holyEATS #40: Takeaway.com verliebt sich in Just Eat, Deutsche ordern mehr Lieferessen, Deliveroo probiert sich als Großhändler

holyEATS #40: Takeaway.com verliebt sich in Just Eat, Deutsche ordern mehr Lieferessen, Deliveroo probiert sich als Großhändler

Foto: Just Eat
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Aber Just Eat Takeaway.com klingt irgendwie unangenehm nach Befehl.

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Fusion von Takeaway.com und Just Eat: Hauptsache groß

Der letzte große Deal ist noch nicht richtig verdaut, da hat Takeaway.com schon wieder Appetit auf das nächste Abenteuer. Gerade kündigten die Niederländer an, mit Just Eat aus Großbritannien fusionieren zu wollen. Die neue Gruppe soll ihren Sitz in Amsterdam haben, einer der größten Delivery-Spezialisten der Welt sein und Just Eat Takeaway.com heißen (was irgendwie unangenehm nach Befehl klingt) – vorausgesetzt, die Aktionäre stimmen zu. In rasender Geschwindigkeit konzentriert sich das europäische Liefergeschäft damit auf einige wenige Anbieter.

Just Eat ist seit der Übernahme des Wettbewerbers Hungry House (von Delivery Hero) Ende 2016 nicht nur die Nummer 1 im britischen Markt, sondern u.a. auch in Frankreich, Spanien, Dänemark und Norwegen aktiv. Dabei gibt es kaum Überschneidungen zu den Märkten, in denen sich Takeaway.com die Marktführerschaft gesichert hat (u.a. Niederlande, Deutschland, Polen, Belgien, Österreich). Just Eat Takeaway.com wäre daher unangefochtener europäischer Marktführer (mit 7,3 Milliarden Euro Jahresumsatz, 360 Millionen Bestellungen in 2018) – allerdings auch ein Stück weit aus der Not heraus geboren. In der Heimat geriet Just Eat zuletzt deutlich unter Druck. Deliveroo breitet sich zunehmend in die Stammgebiete des Rivalen aus (siehe holyEATS #39). Auch Uber Eats will sich in Großbritannien nicht kampflos geschlagen geben und bemüht sich, wie Bloomberg berichtet, gerade massiv um neue Partner zur Auslastung seiner Lieferlogistik.

Interessant wird die Fusion vor allem in strategischer Hinsicht. Sowohl Just Eat als auch Takeaway.com sind ursprünglich als reine Plattformen gestartet, die über die Vermittlung digitaler Bestellungen an Restaurants mit eigenen Lieferservices verdienten. Notgedrungen haben beide Unternehmen in den vergangenen Jahren aber auch eigene Logistikstrukturen aufgebaut. Die sind notwendig, um mehr Kunden zu erreichen. Einerseits über wichtige Partnerschaften mit großen Franchise-Ketten wie McDonald’s; andererseits, um (höherwertige) Essen aus Restaurants anzubieten, die sich keinen eigenen Lieferdienst leisten wollen. (Genau das also, womit Deliveroo und Uber Eats groß geworden sind.)

Zumindest bei Takeaway.com wird die eigene Logistik bislang in erster Linie als (finanzielle) Belastung begriffen. In ihrem Jahresbericht für 2018 erklären die Niederländer unmissverständlich: „Takeaway.com’s core business Model relies on participating restaurants delivering food themselves.“ Der unverrückbare Glaube an den Erfolg dieses Modells – und nicht etwa eine ausdifferenzierte Strategie zur Weiterentwicklung der Strukturen für den europäischen Markt – scheint auch Grundlage für die Expansion zu sein. Anders formuliert: Takeaway.com ist bislang eine einzige große Wette darauf, die Konkurrenz so lange aussitzen zu können, bis deren Investoren die Lust darauf vergeht, weitere Millionen in teure non-virtuelle Abenteuer zu stecken – während man selbst nur das Nötigste unternimmt. Sollte Just Eat in Großbritannien die gleiche Hoffnung gehabt haben, war die Ankündigung des Deliveroo-Deals mit Amazon, das tendenziell für seinen langen Atem bekannt ist, die schlechtmöglichste Nachricht. Und dürfte die Fusion mit Takeaway.com tendenziell beschleunigt haben.

Eine Erfolgsgarantie ist es aber nicht, einfach doppelt so fest wie bisher an etwas zu glauben, das nur vage mit einer nachvollziehbaren Strategie unterlegt ist. Aber natürlich passt Just Eat Takeaway.com als Phänomen hervorragend zur allgemeinen Entwicklung der Branche. In der erstmal alles daran gesetzt wird, ganz, ganz groß zu werden – um dann darauf zu hoffen, dass sich das Geldverdienen schon irgendwie von alleine ergibt.


DELIVERY II

Wirkt Lieferessen „markterweiternd“ für die Gastronomie?

Während bereits ein Drittel aller Niederländer mindestens einmal im Jahr digital Lieferessen bestellt und Delivery für die Wachstumsprognosen der britischen Schnellgastronomie von zentraler Bedeutung ist, gibt es für Deutschland bislang nur wenige belastbare Vorhersagen. Dass aber auch hierzulande immer mehr (vor allem junge) Leute ihr Essen per Smartphone ordern, habe ich gerade für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ aufgeschrieben (Abo). Die Marktforscher der npdgroup Deutschland, die den Außer-Haus-Markt über ihr Konsumentenpanel CREST im Blick behalten, steuerten freundlicherweise ihren Ausblick auf die Entwicklung bei.

