Trotz Inflation sind Bio-Produkte bei vielen Konsument:innen weiterhin gefragt – aber nicht alle Handelsunternehmen profitieren von dieser Nachfrage in gleichem Maße. Der Bio-Fachhandel versucht, seine Kundschaft mit eher moderaten Preissteigerungen zu halten. Für Bio-Lieferdienste dürfte die Situation angesichts der finanziellen Zurückhaltung vieler Kund:innen noch etwas kritischer sein.
Diese Komplikationen kommen für das Bio-Liefer-Start-up Frischepost zur Unzeit.
Im Mai war bekannt geworden, dass das Hamburger Unternehmen vom Berliner Investor Footprint Club übernommen worden ist, der bereits den ähnlichen Dienst Alles vom Land betreibt (siehe Supermarktblog). Welche Auswirkungen das auf die Zukunftspläne haben wird, ist bislang nicht genauer kommuniziert worden. Zuletzt hatte Frischepost seine bereits angekündigte Expansion in weitere Städte wieder einkassiert.
Auch in den bisherigen Liefergebieten läuft es für den Bio-Herausforderer, der außerhalb Hamburgs (bisher) mit Franchise-Partner:innen zusammenarbeitet, alles andere als gut.
Liquidation und vorläufige Insolvenz
Nachdem Frischepost München im Frühjahr angekündigt hatte, sich vom Markt wieder zurück zu ziehen und die Einstellung des Diensts vorübergehend absurderweise mit einem Lieferservice für Trockenprodukte per DHL überbrücken wollte, ist die Gesellschaft laut Bundesanzeiger seit dem 24. Mai endgültig liquidiert.
Die bisherige Website leitet auf eine Mitteilung der Unternehmensmutter im Norden um, in der es heißt:
Moin aus Hamburg. Und München Ade. Schweren Herzens mussten wir unseren Service in München vorerst einstellen. Wir arbeiten daran, euch auch in Zukunft wieder die besten regionalen Lebensmittel Münchens ausliefern zu können.“
Wie und mit welchen Partnerinnen das gelingen soll, ist unklar.
Frischepost Berlin, das erst vor wenigen Wochen innerhalb der Stadt an einen neuen Lagerstandort umgezogen war, befand sich derweil laut Handelsregister seit Mitte Mai in einem vorläufigen Insolvenzverfahren. Gegenüber Kund:innen hieß es zuletzt:
„Unser Geschäftsbetrieb läuft aber vollumfänglich weiter und wir freuen uns, dich weiter mit unseren nachhaltigen Produkten beliefern zu können. Derzeit arbeiten wir intensiv an einer Sanierungslösung.“
„Haben unser Bestes gegeben“
Gleichwohl konnten Guthaben, die vor dem Termin der Anmeldung z.B. als Gutschein erworben oder als Pfandrückzahlung gutgeschrieben wurden, aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht verwendet werden. Der Anspruch bleibe aber bestehen, hieß es, und man arbeite „unter Hochdruck an einer Lösung“ bzw. bitte „um etwas Geduld“. (Als Ausgleich werden Kund:innen mit einem „Treue-Sonderrabatt in Höhe von 25% des betroffenen Guthabens für deine neuen Einkäufe bei uns“ vertröstet.)
Diese Lösung scheint es nun aber nicht mehr zu geben. Auf seiner Website meldet Frischepost Berlin, bereits zum Ende dieser Woche zu schließen:
„Knapp 2 Jahre haben wir unser Bestes gegeben, um den Berliner Lebensmittelmarkt zu revolutionieren. (…) In den letzten Monaten hatten wir allerdings auch ganz schön zu kämpfen. Aufgrund der aktuellen Markt- und Wettbewerbsentwicklungen hatten wir es als kleines, lokales Startup schwer. So schwer, dass wir uns nun leider dazu entscheiden mussten, dass es für Frischepost Berlin nicht weitergehen kann.“
Neues Liefermodell für Hamburg
Frischepost Hamburg hat derweil seine Logistik neu aufgestellt, um „nachhaltig und ressourcenschonend auszuliefern“. Bislang erfolgte die Auslieferung vorrangig bereits mit kleinen E-Transportern. Auf der Website heißt es zu den Neuerungen:
„Wir verdichten (…) unsere Auslieferungen in einzelnen Stadtgebieten, um Umwege zu vermeiden und Lastenräder einsetzen zu können.“
Das ist einerseits natürlich nachvollziehbar und prima – faktisch kommt das neue Modell aber einer Abschaffung konkreter Lieferzeitfenster gleich, in denen die Zustellung bislang erfolgte. Stattdessen können Kund:innen nur noch den Tag auswählen, an dem sie ihre Lieferung bekommen wollen und sollen einen Ort angeben, an dem der Einkauf abgestellt werden soll. Als Beleg schickt die Fahrerin bzw. der Fahrer ein Foto, bei Problemen soll telefoniert werden.
Möglich ist das, weil temperatursensible Produkte auch jetzt schon passiv gekühlt werden, d.h.: in Kühltaschen verpackt sind.
Bedauerliche Service-Verschlechterung
Anders als bisher lassen sich ohne konkrete Lieferzeitangabe aber weder die Kühltaschen noch die Box(en), die beide bepfandet sind, den Kurier:innen gleich wieder mitgeben, um sie nicht zuhause rumstehen zu haben (und das Pfand direkt gutgeschrieben zu kriegen). Die gerade erst eingeführte und beworbene Möglichkeit, den Einkauf auf Wunsch in Papiertüten ohne Pfandbox zu erhalten, wird damit ebenfalls schwieriger, weil sich Kund:innen in Mehrfamilienhäusern fragen werden, ob sie ihre Bestelleinkäufe offen im Treppenhaus rumstehen lassen wollen.
Als Service-Verbesserung lässt sich diese als Nachhaltigkeitsinitiative verkaufte vermutliche Sparmaßnahme nur sehr mühsam verkleiden – und die Hürde für Neukund:innen, den Dienst auszuprobieren, dürfte damit auch nicht kleiner werden.
Was vor allem schade ist für Frischepost, das 2015 durchaus vielversprechend gestartet war, um der schnarchigen Bio-Handelsbranche eine zeitgemäße Einkaufsalternative entgegen zu setzen.
Theoretisch wäre eine Rückkehr in die zuletzt geschlossenen Städte ohne Franchise-Modell möglich. Eine Supermarktblog-Anfrage dazu, ob es bei Frischepost entsprechende Pläne gibt, läuft. Auf Anfrage erklärt eine Frischepost-Sprecherin:
„Leider können wir Ihnen derzeit keine Antworten auf Ihre Fragen zukommen lassen, weil Frischepost sich weiterhin in der Restrukturierungsphase befindet.“
Mit Farmdrop in Großbritannien war im vergangenen Jahr ein Frischepost sehr ähnliches Modell gescheitert, das lokale Erzeuger mit Kund:innen in der Stadt zusammenbringen wollte. Das Umsatzwachstum habe sich nicht in einen profitablen Geschäftsbetrieb übersetzen lassen, hieß es seitens der Gründer.
Der Text wurde nachträglich durch das Nicht-Statement von Frischepost ergänzt.