Start der Supermarktblog-Eurotour: Carrefour verordnet seinen Hypermarchés eine Schrumpfkur

Start der Supermarktblog-Eurotour: Carrefour verordnet seinen Hypermarchés eine Schrumpfkur

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Der neue Carrefour-Chef will die französische Supermarktkette sehr viel internetfitter machen und riesige SB-Warenhäuser verkleinern. Das wird ein ziemlicher Kraftakt.

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Wie stellen sich Supermarktketten in Europa auf Veränderungen im Lebensmitteleinzelhandel ein? Wo lauern neue Herausforderer? Und wie lassen sich in die Jahre gekommene Läden so umgestalten, dass Kunden nicht zur Discount-Konkurrenz wechseln? Das Supermarktblog sucht nach Antworten – auf Eurotour in Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Großbritannien.


Sechs Monate nach seinem Antritt als Hauptgeschäftsführer der französischen Supermarktkette Carrefour hat Alexandre Bompard Ende Januar zugegeben, dass es so nicht mehr weitergeht. Und einen Aktionsplan vorgelegt, mit dem die Handelskette wieder zu alter Stärke zurückfinden soll: „Carrefour 2022“ (PDF-Übersicht 1 und 2).

Bompard will eine Reihe nicht funktionierender Läden abstoßen, Kosten reduzieren, Zentralen verkleinern und zusammenlegen. Vor allem aber will er Carrefour sehr viel internetfitter machen als bisher, um sich gegen (neue) Wettbewerber zu behaupten.

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So soll „Carrefour 2022“ funktionieren:

  • Innerhalb der nächsten fünf Jahre investiert der Konzern 2,8 Milliarden Euro in digitale Verkaufsstrategien – sechs mal so viel wie bisher.
  • Carrefours Lieferservice soll auf 26 französische Städte ausgeweitet werden. (Zum Vergleich: In Deutschland liefert Rewe in 75 Städte, Amazon in vier, Edeka in zwei.)
  • In zwei Pilotstädten wird getestet, ob sich die Heimlieferung landesweit ausrollen ließe.
  • Der Express-Service, mit dem Kunden ihre Ware eine Stunde nach der Bestellung erhalten, soll bis Ende des Jahres in 15 Städten angeboten werden. Dafür arbeitet Carrefour mit dem Liefer-Start-up Stuart der französischen Post zusammen.
  • Bis 2019 sollen die Hälfte aller Carrefour-Märkte mit einer Click-&-Collect-Abholmöglichkeit ausgestattet sein. Allein in Frankreich wären das über 2.800 Läden (PDF-Übersicht).

Gleichzeitig hat Bompard angekündigt, 2.000 neue Läden eröffnen zu wollen, vor allem Supermärkte und Convenience Stores (Mini-Lädchen), die der Carrefour-CEO als „Wachstumsformate“ bezeichnet. Das ist vor allem deshalb ungewöhnlich, weil Carrefour bislang als König der „Hypermarchés“, riesiger SB-Warenhäuser, bekannt war.

Von denen soll zwar (vorerst) keins geschlossen werden. Aber auch die Formulierung, man wolle in die „Attraktivität und Effizienz“ der Riesenläden investieren, kann kaum verschleiern, was Bompard eigentlich vor hat: einen deutlichen Rückbau. Die Verkaufsflächen sollen in den kommenden drei Jahren insgesamt um 100.000 Quadratmeter verkleinert werden. Das entspricht umgerechnet zwar nur 5 Prozent der in Frankreich betriebenen Flächen. Es ist aber auch noch nicht ausgemacht, ob das reicht.

In jedem Fall bedeutet es eine beachtliche Schubumkehr für einen Handelskonzern, der noch vor wenigen Jahren mit großem Stolz Riesensupermärkte an den Stadtrand stellte und der Überzeugung war, damit einigermaßen zukunftssicher zu sein, wenn so lange ein paar modern klingende Technologien reingekippt werden.

So wie im Pariser Vorort Villeneuve-la-Garenne, wo Carrefour im Frühjahr 2014 einen seiner neusten Hypermarchés im riesigen Qwartz-Einkaufszentrum eröffnete und das „bahnbrechend“ fand (PDF-Pressemitteilung).