Etwa 5 Prozent der Ausgaben der Konsument:innen – rund 3,8 Milliarden Euro – entfallen im deutschen Außer-Haus-Markt bislang auf gelieferte Speisen und Getränke. Fast der Hälfte davon liegen digitale Bestellungen zugrunde, 80 Prozent davon wiederum über Lieferplattformen. (Gemessen wird ebenfalls in „Besuchen“.) „Wir prognostizieren für 2019 8 Prozent Besuchswachstum, für 2020 immer noch 5 Prozent“, sagt Regina Stahl, Senior Account Manager bei npdgroup Deutschland. Das liege deutlich über dem Schnitt der klassischen Schnellgastronomie (Quickservice), für die 2019 1,9 Prozent Besuchsplus in Aussicht stehen. Stahl: „Lieferdienste werden also rund vier mal schneller wachsen. Und damit auch den Markt vorantreiben.“

Einen überdurchschnittlich hohen Anteil daran haben vor allem 16- bis 34-jährige Kund:innen. „Sie stehen für die Hälfte der digitalen Bestellungen“, sagt Stahl. Das Verhältnis verschiebt sich noch mehr, wenn man in Bestellungen über Websites und Apps unterscheidet: „Bei App-Bestellungen hat diese Zielgruppe ein noch höheres Gewicht.“

Wer digital bestellt, gibt dabei in der Regel mehr aus als bei Bestellungen per Telefon (die „Averge Eater Checks“ liegen rund 12 Prozent höher). Mehr als die Hälfte der gelieferten Speisen und Getränke werden abends bestellt – mit leicht steigender Tendenz (von insgesamt 9,7 Prozent des Abendgeschäfts in 2016 auf 10,3 Prozent in 2018). Einen Kannibalisierungseffekt zur klassischen Gastronomie sieht Stahl dennoch nur „bedingt“: „Für nur rund jeden vierten Gast wäre eine andere Versorgungsmöglichkeit aus der Schnellgastronomie als Alternative zur Bestellung relevant gewesen.“ Das heißt: Das Delivery-Geschäft wirkt im besten Falle „markterweiternd“ – also: außer natürlich für Anbieter außerhalb der klassischen Gastronomie, die sich bislang darauf verlassen, dass Kund:innen sich bei ihnen fürs Abendessen zuhause versorgen (z.B. Supermärkte).


Deliveroo rückt in Richtung Gastro-Dienstleister, Uber testet Flatrate

Bevor’s in der nächsten Newsletter-Ausgabe darum geht, wie sich all das auf die stationäre Gastronomie auswirkt, wollen Sie sicher noch wissen, wo der Lieferzirkus sonst so hinrotiert. Kein Problem, ich mach’s kurz:

In den USA hat McDonald’s dem bisherigen Lieferpartner Uber Eats die Exklusivbeziehung aufgekündigt und arbeitet künftig auch mit dem Rivalen DoorDash zusammen; Ziel sind u.a. niedrigere Gebühren und weniger Abhängigkeit von einem Partner. (Das wird anderswo freilich schwieriger, wenn es dort quasi nur noch einen möglichen Partner gibt.)

In Großbritannien bietet sich Deliveroo den auf seiner Plattform gelisteten Restaurants nicht mehr nur als Vermittler und Lieferlogistiker an – sondern, wie Eater berichtet, auch als Großhändler, der benötigte (Frische-)Ware zu günstigeren Konditionen sammeleinkauft. Und dadurch nebenbei die Abhängigkeit, Pardon: Geschäftsbeziehung stärkt.

Uber testet in Chicago und San Francisco eine Flatrate für seine Dienste, inklusive Uber Eats – sozusagen eine Art Prime-Mitgliedschaft für Transportdienstleistungen und Essenbestellungen. 24,99 Dollar kostet der Spaß im Monat. Was es dafür alles gibt, rechnet The Verge vor.

Und dass die britische Supermarktkette Sainsbury’s in ihren Läden gebackene Pizza von Deliveroo ausliefern lässt, ist eigentlich nicht Neues – diesmal läuft die Kooperation, anders als vor zwei Jahren, bloß ohne zwischengeschalteten Gastro-Partner.


Nachschlag

  • Neuer Trend: Brauereien an Flughäfen eröffnen. Melbourne fängt schon mal an. (TimeOut)
  • Was fällt Coca Cola für seine im Vorjahr erworbene Coffeeshop-Kette Costa Neues ein? Erstmal bloß: Kaffeekaltgetränke im Supermarktregal. (coca-cola.co.uk)
  • Wohin bloß heute essen gehen? Zu Gordon Ramsay Steak, Gordon Ramsay Pub & Grill, Gordon Ramsay Fish & Chips, Gordon Ramsay Street Pizza oder Gordon Ramsay Bread Street Kitchen? (Eater)

Produkt der Woche: Hyper-personalisiertes Nährwert-Sushi aus dem 3D-Drucker – von Sushi Singularity in Tokio.

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