Deliveroo verkleinert und vergrößert sich (gleichzeitig)
Tja-ha, was so ein Jährchen doch ausmacht. Im Juli 2017 meldete das britische Liefer-Start-up Deliveroo, in neun weitere deutsche Städte expandieren zu wollen. Gründerszene.de zitierte Deliveroo-Deutschland-Chef Felix Chrobog damals mit den Worten: „Wir machen hierzulande jetzt einen großen Sprung, weil wir sehen, dass sich das Geschäft seit dem Markteintritt vor zweieinhalb Jahren nachhaltig entwickelt.“ Die neuen Städte (Dortmund, Essen, Hannover, Nürnberg, Leipzig, Dresden, Stuttgart, Mainz und Bonn) „habe man vorsichtig ausgewählt“.
Vierzehn Monate später kommt die Kehrtwende: Zum 15. September zieht sich Deliveroo aus den genannten Städten wieder zurück. Und macht Düsseldorf gleich mit dicht.
Vom Unternehmen heißt es dazu, man wolle sich auf Städte konzentrieren, „in denen wir schnell expandieren“. Das bedeutet: Berlin, München, Köln, Hamburg und Frankfurt. Offiziell sollen von der Schließung in den genannten Städten ohnehin nur 136 Fahrer betroffen sein (hat sich Gründerszene.de diesmal sagen lassen), also – kurz nachgerechnet: 13 pro Stadt? Klingt nicht danach, als habe man in den vergangenen Monaten „schnell hochskaliert“, wie Chrobog das ursprünglich angekündigt hatte.
Klingt aber auch so, als sei man sich in der Londoner Zentrale dessen bewusst geworden, dass man nicht die Expansion als international agierende Gastronomie-Marke vorantreiben kann, die eigene Lieferküchen baut und auf die eigenständige Zubereitung von Speisen schielt – und gleichzeitig noch genügend Spielraum dafür haben, sich in deutschen Mittelstädten festzusetzen. (Deliveroo ist ja nicht Amazon; auch wenn die Ambition manchmal durchscheint.)
Man „hoffe“ zwar, „in naher Zukunft“ in die Städte zurückzukehren, denen man jetzt den Rücken kehrt, heißt es im Statement weiter. Aber die Hoffnung stirbt im Delivery-Markt bekanntlich zuerst.
Ohnehin gibt es für Deliveroo in Deutschland genügend anderes zu tun: Zum Beispiel die reibungslose Integration mutmaßliche tausender neuer Restaurants in die eigene Plattform, die das kürzlich vorgestellte Erweiterungsprogramm Marketplace+ vorsieht. Seit Juli dürfen erstmals Partner auf die Plattform, die ihren eigenen Lieferservice betreiben. Damit wird Deliveroo der Konkurrenz ein bisschen ähnlicher.
Im Ausland ist Marketplace+ bereits seit Juli aktiv (siehe holyeats #10), Anfang August ist als Spätzünder auch Deutschland dazu gekommen.
Die Frage, wie sich die Auswahl für Kunden dadurch bis zum Jahresende vergrößert, mag die aktuell zuständige Presseagentur (die dritte, seitdem ich mich mit dem Thema beschäftige – wenn ich richtig mitgezählt habe) aber nicht erklären: Offiziell ist der Start in Deutschland nämlich noch nicht: „Deliveroo nimmt, wie bei einem Launch üblich, Tests und Soft Launches vor, damit beim offiziellen Start alles reibungslos funktioniert.“
Seien Sie also bitte vorsichtig, wenn Ihnen die App auf Ihrem Smartphone das neue Restaurant zeigt, das „seine eigene Lieferung ausführt“: „Das bedeutet, dass du deine Bestellung nicht verfolgen kannst und keine Live-Update erhältst.“ (Vor allem bedeutet das aber: keine zusätzlichen Lieferkosten, die zum Essen hinzukommen.) Nicht, dass sich Ihr Bestelllunch im Nachhinein als soft gelaunchter Test herausstellt.
Ach so: Dass das Motorradfahrer-Symbol, das Deliveroo nun zur Kennzeichnung der Fremdlieferung einsetzt, ein bisschen so aussieht als sei es vorher durchs Signal-Magenta der Konkurrenz gefahren, ist sicher bloß Provok… – äh: Zufall.
Wie „super happy“ ist Delivery Hero eigentlich mit Pizza.de?
„Super happy“ war Delivery-Hero-CEO Niklas Östberg, als er kürzlich die Halbjahreszahlen bekannt gab, berichtet das „Handelsblatt“ – und lässt keinen Zweifel daran, dass Östberg diese Empfindung exklusiv für sich hatte. Nicht nur während der Telefonkonferenz mit Journalisten, sondern auch später, beim Sinkflug der Aktie an der Börse.
