Bei ihrer Smart-Store-Evolution konzentriert sich die hessische Supermarktkette Tegut weiterhin auf Orte, die deutsche Handelsketten mit Supermarkt-Innovationen sonst tendenziell vernachlässigen. In diesem Fall: die mittelhessische Stadt Marburg. Dort soll der bereits angekündigte erste Drinnen-Teo („Indoor“) mit der neuen Grab-&-Go-Technologie öffnen, voraussichtlich noch in diesem Jahr.
Tegut setzt große Hoffnungen in sein Teo-Konzept, das weitgehend ohne Personal auskommt – entweder, weil die Kund:innen die dort eingekauften Artikel selbst scannen und bezahlen (Scan & Go); oder, indem Kameras und Sensoren automatisch erkennen, welche Artikel aus den Regalen genommen werden (Grab & Go).
Für die vollständig kassenlose Variante arbeitet Tegut mit dem Hamburger Technologie-Start-up Autonomo zusammen. Ein erster Markt ist seit Ende des vergangenen Jahres auf dem Gelände der TU Darmstadt zugänglich. Beim Supermarktblog-Testeinkauf im Frühjahr hatte die Technologie allerdings noch mit größeren Problemen zu kämpfen und berechnete mehrere Artikel entweder falsch oder gar nicht (siehe Supermarktblog).
Für den Betrieb der Grab-&-Go-Teos lässt Tegut laut eigenen Angaben zudem „IT-Dienstleister (…) aus Indien Zugriff nehmen“, möglicherweise um Reklamationen per vorübergehend gespeicherten Videoaufnahmen zu überprüfen (siehe Supermarktblog).
Irritationen der Sensorik
Die Tegut-Tochter Smart Retail Solutions, die damit beauftragt ist, Teo als Franchise-System für Partner salonfähig zu machen, sieht sich derweil auf einem guten Weg: „Vieles läuft exzellent (…), manche Schritte, insbesondere die komplexeren, sind etwas fordernder.“ So musste man an der „Regalplatzierung der einzelnen Waren etwas verändern – denn zu viel Ähnlichkeit beim Gewicht und bei der Optik kann zu Irritationen der Sensorik führen“.
Zuletzt wurde gegenüber Teo-Kund:innen außerdem kommuniziert, dass sie künftig auch ihre American-Express-Karte als Zahlart nutzen können.
Für den zweiten Grab-&-Go-Teo haben sich die Entwickler eine zentrale Lage in der Stadt ausgesucht: am Marburger Gerhard-Jahn-Platz, direkt neben dem dort gelegenen Cineplex. Tegut dürfte darauf spekulieren, dass sich dort nicht nur Innenstadtbummler:innen und Studierende der nahe gelegenen Universität, sondern auch die örtlichen Kinogänger:innen zügig mit Snacks versorgen wollen – ähnlich wie im Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach, wo Teo vor einem Dreivierteljahr den Standort wechselte (vom Außenstandort zur Indoor-Variante).
Weitere Indoor-Teos gibt es im Aschaffenburger Hauptbahnhof, im Mannheimer Hauptbahnhof und in einer Münchner Seniorenresidenz. Dort müssen Einkäufe vor dem Verlassen des Ladens bislang aber selbst gescannt werden.
Die Fußgängerzonen im Blick
Mit der Kompatibilität für Bestandsimmobilien will Tegut das Teo-Konzept fit für Innenstadtlagen und Fußgängerzonen machen, wo es sonst keine Genehmigung für externe Aufbauten gäbe. Gleichzeitig dürfte sich Teo an solchen Lagen eher rentieren, wenn Kund:innen Aufpreise gegenüber regulären Supermärkten zu akzeptieren bereit sind, um sich einen schnellen Snack zu sichern.
Dabei sollen die Indoor-Teos genauso modular gefertigt werden wie ihre holzverkleideten Geschwister; Smart-Retail-Solutons-Chef Sören Gatzweiler hatte angekündigt, auch die begehbaren Kühlbereiche – Walk-in-Kühler – künftig als fertiges Möbelstück produzieren zu wollen, um sie Indoor einfacher auf- und abbaubar zu machen. (Ob das für Marburg schon zum Einsatz kommt, ist bislang nicht kommuniziert.) Gleichzeitig wolle man „mit Gates für die Zutritts- und Austrittsregelung im Indoor-Format Erfahrungen sammeln“.
Laut „Oberhessischer Presse“ hat der Innenausbau für den neuen Marburger Teo bereits begonnen, Eröffnung sei „Ende des Jahres“.
Durch die in diesem Jahr zügig beschlossene Reform des Hessischen Ladenschlussgesetzes ist es der Handelskette seit dem Sommer möglich, die hessischen Teo-Märkte auch wieder sonntags öffnen zu lassen. (Das war durch ein Gerichtsurteil zuvor vorübergehend untersagt worden.)