Aldi gegen Picnic: Wer ist der bessere Liefer-Discounter?

Aldi gegen Picnic: Wer ist der bessere Liefer-Discounter?

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Mit festen Routen und vorgegebenen Lieferzeiten will Picnic die Lieferung online bestellter Lebensmittel profitabel machen und expandiert seit kurzem auch außerhalb des bisherigen Stammgebiets NRW. Aldi macht’s nach. Dabei gibt es für das Modell auch einige Herausforderungen zu bewältigen.

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Seit dieser Woche hat der niederländisch-deutsche Liefersupermarkt Picnic das von ihm erfundene „Milchmannprinzip“ hierzulande nicht mehr exklusiv für sich. Mit seinem neuen Lebensmittel-Lieferdienst „Mein Aldi“, der bis Mitte September testweise für die ersten Kund:innen in Nordrhein-Westfalen freigeschaltet wird, orientiert sich Aldi Süd stark an dem Modell, das Picnic erfolgreich vorgemacht hat.

Online-Einkäufe werden von Aldi in festen Zeitfenstern mit kleinen Elektro-Fahrzeugen auf vorgegebenen Routen zugestellt. Die auswählabren 60-Minuten-Zeitfesnter sollen am Liefertag auf 20 Minuten genau eingegrenzt werden. (Im Gegensatz zu Picnic werden aber ggf. Lieferkosten berechnet.)

Oder, anders gesagt: In Mülheim an der Ruhr, Teilen von Duisburg und Oberhausen fahren jetzt mehrere Milchmänner durch die Stadt.

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Picnic hat derweil die Kurve raus aus seinem langjährigen Stammgebiet NRW gekriegt und beliefert nun auch Kund:innen in anderen Bundesländern. Vor wenigen Wochen sind erste Randgebiete um Berlin hinzugekommen; Mitte August wurde ein neues Fulfillment-Center in Vierheim (Region Rhein-Neckar) eingeweiht, aus dem aktuell Teile von Darmstadt, Mainz und Wiesbaden sowie künftig bis zu 10 Städte bzw. Regionen beliefert werden sollen. Zudem habe Hamburg in diesem Jahr den „international besten Start“ einer neuen Picnic-Lieferregion hingelegt, hat die Fachpresse in Erfahrung gebracht.

City-Hubs, dringend gesucht

Gleichzeitig wird sichtbar, worin potenzielle Schwierigkeiten einer (zügigen) Expansion für Lieferanbieter liegen, die mit dem Picnic-Modell arbeiten. Bei diesem werden Einkäufe in großen Lagerzentren fertig kommissioniert, per LKW an stadtnahe Verteilzentren gebracht und dort auf kleine Elektroflitzer umgeladen, die dann zu den Kund:innen nachhause fahren. Für diese Funktion geeignete „City Hubs“ sind aber offensichtlich nicht überall so leicht zu finden.

In den allermeisten Fällen mietet Picnic dafür Plätze in Industriegebieten am Stadtrand an, wo die Minitransporter bis zu ihrem nächsten Einsatz geparkt bleiben. (1.400 dieser Fahrzeuge sind in Deutschland bereits unterwegs; 1.300 weitere sollen laut „LZ“ durch die neuen Standorte hinzu kommen.)

In Berlin-Spandau werden „Runner“ (wie Picnic seine Lieferfahrer:innen nennt) zum Arbeitseinsatz etwa an die Adresse einer DHL-Zustellbasis bestellt, in der es offensichtlich freie Ladekapazitäten gibt. Das ist natürlich prima, um sich dort vorführen zu lassen, wie die Logistik eines funktionierenden Lebensmittel-Lieferdiensts ablaufen kann.

Nachbar DHL: Picnic-Umladestation in Berlin-Spandau.

(DHL hat sich aus dem Geschäft praktischerweise ja schon vor längerem verabschiedet, es droht also keine Konkurrenz.)

Unterschlupf im Postbahnhof

In Darmstadt wiederum, wo Picnic gerade aufgeschlagen ist, kommen die E-Fahrzeuge deutlich stadtnaher unter: im alten Postbahnhof (direkt neben dem Hauptbahnhof), an dessen Seite die entsprechende Ladeinfrastruktur installiert worden ist.

Laut Besitzer hat Picnic dort (für mindestens achteinhalb Jahre) rund 1.800 Quadratmeter angemietet, auf denen auch die Umladung der fertig kommissionierten Einkäufe in die E-Flitzer erfolgt.