Der hängt auch damit zusammen, dass das Berliner Lieferservice-Konglomerat noch in der „Findungsphase“ ist (wieder „Handelsblatt“). Man könnte aber auch sagen: Delivery Hero ist einfach anders planlos als die Konkurrenz. Nach der Schweiz und Indien verabschiedet sich das Unternehmen auch aus Frankreich, den Niederlanden und Brasilien. Auf Östbergisch heißt das: „Wir finden einen Weg zu gewinnen – oder wir verlassen das Land.“ Na, dann mal ran an den Heimatmarkt – in dem sich der Wettbewerber Takeaway.com mit jedem neuen Tag ein bisschen wohler zu fühlen scheint (siehe holyEATS #12).
Kurzer Sprung in die USA: Das Chicagoer Lieferservice-Konglomerat Grubhub hat gerade bekannt gegeben, den im vergangenen Jahr der Bewertungsplattform Yelp abgekauften Lieferdienst Eat24 dicht zu machen. Hat sich herausgestellt: Eigentlich braucht Grubhub die Marke gar nicht. (Erst recht nicht, weil man mit Seamless in New York City bereits über einen etablierten Zweitlieferdienst verfügt.)
Grubhub-CEO Matt Maloney erklärt, dass „die Beibehaltung einer dritten Marke nicht die zusätzlichen Kosten dafür rechtfertigt“. Skift Table weiß, dass die Kunden in einer Befragung kaum Unterschiede zwischen den beiden Diensten nennen konnten. Deshalb: kurzer Prozess. Eat24-Mitarbeiter arbeiten einfach für Grubhub weiter.
Zurück nach Deutschland, wo Delivery-Hero-Chef Östberg bis Ende des Jahres zusätzliche 80 Millionen Euro ausgeben will, unter anderem fürs Marketing. (Das Ziel, bis zum Jahresende profitabel zu arbeiten, ist verschoben.) In Berlin scheint die Kohle schon seit einer Weile im Einsatz zu sein: Dort grüßte zuletzt ein schnauzbärtiger Herrn im Superheldenkostüm omnipräsent von Plakaten hernieder und versprach, sich als „Lieferheld“ gegen ihren Hunger einzusetzen. Und derzeit locken großformatige Burger von Postern an Tram-Haltestellen: „Dein McDonald’s für Zuhause“, gebracht von: lieferheld.de.
Um den von Delivery Hero vor vier Jahren übernommenen ehemaligen Konkurrenten Pizza.de ist es in der Öffentlichkeit derweil erstaunlich ruhig geworden. Wäre natürlich blöd, wenn man so eine Marke bloß aus Angst davor mitschleifen muss, dass sich die Stammkundschaft aus alten Tagen sonst überlegen könnte, zur Konkurrenz zu wechseln. Jede Wette: „super happy“ wird man in Berlin auf Dauer mit dieser Konstruktion eher nicht.
Swing Kitchen feiert Berlin-Premiere an der Friedrichstraße
„Österreichisch, vegan, plastikfrei“ – so beschreibt sich das aus Wien stammende Systemgastrokonzept Swing Kitchen auf seiner Website selbst. Jetzt expandiert die Minikette, die vegane Burger zu (in der Heimat) sehr vernünftigen Preisen anbietet, wie angekündigt nach Berlin. Im Oktober eröffnen im Bezirk Mitte gleich zwei Läden auf einen Schlag.
Der eine grüßt in der Georgenstraße unterm S-Bahn-Bogen in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Friedrichstraße und der HU Berlin bereits: „Servus, Nachbar! Wir sind die Neuen“ und: „Kein Schmarrn! Veganes aus Wien“. Der andere kommt in die Rosenthaler Straße in Laufweite des Hackeschen Markts und mit Tram-Anschluss nach Prenzlauer Berg. Dort sind die Gründer Irene und Charly Schillinger mit ihrem Konzept in bester Gastroexperimentier-Gesellschaft.
In jedem Fall dürfte es eine bunte Mischung aus Burger-begeisterten Hipstern, Touristen, Pendlern und Studenten werden, die sich bald Sojapatty mit Charly’s BBQ-Sauce, Gewürzgurke und Röstzwiebeln (= „Swing Burger“) servieren lassen. Ob’s analog zum „Vienna Burger“ mit Veganschnitzel auch einen eigenen „Berlin Burger“ mit Vegancurrywurst gibt: mehr dazu im Herbst.
Nachschlag (Brot-Spezial)
- Die amerikanische Pret-Schwester Panera hat die „Double Bread Bowl“ erfunden: ein mit Suppe (oder Makkaroni mit Käse) gefülltes Brot. Für den etwas größeren Hunger. (Philly.com)
- Im Zuge seiner „Fresh Now“ getauften Selbstoptimierung installiert Subway „signature flavor stations“ in seinen Restaurants – oder wie wir einfachen Gemüter sagen: Ablagen für Salz- und Pfeffer-Streuer. (QSR Magazine)
- Starbucks hat seine Brotsnacks so gebaut, dass sie beim Erhitzen den Läden nicht so eindringlich duften, weil das sonst der Kaffeeatmosphäre Konkurrenz macht. (Quartz)
Danke an Lukas!
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