holyEATS #52: Mit System durch die Krise – wie L’Osteria sich gegen Corona stemmt und mittels eigenem Lieferservice für die Zukunft rüstet

holyEATS #52: Mit System durch die Krise – wie L’Osteria sich gegen Corona stemmt und mittels eigenem Lieferservice für die Zukunft rüstet

Foto: L'Osteria
Inhalt:

L’Osteria-Chef Mirko Silz über die Strategie, mit der die Restaurantkette die erste Phase der Krise bewältigt hat, und Pläne für die Zukunft.

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I. Da kommt was auf uns zu

Mirko Silz erinnert sich noch ziemlich gut an den Tag, der die Pläne für das neue Jahr durcheinander gewirbelt hat: „Am letzten Freitag im Februar hatte ich das Gefühl: Da könnte was auf uns zukommen.“ In der CDU wurde diskutiert, wer neuer Parteivorsitzender werden sollte; an der türkischen Grenze machten sich hunderte Flüchtlinge auf den Weg in Richtung Griechenland; VW prognostizierte für 2020 ein Umsatzplus von 4 Prozent. Corona war längst in Deutschland angekommen, das Robert-Koch-Institut beurteilte das Risiko aber als „gering bis mäßig“. Der Alltag ging weiter wie bisher, trotz Bundesliga-Geisterspielen und Absage der Tourismusmesse in Berlin. Silz folgte dennoch seiner Intuition, die er aus seinem Netzwerk bestätigt bekam. „Am ersten Montag im März haben wir deshalb ein Krisen-Team gebildet, das sich mit unterschiedlichen Szenarien auseinandergesetzt und gefragt hat: Was passiert, wenn die Teilschließung kommt oder sogar ein vollständiger Shutdown?“

Für die allermeisten Deutschen war eine Ausgangssperre zum damaligen Zeitpunkt noch unvorstellbar. Nur zwei Wochen später war das öffentliche Leben in vielen europäischen Ländern durch Corona bereits zum Stillstand gekommen.

Die Gastronomie gehört zu den Branchen, die der Schock besonders hart getroffen hat. Wochenlang blieben Restaurants für Gäste geschlossen. Die Nachwirkungen werden noch lange zu spüren sein. Nicht nur, weil  der Umsatzverlust kaum mehr aufholbar sein wird. Sondern auch, weil sich die Transformation, die in der Branche schon seit längerem läuft, nun massiv beschleunigt. L’Osteria ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Oder, wie Silz sagt, der die Geschäfte der Münchner Systemgastronomiekette seit 2016 verantwortet: „Es reicht heute nicht mehr, nur gute Pizza und Pasta in schönen Restaurants anzubieten.“

Im holyEATS-Gespräch erzählt er, wie das Unternehmen die erste Phase der Krise bewältigt hat, wie er die Marke künftig positionieren will und welche Rolle die L’Osteria-Unternehmenskultur spielt, die Mitarbeiter:innen und Gäste als Wertegemeinschaft „La Famiglia“ begreift. An einem lässt Silz keinen Zweifel: „Die Gastronomie wird [in Zukunft] grundlegend anders aussehen als das noch vor der Krise der Fall war.“


II. Der Tag, an dem die Pizzaöfen ausgingen

Wie genau? Das weiß zum heutigen Tag niemand. Sehr genau weiß Silz hingegen, was L’Osteria einen wichtigen Vorsprung verschafft hat, als die Branche im März in den Ausnahmemodus schaltete: „Wir haben schon vor anderthalb Jahren ein zentrales Krisenmanagement eingerichtet, das jederzeit für alle Ressorts und Partner erreichbar ist – falls in unserer Organisation etwas passiert, auf das wir schnell reagieren müssen.“ Eine sich weltweit ausbreitende Pandemie gehörte zwar nicht dazu. Aber als es ernst wurde mit Corona, war die Krisennummer im Unternehmen schon bekannt. So liefen alle relevanten Meldungen aus den Restaurants von vornherein an einem Punkt zusammen. „Wir haben aber das Glück, bis heute keinen einzigen bestätigten Corona-Fall in einem unserer Restaurants registrieren zu müssen“, sagt Silz.

