Zwei Schritte vorwärts – und einer zurück. So lässt sich aktuell die Initiative der hessischen Supermarktkette Fulda beschreiben, mit ihrem Minimarktkonzept Teo in Deutschland Fuß zu fassen.
Die Expansion ist nach dem Gerichtsbeschluss, Teo-Märkte in Hessen sonntags vorerst geschlossen zu halten, weiter ins Stocken geraten – ausgerechnet, nachdem Tegut Ende des vergangenen Jahres eine Neueröffnung an die nächste gereiht hatte.
Gleichwohl heißt es aus Fulda weiterhin: Um Teo rentabel zu betreiben, brauche es „mindestens eine dreistellige Anzahl“ an Märkten. „Denn die Umsätze pro Teo sind ja sehr klein“, bekräftigte Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet kürzlich in der „Fuldaer Zeitung“. Davon ist man noch weit entfernt: Derzeit gibt es 40 Teo-Märkte.
Gleichzeitig befinden sich die Fuldaer:innen mitten in der technologischen Umstellung: vom Scan-&-Go-Prinzip, bei dem Kund:innen ihre Waren in den Minimärkten selbst scannen müssen, hin zum Grab-&-Go-Konzept, bei dem Kameras und Sensoren selbständig erkennen, welche Artikel aus den Regalen genommen werden und diese automatisch abrechnen.
Ausgliederung für den Franchise-Betrieb
Zu Beginn des Jahres haben Tegut und die Schweizer Mutter Migros die Weiterentwicklung des Formats in das neu gegründete Unternehmen Smart Retail Solutions ausgegliedert, das vom ehemaligen Tegut-Manager und Teo-Entwickler Sören Gatzweiler gemeinsam mit Sven Kispalko geführt wird, der bei Migros Zürich u.a. als Direktionsleiter Fachmärkte/Alnatura tätig ist.
Ziel ist es – wie frühzeitig hier im Blog vermutet –, das Teo-Konzept mitsamt seiner Technologie über Franchise-Vereinbarungen auch anderen Handelsunternehmen zugänglich zu machen.
Im „Retail Unscripted“-Video-Podcast von Patrick Kruschinski (Video bei LinkedIn nach Anmeldung, u.a. auch via Spotify hörbar) hatte Gatzweiler im März erklärt, man wolle „neue starke Partner gewinnen“, die mit einem standardisierten Basiskonzept überzeugt werden sollen, Teo-Standorte unter eigenem Namen und im farblich individualisierten Look anzugehen. Statt in Tegut-Orange können z.B. Bullaugen, Zugangsterminal und Self-Checkouts in der jeweiligen Erkennungsfarbe des Franchise-Partners gebrandet sein.
Darüber hinaus kann Smart Retail Solutions damit punkten, Teo in unterschiedlichen Varianten umgesetzt zu haben: als eigenständigen Markt für draußen genau wie für bestehende Ladenflächen drinnen, auf dem Land und an Hochfrequenzstandorten wie Bahnhöfen, mittels Self-Scanning oder eben voll automatisiert mit Grab & Go.
Die Kosten für die Technologie in der zuletzt genannten Variante sind laut Gatzweiler „mittlerweile in einem Bereich angekommen, in dem es sich für kleine Flächen wie beim Teo und den 24/7-Betrieb rentieren kann“.
Eine paar Hürden mehr als gedacht
Mit „ein, zwei interessierten Händlern“ sei man bereits im Austausch. Welche das sind, kommuniziert man aktuell nicht. Alnatura läge sehr nahe, zumal der Tegut-Lieferpartner seinen Sitz in Darmstadt hat – wo Teo inzwischen zahlreiche Standorte zählt.
Ebenso kämen Händler in Frage, mit denen man schon über die RTG Retail Trade Group kooperiert.
