Getir und der fragwürdige Glaube an den Marken-Lieferdienst, der für alle passt

Getir und der fragwürdige Glaube an den Marken-Lieferdienst, der für alle passt

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Seit einem Jahr ist der türkische Sofortlieferdienst Getir auch in Deutschland aktiv – und kommt derzeit kaum von der Stelle. Das liegt auch am Irrtum, das türkische Erfolgsmodell hierzulande eins zu eins umsetzen zu können. Die Franchise-Pläne werden daran wenig ändern.

Partner:

Wir bei Getir sind die Pioniere der superschnellen Lieferung. Lebensmittel in nur 10 Minuten gebracht: das ist unser Versprechen, das wir über die Jahre perfektioniert haben. Und wir glauben, dass dieser Service auf der ganzen Welt wertgeschätzt wird.“ So hat sich’s der türkische Schnelllieferdienst Getir in seine Selbstbeschreibung diktiert.

Und wie das mit Pionieren halt manchmal so ist: In unbekannten Territorien trampeln sie ihre Pfade oft dort, wo bisher eigentlich niemand langgehen wollte. Aber das heißt ja nicht, dass man’s nicht trotzdem versuchen kann. So lange ausreichend Geld da ist.

Bis zu diesem Frühjahr schien es so, als sei genau das der Fall: Im März bestätigte Getir (türkisch für „Bring“) eine neue Finanzierungsrunde, mit der die Bewertung des Unternehmens auf fast 12 Milliarden US-Dollar stieg; einen Monat dauerte es danach, bis man angesichts der schwieriger werdenden Wirtschaftslage und vorsichtiger werdenden Geldgebern wieder auf den Boden der Tatsachen zusteuerte, Entlassungen ankündigte und die geplante Expansion drosselte – ähnlich wie viele Konkurrenten.

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Expansion schlägt Nachfrage?

Dabei ist Getir hierzulande erst seit gut einem Jahr aktiv, um den Rivalen Gorillas und Flink, die das Getir-Modell kopiert und für Europa adaptiert haben, Paroli zu bieten. Doch dass die Expedition ins Ungewisse tatsächlich gelingt, erscheint zunehmend unwahrscheinlicher. Das hat mehrere Gründe.

Bislang ist der selbst ernannte Quick-Commerce-Pionier in gerade einmal sieben deutschen Städten aktiv: Berlin, Hamburg, München, Nürnberg, Dortmund, Köln, zuletzt kam Düsseldorf hinzu. (Flink kommt aktuell auf 33.) Um das Expansionstempo zu drosseln und im Zweifel länger mit dem zur Verfügung stehenden Geld auszukommen, sind zahlreiche Lagerflächen in kleineren Städten, die bereits angemietet wurden, nach Supermarktblog-Informationen bislang gar nicht erst eröffnet worden.

Getir-Warenlager in Berlin-Mitte: Dark Stores sind nur dann rentabel, wenn die Auslastung hoch ist; Foto: Smb

In Metropolen wie Berlin und Köln wurden Standorte teilweise wieder geschlossen, weil die Nachfrage der Kund:innen dem Tempo, mit dem neue Flächen ans Netz gingen, nicht standhielt – und der Betrieb der so genannten Dark Stores nur dann rentabel ist, wenn deren Auslastung hoch ist. (Weil sonst z.B. zuviel Ware abgeschrieben werden muss, wohingegen bei starker Auslastung im Zweifel die Wartezeiten für Kund:innen steigen.)

Das mag einerseits an der Übersättigung des Quick-Commerce-Markts insgesamt liegen, der trotz zahlreicher Rückzüge immer noch hart umkämpft ist; auch das starre Konzept, das die Getir-Gründer fast eins zu eins aus der Heimat exportiert haben, dürfte aber dazu beitragen.

Bei Getir will man sich gegenüber Supermarktblog.com nicht äußern – zu keiner einzigen gestellten Frage, egal wie harmlos die ausfällt. Ein Sprecher erklärt:

„Grundsätzlich äussern wir uns nicht zu Anfragen, die Geschäftsgeheimnisse betreffen.“

Dominierender Alleslieferant in der Türkei

Nach seiner Gründung in Istanbul im Jahr 2015 hatte Getir in der Heimat den Vorteil, langsam mit günstigem, von Investoren zur Verfügung gestellten Geld wachsen zu können und sowohl bei Kund:innen als auch bei Herstellern zu einer etablierten Marke zu werden. Wer begreifen will, wie sehr Getir in der Türkei als dominierender Alleslieferant gilt, muss nur einen Blick in die türkische Version der App werfen, wo der Dienst „Happiness in minutes“ verspricht.