Auch wenn der Laden sehr viel zeitgemäßer aussieht als zahlreiche Vorgänger, lässt sich schwer darüber hinwegtäuschen, dass 11.300 Quadratmeter Verkaufsfläche auf zwei Stockwerke verteilt selbst für einen Stadtrandsupermarkt inzwischen viel zu viel sind. Zumindest für Kunden, die am selben Tag auch noch was anderes vorhaben als durch endlose Regalreihen mit Lebensmitteln zu wandern. Dabei ließe sich einfach Platz sparen, um für Übersichtlichkeit zu sorgen.

Platzspartipp #1: Frischetheken-Fusion

In Metern gemessen ist die Frischetheken-Präsenz in Villeneuve-la-Garenne unbestreitbar beachtlich.

So beachtlich, dass man den Kopf noch einmal um 90 Grad nach rechts drehen muss, um auch die in der Ferne zu erahnende Fischtheke ins Blickfeld zu kriegen.

Die Thekenlandschaft sieht schick aus und ist insofern praktisch, dass sie gleichzeitig für die Bedienung durchs Personal (über die Glasvitrine) und die Selbstbedienung des Kunden (in den Kühlfächern darunter) konzipiert ist.

Das sorgt aber auch dafür, dass man in jede einzelne der Niederflurtruhen reingucken muss, um das zu finden, was man sich auf den Einkaufszettel geschrieben hat. Eine fiese Zeitbremse für Eilighaber.

Platzspartipp: Frischetheken fusionieren, fertig verpackte Ware mit klarer Sortimentsbeschilderung („Tapas“, „Spezialitäten aus der Bretagne“ usw.) in Kühlkomplexen verheiraten – schon ist der Frischeeinkauf kein Marathonlauf mehr.

Platzspartipp #2: Mut zur Mischregalierung

Jedes mal aus 55.000 unterschiedlichen Artikeln auszuwählen, kann strapaziös sein. Deshalb sortiert Carrefour das Sortiment schon mal vor – nicht nur nach Produkt-, sondern auch nach Zielgruppen. Bio-Artikel zu Bio-Artikeln in die separate Bio-Schneise:

Und Niedrigpreisartikel in einen hässlichen Zwerg-Discounter hinter der Rolltreppe …

… wo Essbares kartonweise in knallrote Kellerregale geräumt ist.

Man darf sich halt nur nicht vom Nachbarn dabei ertappen lassen, wie man wieder an der regionalen Feinkost vorbei zum billigen Fleischsalat schleicht, um bei der nächsten Gartenparty im Sommer nicht als besonders knauserig zu gelten.

Die Sortierung in Bio und Billig funktioniert hervorragend, wenn man sich seine Kundschaft als Konsumenten vorstellt, die entweder durchweg hochwertig ökologisch erzeugte oder vor allem geldbörsenschonende günstige Produkte einkaufen möchte. Allen anderen, die in der einen Warengruppe gerne Bio kaufen und denen anderswo der Discount-Artikel genügt, tut man damit aber keinen Gefallen. Weil die außer den Standardregalen noch zwei Spezialabteilungen ansteuern müssen, die an entgegengesetzten Orten im Markt liegen.

Wenn Bompard die Umsätze mit Bio-Produkten wie angekündigt bis 2022 von 1,3 auf 5 Milliarden Euro steigern will, muss er’s Carrefour-Kunden einfacher machen, sich während des regulären Einkaufs für die Artikel zu entscheiden.

Platzspartipp: Bio und Billig ins klassische Sortiment integrieren und dort in Spezialregalen hervorheben (rot für Discount, grün für ökologisch Erzeugtes).

Platzspartipp #3: Digitalmissverständisse abbauen

Zur Eröffnung konnte Carrefours Hypermarché mit den tollsten Einkaufs-Technologien angeben: Kundenlotsung per Smartphone-App und NFC-Signal, hochmodernen Bildschirmleitsystemen, einer riesigen Digitalwand, um im Markt den Kühlschrank oder Fernseher zu ordern, der gerade nicht vorrätig war.

Aus heutiger Sicht wirkt das alles arg läppisch.

Die vielgepriesene Universal-App hat sich als Flop herausgestellt und ist Ende 2016 eingestellt worden. Über die Bildschirme flimmern mittelmäßig nützliche Hinweise, dass es im ersten Stock noch mehr Artikel zu kaufen gibt.

Die Superbestellwand ist abgestellt und erinnert an ein schwarzes Loch, das jederzeit sämtliche noch verbliebenen Digitalmissverständisse einzusaugen bereit wäre.