Die Franchise-Bemühungen sind aus Tegut-Sicht ebenso konsequent wie nachvollziehbar; und auch die Kund:innen würden profitieren, weil mittelgroßen Handelsunternehmen eine Technologie zugänglich gemacht würde, an die sie sich sonst vermutlich nicht wagen würden.
In diesem Prozess gibt es aber wohl noch ein paar mehr Hürden zu nehmen als Tegut das derzeit zu kommunizieren bereit ist. Denn nach meinen Erfahrungen lässt das Einkaufserlebnis in Teo-Märkten vielfach noch zu wünschen übrig. Schon bei meinem ersten ausführlichen Teo-Test im vergangenen Jahr lief einiges nicht so rund, wie man sich das als Stammkund:in wünschen würde (siehe: App-Stolperer, Ablaufware, Aufschlagpreise: Die Schwächen von Teguts Teo).
Und auch im Grab-&-Go-Pilotstore in Darmstadt, der mit der Technologie des Hamburger Start-ups Autonomo betrieben wird (was im Januar zuerst im Supermarktblog stand), knirscht es an der ein oder anderen Stelle noch gewaltig.
Gut gelöste Kassenlos-Erklärung
Seine direkte Antwort auf die Pick-&-Go-Experimente der größeren Wettbewerber hat Tegut auf dem Campus der TU Darmstadt platziert – und das klingt erstmal nach einer idealen Umgebung, um ein zukunftszugewandtes Format zu testen: mit einem jungen Kund:innenklientel, das höchstwahrscheinlich offener für technologische Neuerungen ist als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Der in unmittelbarer Nähe der Mensa positionierte Markt macht wie erwartet einen positiven Eindruck – was natürlich vor allem daran liegt, dass Tegut die clevere Entscheidung getroffen hat, das Konzept nicht in einen tristen Standard-Container zu stecken, sondern vom Dach bis zur Rollstuhlfahrer:innen-Rampe durchdesignen zu lassen. Auch auf der TU-Lichtwiese ist die kleine Holzrolle deswegen ein echter Hingucker.
Wer schon bei anderen Teos eingekauft hat, dem fallen die Änderungen direkt ins Auge: „Aufgepasst! Bei mir kaufst du kassenlos ein“, heißt es hier am Eingang. Und auf der schulterhohen Bedienungsanleitung in der rechten Türseite sind die wesentlichen Punkte des scanfreihen Einkaufs erklärt. Das ist gut gelöst.
Als bereits registrierte:r Nutzer:in wird man in der geöffneten Smartphone-App prompt begrüßt und aufgefordert: „Wähle mit wievielen Personen du einkaufen möchtest und generiere einen Code zur Türöffnung.“
Mit wem kaufen Sie heute alles ein?
Nach Eingabe der entsprechenden Personenzahl lässt sich noch die (zuvor hinterlegte) Zahlart wählen, danach erscheint der QR-Code und erlaubt den Einlass.
Zumindest theoretisch: Im Netz beschwerten sich Nutzer:innen, bei ungünstigem Sonnenstand könne das – neu gestaltete – Terminal den QR-Code nicht lesen, sodass man vor verschlossenen Türen stehen bleibe. Die Lösung dafür scheint nun eine einfache Abdeckung über dem Scanner zu sein. (Wieso hat das vorher niemand getestet?)
Auf Supermarktblog-Anfrage zieht man bei Smart Retail Solutions „ein insgesamt positives Zwischenfazit bezüglich des ersten Grab & Go teos an der TU Darmstadt“:
„Unsere Kundinnen und Kunden haben den Store neugierig und interessiert als Campus-Nahversorgung in der Nachbarschaft angenommen und uns dabei unterstützt, den Betrieb kontinuierlich zu optimieren“,
heißt es aus Fulda.