Dem regulären Schnelllieferdienst für Lebensmittel ist dort längst eine Übersichtsseite mit weiteren Services vorgeschaltet: Getir More für größere Liefer-Wocheneinkäufe, Getir Food für Restaurantessen, Getir Locals zur Auslieferung von Produkten lokaler Händler:innen, Getir Water zur Trinkwasserversorgung (insbesondere als Frequenzbringer); sogar in fachfremde Gebiete wagt sich das Unternehmen mit Getir Drive und Getir Jobs vor.

Möglich ist das, weil man den Erfolg seines Geschäftsmodells in der Türkei bereits unter Beweis gestellt hat und Vermieter:innen leichter davon überzeugen kann, als Mieter den Zuschlag für zentral gelegene Logistikflächen zu erhalten (die hierzulande sehr viel umkämpfter und seltener sind).

Vor allem aber versteht sich Getir gut mit Konzernen wie Unilever, Nestlé oder Danone, von denen manche bereits einen nennenswerten Anteil ihrer Umsätze über den Schnelllieferdienst generieren (in der Türkei).

Screenshot: Getir / Smb

Mit derselben Prämisse versucht Getir deshalb auch den deutschen Markt zu erobern – und verheddert sich dabei in der felsenfesten Überzeugung, dass dieses Modell auch anderswo erfolgreich sein muss.

Das Brot vom Bäcker um die Ecke

In Großbritannien, wo Getir den Wettbewerber Weezy und dessen Standorte übernahm (ähnlich wie später Blok in Spanien und Italien), scheint das mit zuletzt mehr als 130 bestätigten Dark Stores durchaus der Fall zu sein. Zumindest wusste man von dort bislang überschwänglich Positives zu berichten („it’s going incredibly well, to be honest“) – trotz eines für UK-Verhältnisse unterirdischen Angebots für den Sofortverzehr. (Unter „Ready Meals“ fällt bei Getir UK z.B. auch Speiseeis.)

In Deutschland sind die Rivalen Gorillas und Flink jedoch auch deshalb so schnell gewachsen, weil sie von vornherein großen Wert auf (Teil-)Sortimente gelegt haben, die bei der eiligen Großstadtkundschaft gut ankommen: lokale Produkte kleinerer Hersteller, viel Bio, das Brot vom Bäcker um die Ecke, besondere Artikel, die es nicht in jedem Supermarkt zu kaufen gibt.

Das Getir-Sortiment wirkt dagegen wie ein auf Lieferdienst-Links gedrehter Tankstellen-Shop: In den allermeisten Kategorien dominieren Produkte großer Markenartikelhersteller. Das Bio-Angebot ist nicht der Rede wert. Lokales gehört eher zur Ausnahme.

Getir-Fahrer in Berlin: „Lebensmittel in Minuten“, aber kaum Bio oder Regionales; Foto: Smb

Und während Flink und Gorillas sich zunehmend darauf fokussieren, eigene Marken zu etablieren oder zumindest die Eigenmarken großer Supermarktpartner ins Angebot aufzunehmen, stehen bei Getir stur Dr. Oetker, Coca-Cola und Ben & Jerry’s in vorderster Reihe des virtuellen App-Regals.

Ein Ansatz für alle Märkte?

Mit seinem zentralistischen Ansatz steht sich der Herausforderer ein Stück weit selbst im Weg – auch wenn es durchaus eine klassisch-markenaffine Zielgruppe für dieses Angebot geben mag. Dass die so groß ist, um dafür landesweit in zahlreichen Städten eigene Lagerflächen mit angedocktem Heimlieferservice rentabel zu betreiben, steht aber noch stärker in Frage als bei den breiter aufgestellten Quick-Commerce-Konkurrenten, die nach Handelspartnerschaften und (teilweise) Integration in bestehende Lieferangebote streben.

Seit dem Abschied es bisherigen Getir-Deutschland-Chef Tobias Brühne, der laut „Lebensmittel Zeitung“ seit Beginn des Jahres nicht mehr an Bord ist, wird die hiesige Expansion von Großbritannien aus mitgesteuert. Ob das so bleibt, sagt Getir auf Supermarktblog-Nachfrage nicht.

