Mit 43,9 Prozent Marktanteil (im Jahr 2013; lt. GfK) sind die Discounter im deutschen Handel ein echtes Schwergewicht. In Großbritannien wollen sie erst noch eins werden. Und strengen sich dafür gerade mächtig an. Aldi kam mit seinen britischen Läden Ende des vergangenen Jahres zwar gerade mal auf 4 Prozent, Lidl schaffte 3,1 Prozent. Doch die Wachstumsraten sind enorm. Zuletzt meldete Aldi UK einen um 124 Prozent gestiegenen Gewinn vor Steuern und 40 Prozent Umsatzplus innerhalb eines Jahres. Große Supermärkte wie Tesco, Sainsbury’s, Asda und Morrisons müssen Marktanteile abgeben. Heißt das, dass die Briten jetzt genauso Discount-fixiert werden wie die Deutschen?
Jein. Zwar finden immer mehr britische Kunden Gefallen am Einkaufen bei Aldi und Lidl. Auf der anderen Seite gibt es aber noch einen weiteren Gewinner im Lebensmittelhandel, der in vielerlei Hinsicht das absolute Gegenteil der Discounter verkörpert: die Supermarktkette Waitrose.
Der Tag vor Weihnachten 2013 war dem britischen Fachmagazin „The Grocer“ zufolge mit über 51 Millionen Pfund Umsatz in den rund 300 Läden der erfolgreichste seit der Unternehmensgründung vor 110 Jahren. Das Wachstum ist zwar nicht so beeindruckend wie bei der Discount-Konkurrenz. Aber die hat auch mehr aufzuholen.
Waitrose gilt vielen Briten als „upmarket“, als Laden für Leute, die sich ein bisschen mehr leisten können. Das ist der Supermarktkette gar nicht so recht, weil dieses Image potenzielle Kunden womöglich davon abhält, dort zu kaufen. Fakt ist aber, dass die Nummer sechs im britischen Lebensmittelhandel sich (nicht nur durch ihr Bonusprogramm) deutlich von den größeren Konkurrenten abhebt – und vielleicht gerade deswegen so erfolgreich ist.
Wie geht das?
1. Waitrose hat Stil
Großbritannien gehört zu den Ländern, in denen es eine große Offenheit für Supermarkt-Innovationen gibt. Das bedeutet aber nicht, dass Einkaufen dort immer angenehm ist. Im Gegenteil: Viele Läden sind so sehr mit knallfarbigen Sonderangebotsschildern zutapeziert, dass man seinen Tunnelblick schon ziemlich gut drauf haben muss, um nicht irre zu werden. Waitrose versucht, sich davon bewusst abzuheben – so wie in seiner 2013 neu eröffneten Filiale im Londoner Stadtteil Greenwich.
Die Gänge sind nicht vollgestellt, und in den Regalreihen hängen nur vereinzelt Schilder, ganz selten in Signalfarben wie bei der Konkurrenz. (Nur zur Erinnerung: So sieht das anderswo aus.)
Die komplette Form- und Farbgebung des Ladens ist klar, fast schon nüchtern.
Auch bei den Eigenmarken wird größter Wert auf stilvolle, moderne Verpackungen gelegt.
2. Waitrose ist freundlich
Kunden werden am Eingang nicht durch Schleusen geschickt oder auf den neuesten Sonderangebotsstapel gelenkt, sondern am „Welcome Desk“ empfangen. Dort lassen sich vorher im Internet bestellte Einkäufe abholen, Süßigkeiten, Wein oder Blumen werden als Geschenk verpackt und Mitarbeiter beantworten Kundenfragen. Und selbst wenn Sie nix einzuwickeln oder zu fragen haben: Ein Laden, der einen erstmal willkommen heißt, gewinnt sofort an Sympathie.
Spätestens in diesen Wochen sollen darüber hinaus alle Filialen mit WLAN ausgestattet sein, das kostenlos genutzt werden kann.