Zugang jetzt auch per Karte möglich
Eigentlich sollte der Grab-&-Go-Pilotstore von Anfang an auch für Kund:innen ohne App zugänglich sein: mit Giro- bzw. Kreditkarte. Nachdem das zum Start nicht funktionierte, wurde die Funktion laut Smart Retail Solutions vor kurzem freigeschaltet:
„Seit dem 29. April 2024 kann der Grab & Go teo auch via Giro- oder Kreditkarte betreten werden. Dies war ein wichtiger und zugleich technologisch herausfordernder Schritt. Uns war es wichtig, dass der Kunde auch in einem Grab & Go teo zwischen Zutritt per Kredit-/Girokarte und dem Zugang über die teo App frei wählen kann. Seit der Freischaltung der Karte als Zutrittsmedium sehen wir eine deutlich frequentere Nutzung und eine höhere Bon-Anzahl pro Tag.“
Bei meinem Besuch Mitte Mai wies ein Aufsteller vor dem Markt trotzdem weiter darauf hin, dass der Markt „aktuell ausschließlich mit der teo App“ nutzbar sei.
Zum Einlass reserviert Tegut auf der hinterlegten Zahlart automatisch einen Pauschalbetrag von 70 Euro (der bei Debitkarten auch direkt als Ausgabe auf dem Konto erscheint), um zu einem späteren Zeitpunkt dann den Betrag abzurechnen, für den tatsächlich eingekauft wurde. (Heißt aber auch: wer jeden Morgen bei Teo ein zweites Frühstück kauft, kriegt immer wieder aufs Neue 70 Euro vom Konto vorautorisiert.)
Wie genau abgerechnet wird, wenn Kund:innen für einen höheren Betrag einkaufen, will Smart Retail Solutions auf Nachfrage nicht sagen. Wie das System abrechnet, wenn Nutzer:innen in der Teo-App – absichtlich oder unabsichtlich – die falsche Personenzahl für ihren Einkauf eingeben, lässt man ebenfalls umkommentiert.
Große Auswahl für die „Kleine Pause“
Der anschließende Einkauf funktioniert wie gewohnt – nur eben ohne zusätzliches Scannen. Was durchaus eine angenehme Erleichterung sein könnte, wenn alles funktionieren würde wie versprochen. Anstelle des Self-Checkout-Terminals hängt im Markt noch einmal die Bedienungsanleitung, in der es u.a. heißt: „Bitte achte darauf, deine Produkte am Ursprungsort zurückzulegen“ – während Gatzweiler erklärt, die Technologie sei im Stande, zu erkennen, „wenn Produkte wieder zurückgestellt werden – auch an einem anderen Platz im Teo“. Was davon zutrifft, sagt Smart Retail Solutions auf Supermarktblog-Anfrage nicht. (Gleich mehr dazu.)
Tabakwaren gibt es keine zu kaufen. Das dafür vorgesehene Modul ist holzverkleidet und mit dem Hinweis beklebt: „Zigaretten kommen bald“.
Das übrige Sortiment gibt Rätsel auf: Nachvollziehbarerweise lassen sich zahlreiche Snacks kaufen, salzige und süße auf gleich mehreren Regalmetern; dazu Salate, Sandwiches und Sushi-Variationen im Regal „Kleine Pause“. Das klingt plausibel, denn zwischen Vorlesung und Seminar gibt es sicher Bedarf, sich mit einem schnellen Lunch einzudecken.
Mensa gegen Supermarkt
Diese Option scheint von den TU-Studierenden aber kaum bis gar nicht genutzt zu werden: Zahlreiche Wraps, Sandwiches und Salate waren bei meinem Besuch (an einem regulären Dienstagmittag) wegen des kurz bevorstehenden Ablaufs ihres Mindesthaltbarkeitsdatums im Preis reduziert, stießen also zuvor offensichtlich nicht auf große Kaufbegeisterung.
Bei näherem Hinsehen erklärt sich auch, woran das liegen könnte:
- Der abgepackte Tegut-Freppy-Gartensalat kostet mit 2,99 Euro für Student:innen regulär fast doppelt soviel wie der frisch selbst kombinierte an der Salatausgabe der daneben gelegnen Mensa (1,75 Euro), der noch dazu weniger Müll macht.