Eine (alte) Stellenanzeige, mit der nach einem neuen „Country General Manager Germany“ gesucht wurde, war bis Mitte Juli online und ist seit kurzem nicht mehr verfügbar.

Im Interview mit der „Wirtschaftswoche“ schwärmte Getir-UK- und (Interims?)Deutschland-Chef Karthik Harith derweil gerade vom Franchise-Modell, das man im August nach erfolgreicher Erprobung in der Türkei und in Großbritannien auch nach Deutschland holen wolle. Dann können Vertragspartner:innen in ihrer Stadt einen eigenen Getir-Store betreiben, zuerst in Berlin. Harith in der „WiWo“:

„Die Franchisenehmer erwerben von uns das Recht, einen Laden mit kompletter Ausstattung zu betreiben, also mit Ausrüstung, Fuhrpark und Sortiment. Wir akquirieren die Kunden und stellen ihnen all das zur Verfügung, war sie für den Betrieb der Läden brauchen.“

Wieviel Freiheit haben Franchisepartner:innen?

Damit wolle Getir „lokale Eigenverantwortung“ fördern und „die lokale Gemeinschaft“ stärken:

„Niemand kennt seine Nachbarschaft besser als der Einzelhändler im Laden um die Ecke. Er weiß, wie die Leute im Viertel ticken. Er lebt da. Er begrüßt seine Angestellten mit Handschlag. Es ist dieses lokale Know-how, die regionale Verwurzelung, die wir in der Firma haben wollen.“

Bloß: wozu? Damit Franchisnehmer:innen künftig entscheiden können, welche Ben-&-Jerry’s-Sorte oder welche Industriecola in der Nachbarschaft bevorzugt gekauft wird?

Den kriegen wir jetzt auch noch verkauft: Goldhasen-Angebot bei Getir im Juli; Screenshot: Getir / Smb

Es spricht wenig dafür, dass das mehr als leere Worthülsen sind. Denn nach Supermarktblog-Informationen steckt Getir seinen Franchisenehmer:innen, von denen laut Bewerbungsformular Eigen-Investments zwischen 70.000 und 200.000 Euro erwartet werden, enge Grenzen – auch und gerade beim Sortiment, das im Wesentlichen dem der selbst betriebenen Stores entsprechend dürfte. Eine Lokalisierung – ähnlich der selbstständiger Kaufleute bei Edeka und Rewe – wird kaum in umfassendem Maße gewünscht sein.

Dafür wäre es praktisch, bereits angemietete Flächen z.B. in kleineren Städten an Franchisepartner:innen ab- bzw. weiterzugeben; ob dies geplant ist, sagt Getir auf Supermarktblog-Anfrage nicht.

Im Formular, das interessierte Partner:innen ausfüllen können, sind aber Standorte wie Aachen, Bielefeld, Chemnitz, Erfurt, Freiburg, Gelsenkirchen, Hannover, Kiel, Magdeburg, Mainz, Mannheim, Oberhausen, Wiesbaden und Wuppertal genannt („Für welche Stadt interessieren Sie sich?“).

Kund:innen ändern ihr Kaufverhalten

„Wir glauben fest daran, dass Kunden ihr Kaufverhalten auch hier dauerhaft ändern werden“,

gibt sich Harith, der auch erst seit knapp einem Jahr bei Getir tätig ist, in der „WiWo“ vom Siegeszug in Deutschland überzeugt – und es mag sein, dass die Bereitschaft, Lebensmittel online zu ordern, mit zunehmendem Bequemlichkeit- und Zuverlässigkeitsgrat ansteigt.

Aber es spricht derzeit eher nichts dafür, dass dies ausgerechnet dem von Getir betriebenen Modell zu Gute kommen wird.

Über wieviele Warenlager Getir derzeit in Deutschland verfügt, sagt das Unternehmen auf Supermarktblog-Anfrage nicht; Foto: Smb

Eher im Gegenteil: Den meisten Marktforschungsdaten zufolge scheinen Kund:innen angesichts der aktuellen Lage derzeit eher dazu bereit zu sein, auf klassische Markenartikel zu verzichten und diese durch die Eigenmarken der großen Handelsketten zu ersetzen, um so die stark gestiegenen Preise in ihren Budgets abzufedern. Gleichzeitig kaufen viele, die sich während der Pandemie zunehmend an Bio-Lebensmittel gewöhnt haben, weiter ökologisch erzeugte Produkte – nur halt öfter im Discounter statt im Fachhandel. In beiden Segmenten hat Getir potenziellen Neukund:innen fast nichts zu bieten.