3. Waitrose kennt seine Kunden
Zumindest weiß die Supermarktkette, wie die Leute ticken, die regelmäßig zum Einkaufen kommen, anstatt zu Aldi, Asda oder Tesco zu gehen. Mit „Essential Waitrose“ gibt es zwar auch eine Billigmarke mit Grundnahrungsmitteln. Aber der Preis allein ist für viele Kunden nicht ausschlaggebend. Waitrose wirbt damit, beim Angebot von Bio-Lebensmitteln der Konkurrenz voraus zu sein, mit fairen Bedingungen für Produzenten und Handelspartner, mit Müllreduktion, CO2-Einsparungen und der Unterstützung britischer Bauern.
Einiges davon hat sich der Wettbewerb abgeguckt. Aber bei Waitrose passt das Engagement ins Gesamtbild, das darauf zielt, der Kundschaft zu vermitteln: Wir sind die stilvollere, fairere Alternative zu den beigebödigen Riesenmärkten, die bloß an dein Geld wollen (freilich mit dem Zusatz: Sparen kannst du bei uns auch).
Im deutschen Lebensmittelhandel wird diese Nische am ehesten von den stark expandierenden Biomarktketten besetzt, zunehmend auch von den klassischen Supermärkten: Rewe strengt sich an, das Thema Nachhaltigkeit mit seinem „Pro Planet“-Label zu stärken (siehe Supermarktblog), und bei Edeka haben viele selbstständige Kaufleute ein Händchen dafür, Märkte mit Atmosphäre zu bauen, in denen die Kunden wirklich gerne einkaufen gehen (siehe Supermarktblog).
So konsequent wie Waitrose verknüpft Stil, Service und Fairness hierzulande aber niemand.
Oder wüssten Sie ein paar Beispiele? Dann schreiben Sie die doch in die Kommentare!
Fotos: Supermarktblog
Unser „HIT“ hat auch so ein Empfangsschalter, der aber meist nicht besetzt ist, und wenn doch, wird man nicht freundlich begrüßt, sondern meist unfreundlich von der Seite angepampt mit den Worten „Den Rucksack bitte abgeben!“… (der dann einfach hinter diesen Tresen gelegt wird – und da dieser die meiste Zeit unbesetzt ist, ihn dann auch jederzeit von irgendjemanden ungestört entwenden werden kann).
Da muss man natürlich auch erstmal drauf kommen: einen Empfangstresen, an dem die Kunden gleich wieder verscheucht werden können.
Seit meinem erstne berufsbedingten England-Aufenthalt 2009 bin ich ein riesiger Waitrose-Fan. Kannte das vorher nicht, war erst aus praktischen Gründen (nächster Supermarkt) dort und bin dann nie mehr woanders hin.
Da gab es 2009 schon Obst- und Gemüse frisch und schick abgepackt für 1-2 Personen. Werde nicht vergessen, wie ich fassungslos vor dem Kühlregal stand und die ganzen Himbeeren, Brombeeren oder anderes Kleinobst gesehen habe. Sowas gibt es in Deutschland bis heute nicht – und ich frage mich warum.
Generell finde ich faszinierend, dass das jetzt schon fünf Jahre her ist – und was die Einkaufsatmosphäre angeht da erst unser Edeka vor nem Jahr angefangen hat nachzuziehen. Bundesweit gibt es das ja, wie erwähnt, so langsam bei Rewe.
Ich frag mich, warum das so lange dauert. Warum lassen sich denn deutsche Manager generell wenig aus England inspirieren?
Ich glaube, die lassen sich sogar sehr inspirieren, nur mit einer unheimlichen Zeitverzögerung.
Die Sache mit dem WLAN finde ich interessant, gerade wenn man an Preisvergleiche oder Online Shopping mit dem Smartphone denkt. Nach wie vor bieten die meisten Mobilfunkanbieter lediglich „Flatrates“ an, die nach ~200 MB massiv gedrosselt werden, da ist man schon froh mal irgendwo WLAN zu haben.
Das noch kombiniert mit irgendeiner Sitzgelegenheit in einem Café oder einer Bäckerei, würde es mich zum verweilen einladen, wie man so schön sagt.