- Für den Gegenwert eines abgepackten Sandwichs aus dem Teo gibt’s nebenan einen ganzen Teller hausgemachte Pasta mit Soße – und noch einen Stracciatellaquark obendrauf.
- Und wer bei Teo ein Schälchen Oliven kauft, kann sich für 40 Cent mehr stattdessen auch ein komplettes Mensa-Hauptgericht gönnen.
Aus Studierendensicht dürften die bei Teo angebotenen Snacks schlicht und einfach zu teuer sein – zumindest im Vergleich mit der direkt daneben gelegenen, ähnlich einfach zugänglichen Alternative.
Und die Äpfel? Ließen sich bei meinem Besuch (anders als z.B. Bananen) nicht einzeln, sondern nur im Sechserpack kaufen – was soll das an einem Ort, bei dem sich kaum jemand mit Obst bevorraten wollen wird?
Tortenbisquitböden und Sonnenblumenöl
Davon abgesehen bietet Teo auf der Lichtwiese auch reguläre Supermarkt-Artikel an. Doch was genau erhofft sich Tegut davon, auf einem Uni-Campus Tortenbisquitböden, Mehl, 1 Liter Sonnenblumenöl und Essiggurken im Glas vorzuhalten? In den Büros der Mitarbeiter:innen dürften diese Artikel vermeintlich eher selten zur Anwendung kommen.
Und der reguläre Einkauf für zuhause lässt sich auf dem Heimweg durch die Innenstadt mit zahlreichen Discountern und Supermärkten sehr viel günstiger gestalten – zumal es insbesondere Student:innen mit knappem Monatsbudget vermutlich nicht egal sein dürfte, noch mal 50 Cent mehr für den (Bio-)Frischkäse und 30 Prozent mehr für die (Bio-)Kichererbsen ausgeben zu müssen als anderswo.
Man habe „die Möglichkeit, an unterschiedlichen Standorten auf unterschiedliche Herausforderungen reagieren zu können“, sagt Teo-Entwickler Gatzweiler – das sei „einer der großen Vorteile, (…) an denen wir auch wirklich hart arbeiten“. Aus Kund:innensicht nachvollziehbar war das in den von mir besuchten Teos bislang eher nicht.
Automatisch erkannte Preisreduktion
Zurück zur bereits angesprochenen im Preis reduzierten Ware:
„Um einen nachhaltigen Abverkauf sicherstellen zu können, legten wir ein besonderes Augenmerk darauf, Ware mit einem kurzen Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) reduzieren zu können. Die Implementierung dieses Standardprozesses im Handel hat etwas länger gedauert als erwartet, da die systemische Erkennung der reduzierten Artikel angelernt werden musste. Anfang April 2024 wurde sie erfolgreich umgesetzt und integriert“
erklärt Smart Retail Solutions auf Supermarktblog-Nachfrage.
Damit hätten die Partner Tegut und Autonomo einen echten Vorsprung vor anderen Anbietern im Markt, denen die Erkennung zuletzt Probleme bereitete (siehe Supermarktblog).
Es braucht aber erheblichen händischen Aufwand, das zu bewerkstelligen: Bei meinem Besuch war eine Teo-Mitarbeiterin gerade damit beschäftigt, Ablaufware doppelt mit rosa-weiß-gestreiftem Klebeband zu umwickeln. An diesem Parameter soll das System offensichtlich erkennen, dass bei der Regalentnahme eine Preisreduktion von 50 Prozent zu erfolgen hat.
Einzeln mit Klebeband umwickelt
Gute Idee – aber in der Praxis heißt das: Jede einzelne Tafel Schokolade und jedes einzelne Duplo muss extra Klebeband-gekennzeichnet werden. Bei frischen Snacks verschwindet in diesem Zuge teilweise das aufgedruckte MHD-Datum – als Kund:in lässt sich also nicht mehr nachvollziehen, bis wann genau ein Verzehr noch empfohlen wird.