Das zeigt ganz schön, dass das Picnic-Modell zwar für die Kund:innen einfach ist – aber in der Standortlogistik durchaus einige Herausforderungen zu bewältigen hat, weil für die Expansion ständig neue City Hubs benötigt werden. (Anders als z.B. beim Modell des norwegischen Anbieters Oda, der Einkäufe aus einem riesigen Zentrallager mit größeren Zustellfahrzeugen auch in weiter entfernte Destinationen bringen wollte.)

Gleichzeitig ermöglicht die dezentrale Struktur aber, die Lebensmittel-Zustellung auch an Standorten zu testen, an denen sonst eher keine Zentrallager gebaut würden. Von Berlin aus will Picnic z.B. wohl auch Frankfurt (Oder) erschließen. (Zumindest werden dort fürs Gewerbegebiet Frankfurter Tor Nordost gerade Runner gesucht.)

Wie funktioniert Discount online?

Die Kund:innen bekommen von alldem erstmal wenig mit. Entscheidend ist für sie in erster Linie, ob der angebotene Service ihren Einkaufsbedürfnissen entgegenkommt – und wem es im Fall Aldi gegen Picnic besser gelingt, das Discount-Prinzip in den Lebensmittel-Onlinehandel zu übersetzen.

Während Florian Kolf im „Handelsblatt“ die Chancen von Aldi tendenziell positiv sieht („kommt genau zur richtigen Zeit“), nimmt Jochen Krisch bei Exciting Commerce die gegenteilige Position ein („Lieferservice […], dem sichtlich das Geschäftsmodell fehlt“).

Picnic hat in diesem Wettbewerb einen entscheidenden Vorteil: Das Unternehmen verfügt bereits über langjährige Erfahrungen, wie die Kund:innen online Lebensmittel einkaufen und worauf sie Wert legen – also genau das, was sich Aldi nun erst mühsam erarbeiten muss. (Was der von dpa befragte E-Commerce-Experte von der Hochschule Niederrhein kurioserweise für „schlau“ hält – naja.)

Gleichzeitig können die Niederländer:innen und ihr Deutschland-Chef Frederic Knaudt weiterhin ihren Greatest Hit schmettern: die Kostenlos-Lieferung dank fest terminierter Lieferrouten.

Ab 50 Euro lieferkostenfrei

Aldi Süd versäumt es, mit diesem Versprechen gleichzuziehen: Wer sich von „Mein Aldi“ beliefern lassen will, zahlt 4,50 Euro Lieferkosten – zumindest, wenn für unter 50 Euro bestellt wird. Einkäufe mit einem über dieser Grenze liegenden Warenwert sind dann kostenfrei.

Und auch wenn sich Aldi das im direkten Vergleich mit Picnic als Nachteil auslegen lassen muss, hat der Herausforderer damit gerade den mit Abstand geringsten Wert für Lieferkostenfreiheit im deutschen Online-Lebensmittelhandel angesetzt.

Bringmeister liefert ab 100 Euro kostenfrei; Rewe ab 120 Euro (außer an regionalspezifischen Lieferkostenfrei-Tagen); Amazon Fresh ab 80 Euro, aber mit zusätzlich kostenpflichtigem Prime-Abo als Voraussetzung. Auch die bisherigen Spitzenreiter Flaschenpost und Flink, die ab 59 Euro Warenwert keine Liefergebühren mehr verlangen (Standort: Berlin), kann Aldi damit toppen. (Nur Gorillas/Getir liegen aktionsbedingt derzeit noch darunter; es ist aber unklar, wie lange das gilt.)

Ohnehin lässt sich die Kostenlos-Liefergrenze vor allem als Anreiz dafür verstehen, Kund:innen einen umfassenden Discount-Einkauf über Mein Aldi abwickeln zu lassen – 50 Euro dürften da ein durchaus realistischer Wert sein für Aldi-Stammkund:innen-Haushalte, in denen mehrere Personen wohnen.

Welche Sortimentsgröße darf’s denn sein?

Am deutlichsten unterscheiden sich Picnic und Mein Aldi mit ihren Sortimenten: Picnic will seinen Kund:innen per App rund 10.000 Artikel anbieten, 20 Prozent davon sollen laut Medienberichten Eigenmarken sein (vom Partner Edeka und zunehmend auch unter eigenem Namen).

Bei Mein Aldi sind derzeit insgesamt 3.000 Artikel verfügbar – Markenprodukte inklusive (genau genommen: 3.019, Stand: 31.8.). Das muss aber kein Nachteil sein, wenn sich Kund:innen, die bislang im Laden eingekauft haben, so entweder halten oder gar von der Discount-Konkurrenz abwerben lassen. (Wie stark Mein Aldi sein Bio-Sortiment im Hauptmenü hervorhebt, ist ein weiteres Indiz dafür, welche Zielgruppe man möglicherweise im Auge hat.)

