Der Deutschland-Start von Amazon Fresh wirbelt den Markt der Online-Lieferdienste kräftig durcheinander. Inzwischen reagierten die Wettbewerber nicht mehr nur mit kleinen Geschenken und frechen Werbesprüchen (siehe Supermarktblog).
In Berlin bietet die Edeka-Tochter Bringmeister ihren Kunden seit der vergangenen Woche die Lieferung des Online-Einkaufs noch am selben Tag an. Bestellt ein Kunde bis 14 Uhr, kommt der Fahrer abends zwischen 18 und 24 Uhr mit den bestellten Lebensmitteln vorbei.
Bei Amazon ist die taggleiche Lieferung von Anfang an verfügbar gewesen: Fresh-Kunden müssen sich allerdings bis 12 Uhr entscheiden, werden dafür aber auch schon ab 16 Uhr versorgt. (In Hamburg, das derzeit noch von Berlin aus beliefert wird, klappt’s bis 10.30 Uhr.)
Nach der Edeka-Initiative stehen nun Rewe und Kaufland unter dem Druck, möglichst schnell nachzuziehen. Auch Real wird sich anpassen müssen, wenn die Handelskette demnächst wieder ins Liefergeschäft einsteigen will (siehe Supermarktblog). Der Vorstoß bei Bringmeister illustriert außerdem ganz schön, wie groß plötzlich der Ehrgeiz beim langjährigen Liefer-Verweigerer Edeka zu sein scheint, das Geschäft als Online-Supermarkt ernsthaft zu betreiben und sich einerseits als angriffslustig gegenüber neuen (und alten) Konkurrenten zu positionieren.
Und andererseits: wieder nicht.
Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis nach der Lieferung am selben Tag bereits der nächste Schub folgt: Mit Prime Now bringt Amazon bekanntlich schon seit Monaten Lebensmittel in Ein- bzw. Zwei-Stunden-Fenstern nachhause (siehe Supermarktblog).
In Großbritannien haben die großen Supermarktketten darauf längst reagiert. Mit seiner App Chop Chop bietet Sainsbury’s seit vergangenem Herbst die Lieferung von bis zu 20 Produkten aus einem nahegelegenen Laden innerhalb einer Stunde an. Der Kurier kommt per Fahrrad, der Service kostet 4,99 Pfund. Konkurrent Tesco ist mit dem Dienst „Tesco Now“ nachgezogen. Beide Angebote gibt es aber derzeit nur in London, und dort auch nur in ausgewählten Gebieten.
(Zugleich spielen die Supermärkte aber ihre eigenen Stärken aus: Sainsbury’s hat Chop Chop gerade um die Funktion erweitert, Mini-Einkäufe – bis 25 Produkte – nach nur 30 Minuten im Laden abholen zu können.)
Bislang halten sich die deutschen Handelsketten mit Tests für ultraschnelle Lieferungen zurück. Wobei so ein Bringmeister-Fahrradkurier freilich auch nicht schlecht ins Konzept der Edeka-Tochter passen würde. Läden, die potenziell mitmachen könnten, hat Edeka in Berlin und München ja inzwischen genug.
Dank an Supermarktblog-Leser Anton I. für den Hinweis!
Fotos: Supermarktblog
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Warum nutzten die Supermärkte eigentlich nicht die Foodora-Radkurierarmee für die ultraschnelle Lieferungen?
Klar, ein paar % vom Umsatz (+ Shopanmeldegebühren) müssen Sie dann abtreten. Aber schneller könnte man es selber sicherlich kaum umsetzten.
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Die „paar %“ sind genau genommen etwa 30. Bei den Margen im Lebensmittelhandel dürfte das erklären, warum man nicht mit Foodora kooperiert. Solche Aufpreise bzw. über 10 Euro Lieferkosten ohne Getränke würde keiner zahlen.
Was mich bei allen Amazon-Konkurrenten am meisten stört ist drei Umgang mit Getränke Bestellungen. Seit Bringmeister Edeka ist zählen Getränkekästen nicht mehr zum Mindestbestellwert. Bei den anderen muss ich draufzahlen. Nur Amazon liefert die Getränkekisten so. Wo glauben die Supermärkte denn dann, dass ich bestelle?
Stört mich ebenso. Es ist doch grad das Schleppen, was man sich ersparen will.
Genau so ein Witz bei Bringmeister inzwischen sind die Mengen, die man von einem Produkt bestellen kann. Eine größere Anzahl Kohlköpfe zum Einlegen? Pustekuchen. 2 kg File, weil die Verwandtschaft kommt? Auch nicht mehr möglich.
Auch dass Bringmeister nur auf das Edeka-Sortiment setzt, statt Vielfalt zu bieten, wie es Amazon tut, ist eine erschreckende strategische Fehlleistung des Managements.
Ist schon immer wieder beeindruckend, wie in Deutschland alles reglementiert und begrenzt sein muss, aber dann wundert man sich, warum die Leute die amerikanischen Dienste nutzen.
Das die Edeka Bringdienstverweigerer ist, ist so übrigens nicht richtig. Kann mich gut dran erinnern, dass im nördlichen Ostwestfalen (Minden und so, Stammland der Edeka Minden-Hannover, die auch für Berlin zuständig ist) vor ca. 10 Jahren Bringdienstversuche engagiert versucht wurden. Da gings um alte Leute im ländlichen Raum – interessant, dass sowas heute gar keine Rolle mehr spielt. In vielen (größeren) Dörfern hatten da die Lebensmittelgeschäfte dicht gemacht, das verwuchte man durch Bringdienst zu kompensieren. Hat sich anscheinend nicht gerechnet. Bei der Tochter Marktkauf in Bielefeld (bin mir nicht sicher, ob die damals schon zur Edeka gehörte) hat man etliche Zeit mit einer örtlciehn Beschäftigungsgesellschaft (GAB) kooperiert und einen Bringdienst organisiert. Schon interessant, dass sich diese ganze Bringdienstgeschichte heute um ‚Yuppies‘ in den eigentlich ohnehin gut versorgten Großstädten dreht – vor 15 Jahren gings um alte Leute und der Versorgung im ländlichen Raum: totaler Perspektivenwechsel.