Alles an dieser Lösung wirkt – unbeholfen. Und das Fazit fällt ernüchternd aus: Weder der reduzierte Hummus-Wrap noch die reduzierte Tafel Schokolade, die ich bei meinem Einkauf mitgenommen habe, wurden erkannt oder abgerechnet. Dafür hat das System ein preisreduziertes Kirsch-Joghurt-Müsli in rechnung gestellt, das ich wieder zurückgestellt habe.
(Abgesehen davon: Die komplette Stiege reduzierter Ritter Sport Joghurt muss da ja schon seit der Eröffnung unangetastet im Laden gestanden haben, wenn jetzt bereits das MHD erreicht ist.)
Fast zwei Stunden bis zur Bon-Ausgabe
Das ist leider nicht die einzige Stolperei: Obwohl Tegut angibt, der automatisiert erstellte Kassenbeleg werde „in der Regel spätestens innerhalb weniger Minuten nach Verlassen des teo“ in der App zur Verfügung gestellt („in Einzelfällen“ dauere es „auch länger“), waren es in meinem Fall – ohne großen Betrieb im Markt – eindreiviertel Stunden.
Die gute Nachricht: Den Gruppeneinkauf mit Kind hat das System gemeistert. Die schlechte: nur fünf von neun mitgenommenen Artikeln wurden korrekt erkannt. Die MHD-Ware wie gesagt gar nicht, ebenso wenig wie ein von mir erst eingepackter, wieder zurückgestellter und neu ausgewählter Brotaufstrich. Bei einer von mir absichtlich an den falschen Platz zurückgelegten Schokolade wurde mir der günstigere (falsche) Preis der dort eingeräumten Tafeln abgerechnet.
Alles in allem: ein ziemlich enttäuschendes Ergebnis.
Bei Smart Retail Solutions gibt man sich deutlich zufriedener:
„Die Qualität der Produkterkennungen ist seit Eröffnung des Grab & Go teos vor rund einem halben Jahr auf einem hohen Niveau und ermöglicht den Kunden einen einfachen und schnellen Grab & Go Einkauf.“
(Aber offensichtlich nicht, sobald Kund:innen sich nur minimal so verhalten, wie sie sonst auch im regulären Supermarkt einkaufen.)
Umständliche Reklamation
Eine Reklamation lässt sich derzeit nur einreichen, indem die Teo-App eine E-Mail mit vorformuliertem Text an den Tegut-Kund:innenservice anstößt, welcher ein dem Einkauf zugeordneter „Identifier“-Code zugeordnet ist. Darin müssen einige kurze Fragen beantwortet werden; idealerweise unter Angabe der eigenen Bankverbindung für mögliche Erstattungen.
Nach dem E-Mail-Versand passiert dann sechs Werktage – gar nichts.
Anschließend meldet sich der Tegut-Kund:innenservice und erklärt, ich müsse den Differenzbetrag – den ich zu überweisen angeboten hatte – nicht bezahlen. Eine korrigierte Abrechnung gab es aber genauso wenig. Stimmt schon so, Sache erledigt, „teo freut sich auf deinen nächsten Besuch und Einkauf“.