Dafür erlaubt Aldi die Bestellung auch über einen klassischen Webshop; Picnic ermöglicht Einkäufe ausschließlich via App.

Mit Einschränkungen, wie es sie auch im klassischen Discount gibt, müssen Kund:innen trotzdem bei beiden Anbietern leben: Getränke können die Milchmann-Erben nämlich wegen des eingeschränkten Platzes in den E-Flitzern nicht in Mehrwegkisten liefern (siehe Supermarktblog), sondern nur in Sixpacks.

„Bonusbündel“ für Vorratskäufer:innen

Gleichwohl wird sich Aldi mit der Zeit vermutlich ein paar Moves von anderen Lieferdiensten abschauen müssen: Picnic etwa gibt seinen Kund:innen Rabatt auf Marken und Eigenmarken, wenn sie gleich mehrere Packungen davon auf Vorrat bestellen. Sogar eine eigene Marke haben sich die Niederländer:innen dafür eintragen lassen: „Bonusbündel“.

„Einfach im Bündel besser: So hast du deine Lieblingsprodukte direkt auf Vorrat – und kannst gleichzeitig sparen.“

Gleiches macht die frühere Edeka-Beteiligung Bringmeister schon seit längerem; und auch Rewe verspricht bei seinem Lieferdienst inzwischen unterschiedlich hohe Rabatte, insbesondere auf Eigenmarken, wenn Kund:innen auf Vorrat einkaufen.

Screenshots: Picnic / Smb

So richtig eingeruckelt hat sich das „Bonusbündel“ bei Picnic derweil noch nicht. Bei mehreren Produkten, die aktuell im Preis gesenkt wurden, ist die Änderung z.B. noch nicht für die Bündel nachvollzogen: Frische Weidemilch von Arla Bio kostet aktuell (am Standort Berlin) nicht mehr 1,99 Euro, sondern nur noch 1,49 Euro. Im Vierer-Bündel liegt der Preis aber weiter bei 1,85 Euro pro Einheit. Bei den Taschentüchern der Picnic-Eigenmarke ist es dasselbe: statt bisher 1,45 Euro kosten die jetzt nur noch 1,29 Euro – im Zweier-Bündel allerdings weiter 1,39 Euro.

Statt Bündel in den Einkaufswagen zu legen, empfiehlt es sich also für den Vorratskauf, die Mengenangabe des Einzelartikels zu erhöhen. (Und für Picnic, seine Sortimentsarbeit etwas sorgfältiger zu machen.)

Nur eins steht fest: Der Liefer-Discount breitet sich aus. Er hat sich nur noch nicht so recht entschieden, welche Gestalt genau er annehmen will.

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7 Kommentare
  • Mir ist noch nicht ganz klar, wie bei Picnic Autos und Personal bezahlt werden, wenn Edeka die Artikel nicht günstiger abgibt. Wenn die Penetrationsphase vorbei ist um Marktanteile zu gewinnen, muss wohl dann die Bill und Melinda Gates-Stiftung noch ein Ass im Ärmel haben.

    • Ladenmiete, Strom für Licht und Klimaanlage, Kassen, Putzkräfte, Secuirty, Regale einräumen, Bargeldabwicklung sind spontan Kostenblöcke, die entfallen können bei einer Lieferung. Müsste man mehr zu wissen, um abschätzen zu können, welchen Anteil am Endpreis das hat.
      Meine Schätzung, dass es weniger ist, als die Kosten der Lieferung. Bei einem Bestellwert von 50€ könnte schon etwas zusammenkommen.

    • >Mir ist noch nicht ganz klar, wie bei Picnic Autos und Personal bezahlt werden, wenn Edeka die Artikel nicht günstiger abgibt.

      Warum soll es grundsätzlich nicht möglich sein, bei Belieferung durch den Edeka-Großhandel kostendeckend arbeiten zu können? Selbständige Edeka-Händler schaffen das auch.

  • Aldi wirbt ja beim Lieferdienst IMMER zum Orginal Aldi Preis aus den Filialen

    wenn man das durchhält, wäre man ein starker Wettbewerber

    glaube, viele Leute werden abgehalten, weil sie die Befürchtung haben doch jetzt oder in ein paar Monaten einen versteckten Aufpreis zahlen zu müssen, gerade bei der derzeitigen Inflation

  • Ich finde Aldi-Süd gar nicht Transparent. Machen eine große Welle und liefern nicht. Geben auch keine Informationen wo genau schon geliefert wird und in welchen Ortsteilen es geplant ist.
    Sehr enttäuschend!

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