Foto: L’Osteria

In den ersten Tagen sei es im Krisen-Team vor allem darum gegangen, sicherzustellen, dass die Lieferketten weiter funktionieren: „Wir beziehen einen Großteil unserer frischen Zutaten aus Italien. Deshalb haben wir die Situation dort natürlich schon früh ganz genau beobachtet.“ Lager wurden gefüllt, um mögliche Unterbrechungen abzufedern – was sich im Nachhinein aufgrund der Schließung als „weniger glückliche Entscheidung“ entpuppt habe. Gleichzeitig habe man Franchise-Partner:innen und Kolleg:innen in den Head-Offices regelmäßig über das weitere Vorgehen informiert; in der App für Mitarbeiter:innen standen Videos aus dem Vorstand zum Abruf bereit.

„Bis hierhin muss ich sagen: Das Zusammenspiel aller Beteiligten hat von der ersten Sekunde an hervorragend funktioniert“, bilanziert Silz. Dennoch hätten die Unsicherheiten bei Personal und Gästen im Laufe der Zeit stark zugenommen. „In einer solchen Situation wirtschaftlich weiterzumachen wie bisher, war unmöglich.“ Deshalb habe man Partner und General Manager relativ früh gedanklich darauf vorbereitet, dass es auch zu einer Schließung aller Restaurants kommen könnte. Am 21. März war es soweit – kurz nach der Ansprache der Bundeskanzlerin, in der Angela Merkel die Bewältigung der Pandemie „eine historische Aufgabe“ nannte und die Deutschen darum bat, zuhause zu bleiben.

„Wir hatten 100 Prozent Zustimmung unter allen Partner:innen, diesen Weg zu gehen“, sagt Silz über den Entschluss, den alle Franchise-Nehmer:innen mittrugen – ohne konkret zu wissen, wie es weitergehen würde. Kurz zuvor seien die Unternehmer:innen bereits aus der Leistungserbringungspflicht entlassen worden; die gibt vor, dass L’Osteria-Restaurants eine bestimmte Zahl an Tagen im Jahr geöffnet sein müssen. „So hat jede:r Partner:in unternehmerisch selbstständig entscheiden können, ob es sich wirtschaftlich lohnt, den Betrieb am jeweiligen Standort aufrecht zu erhalten.“ Gleichzeitig habe man den Entschluss getroffen, den in Kurzarbeit geschickten Mitarbeiter:innen das Gehalt für März auf 100 Prozent aufzustocken, um ihnen ein Mindestmaß an Sicherheit zu geben. Am Tag der Schließung seien die letzten Pizzen in den Restaurants gebacken und in Pflegeheime und Krankenhäuser geliefert worden, um dem Personal dort eine kleine Abwechslung vom Alltag zu ermöglichen. Anschließend blieben die Pizzaöfen aus – zumindest vorübergehend.

„Die Restaurants zu schließen, war ein sehr emotionaler Moment“, sagt Silz. Er sei anschließend eine Woche quer durch Deutschland gefahren, um mit Restaurantleiter:innen und Franchise-Partner:innen zu sprechen, von denen viele sehr jung seien, Familie hätten und denen das alles ziemlich nahe gegangen sei. Auch deswegen sei klar gewesen, dass man versuchen musste, „in der Unnormalität ein Stück Normalität wiederherzustellen“: „Unser Motto war: Keep calm and wash your hands.“ Gleichzeitig sei schon seit dem 20. Jahrestag der Gründung im vergangenen Jahr klar gewesen, dass sich L’Osteria als Marke noch einmal weiterentwickeln müsste. Das war auch der Grund, weshalb man sich in München bereits mit der Idee beschäftigt hatte, eine eigene Delivery-Plattform für die Restaurants einzurichten.