Auf meine Rückfrage, warum ich ein weiteres mal bei Teo einkaufen sollte, wenn die Abrechnung offensichtlich so fehlerbehaftet ist, heißt es:
„Bisher liegen uns nur wenige Kundenmeldungen zu falschen Abrechnungen vor. Fehlermeldungen geben wir direkt an unseren Dienstleister weiter, um die Technik zu verbessern. Aus diesem Grund gehen vor davon aus, dass Ihr nächster Einkauf wieder vollständig und korrekt abgerechnet wird.“
Auch bei Smart Retail Solutions erklärt man:
„Die Anzahl an Kundenreklamationen aufgrund von fehlerhaft generierten Bons ist konstant gering. Trotzdem arbeiten wir weiter an der Optimierung der Produkterkennung sowie der Reduzierung der Zeitdauer bis zur Bon- Zustellung (innerhalb der App)/Bon-Abrufmöglichkeit (bei Bezahlung via Karte) an den Kunden.“
Eine ganze Menge Fragen
Als potenzieller Franchise-Partner hätte ich spätestens an dieser Stelle eine ganze Menge Fragen, die ich beantwortet haben wollte, bevor ich einen Grab-&-Go-Teo unter eigenem Namen starten würde. Zum Beispiel:
- Wie kann es sein, dass sich mit einem übersichtlichen Einkauf und wenigen (absichtlich) eingebauten Irritationen das System verhältnismäßig leicht so verwirren lässt, dass die Hälfte der Artikel falsch oder gar nicht gebucht wird?
- Was passiert bei größeren Einkäufen, die komplizierter abzurechnen sind?
- Wie unambitioniert müssen die vorherigen Tests durch Tegut und Autonomo ausgefallen sein, um mögliche Schwachstellen im System zu identifizieren?
- Und wie wollen die Partner daraus lernen, wenn sie von den Kund:innen nicht erfragen, wie es möglicherweise zu der falschen Abrechnung gekommen ist?
„Es gibt keine Weiterentwicklung, ohne dass man auch Risiken eingeht“, hat Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet kürzlich der „Fuldaer Zeitung“ gesagt (hinsichtlich der streitbaren Sonntagsöffnung) – und ja auch Recht damit.
Aber selbst nach 40 aufgestellten Teos scheint man wegen Grab & Go beim Fehlermachen nun wieder von vorn anzufangen. Noch in diesem Jahr soll ein weiterer Grab-&-Go-Standort dazu kommen, diesmal in der Indoor-Variante, um endgültig mit Rewe bzw. Netto (ohne Hund) gleichzuziehen. Die Eröffnung sei „für das zweite Halbjahr 2024 geplant“, erklärt man in Fulda.
Verbesserungsbedarf auch bei Scan & Go
Bis dahin gibt es aber auch in der regulären Scan-&-Go-Version weiter Verbesserungsbedarf: Bei meinem Einkauf in einem diesmal ländlicher positionierten Teo versuchte eine Kundin neben mir im Laden vergeblich, den von ihr mit der Teo-App gescannten Artikel an die SB-Kasse zu transferieren („Ups, du hast den Vorgang in der App abgebrochen. Bitte gehe zurück zum Warenkorb und versuche es erneut“) – und zog nach einem erfolglosen Zweitversuch und dem Zurücklegen des Artikels mit leeren Händen von dannen. (Ich hatte bei meinem Ersteinkauf auch schon App-Probleme.)
Ob es an der App oder an der Benutzerin lag, kann ich nicht nachvollziehen – aber diese Kundin kommt vermutlich so schnell nicht wieder.
Auch sonst lief’s für den Vorort-Teo bei meinem Besuch eher so mäh: Die Software des großen Displays am Eingang war abgestürzt und befand sich im Windows-Modus, mit Papierkorb überm Tegut-Desktop-Bildschirmhintergrund zur Begrüßung; die für die Warenanlieferung genutzten Rollwagen standen draußen vor dem rechten Bullauge, das dann so zugebaut ist, dass man es sich eigentlich auch sparen könnte.
Zwei Preise für eine Gurke
Und das Sortiment fiel – auf den schnellen Blick – sehr ähnlich aus wie das, das ich zuvor im Campus-Teo gesehen hatte. Ebenfalls mit Ready-to-Eat-Snacks inklusive Sushi-Boxen – für die der Bedarf hier nun wirklich gegen null tendieren dürfte. Weitere Kund:innen hatten es nachvollziehbarereweise auf die Aufbackbrötchen abgesehen, weil es im Ortsteil keinen geöffneten Bäcker gab. Das abgepackte Schnittbrot hingegen war bereits MHD-reduziert.
