holyEATS #49: Was passiert nach dem Verkauf mit Hans im Glück – und kann diese „Falafel Bowl“ Vapiano retten?

holyEATS #49: Was passiert nach dem Verkauf mit Hans im Glück – und kann diese „Falafel Bowl“ Vapiano retten?

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Kurze Antwort: nein. Für die lange Antwort: weiterlesen.

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Neue Vapiano-Karte: nix mit „Fokus auf italienische Wurzeln“

Auf unserer neuen Karte gibt es keine Regeln. Und wenn es doch welche gibt, dann nur deine.“ Häh, was denn nun? Sei’s drum: Fast ein Jahr (ein! Jahr!) nachdem die in die Krise hineinexpandierte Schnellnudelkette Vapiano ankündigte, sich „mittels einer Anpassung der Menükarte“ am eigenen Schopf aus der Pastafriteuse ziehen zu wollen, ist sie nun seit knapp zwei Wochen da: „Unsere neue Speisekarte“. Unter Zwischen-Chef Cornelius Everke, der das Unternehmen im August des Vorjahrs verließ, war im Zuge der „strategischen Neuakzentuierung“ noch von einem „Fokus auf die italienischen Wurzeln“ des Konzepts die Rede gewesen (siehe holyEATS #27). Das klingt jetzt ein kleines bisschen anders: „Auch wenn unsere kulinarischen Wurzeln in Italien liegen, so sind wir doch auf der ganzen Welt zu Hause“, erklärt Vapiano seinen Gästen. Und holt auch „den Orient und Asien unter unseren Olivenbaum“. Auf der neuen Karte stehen jetzt nämlich außer Pasta und Pizza auch Bowls mit Falafel und Hummus, sogar an oberster Stelle. Zu der einst angekündigten „Orientierung auf die Vapiano Klassiker“ passt das zwar nicht; Pasta gibt es aber immer noch zur Genüge. (Und weil selbst davon „nichts in Stein“ gemeißelt ist, hält man sich in Köln vermutlich die Option offen, demnächst bei Bedarf auch noch Kebapspieße in die Kochtresen zu schrauben.)

Hauptziel der Menü-Anpassung ist ohnehin ein anderer: nämlich „die weitere Verkürzung der Kochzeiten unserer frisch zubereiteten Gerichte“, wie der im Vorjahr zum „Vice President Germany“ ernannte Vapiano-Erfolgsgastronom Joachim Rehkämper kürzlich im Gespräch mit „Food Service“ verriet. Nun spricht freilich nichts dagegen, die „Servicezeit für den Kunden spürbar [zu] verbessern“, alleine schon, damit die ganzen Journalist:innen sich neue Einstiege für ihre Restaurant-Krisenerlebnisreportagen ausdenken müssen. Die Frage ist bloß: zu welchem Preis?

Als ich in der vergangenen Woche in einem Hamburger Vapiano zur Mittagszeit die umfassend angepriesene „Falafel Bowl“ bei der Vapianistin meines Vertrauens orderte (am Salattresen? am Pastatresen? darf man sich das aussuchen?), stand meine Bestellung tatsächlich in Rekordzeit auf dem Tablett. Leider halt als eine der größten Unverschämtheiten, die man in der deutschen Fast-Casual-Systemgastronomie derzeit aufgetischt bekommen kann. Es braucht schon eine ausgeprägte kulinarische Genügsamkeit, sich für den Gegenwert von 11 Euro zwei halbierte Cocktailtomaten, ein bisschen geraspelte Karotte, eine daumennagelgroße Portion Mango, ein Löffelchen Granatapfelkerne, vorportionierte Zucchini-Spirelli aus dem Plastiksäckchen (Aufpreis!), einen Klecks Hummus und eine Portion blasser, ungebackener Falafel servieren zu lassen, die einem nachher eine zeitlang schwer im Magen liegen. Mag sein, dass diese Art Gericht bei der Investoren versprochenen „Reduzierung der Komplexität des Geschäftsmodells“ hilft – mittelfristig aber wahrscheinlich auch bei der Reduzierung der Gäste.

