferdienst Foodpanda, der mit „pandamart“ in neue Geschäftsfelder vorstoßen könnte. (Klingt zumindest so.)
Das spanische Delivery-Start-up Glovo (siehe holyEATS #46), neuerdings mitfinanziert von Abu Dhabi, machst’s ganz ähnlich – ausführlich berichtet Sifted.eu über die Pläne. Zusammengefasst heißt das dennoch: Mit Ausnahme von Großbritannien köchelt der Trend virtueller Restaurants in Europa vorerst nur auf kleiner Flamme weiter.
Nachschlag
Kaum hatte dieser kleine Newsletter im Dezember einen Blick in den Pizza-Express-Ableger Za in London geworfen, hat der To-go-Laden auch schon wieder zugemacht: Am Standort soll erneut ein klassisches Filialrestaurant eröffnen, Za im Laufe des Jahres andernorts wieder auftauchen. Mal sehen. Weitere Aktualisierung: BackWerk holt den getesteten Burger ins Standardsortiment.
Jetzt ist’s endlich offiziell: Europas neuer Delivery-Riese heißt Just Eat Takeaway.com und will „the absolute best online food delivery company“ des Kontinents werden, sagt der Chef. (Idealerweise natürlich auch: die einzige.)
„Hallo, Brandstwiete!“ Beets & Roots eröffnet sein nunmehr fünftes Restaurant, das zweite in Hamburg – und zwar mit einem neuen Design, das Beton gegen Holz und Verspieltheit gegen Cleanness eintauscht.
Der ebenfalls in Berlin und Hamburg gestartete Wettbewerber Stadtsalat, der Bowls und Salate mit eigenen Kurieren zustellt, kommt mit einer Filiale nach Frankfurt am Main (Bockenheimer Landstraße; Köche gesucht!).
Oha, laut „Handelsblatt“ steht die Better-Burger-Kette Hans im Glück zum Verkauf.
Können Lebensmittelhandelsketten am Ende doch Gastronomie? Konsum Dresden legt sich zumindest mächtig ins Zeug und hat im alten Bahnhof in Dresden-Strehlen „Genusswelt Konsum“ eröffnet, das Gäste mit regelmäßig wechselnden Gerichten den ganzen Tag über frisch bekocht.
Und Pizza Hut testet in den USA runde Pizzaboxen.
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