Gorillas liefert Lebensmittel nicht nur schneller – sondern auch günstiger als Rewe, Amazon und Edeka

Gorillas liefert Lebensmittel nicht nur schneller – sondern auch günstiger als Rewe, Amazon und Edeka

Foto: Supermarktblog
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Um schnell Kund:innen zu gewinnen, eröffnet das Liefer-Start-up nicht nur zügig Standorte in neuen Städten. Auch preislich will Gorillas mit den großen Wettbewerbern mithalten – und unterbietet sie teilweise sogar.

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Wer sich zwischen den Jahren in der Nähe eines der Berliner Warenlager des Lebensmittel-Sofortlieferdiensts Gorillas bewegte, der konnte den Eindruck bekommen, auf eine Art Bienenstock für Radkuriere gestoßen zu sein. Zeitweise im Minutentakt schwärmten die schwarz gekleideten Fahrer:innen mit Helm und Quadratrucksack auf ihren E-Bikes aus, um Bestellungen zu Kund:innen zu transportieren, die lieber zuhause bleiben wollten als mitten im Lockdown im normalen Supermarkt Schlange zu stehen. Und wer will ihnen das – insbesondere in der aktuellen Lage – verübeln?

Noch nicht einmal ein Dreivierteljahr bietet Gorillas seinen Lieferservice in Berlin bislang an. Aber spätestens seitdem sich das Start-up Ende des vergangenen Jahres einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag vom amerikanischen Tech-Investor Coatue gesichert hat, stehen die Zeichen auf Angriff.

Gorillas verspricht die schnelle Lieferung per App ausgewählter Lebensmittel innerhalb weniger Minuten. Weil dafür eigene Warenlager betrieben werden, lässt sich an jedem Standort zwar nur ein begrenzter Innenstadtbereich bedienen; vielerorts erfolgt die Zustellung dafür aber tatsächlich – wie versprochen – in unter einer Viertelstunde. Rund um die Miniläger sieht man deshalb Kurierfahrer:innen auf der einen Straßenseite zur Auslieferung radeln, während auf der gegenüberliegenden Seite andere zur Basis zurückkehren.

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Vor den Ladengeschäften, in denen die per App bestellten Artikel innerhalb weniger Minuten fertig kommissioniert und über einen Tresen am Ausgang an die Kuriere übergeben werden, stehen über ein Dutzend angemieteter E-Bikes zur Verfügung.

E-Bike-Fuhrpark vor dem Gorillas-Stadtlager in Berlin-Mitte; Foro: Supermarktblog

Durch die neuen mit rot-blau-weißem Logo bedruckten Rucksäcke und die mit Werbehinweisen versehenen Räder wird der Dienst – trotz seiner mittelpraktischen Schmuckfarbe Gorillaschwarz – zunehmend auch im Stadtbild sichtbar. Und das nicht nur ins Berlin: In Köln ist das Start-up in den Stadtteilen Sülz, Lindenthal und Zollstock unterwegs. Seit Dezember wird zudem in der Hamburger Sternschanze, in St. Pauli, Teilen von Altona, Eimsbüttel & Rotherbaum geliefert. München steht ebenfalls auf der Liste. Die erste Auslandsstation ist seit kurzem De Pijp in Amsterdam. Und in Stellenanzeigen werden bzw. wurden Mitarbeiter:innen für Wien und London gesucht.

60 Warenlager in diesem Jahr

Bis Mitte des Jahres wolle man „in über 15 europäischen Städten mit mehr als 60 Warenlagern“ vertreten sein, hieß es kurz vor Weihnachten in einer ersten offiziellen Pressemitteilung.

Darüber hinaus halten sich die beiden Gorillas-Gründer Kağan Sümer und Jörg Kattner mit Medieneinblicken in ihre Pläne (abgesehen vom Supermarktblog) bislang eher zurück – und investieren ihre Energie, wie es scheint, stattdessen in eine zügige Expansion. (Am Berliner Stammsitz sind im Laufe der vergangenen Monate drei neue Lieferbezirke hinzu gekommen: Mitte, Kreuzberg und Schöneberg.)

