Das neue Jahr ist noch keinen Monat alt und entwickelt sich schon zum großen Experimentierfeld für Lieferdienste, die ihren Kund:innen versprechen, online bestellte Lebensmittel sofort nachhause zu bringen. Das im vergangenen Jahr gestartete Gorillas (siehe Supermarktblog) expandiert in hohem Tempo und wird – wie in Köln – zunehmend im Stadtbild sichtbar. In Berlin Prenzlauer Berg hat das Start-up gerade sein erstes Lager durch einen größeren – und, sagen wir: herrichtungswürdigen – Standort in der Nähe getauscht, um die steigende Zahl an Bestellungen bewältigen zu können (am Wochenende noch ohne Gorillas-Schriftzug im Fenster, aber bereits mit riesigem E-Bike-Fuhrpark davor).
Von Hamburg aus nimmt derweil Flink (ehemals Pickery) Anlauf, um Nutzer:innen in der Schanze, Eimsbüttel und Altona Lebensmittel ebenfalls in 10 Minuten und zu „Supermarktpreisen“ zuzustellen („Mehr Liefergebiete soon!“).
In Berlin-Moabit ist derweil in der vergangenen Woche der jüngste Herausforderer gestartet: Bring. (Der nichts mit der Schweizer Einkaufslisten-App Bring! zu tun hat.)
Logistik-Know-How soll beim Aufbau helfen
Die Vorbereitungen für den Start liefen bereits Ende des Jahres (siehe Supermarktblog). Inzwischen ist der Dienst live und erlaubt die ersten Bestellungen. Der Mindestbestellwert liegt bei 25 Euro, dafür ist die Lieferung kostenlos und erfolgt in 30 Minuten. Damit ist Bring nicht ganz so schnell wie mancher Mitbewerber, kann aber im Gegenzug ein größeres Liefergebiet abdecken und erlaubt bereits zum Start die Auswahl aus rund 4.000 Artikeln, die in den kommenden Wochen weiter steigen soll. Online bestellt werden kann ausschließlich übers Smartphone.
„Nicht alle Familien haben mehr einen Laptop zur Hand, Smartphones sind hingegen fast überall verbreitet. Deshalb konzentrieren wir uns auf den Einkauf über unsere selbst entwickelte App“, sagt Bring-Gründer und Geschäftsführer Orhan Mertyüz im Supermarktblog-Gespräch – und kündigt bereits weitere Standorte innerhalb Berlins an.
Know-How bringen der Gründer und sein Team in erster Linie aus Logistik und Personenbeförderung mit. Mertyüz gehört nach eigenen Angaben zu den größten Taxiunternehmern Berlins, ist mit Diensten wie MyChauffeur und Equipment Shuttle im Mietwagengeschäft aktiv und hat das Logistikunternehmen Liefer24 mitgegründet, das in der Last-Mile-Zustellung in Berlin u.a. als Dienstleister für Deutsche Post bzw. DHL, Amazon und Zalando aktiv ist.
Lieferung mit origineller Flotte
Diese Expertise soll nun beim Aufbau von Bring helfen, das die Zustellung an die Logistikschwester Bring Express auslagert, die dafür wiederum mit Liefer24 kooperiert. Mertyüz sagt:
„Unser Ziel ist es, bestmögliche Produktqualität und frische Ware abzuliefern. Wir bilden unsere Fahrer selbst aus und legen großen Wert auf Freundlichkeit und Service gegenüber den Kunden sowie – insbesondere in der aktuellen Zeit – natürlich die Einhaltung der Hygieneregeln.“
Die Flotte, mit der Bring unterwegs sein wird, ist – sagen wir: originell. Derzeit setze man vor allem auf E-Bikes und Lastenfahrräder, Scooter und Elektroautos von Renault. Darüber hinaus sollen zwei Kühlfahrzeuge dabei helfen, größere Bestellungen mit (Tief-)Kühlartikeln z.B. an Geschäftskund:innen zuzustellen.
Um in der Stadt auf den neuen Dienst aufmerksam zu machen, sind nicht nur Taxis der befreundeten Unternehmen mit dem orangefarbenen Bring-Schriftzug beklebt, sondern vereinzelt auch „Showcars“. (Wobei die Milch, der Käse und das frische Gemüse im Tagesgeschäft tendenziell vermutlich nicht jedes Mal per Tesla ausgeliefert werden dürften.)
Nächster Stützpunkt: Berlin-Neukölln
„Unsere Shopper brauchen fünf Minuten für das Picken eines durchschnittlichen Einkaufs, etwas länger, wenn viel Obst und Gemüse dabei ist. Das lässt uns immer noch 20 Minuten Zeit für die Auslieferung“,
erklärt Mertyüz, wie er das Versprechen der Lieferung innerhalb einer halben Stunde einhalten will. Um überall rechtzeitig durch den Stadtverkehr zu kommen, laufen derzeit die Vorbereitungen für einen zweiten Bring-Stützpunkt in der Neuköllner Sonnenallee.