III. Von null auf Delivery in zwei Wochen

Im Liefergeschäft hatte L’Osteria längere Zeit eine – wie Silz sagt – „hervorragende Zusammenarbeit mit Foodora“. Nachdem klar war, dass die Delivery-Hero-Marke in Deutschland vom Wettbewerber Lieferando übernommen werden würde, sei es jedoch zu „Reibungsverlusten“ gekommen. „Bereits Anfang 2019 haben wir im Außerhaus-Geschäft Umsatzverluste von bis zu 50 Prozent registriert, und das in München in unseren stärksten Restaurants. Das ist nicht als Vorwurf gemeint, aber für uns war spätestens im 2. Quartal [2019] klar: Wir müssen uns im Liefergeschäft ein Stück weit unabhängig manchen.“ Zumal man von Lieferando Signale empfangen habe, die darauf hindeuteten, dass die Zustellung mit eigenen Fahrer:innem bei der Bestellvermittlungs-Plattform „nicht unbedingt Priorität hat“. Im vergangenen Jahr startete deshalb in München der erste Test für einen eigenen L’Osteria-Lieferservice – lange bevor Corona zum Thema wurde.

Dass dieser Dienst nur wenige Monate später in fast allen deutschen Restaurants aktiv sein würde, war zum damaligen Zeitpunkt kaum absehbar. Aber genau das war das Ziel, an dem nach der Schließung der Restaurants gemeinsam mit dem Berliner Webshop-Dienstleister Simply Delivery unter Hochdruck gearbeitet wurde. „In der ersten Aprilwoche haben wir Take-away in Köln-Bonn und München getestet und gemerkt, dass es einen Bedarf dafür gibt“, erinnert sich Silz. Wenige Tage später meldete die Restaurantkette ihren Gästen: „Wir sind wieder für euch da‎ – L’Osteria liefert selbst.“ Anfangs öffneten ungefähr zwei Drittel der deutschen Restaurants für Delivery und Take-away, auch nur mit reduzierter Speisekarte. Aber das reichte, um einen Teil der Mitarbeiter:innen aus der Kurzarbeit zurückzuholen, wieder Pizza zu backen, Kund:innen an spontan eingerichteten Abholschaltern zu bedienen und Bestellungen an die Haustür zu bringen. Für den Lieferstart kooperierte L’Osteria mit Sixt, das den Restaurants Leihfahrzeuge zur Verfügung stellte. „Jetzt fangen wir damit an, eine eigene Flotte – Autos, Räder, Roller – aufzubauen“, berichtet Silz.

Foto: L’Osteria

Denn das Experiment hat sich als erfolgreich erwiesen – so erfolgreich, dass L’Osteria sich darauf einstellt, Delivery und Take-away in Eigenverantwortung künftig zu einem festen Bestandteil des Konzepts zu machen. Am Anfang sei vieles noch improvisiert gewesen. „Das wird sich in den kommenden Monaten Step by Step professionalisieren. Mit knapp über 100 deutschen Restaurants erreichen wir natürlich nicht dieselbe Marktdurchdringung auf der Fläche wie manche Fast-Food-Riesen“, sagt Silz. Angefangen habe man mit 150 Bestellungen pro Tag und die Zahl bis Ende April schnell auf 4.000 gesteigert. „Mittlerweile sind wir dadurch bei knapp 30 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahr angekommen.“ Auch über Lieferando können Gäste weiter bestellen. Aber die Tendenz ist eindeutig: „Im April sind bereits 89 Prozent der Bestellungen über unseren eigenen Shop gelaufen“, bestätigt der L’Osteria-Chef. Vor allem eines habe man in den vergangenen Wochen gelernt: „dass unsere Mitarbeiter:innen die besten Markenbotschafter:innen sind“, auch im Außer-Haus-Geschäft. „Wir registrieren, dass Auslieferungen, die über unsere eigenen Mitarbeiter:innen erfolgt sind, online sehr viel positiver bewertet werden als die über Plattformen Dritter.“