Aber warum ist der Sellerie in Folie verpackt, wenn doch grade noch im Text mit über weniger Müll geht.
Ich bin auch ein Waitrose-Fan. Die Gestaltung der Läden ist wirklich schön. Nicht so überfrachtet, klares Design und schöne Farben (ich mag grün!). Ich habe dort auch bisher nur sehr freundliche Mitarbeiter erlebt.
Deutsche Alternative: Tegut. Gefällt mir von der Einrichtung her auch besser.
Wlan gibt es inzwischen auch bei Famila.
Don’t forget the Waitrose Effect! 😉
http://www.youtube.com/watch?v=N4kdp3ddl4U
Auch noch erwähnenswert: Waitrose gehört zur John Lewis Partnership, einem Warenhauskonzern, der kooperativ organisiert ist – also den (Fest)Angestellten gehört. Auch da glänzt nicht alles – bsp.weise schuften im Logistikbereich auch Leiharbeiter – aber trotzdem trägt das Organisationsmodell zur Glaubwürdigkeit bei.
http://www.waterstones.com/waterstonesweb/products/peter+cox/spedan27s+partnership/7928480/
Biolebensmittel gibt’s übrigens seit den Achtzigerjahren, ein richtig großes Angebot seit den Neunzigern.
Das klingt ein bisschen wie das DM-Konzept im deutschen Drogerie-Markt.
Ich liebe Waitrose!
Empfangstresen weckt bei mir ja unangenehme Baumarkt- und metro-Assoziationen. Bin ich da der Einzige?
Wenn da ein Ton bzw. eine Unlust herrscht wie im Baumarkt, dann schon. Aber nur dann.
Rechtschreibung: Im 3. Absatz erster Satz fehlt ein „zufolge“. Ich sag das nur, weil ich 8 Anläufe gebraucht habe weiterzulesen.
Steh grad auf dem Schlauch. Wo?
Also, meiner Meinung nach:
Vorher:
Der Tag vor Weihnachten 2013 war dem britischen Fachmagazin “The Grocer” mit über 51 Millionen Pfund Umsatz in den rund 300 Läden der erfolgreichste seit der Unternehmensgründung vor 110 Jahren.
Besser:
Der Tag vor Weihnachten 2013 war dem britischen Fachmagazin “The Grocer” ZUFOLGE mit über 51 Millionen Pfund Umsatz in den rund 300 Läden der erfolgreichste seit der Unternehmensgründung vor 110 Jahren.
Oder auch:
Der Tag vor Weihnachten 2013 war LAUT dem britischen Fachmagazin “The Grocer” mit über 51 Millionen Pfund Umsatz in den rund 300 Läden der erfolgreichste seit der Unternehmensgründung vor 110 Jahren.
Völlig richtig! Danke, korrigiert. (Ich war, ähm, im falschen Eintrag.)
So isses besser lesbar. Grüße!
Ich habe beim Bezahlen einen grünen Plastikchip bekommen – ist das eine Wagenmarke?
Falls das noch jemand interessiert: am Ausgang (zumindest des Waitrose auf Jersey (Kanalinsel)) stehen drei Zylinder, in die man die grünen Marken einwerfen kann und damit eine von drei Initiativen unterstützen kann; ich vermute sowas wie x Pfund pro y grüne Münzen. Mein Minibeitrag ging z.B. an die lokale Ambulanz, aber auch eine Kardiologie-Initiative stand zur Verfügung und irgendwas für Kinder. Die Idee gefiel mir sehr gut!
Bin oft in London. Und Waitrose ist immer mein Anlaufpunkt. Die freundliche Begrüßung (kenne ich in Deutschland nicht) lädt zum Einkauf ein. Man findet immer ein Service und wird am Ende gefragt ob man eine Tragetasche braucht und in welcher Größe. Super sind die Terminals an denen man selbst Kasse machen kann und wenns mal klemmt ist sofort ein Service bei dir. WLAN gibt’s nun auch. Was will man mehr. Ein must have. Schade dass in Deutschland das so wenig praktiziert wird.