Zum Gorillas-Kernversprechen gehört aber nicht nur die Zeitersparnis durch Sofortlieferung, sondern auch die Zusage, Kund:innen mit Produkten „zu Einzelhandelspreisen“ versorgen zu wollen. Das Start-up mag sich ganz explizit nicht als teurerer Spätkauf verstanden wissen, sondern formuliert den Anspruch, preislich mit den großen Handelsketten mitzuhalten.

Wie ernst es Gorillas damit ist, zeigt ein spontaner Preisvergleich mit den Lieferdiensten von Rewe, Edeka Bringmeister und Amazon Fresh, die ebenfalls darauf drängen, Einkäufe zunehmend schneller zuzustellen – in der Regel zwar nicht sofort, aber immer häufiger am selben oder am darauf folgenden Tag (siehe Supermarktblog – und gleich nochmal).

Niedrigere Preise als die Konkurrenz

Ich hab mir mal – völlig unrepräsentativ – angeschaut, zu welchen Preisen die genannten Anbieter Markenartikel verkaufen, die häufig für den Sofortverzehr bzw. -gebrauch in Frage kommen. In vielen Fällen ist Gorillas im Liefergebiet Berlin-Mitte nicht nur die schnellste Bestelllösung, sondern oftmals auch die günstigste, z.B. für Kellogg’s Cornflakes, Oatly Barista-Haferdrink, Yogi Tea Classic, Leerdamer-Käsescheiben, Patros-Schafskäse, Le Rustique Camembert, Harry-Vollkornbrot, Nic Nac’s, Chipsfrisch ungarisch, Ben & Jerry’s Cookie Dough. Bei anderen Produkten sind die Preise denen der großen Anbieter zumindest angepasst. Lediglich bei Obst und Gemüse und Drogerieartikeln bzw. Windeln kann bzw. will Gorillas häufig nicht mit den Preisen der anderen Lieferdienste mithalten und verlangt etwas mehr.

Quelle: eigene Recherche; Der Vergleich erfolgte per Zufallsauswahl für das Liefergebiet Berlin-Mitte ohne Berücksichtigung von Aktionsangeboten, Stand: 11. Januar 2021.

Das Liefer-Start-up scheint seine Millionen-Finanzspritze also nicht nur zur Standort-Expansion zu nutzen, sondern auch, um in attraktive Preise insbesondere für bekannte Markenartikel zu investieren und die Stadtläger durch eine hohe Zahl an Bestellungen möglichst schnell auszulasten. (Was, wie anfangs geschildert, durchaus zu funktionieren scheint. Offiziell ist bislang lediglich von einem „starken organischen Wachstum im dreistelligen Prozentbereich von Monat zu Monat“ die Rede.)

Erstmal Kund:innen gewinnen

Inwiefern Gorillas seine Preise den örtlichen stationären Supermärkten anpasst, mit denen man ja hauptsächlich konkurrieren will, lässt sich durch diesen Vergleich zwar nicht beurteilen – sehr wohl aber, dass sich das Start-up damit klar als attraktive Alternative zu den großen Liefersupermärkten positioniert. Bei denen ist die Lieferung für Kund:innen in der Regel mit einer Kombination aus hohem Mindestbestellwert und Lieferkosten verbunden, während Gorillas die Ware zum Pauschalkampfpreis von 1,80 Euro nachhause radelt. Und wenn der Einkauf nach einer Viertelstunde erledigt ist, muss man als Kund:in auch nicht um freie Lieferzeitfenster oder sich durch undurchsichtige Preisaufschlags-Labyrinthe kämpfen.

Die aktuelle Strategie zielt freilich in erster Linie darauf, möglichst zügig viele Kund:innen zu gewinnen – und dürfte kaum von Dauer sein. Zum Start hatte auch Amazon Fresh die Konkurrenz preislich unterboten, pendelte sich im Laufe der Zeit aber auf dem Niveau des Online-Mitbewerbers Rewe ein.

Gleichzeitig ist die Auswahl bei Gorillas im Vergleich zu Bringmeister & Co. deutlich eingeschränkt. Dazu kommt, dass viele Produkte schnell ausverkauft sind. Das kommt an einzelnen Standorten gerade ziemlich häufig vor, und ist vor allem dann ärgerlich, wenn aufgrund des eingeschränkten Sortimentes kein passender Alternativartikel auswählbar ist – was bedeutet, dass man im Zweifel dann doch wieder in den Supermarkt muss. Lieferexperte Udo Kießlich meckerte schon im Dezember mit Affen-Emoji auf Twitter:

https://twitter.com/udo_kiesslich/status/1334651319819374592

(Es wird interessant zu beobachten sein, ob Gorillas die Verfügbarkeit im Laufe der kommenden Monate etwas besser in den Griff kriegt.)