Gemeinschaftlich mit Franchise-Parter:innen habe man das Menü zuletzt Schritt für Schritt vergrößert – „um auszuprobieren, wie sich ein erweitertes Speisenangebot managen lässt“. Seit Anfang Mai werden in allen Restaurants auch Pasta und Salate zur Lieferung angeboten, dazu Kombi-Angebote zu speziellen Anlässen und (an manchen Standorten) Kochboxen, mit denen sich L’Osteria-Pasta zuhause selbst zubereiten lässt. „Bis Ende des Monats soll online das ganze Menü auswählbar sein.“ Nur auf Produkte, die sich schwer transportieren lassen, will Silz verzichten.


IV. Re-Start, aber mit Abstand

Derzeit gilt ein Großteil der Aufmerksamkeit aber natürlich den Restaurant-Wiedereröffnungen für den Tischservice – inklusive der von Bundesland zu Bundesland verschiedenen Auflagen, die eine Ansteckungsgefahr möglichst gering halten sollen. Es werde „komplex“, in 103 Filialen alle landesspezifischen Vorgaben der Behörden konsequent umzusetzen, meint Silz. „Ich bin mir aber sicher, die operativen Teams haben das gut im Griff.“ Mitarbeiter:innen, die sich bei L’Osteria bislang um neue Restaurants gekümmert haben, planen jetzt als Re-Start-Team zusammen mit dem Krisenstab die Wiedereröffnungen. Im Vorfeld haben alle Restaurantleiter:innen eine „Re-Start-Manual“ zur Verfügung gestellt bekommen, in der einheitlich handhabbare Regeln festgehalten sind. Außerdem würden Rundgänge durch alle deutschen Restaurants erfolgen, um Gefährdungsanalysen zu erstellen und festzulegen, welche lokalen Zusatzregelungen notwendig sind. Gleichzeitig, sagt Silz, müsse sich aber auch L’Osteria der Realität stellen: „Mit rund 30 Prozent Vorjahresumsatz lässt sich nicht aus dem Vollen schöpfen. Deshalb sind viele Mitarbeiter:innen – vor allem in der Verwaltung – leider weiterhin in Kurzarbeit.“ Seit der Ankündigung, dass die Restaurants wieder öffnen dürfen, sei die Stimmung aber direkt eine ganz andere: „weiter angespannt, aber wesentlich positiver“. „La Famiglia“ freut sich, dass es wieder losgeht.

Die große Frage ist: Wie reagieren die Gäste? Immerhin ist der Besuch im Restaurant kaum mehr mit dem von vor zweieinhalb Monaten vergleichbar: Tischabstand, Maskenpflicht und Kontaktdatenabfrage helfen nicht unbedingt dabei, eine ungezwungene Atmosphäre zu schaffen. Alles nur eine Frage der Gewohnheit? Das fällt auch Silz trotz 29 Jahren Erfahrung in der Systemgastronomie schwer einzuschätzen. Eins steht für ihn aber fest: „Die Gäste scheinen regional unterschiedlich mit der Situation umzugehen.“ Zu Beginn der Krise, als die Restaurants noch geöffnet waren, habe man an Standorten mit wenigen gemeldeten Covid-19-Fällen im Umkreis überraschenderweise einen deutlich schnelleren Rückgang der Umsätze gemerkt als an manchen Orten mit höheren Infektionszahlen. Insofern müsse man auch von Region zu Region unterschiedlich agieren.