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Eines seiner Kernprobleme hat Vapiano auch mit der neuen Karte, die als trauriges Best-of systemgastronomischer Trends der vergangenen Jahre daherkommt, nicht gelöst: die ätzende Erfahrung, als Gast für sein bei minimalen Zusatzwünschen völlig überteuertes Lunch auch noch ewig anstehen zu sollen. Ob bzw. wie das kontinuierlich wechselnde Management in den vergangenen Monaten tatsächlich an der Modernisierung des Konzepts gearbeitet hat, lässt sich von außen betrachtet schwer nachvollziehen. Rehkämper sagt, derzeit laufe ein „Pilotprojekt“, bei dem „wir die Küchenlogistik in einem Restaurant so aufgestellt haben, dass unsere Gäste zentral an einem Punkt bestellen können und mit Hilfe eines Buzzers an ihrem Platz benachrichtigt werden, wenn ihr Gericht fertig ist“. Mensch, Joachim – das ist der Stand von vor zwei Jahren! Und diesen Januar soll das „neue“ System „auf ein weiteres Restaurant ausgeweitet“ werden. Damit sei man – WTF? – „auf dem richtigen Weg“. In die ewigen Jagdgründe der Systemgastronomie vielleicht.

Die misslungene Digitalisierung des Konzepts tut dazu ihr übriges: Im Restaurant hab ich wieder versucht, mich kartenlos mit dem QR-Code aus der Vapiano-App einzuchecken und dafür wieder ewig mit dem falsch herum zu haltenden Smartphone über dem Kassen-Terminal herumruckeln müssen. Tischbestellung war im Restaurant nur für Kaffee und Dolci von der Bar möglich, nicht aber – wie aus Berlin gewohnt – fürs reguläre Essen. Also: doch wieder anstellen, den QR-Code nochmal über den Scanner an der Kochstation ruckeln, bis das Essen gebucht ist, das dann aber nicht in der App-Übersicht auftaucht und bezahlt werden kann, sondern (nach einem dritten Scan-Vorgang) in der regulären Schlange beim leicht verzweifelt wirkenden Mitarbeiter am Check-out-Tresen beglichen wird, der natürlich seinen ersten Arbeitstag hat. Man muss sich schon sehr große Mühe geben, ein neu entwickeltes Bestell- und Bezahlsystem derartig zu vermurksen, dass es Nutzer:innen keine Zeit einspart, sondern zusätzlich welche kostet.

Wenn Vapiano wirklich mittelfristig gegen die zunehmend besser werdende Konkurrenz im Markt bestehen will, bräuchte es einen radikalen Wandel: Stammmenü verkleinern und mit wenigen, klar italienisch inspirierten Gerichten saisonal abwechseln; Schluss mit dem elenden Anstehen fürs Front Cooking; jetzt konsequent auf Pick-up und/oder Bedienung umstellen – vor allem aber: die verkorkste Digitalisierung von Grund auf neu denken. Gut, oder man hofft halt darauf, dass die Gäste demnächst alleine deshalb wiederkommen, weil ihnen ihr Lunch künftig etwas schneller als bisher aufs Tablett gehuddelt wird. Dauert dann vielleicht nicht mehr lange, bis in deutschen Innenstädten ein paar attraktive Gastronomieflächen frei werden.


KETTEN II

Das Märchen vom erfolgreichen Burgergrill

Wenn wir gerade schon bei den Hoffnungsträgern der Branche sind: Thomas Hirschberger hat seine Burgerkette Hans im Glück – wie kurz zuvor von der Wirtschaftspresse prognostiziert – an die BackWerk-Gründer Hans-Christian Limmer und Dirk Schneider verkauft. Und der „Spiegel“ wollte nachvollziehbarerweise wissen: „Was ist da los bei Deutschlands größter Kette im Markt der sogenannten ‚Betterburger‘?“ Bei der anschließenden Recherche hat Autorin Carolin Wahnbaeck allerdings mehr Fragen als Antworten gesammelt. Finanzielle Engpässe gebe es nicht, ließ sich Deutschlands größter Fachtitel für sogenannte Investigativrecherche vom Unternehmen versichern; die „Signature“-Burger der Konkurrenz sind, anders als der im Text zitierte – und im eigenen Medium überschwänglich positiv über den Verkauf berichtende – Brachenbeobachter glaubt, wohl auch eher nicht schuld (in anderen Ländern hat McDonald’s seine Edel-Burger wegen fehlender Nachfrage wieder abgeschafft; siehe holyEATS #47); Business-Experten glauben an „Prozessprobleme“ und „hohe Kosten“. Oder um die Angelegenheit mit den Worten des „Spiegel“ zusammenzufassen: „Aber so ganz klar ist das nicht.“