Auch der Mietvertrag für einen weiteren Standort in Prenzlauer Berg, unweit des Alexanderplatzes, ist dem Team zufolge bereits unterschrieben. Mariendorf steht als nächstes auf der Agenda. Der Bring-Gründer sagt:
„Wir wollen so schnell wie möglich fünf Standorte innerhalb Berlins umsetzen.“
Anders als die meisten Wettbewerber setzt Bring bei der Expansion zudem auf ein „Hybridmodell“: Die Standorte sollen nicht allein als klassische Läger betrieben werden, sondern sind als klassische Mini-Supermärkte auch für Laufkundschaft geöffnet. Der Start dafür soll in Moabit im Laufe der kommenden Tage erfolgen. In der „Bring Bakery“ soll am Standort dann auch frisch gebacken werden. Damit dreht Bring das Prinzip klassischer Händler, die Online-Bestellungen teilweise in ihren stationären Läden kommissionieren, quasi um.
Geöffnet für alle
„In Berlin kosten Lagerräume in zentralen Lagen inzwischen oft genauso viel wie die Einzelhandelsflächen“, begründet Mertyüz die Überlegung.
„Daraus ist die Idee entstanden, unser Lager auch als regulären Supermarkt zu öffnen. Warum soll man den Menschen nicht die Möglichkeit geben, reinzukommen und die Ware direkt zu kaufen?“
Ismail Kara, der bei Bring Marketing und Sales verantwortet, ergänzt:
„Wir sind davon überzeugt, dass die Leute, wenn sie die Erfahrung im Laden schätzen gelernt haben, danach auch unseren Lieferservice nutzen werden.“
Geöffnet bleiben soll Bring so lange wie es „unter Einhaltung aller rechtlichen und arbeitsrechtlichen Anforderungen“ möglich ist, im Idealfall 24 Stunden lang das ganze Jahr über. Ob die Nachfrage das auch hergibt, wird sich vermutlich erst in der Praxis zeigen.
Flexible Sortimentsplanung
Klassischen Supermärkten will Bring ein vielfältigeres Sortiment entgegensetzen. Einzukaufen gibt es Produkte klassischer Herstellermarken, aber auch eine Auswahl regionaler Artikel sowie türkische Spezialitäten und Halal-Produkte.
„Wir führen Standardprodukte, wie es sie in jedem guten Supermarkt zu kaufen gibt, wollen uns aber gleichzeitig durch eine besondere Auswahl abheben: Du kannst bei Bring auch Kokosnusswasser und Tiger Beer kaufen, Gin aus Hanau, Kombucha aus Berlin“, sagt Bring-Category-Manager Thorsten Lehmann, der in der Vergangenheit u.a. für GDP Global Drinks Partnership und The Pool (Chefs Culinar) tätig war.
The Pool gehört jetzt auch zu den Bring-Kooperationspartnern. Die übrige Warenbeschaffung erfolgt nach Angaben des Start-ups über mehrere Großhändler. Weitere Partner werden gesucht. Lehmann sagt, bei der Sortimentszusammenstellung könne man „flexibler sein als manche große Kette.“ Überschüssige bzw. nicht verkaufte Lebensmittel sollen für wohltätige Zwecke gespendet werden.
Zusätzlicher Paketservice geplant
Darüber hinaus ist geplant, die Bring-Standorte auch als DHL-Paketshops funktionieren zu lassen. Deutsche Post bzw. DHL sei „ein wichtiger strategischer Partner für uns“, heißt es aus dem Bring-Team; für Moabit und Neukölln gibt es bereits Zusagen. Außerdem überlege man, Kund:innen, die beim Bring-Lieferservice für mindestens 25 Euro einkaufen, zuvor an den Shop gelieferte Pakete gemeinsam mit den bestellten Lebensmitteln zuzustellen, um einen zusätzlichen Anreiz zur Nutzung zu schaffen.
Die Kostenloslieferung ab 25 Euro soll beibehalten werden; dafür sind die Preise der Produkte in der App etwas höher als im stationären Laden. Zur Finanzierung äußert sich Bring derzeit nicht konkret; Mertyüz sagt, man wolle den Dienst zunächst mit eigenem Kapital aufbauen, sei aber offen für Investoren.
Auch über den Start in weiteren deutschen Städten wird bereits nachgedacht: Derzeitiger Plan sei es, in Düsseldorf und Hamburg zum Ende des zweiten Quartals starten zu können.
Hui, ein Plymouth Prowler als Auslieferfahrzeug, unpraktischer geht es kaum. Denn wegen des Verdecks ist quasi kein Kofferraum vorhanden, und durch seine überdurchschnittliche Länge wird Parkplatzsuche eher ein Glückspiel (jaja, ist es in Berlin eh schon).
Auch aufgrund der Ersatzeilversorgung wird der eher als (im)mobile Werbetafel vor einem der Standorte herhalten müssen.
Steht bei Bring.de nun der große Ausverkauf an? Fast alles für die Hälfte und das Liefergebiet wurde massiv verkleinert. Wäre schade, hatten nen schönes Sortiment.