Foto: L’Osteria

Wahrscheinlich ist, dass vorerst weniger Touristen aus dem Ausland zum Essen kommen. „Auf der anderen Seite halte ich es für möglich, dass sich das ein Stück weit durch Gäste aus dem Inland ausgleichen lassen wird“, sagt Silz – weil umgekehrt ja auch Urlaubsreisen in andere Länder nicht im selben Maße wie üblich passieren dürften. Wird der Restaurantbesuch zu einer Art Abwechslung im Pandemie-Alltag? „Ich persönlich glaube nicht, dass die Besuchshäufigkeit steigen wird – aber dass die Gäste, wenn sie denn auswärts essen gehen, sich mehr gönnen werden.“ Einen zusätzlichen Pizzabelag, einen Nachtisch, ein Getränk mehr als sonst. Das dürfte auch mitentscheidend dafür sein, ob es sich für Gastronom:innen überhaupt lohnt, ihre Restaurants unter den neuen Bedingungen offen zu halten. Silz gibt sich optimistisch: „Unsere Aufgabe ist es, das System so weiterzuentwickeln, dass sowohl wir mit unseren Eigenbetrieben als auch unsere Partner:innen auf dieser Basis wirtschaftlich agieren können.“


V. Stabilisieren geht vor expandieren

Um den Übergang in die neue Normalität zu bewerkstelligen, ruhen vorerst die Pläne, mit L’Osteria in neue Märkte zu expandieren. Bereits im vergangenen Jahr habe sich abgezeichnet, dass es aufgrund der sich abkühlenden Konjunktur nicht so weitergehen würde wie während des wirtschaftlichen Aufschwungs der vergangenen Jahre, erklärt Silz. „Wir haben deshalb frühzeitig unsere Expansionsstrategie angepasst.“ Anstatt die Zahl der Restaurants bis zum Jahr 2021 auf über 200 zu steigern, schienen 180 realistischer. „Dass dann Corona kommen würde, war natürlich nicht zu ahnen.“ Nun überlege man bei manchen Objekten, für die noch keine Mietverträge unterschrieben seien, ob man erst einmal abwarten solle, wie sich die Lage entwickelt. Dass sich L’Osteria in der näheren Zukunft auf den europäischen Markt konzentrieren wird, steht hingegen fest: „Derzeit hat Stabilisierung für uns Vorrang.“

Wobei eines als gesetzt gilt: „Die Marke L’Osteria muss online und offline gleichermaßen funktionieren, im Restaurant genauso wie an der Haustür unserer Gäste. Das ist die Zukunft.“ Die derzeitige Herausforderung wird dadurch nicht kleiner. Take-away und Delivery sollen ja weder den Service im Restaurant noch die Abläufe in der Küche durcheinander bringen, die die steigende Nachfrage über die zusätzlichen Kanäle auch bedienen können muss. Wie praktisch, dass in München bereits seit Ende 2018 das neue Format L’Osteria Piccola getestet wird, das sich ohnehin vorrangig an Gäste richtet, die ihr Essen mitnehmen wollen, und auf kleinerem Raum nur wenige Sitzplätze anbietet.

„Wir sehen da viele Synergien mit dem wichtiger werdenden Delivery-Geschäft und glauben, dass wir auf diesem Weg manche Hauptrestaurants ein Stück weit entlasten können“, sagt Silz und kündigt an, das ursprüngliche Modell noch einmal zu straffen. L’Osteria Piccola sei in jedem Fall hochinteressant, „um mit kleineren Einheiten noch näher dorthin zu rücken, wo unsere Gäste wohnen“. Gemeinsam mit einem Anbieter aus der Verkehrsgastronomie soll es zudem einen erweiterten Test des Formats geben, voraussichtlich an einem großen Bahnhof in Norddeutschland.

Foto: L’Osteria

Ein wichtiger Faktor bei der konzeptionellen Weiterentwicklung ist für Silz, dass die Restaurantkette ihrem Ansatz treu bleibt, das Wohl von Gästen und Mitarbeiter:innen gleichermaßen in den Fokus des Handelns zu stellen. „Der Umgang mit Menschen ist und bleibt für die Gastronomie der entscheidende Erfolgsfaktor. Daran hat Corona nichts geändert“, sagt der L’Osteria-Chef – räumt aber ein, dass diese Grundeinstellung in der aktuellen Sondersituation „auf eine harte Probe gestellt“ werde. Ziel sei es in jedem Fall, so viele Arbeitsplätze und unternehmerische Existenzen wie nur möglich zu erhalten. Den Umsatz will Silz so schnell es geht wieder auf 100 Prozent des Vorjahresniveaus bringen – „aber womöglich sind 70 bis 80 Prozent in den kommenden Monaten eher realistisch“. Selbst wenn ab Juli die von der Bundesregierung beschlossene vorübergehende Umsatzsteuersenkung greift, wird es schwer, die Verluste der vergangenen Wochen wieder aufzuholen.