Platzspartipp: Abbauen. Heute.

Platzspartipp #4: Kaufhaussammelsurium eindampfen

Apropos Obergeschoss:

Werktags ließe sich die Einkaufswagenschneise durch die dort untergebrachten Abteilungen für Haushaltswaren, Wäsche, Technik und Krimskrams problemlos für den motorisierten Drive-thru-Verkehr öffnen – zumal dort ohnehin nur noch wenige Kunden zu Fuß durchschlendern, um ihren Kindern mal zu zeigen, was man früher alles im Supermarkt gekauft hat, als es noch kein Internet gab.

Platzspartipp: Aufs Allernötigste eindampfen: alles, was es im Einkaufszentrum sonst nicht woanders zu kaufen gibt. Schon ist ein Dreiviertel der Etage frei.

Mit diesen Maßnahmen sind in den Hypdrmarchés nicht nur die 100.000 Quadratmeter weniger bis 2020 zu schaffen, sondern sehr viel mehr. Das käme auch der Aufmerksamkeit der Abteilungen zu Gute, die jetzt schon ziemlich gut funktionieren.

In die Obst- und Gemüseauswahl würde man sich am liebsten reinlegen:

Die Weinabteilung signalisiert bereits durch ihr Ambiente, dass man hier fast nichts falsch kaufen kann:

Und in der Kunden-Austauschecke wird sogar an gewöhnlichen Werktagen ans Blumendekor gedacht:

Ideen zur Weiterverwendung des außenherum geschaffenen Platzes gibt es schon: Bompard will überschüssige Quadratmeter an andere Händler weitervermieten oder als Lager- und Kommissionierflächen nutzen, so wie es Tesco in Großbritannien bereits in seinen Supercentern getestet hat.

Wenn sich die ehrgeizigen Pläne des Carrefour-Chefs durchsetzen, blüht das künftig auch sehr viel kleineren Supermärkten und Convenience Stores, die zur Schnittstelle zwischen stationärem Verkauf und Online-Bestellung werden sollen („acting as a preparation or delivery center and a pick-up and return point for customers“).

„Die vor uns liegend en Herausforderungen werden Carrefour radikal verändern“,

hat Bompard in seiner Rede zur Lage der Supermarktgruppe erklärt. Das war, wenn man sich’s genau ansieht, vielleicht ein bisschen untertrieben.

Fotos: Supermarktblog"

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10 Kommentare
  • Ich hatte bei meinem letzten Frankreich-Aufenthalt das Gefühl, dass die Bio-Produkte nicht *nur* in den Bio-Regalen untergebracht sind, sondern dort *zusätzlich* noch einmal gebündelt, dass sie zugleich aber auch regulär in den passenden Regalen zu finden sind. Mangels Dokumentation kann ich das aber nicht beweisen – aus meiner Sicht würde das aber durchaus Sinn ergeben: Wer viel Bio kauft, spart sich etliche Laufmeter, und auch Nischenprodukte, die nur eingefleischte Ökos kaufen, sind gut in einer solchen Spezialabteilung aufgehoben.

    • aber der „eingefleischte öko“ geht doch vermutlich eher nicht in den supermarche, oder? wer da hinfährt wird doch wahrscheinlich nicht wegen der großen bioauswahl allein kommen. von daher wäre eine flächenreduzierung für alle kunden (die jetzt schon da sind) praktisch, weil die laufwege verkürzt würden. wollte man biokunden gewinnen wäre das vllt anders, dann sollte man aber, aus meiner sicht, eher auf ein eigenständiges bio/öko-format auf eigener fläche setzen.

    • In einem kleineren Stadtteil-Carrefour (roter „Carrefour Market“) habe ich das letzten Sommer in Frankreich so erlebt:
      Es gab einerseits eine spezielle Bio-Abteilung (Kräutertee, vegetarische / vegane Pasten, Schokolade, Bulgur etc; nichts frisches) mit recht hochpreisigen Markenartikeln auf engem Raum. Von „Carrefour Bio“ war dort nichts zu sehen.

      Direkt bei den normalen Warengruppen konnte man dann die Eigenmarke „Carrefour Bio“, aber auch ein paar andere Produkte mit Biosiegel zu vergleichsweise niedrigeren Preisen finden.