Frische Backwaren wären vermutlich ein Topseller in den Vorort-Teos – das dürfte aber kaum umsetzbar sein (und würde ja auch wieder sofortige Abschriften produzieren, wenn was liegen bleibt).
Artikel der Tegut-Eigenmarke gehörten in den Regalen zu den Ausnahmen – obwohl man genau damit ja zur Marken- und Sortimentsprofilierung beitragen könnte. Stattdessen gab es zahlreiche Artikel aus der Discountpreis-Schiene von Jeden Tag – und statt Tegut Bio zum kleinen Preis das in der Regel teurere Alnatura-Bio. Keine Ahnung, warum über dem Laden „Tegut“ steht, wenn so wenig davon drin ist.
Kleine Bonus-Überraschung: Die mit 1,29 Euro elektronisch am Regal ausgezeichnete Salatgurke kostete beim Scannen plötzlich 1,49 Euro. (Was laut regelmäßig bei Teo einkaufenden Kund:innen bei verschiedenen Waren öfter vorzukommen scheint.) Das muss man entweder zähneknirschend akzeptieren, Korrektur ist ja keine möglich – oder die Ware halt liegen lassen.
Rästelhafte Zielgruppenanalyse
Per Aushang informiert man, dass im Teo das eigene Bonussystem Tebonus nach wie vor nicht genutzt werden kann und stellt – schon seit einer kleinen Ewigkeit – „spezielle Vorteilsaktionen“ in der App in Aussicht, ohne dass die bislang dort aufgetaucht wären. Das alles ist nicht unbedingt ein Vertrauensbeweis für die potenzielle Teo-Stammkundschaft.
Aber die Zielgruppenanalyse für diesen Sortimentsmix auf dem Dorfparkplatz in einer 3.000-Einwohner-Gemeinde mit fünf Discountern, zwei Supermärkten und Drogeriemarkt in unmittelbarer Autofahrtnähe würde ich auf jeden Fall gerne mal einsehen.
So kritisch das alles klingt: Es wäre Tegut und Smart Retail Solutions dringend zu wünschen, mit Teo erfolgreich eine Ergänzung zu regulären Einkaufsstätten etablieren zu können – weil es dem Wettbewerb im ohnehin übermäßig konzentrierten deutschen Lebensmitteleinzelhandel zuträglich wäre, und weil Innovationsbereitschaft in der Branche per se belohnt werden sollte, andernfalls passiert sie nämlich schlicht und einfach nicht.
Auf wackeligen Füßen
Bei Teo steht dieser Erfolg aber leider nach wie vor auf sehr wackeligen Füßen, und zwar keineswegs nur wegen der regulatorisch ungewissen Zukunft.
Ende Juni ist im Hessischen Landtag die Anhörung zur Änderung des Ladenschlussgesetzes angesetzt, um Sonntagsöffnungen für personalfrei betriebene Formate in Zukunft zu erlauben (Gesetzentwurf als pdf ansehen). Aber selbst wenn das Erfolg hat, muss Tegut bei seiner Teo-Expansion weiter ins Risiko gehen, weil dann im Zweifel nur vorübergehend Rechtssicherheit besteht: Kirche und Gewerkschaft haben bereits angekündigt, gegen die Änderung klagen zu wollen.
Derweil scheint es, was den operativen Betrieb, die Abwicklung von Reklamationen und die Gestaltung des Sortiments angeht, – positiv formuliert –noch zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten für die „So kauft man heute ein“-Läden zu geben.
Um Teo zu dem Erfolg zu machen, als den Tegut seine Innovation innerhalb der Handelsbranche bislang schon feiern lässt, ist noch viel zu tun.
Danke an Jörg!