Vorbild goPuff plant Eigenmarken

Dazu kommt, dass die Berliner derzeit über keinerlei Eigenmarken verfügen, wie sie die großen Handelsketten in großer Zahl vorweisen können. Über eine Partnerschaft, wie sie z.B. Amazon mit Tegut geschlossen hat, ließe sich das durchaus ändern. Es dürfte aber während der aktuellen Wachstumsphase, in der möglichst viele Standorte gesetzt werden sollen, wohl keine Priorität haben.

Sollte Gorillas Kund:innen und Investoren langfristig vom potenziellen Erfolg seines Modells überzeugen, könnte sich das allerdings ändern – so wie beim amerikanischen Lebensmittel-Blitzlieferdient goPuff (siehe Supermarktblog).

Screenshot: gpuff.com

Der hat zuletzt nicht nur einen US-Getränkehändler übernommen, um die Zahl seiner Standorte in Kalifornien massiv zu erhöhen; kürzlich wurde auch nach geeigneten Kandidat:innen für den Posten als „General Manager of New Verticals – Private Label“ gesucht, die bzw. der die Entwicklung eigener Marken für die Zielgruppe der 20- bis 35-jährigen Kundschaft auf den Weg bringen soll („this role will be responsible for developing the strategy, building partnerships, and executing on expansion into the private label“).

Rezepttipps mit Sofortlieferung

Zugleich versucht goPuff, seine Kund:innen per Blog mit schnellen Rezepten zu versorgen, deren Zutaten per Mausklick in den Warenkorb gelegt und sofort geliefert werden können, um Gerichte selbst zuzubereiten – anstatt sich auf Restaurantlieferessen oder Kochboxen zu verlassen. (Lust auf Pasta Bolognese heute Abend?)

Screenshot: gopuff.com

Für all das fehlt es Gorillas hierzulande noch an Größe. Und während goPuff in den USA Konkurrenz von lokalen Anbietern wie Fridge No More und Duffl bekommt, wächst auch in Deutschland die Zahl der Lieferexperimente. GetFaster in Düsseldorf und (in Zukunft) Bring.de in Berlin setzen ebenfalls auf eigene, aber zentrale Lager und versprechen die Lieferung in 120 bzw. 30 Minuten; Bringoo scheint einen neuen Anlauf mit dem Instacart-Modell versuchen zu wollen. Und in der Schweiz hat sich Valora für seine Avec-Minimärkte um Logistikpartner bemüht, die – Schweiz halt – innerhalb von 60 Minuten per Taxi ausliefern, meldet Carpathia.

Ganz so schnell wird das den großen Handelsketten kaum wehtun. Darauf, dass sich der Markt für Lieferlebensmittel weiter überschaubar und klein halten lässt, sollten sich die Zentralen in Hamburg, Köln, Essen und Neckarsulm im Jahr 2021 allerdings besser nicht mehr verlassen.

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6 Kommentare
  • Schöner Artikel. Gorillas hat die OoS-Herausforderung, weil es bei Ihnen derzeit so gut läuft in Berlin. Als Ergänzung für die Leser noch das optimistische Ende des Threads
    „Es besteht mE viel Spielraum für schnelle Verbesserungen bei OoS im Frontend (Logik Shop-Engine), Category-Management und bei der Disposition bzw. dem Supply Chain.“

  • „Darauf, dass sich der Markt für Lieferlebensmittel weiter überschaubar und klein halten lässt, sollten sich die Zentralen in Hamburg, Köln, Essen und Neckarsulm im Jahr 2021 allerdings besser nicht mehr verlassen.“

    Was Neckarsulm betrifft, bin ich mir ziemlich sicher, dass man sich dort auf die guten alten Zeiten verlässt, wie man es seit Jahrzehnten gewohnt ist. Ich stelle mir das ungefähr so vor, dass sich der greise Dieter Schwarz (81) und sein greiser, treu ergebener Statthalter Klaus Gehrig (72) regelmäß in dessen Büro treffen (wo laut Stimme.de kein Computer zu finden ist; wo kämen wir denn da hin?). Dort steht eine alte abgewetzte Biedermeiercouch, auf der beide ihre Pläne zur Eroberung der Einzelhandels-Weltherrschaft schmieden. Links neben Klaus Gehrig ein besticktes Kissen mit der Aufschrift „Dat hamm’a immer schon so gemacht“. Rechts neben Dieter Schwarz ein besticktes Kissen mit der Aufschrift „Dat hamm’a ja noch nie so gemacht“.