(Aktuelles Bio-Sortiment ihn Berlin: Kiwi, Heidelbeeren, Tomaten, Romanasalat, ein paar Molkereiprodukte, glutenfreies Brot, Meßmer Tee, Nuss-Riegel, zwei Fertigprodukte, TK-Garnelen – Ende.)

Rabatte, überall Rabatte!

Zur Verlagerung eines Großteils ihres Wocheneinkaufs, auf die Getir schielt, kriegt man Kund:innen so eher nicht. (Gleichzeitig wurde zuletzt der Mindestbestellwert für Convenience-affine Käufer:innen von 10 auf 12 Euro angehoben.)

Aus dem Markt sticht man derzeit eher damit heraus, die auch schon hohe Rabattfixierung der Konkurrenten noch weiter auf die Spitze zu treiben. Innerhalb der Getir-App wird Kund:innen regelmäßig ein ganzer Park an aktivierbaren Vergünstigungen versprochen, wenn sie sich zur Bestellung hinreißen lassen: 15 Euro Rabatt für Erstkäufer:innen, 10 Euro Rabatt auf Eiscreme bei Bestellungen über 20 Euro, drei Tafeln Schokolade zum Preis von zwei, drei Snacks gratis bei Bestellungen über 20 Euro, drei Lunch-Artikel gratis bei Bestellungen über 20 Euro, 10 Euro Rabatt auf Obst und Gemüse im Wert von 25 Euro, 15 Euro Rabatt auf Bestellungen ab 45 Euro usw. usf.

Mit zahlreichen Promotions will Getir Kund:innen zum Erst- und Wiederbestellen locken; Screenshot: Getir / Smb

Gratisartikel werden vermutlich von den Produzenten zur Verfügung gestellt, die im Gegenzug Zugriff auf die Verkaufszahlen erhalten dürften, um so zu lernen, wie Quick-Commerce-affine Kund:innen ticken.

Die Rabatte dürfte Getir aus eigener Tasche zahlen, um die Bestellfrequenz hoch zu halten und den Investoren zu demonstrieren, dass sich ihr Vertrauen gelohnt hat und (irgendwann) auszahlen wird.

Eigene Warenlager nur im Nord-Osten

Aber das ist derzeit alles andere als sicher, zumal sich der zentralistische Ansatz auch in anderen Bereichen als Hürde erweist, u.a. in Logistik und Marketing. Dem Unternehmen nahestehende Personen bestätigen, dass Getir in den vergangenen zwei Monaten zwei zentrale Warenlager in Deutschland aufgebaut hat, eines bei Hamburg, ein weiteres bei Berlin, die nach Supermarktblog-Informationen u.a. von der Rewe-Tochter Lekkerland, der Bünting-Gruppe und Herstellern direkt beliefert werden bzw. wurden.

Der Betrieb erfolgt über Movus Logistics, ein Joint-Venture von Getir und dem türkischen Partner Dinçer Lojistik, der in der Heimat die Warenversorgung sämtlicher Dark Stores steuert – aber nur wenig Know-How über die Funktionsweise anderer europäischer Märkte mitbringt, in denen er mit Movus dieselbe Dienstleistung erbringen soll.

In Planung waren wohl zwei weitere Zentrallager: eins im Westen Deutschlands (vermutlich Nordrhein-Westfalen) und eins im Rhein-Main-Gebiet – deren Umsetzung aber, so lange die Expansion gedrosselt ist, kaum Vorrang haben dürfte; auch wenn die Versorgung von Getir-Standorten wie Köln, Düsseldorf und München mit Lagern im Norden und Nord-Osten des Landes alles andere als optimal ist.

Ein bisschen scheint jedoch auch den Verantwortlichen in Istanbul und London zu schwanen, dass sich der deutsche Markt so nur schwer knacken lassen wird. Zumindest gibt es – im Gegensatz zu anderen Ländern – derzeit zaghafte Ambitionen, das Sortiment an einzelnen Punkten stärker zu lokalisieren.