VI. Mehr Austausch für die Branche

Der Blick auf die Entwicklung in den kommenden Monaten ist für Silz ein zwiegespaltener. Die Krise habe „eine unglaubliche Transparenz“ dafür geschaffen, was innerhalb vieler Unternehmen gut laufe und an welchen Stellen es Optimierungsbedarf gebe. „Und sie kann – ohne die negativen Auswirkungen schmälern zu wollen – ein Katalysator für Innovationen sein.“ Gleichwohl sorgt sich der L’Osteria-Chef, dass die Herausforderungen nicht von allen Marktteilnehmer:innen im gleichen Maße bewältigt werden können: „Ich glaube, dass es viele, vor allem kleinere Gastronom:innen geben wird, die es schwer haben, in den kommenden Wochen und Monaten angesichts der Zahl der behördlichen Auflagen wirtschaftlich zu agieren.“ Auch deshalb nennt Silz, der sich als Präsidiumsmitglied im Bundesverband für Systemgastronomie (BdS) engagiert, einen Rettungsschirm für die Branche „wünschenswert – wenn nicht sogar für die bzw. den ein oder andere:n existenziell“. Die aktuelle Sondersituation erfordere besondere und mutige Lösungen.

Klar ist für Silz aber auch, dass zahlreiche Gastronom:innen zuallererst mit der Wirtschaftlichkeit ihres Betriebs zu kämpfen haben und nicht über die Ressourcen verfügen, Krisen-Hotlines aufzubauen und Einkaufsketten zu optimieren. „Viele machen 12 bis 15 Stunden am Tag einfach einen super Job für ihre Gäste und kümmern sich um ihre Mitarbeiter:innen.“ Um so wichtiger sei es, dass die Branche ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl entwickele. „Wir müssen dafür sorgen, dass nicht die kleinen gegen die großen kämpfen, die Systemgastronom:innen gegen die Individualgastronom:innen – sondern dafür, dass wir neue Formen der Zusammenarbeit und des Austauschs finden, um voneinander zu lernen und miteinander im Wettbewerb fair zu agieren.“ Ein solcher Dialog könne dabei helfen, Vielfalt zu erhalten – von der Kneipe an der Ecke über Weinwirtschaften bis hin zur Spitzen-, System- oder Individualgastronomie.

Am Ende würden schließlich die Gäste und Mitarbeiter:innen entscheiden, welchen Dienstleistern und welchen Arbeitgeber:innen sie Vertrauen und Loyalität schenken. „Als verantwortliche Gastronom:innen müssen wir jeden Tag – egal ob vor, während oder nach Corona – alles geben, um diesem Vertrauensvorschuss auch gerecht zu werden.“


Nachschlag

  • 5 Tipps: Für die Wiedereröffnung der Gastronomie vom Gastro-Experten Jan-Peter Wulf (goin.de).
  • 59 Seiten: So organisiert McDonald’s in den USA den Re-Start per Bedienungsanleitung – vom Abstandsaufkleber bis zur Touchscreen-Reinigung (New York Times).
  • 25 Euro: Wiens Bürgermeister will Gutscheine zur Nutzung von Gastronomie-Betrieben an seine Bürger:innen verteilen (Twitter).
  • 1,50 Meter: Städte wie Berlin und San Francisco erlauben Restaurants, Außenterrassen auf Parkplätze und Straßen zu erweitern, um Abstandsregelungen einzuhalten (berlin.de, Eater).
  • 2 Quadratmeter: Die für 2020 abgesagte Berlin Food Week hängt „das größte Kochbuch der Welt“ an Tram-Haltestellen (Facebook).
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