    • Ich wohn in Heilbronn ???? Ich glaube es wird noch ein bisschen dauern bis Gorillas zu uns kommt

  • Habe mal neugierig geschaut und bin ziemlich überrascht: GetFaster hat ein bemerkenswert großes Angebot inkl. etlicher Metro-Produkte wie aro und Großpackungen zum Sattessen 😉 zu (aktuell) auch sehr ordentlichen Preisen. Klar sind 15 Minuten Lieferzeit noch besser, vor allem wenn gerade etwas wichtiges fehlt, aber 120 Minuten als Normal-Einkaufsersatz sind völlig in Ordnung. Vor allem, wenn die Konkurrenz wie derzeit schwächelt („…Lieferfenster nur begrenzt verfügbar…“). Schön wäre halt eine „Super-Express-Lieferung“ mit Aufpreis.

  • Super Blog.
    Nur würde mich auch interessieren, wie das Geschäftsmodell sich ohne weitere Investorengelder skalieren lässt. Liefern in 15 Minuten für 1,80€, egal wie groß der Warenkorb ausfällt zu Regalpreisen, klingt gut. Auch wenn dieses Model aktuell finanziell gestützt den Puls der Zeit oder besser gesagt den Trend Lieferdienst neu sortiert, so muss man sich auch die skalierbaren oder System Effekte genauer anschauen.
    Ganz platt. Wie rechnet sich dieses Modell wirklich, wenn man nicht nur ans unterbieten denkt. Nachhaltiges Geschäftsmodell? Oder Blase?

  • Das Konzept mag für Konsumenten erstmal spannend sein,

    Ein wichtiger Aspekt, der bei dem Hype derzeit nicht bedacht wird:
    Lieferungen in 10 Minuten haben ihren Preis. Und zwar vor allem für die gestressten Mitarbeiter, ALLE anderen Verkehrsteilnehmer (inkl. Fußgänger), sowie die Anwohner neben den Gorilla-Filialen.

    Das sich die Mitarbeiter rücksichtlos und gefährlich im Straßenverkehr benehmen – und das in mehreren Städten Deutschlands – machen die Google Rezensionen des Unternehmens deutlich. Auch in unserer Nachbarschaft wurde schon ein Kind auf einem Bürgersteig umgefahren. Unsere ältere Nachbarin geht Umwege, weil sie den Gang vor deren Filiale nicht mehr wagt.

    Gespräche mit den Verantwortlichen laufen ins Leere. Keiner fühlt sich verantwortlich bei einer so großen, stetig wachsenden Unternehmen. Und besser noch, Kritik wird mit Standardnachrichten beantwortet oder besser noch, gar geleugnet.

    Die Filiale in unserem Wohngebiet ist ein wahres Logistikzentrum geworden. Bis zu 10 LKW Lieferungen am Tag zwischen 5.30 und 21.30 Uhr – Mitarbeiter, die immer bereit seien müssen für den nächsten Auftrag, halten sich laut und rücksichtslos vor den Räumlichkeiten auf. Wegen der Lieferzeiten die bis 23:00 Uhr erfolgen, häufig auch bis Mitternacht und länger. Inzwischen haben sie Sonntags ja zum Glück geschlossen. Daher das Affentheater ‚immerhin‘ nur noch 5 Tage die Woche.

    Das Konzept klingt verlockend, aber die Umsetzung in der Praxis, insbesondere durch die zentralen Lagen der Filialen, die unabdingbar für sie sind, hinkt gewaltig.
    Es ist eine Zumutung für alle Anwohner und darüber hinaus.

    Für die Verkehrssicherheit, sowie die Sicherheit im Straßenverkehr und die von Menschen, die nicht so gut auf den Beinen sind, ist dringendes Handeln notwendig.

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