    • Mich nervt in Frankreich die Bio-Quarantäne immer fürchterlich. Nicht nur im Carrefour sondern auch im Auchan und anderen der ganz großen. Jedesmal stehe ich im konventionellen Regal und denke mir „Scheiße, wo haben sie denn jetzt schon wieder das Bio-Zeug versteckt?!“
      In Deutschland kenne ich nur den Hit, der einen ähnlich nervt, allerdings mit etwas weniger Sucherei, weil der Supermarkt insgesamt nicht ganz so überdimensioniert ist und die Regale nicht drei Meter hoch, man also auch noch drüberkucken kann.
      Ich unterstütze den Vorschlag des „Einsortierens“ vollumfänglich.

  • Mr. Bompard möchte kleine Mini Lädchen / Conv.Stores eröffnen? – Da dürfe man gespannt sein, wie das „Altherren Managment“ bei der Schwarz-Gruppe in Neckarsulm reagieren wird. Schließlich war dort noch vor einem Jahr Lidl Express geplant…

    • im sinne dieser seite und der allgemeinen belustigung reagieren sie hoffentlich mit einer abkehr von der abkehr

  • In einem stinknormalen Supermarkt ist bei den Lebensmitteln schon unglaublich viel Verschwendung an der Tagesordnung. In diesen Hypermärkten basiert aber alles auf der Formel „noch schöner, noch frischer, noch mehr“, in der Annahme, dass Kunden sich am liebsten von morgens bis abends in zarten Salatblättern wälzen möchten. Also muss es entweder (zu anderen Zeiten als auf dem Foto) wie ein gigantischer Komposthaufen aussehen, weil das Zeug ja schneller welkt als man gucken kann. Oder aber man muss die Verschwendung einfach hoch Quadratmeter rechnen. Zumal wir die (vermuteten) Gigantometer Brötchenknast in diesem Beitrag nicht sehen durften, die von morgens bis abends mit unglaublich viel Backwaren gefüllt sein müssen.

    Es ist einfach deprimierend, wie die einen in ihrem vermeintlichen Kosumparadies nichts mehr merken, während andere in der Kälte stehen und hungern.

    Meiner Meinung nach gehen diese Läden völlig an der Realität vorbei – schön, wenn Carrefour das merkt. Ich jedenfalls wollte in solch einem Laden keinen Cent lassen.

    • Frankreich hat nicht umsonst vergangenes Jahr ein Gesetz erlassen, das Supermärkten vorschreibt, daß die „Reste des Tages“ nicht weggeworfen und vernichtet werden dürfen sondern wohltätigen Zwecken gespendet werden müssen. Das hat durchaus schon gefruchtet.

  • Also ich verstehe zwei Dinge nicht … mal heißt es hier im Blog „macht die Gänge breiter, macht mehr Holz, macht mehr Multimedia, macht mehr Licht“ … im nächsten Supermarkt heißt es dann „Gänge so breit wie ne Autobahn, viel zu hell, keine Fenster, macht die Monitore weg, macht weniger Schilder …“ ich würde gerne mal den PERFEKTEN Supermarkt der Schreiberlinge hier sehen.

    Zweitens … ich finde die Unterteilung in Bio-Abteil und dann ein „Billig-Abteil“ nicht blöd. Ich meine, man schreibt sich einen Einkaufszettel und normal geht man ja immer in dieselben Läden und die sind die meiste Zeit immer gleich sortiert. Also sortiere ich meinen Einkaufszettel bereits so dass ich alles gleich in der Abteilung hole. Ich renne ja auch in D nicht durch den Supermarkt hin und her … insofern finde ich diese Abteile schon richtig und gut. Ich gehe auch gerne in den Hypermarchés einkaufen wenn ich in Frankreich bin. Cora kann das ja auch ganz gut mit ihren riesigen Einkaufszentren.

    • Sie sind neu hier, deshalb erklär ich’s gerne: „macht die Gänge breiter, macht mehr Holz, macht mehr Multimedia, macht mehr Licht“ steht hier nirgendwo im Blog, Berichte über gute Ideen kommen (meiner Ansicht nach) auch nicht zu kurz; und wenn Händler sich in Pressemitteilungen damit schmücken, den modernsten aller Läden erfunden zu haben, ist ein kurzer Realitäts-Check durchaus notwendig und angebracht, finde ich. P.S.: Ihre „Schreiberling“-Anrede ist ein bisschen unhöflich. Beste Grüße!

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