Jedes. Produkt. Einzeln. In die. Tüte: Was Real über Selbstbedienkassen gelernt hat

Jedes. Produkt. Einzeln. In die. Tüte: Was Real über Selbstbedienkassen gelernt hat

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„Geben Sie. Die Anzahl. Für. Die Gurken. Ein. Berühren Sie. Anschließend. Eingabe. Eins. Legen Sie. Die Gurke. In die. Einkaufstüte. Neunund. Dreißig. Cent“,

sagt die Stimme, zu der es kein Gesicht gibt, die ich mir aber immer als große Schwester der Frau vorstelle, die in der Berliner U-Bahn die Ersatzverkehrsdrohungen ausspricht. Sie wohnt in den Automaten, die die Handelskette Real in ihren Märkten aufgestellt hat, um den Kassiervorgang im Lebensmittelhandel zu modernisieren.

Wenn eine laute Frauenstimme über mehrere Meter Entfernung gut hörbar bekannt gibt, was es bei Ihnen nachher alles zum Abendbrot geben soll, ist das vielleicht modern. Vor allem aber gewöhnungsbedürftig.

Die so genannten SB-Kassen („SB“ für Selbstbedienung) von Real wirken monströs. Auf zwei Metern Breite ist an der Seite ein großer Bildschirm montiert, auf dem Bedienanweisungen erscheinen; vorne und unten gibt es Strichcode-Lesefenster, dazu ein schnurgebundenes Lesegerät; an der Seite sind Plastiktüten an metallenen Wäscheleinen in Armhöhe aufgespannt, und von einer separaten Kiste wird Kleingeld entgegen genommen, direkt neben dem Einzug für Geldscheine.

Ungefähr so stellt man sich als Laie die Steuerkonsole im Todesstern vor.

Jedes eingelesene Produkt muss erst einzeln in eine vorbereitete Tüte gelegt werden muss, damit der Bezahlvorgang vorgesetzt werden kann („scan ’n bag“ heißt das im Fachsprech). Gut möglich, dass die Kinder den Papa nicht mehr erkennen, wenn er nach dem Joghurteinkauf für die Großfamilie aus dem Markt zurückkehrt.

Das weiß auch Real: „Wir haben festgestellt, dass die ersten SB-Kassen-Modelle für Großeinkäufe nur bedingt funktionieren, allerdings auch gegenüber den Kunden immer sehr offen kommuniziert, dass diese Modelle nur für einen kleinen Einkauf geeignet sind“, sagt Sprecher Markus Jablonski. Seit Oktober 2003 testet das Unternehmen unterschiedliche SB-Kassenmodelle, die es inzwischen in rund 70 der über 320 deutschen Märkte gibt. Dabei geht’s weniger um Einsparungen, heißt es bei Real: Durch die SB-Kassen sei bisher noch in keinem Markt Personal gestrichen worden, weil außer vor Feiertagen ja auch die normalen Kassen nicht immer alle durchgehend besetzt seien.

Jablonski sagt: „Bei allen Untersuchungen im Einzelhandel sind Kassenwartezeiten das größte Ärgernis. Die SB-Kassen sollen diesen Prozess entzerren. Wenn das funktioniert, trägt das elementar zur Kundenzufriedenheit bei.“ Ja, genau: wenn.

Die Konkurrenz ist eher zurückhaltend. Real hat in Deutschland die meisten Erfahrungen mit den SB-Systemen sammeln können und versucht nun, aus den Erkenntnissen zu lernen. Als Weiterentwicklung des oben beschriebenen Modells gibt es inzwischen eine Kasse, an der man die Produkte nach dem Einscannen auf ein Förderband legt, an dessen Ende man alles wieder einsammelt und sich einen Bon abholt, der wiederum an einer extra Zahlstation gescannt wird, um dort den Betrag zu begleichen. (Vielleicht schreiben Sie sich das fürs erste Mal auf die Handinnenfläche, um es nicht zu vergessen.)

Das hat einen entscheidenden Vorteil, sagt Jablonski: „Es gibt immer mehr freie Zahlstationen als Erfassungsbänder – und der Kunde muss nicht warten, bis der Käufer vor ihm den Vorgang abgeschlossen hat. Das entzerrt die Situation über den gesamten Kassenbereich im Markt, auch an den herkömmlichen Kassen.“

Wirklich Zeit spart so ein Einkauf, bei dem man sich selbst abkassiert, aber erst nach einiger Übung, wenn man mit den Tücken des Systems vertraut ist und als alter SB-Hase Kassenfrischlingen stolz erklären kann, wie und vor allem wo sie Leergutbons korrekt entsorgen („Bitte werfen Sie. Den Leergutbon. In den Schlitz. Neben dem grünen Blinklicht“). Eine komplette Umstellung der Märkte auf SB-Kassen steht für Real deshalb derzeit nicht zur Diskussion: „Wir wollen niemanden zwingen, sondern lediglich einen erweiterten Service bieten.“

Das größte Problem der SB-Kassen ohne Förderband wird sich jedoch auch für Kunden mit Bedienerfahrung schwer lösen lassen. Denn das System funktioniert tatsächlich nur, wenn Sie. Jedes. Produkt. Einzeln. In die. Tüte. Packen. Das ist nicht als Schikane gedacht (auch wenn es effektiv eine ist), sondern funktioniert als Diebstahlsicherung, weil eine Waage das Gewicht des abgelegten Produkts mit der gescannten Ware abgleicht. „Wenn Sie Sprühsahne scannen, aber eine teure Flasche Wein ablegen, erkennt das die SB-Kasse“, sagt Jablonski. Besonders diebstahlanfällig seien die Systeme, die auch beaufsichtigt werden, aber nicht: „Die schwarzen Schafe unter den Kunden, werden völlig unabhängig von den SB-Kassen auch weiterhin ihr Glück versuchen.“

Und wir lernen: Sie müssen auf jeden Fall ein bisschen Zeit mitbringen, wenn Sie an der SB-Kasse welche sparen wollen. Und natürlich damit einverstanden sein, dass der halbe Markt ihr Abendessen vorgetragen bekommt.

Fotos: Real / Supermarktblog

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