Foto: holyEATS

Die Kette selbst betont, weiter zu wachsen. Es scheint nur niemand zu wissen: wohin. „Grob gesagt, richten wir uns an diejenigen, die leckeres Essen genießen wollen und auch offen für neue Trends und Ideen sind“, umriss der Hans-im-Glück-Marketingchef im vergangenen Jahr in einem Interview die Zielgruppe des Formats – was, ebenfalls grob gesagt, ziemlich planlos klingt. Nüchtern betrachtet muss man sich die Frage stellen, ob die Zielgruppe derjenigen Gäste, die sich zwischen Birkenstämmen übersüße Cocktails zu eher durchschnittlich schmeckenden Burgern servieren lassen wollen, nicht langsam ausgereizt ist – vor allem, weil Hans im Glück mit seinem trutschigen Märchen-Konzept zehn Jahre nach der Ersteröffnung zunehmend aus der Zeit gefallen wirkt. (Daran ändern auch ein Insektenburger und ein bisschen mehr Vegetarisches auf der Karte nichts.)

Die stark begrenzten Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Marke passen kaum zur expansiven Selbstüberschätzung, die schon so manchem Wettbewerber im In- und Ausland zum Verhängnis geworden ist. (Im Fachjargon heißt das glaube ich: Vapiano-Syndrom.) Irgendwann sieht man halt den sich stetig wandelnden Markt vor lauter Birken nicht mehr. Vielleicht erfährt die Branche aber auch gerade, dass die in den vergangenen zehn Jahren entwickelten Gastrokonzepte nicht automatisch genauso zeitlos sind wie ihre in den Jahrzehnten zuvor etablierten Quickservice-Konkurrenten, sondern eher von begrenzter Haltbarkeit. Um so neugieriger darf man darauf sein, was die jetzigen Hans-im-Glück-Eigentümer mit ihrem Neuerwerb vorhaben (mit dem „Spiegel“ wollten sie schon mal nicht darüber sprechen). Offiziell heißt es, das Franchisesystem solle gestärkt und ausgebaut werden.

Derweil darf das von Limmer und Schneider (ungefähr zur selben Zeit wie Hans im Glück) gegründete BackWerk heute unbesehen als Erfolgsgeschichte gewertet werden. Wobei die ebenso riskante wie notwendige Weiterentwicklung vom Discount-Bäcker zum Snack-Gastronomen (der gerade einen Burger in sein Angebot aufgenommen hat; siehe holyEATS #47) erst erfolgte, als die Gründer das Unternehmen bereits verkauft hatten. So gesehen geht es ja vielleicht doch noch gut aus, das Märchen vom erfolgreichen Burgergrill.


Nachschlag

Kleine Inspiration für deutsche Coffeeshop-Ketten: Seit kurzem verlangt Pret in Großbritannien von Kund:innen keinen Aufpreis mehr für die Milchalternativen Kokosnuss-Reis und Hafer. Soja gab’s auch bisher schon kostenfrei in den Becher. Sagt noch jemand den Kolleg:innen am Berliner Hauptbahnhof Bescheid?

Das wird sicher ein Riesenerfolg: Starbucks will Einwegbecher sparen, indem die Kette Kund:innen 5 Cent zusätzlich dafür In Rechnung stellt. (Nein, da fehlt keine Null.)

Nach dem Deliveroo-Rückzieher aus Deutschland haben Berliner Kurierfahrer:innen testweise ihr eigenes Lieferkollektiv Kolyma2 gegründet und Essen für Berliner Restaurants ausgefahren. Gute Idee, aber auch ziemlich mühsam. Im November war deshalb schon wieder Schluss. Jetzt soll’s einen Neustart mit verändertem Konzept geben: Lunch-Vorbestellungen für Büros. Dafür schlüpfen die Organisatoren zunächst bei Smart, der Genossenschaft für Selbständige, unter; weitere Partner sind Hostsharing und Coopcycle. Bestell-Interesse? Das Lieferkollektiv ist hier über diverse Online-Kanäle zu erreichen.

Und nach New Jersey und San Francisco verbietet in diesem Sommer auch New York Gastronomen, ausschließlich bargeldlose Zahlungen zu akzeptieren. Die komplizierten Regelungen (und Ausnahmen) kennt Eater.

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