Locals-Kachel in der deutschen Getir-App: Von Stadt zu Stadt unterscheidet sich der Umfang der lokalen Produkte derzeit noch stark; Screenshot: Getir / Smb

Unter der hinzu gekommenen „Locals“-Kachel auf der App-Startseite verbergen sich je nach Lieferstadt aber in der Regel nur wenige Artikel aus immer denselben Kategorien: ein paar Backwaren einer regionalen Bäckerei, Kaffee und Espresso vom lokalen Röster, eine lokal etablierte Mineralwassermarke, ein paar lokal gebraute Biere.

Zaghafte Lokalisierungsanstrengung

Während Berlin immerhin knapp unter 50 solcher Artikel zählt, ist die Auswahl anderswo (noch) deutlich übersichtlicher. Und beschränkt sich auf Produkte, die sich vermutlich mit geringem Aufwand aufschalten lassen, ohne in die Tiefe gehen zu müssen.

Wenn Getir in Deutschland langfristig am Markt bestehen will, ohne sich einem etablierten Anbieter in die Arme zu werfen, wird sich das ändern müssen – erst recht, seitdem die Affinität der Deutschen zu klassischen Marken durch die Krise zunehmend auf die Probe gestellt wird.

Dazu ist der letzte Anbieter, der glaubte, sein überall sonst erfolgreiches Modell ohne größere Anpassungen nach Deutschland holen zu können, ein mahnendes Beispiel: Walmart ist im Mutterland der Discounter krachend gescheitert. Derweil haben selbst Aldi und Lidl, beide selbst Meister im Export ihrer schlanken Konzepte, gemerkt, dass sie sich anderswo den Gegebenheiten anpassen müssen, um nennenswerte Marktanteile zu erringen – so wie in Großbritannien, wo beide Ketten seit Jahren auf eine starke Lokalisierung ihrer Sortimente setzen.

Würde Getir in Deutschland etwas Gegenteiliges gelingen, wäre das eine kleine Sensation – die sich bislang aber kaum abzeichnet.

Berlin ist nicht wie Istanbul

Dafür müsste es die Bereitschaft geben, sich dem hiesigen Markt und seinen Regeln anzupassen und z.B. die eigene App sonntags, wenn anders als überall sonst der Ladenschluss gilt, für Kund:innen, die schon mal durchs Sortiment scrollen wollen, nicht einfach komplett abzuschalten.

Die sensationell billig aussehende Werbekampagne, bei der die Hand unsichtbarer Kund:innen Chips und Getränke aus der Getir-Smartphone-App in Schalen und Gläser kippt, dürfte in ihrer ganzen Künstlich- und Photoshop-Anfängerhaftigkeit auch kaum Entscheidendes zum Erfolg beitragen.

Getir mag mit seinem Service die Türkei im Sturm erobert haben; aber selbst Berlin ist nicht wie Istanbul – und die Überzeugung, Kund:innen aus ganz unterschiedlich tickenden Regionen und Ländern ein und dasselbe Konzept überstülpen zu können, ohne sich an deren realen Einkaufsgewohnheiten orientieren zu müssen, ist und bleibt ein Wagnis. Die Herausforderung, Investoren gleichzeitig hohe Orderzahlen präsentieren und Profitabilität beweisen zu müssen, macht es nicht einfacher.

Aber das heißt ja nicht, dass man’s nicht trotzdem versuchen kann. So lange noch ausreichend Geld da ist.

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2 Kommentare
  • Getir wird erstmal genug damit zu tun haben ,sich in der Türkei bei einer inoffiziellen Inflation von über 100% über Wasser zu halten

  • Es würde auch helfen, potentiellen Kunden erst einmal mitzuteilen, dass man existiert! So so, Getir liefert auch in Düsseldorf, hab ich noch nichts von gesehen. Nix im Briefkasten (ja, andere Lieferdienste bringen sich mit Flyern in Erinnerung, à la „5 Euro Discount für Deine (sic!) erste Bestellung“), nix im Radio (wo sich ja alle Discounter gegenseitig niederbrüllen), und diese Plakate wären mir wohl auch aufgefallen, so schlecht wie die sind. Andererseits, das könnte auch Strategie sein, die fallen so echt auf 😉 Aber will ich so jemanden unterstützen?

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