Corso, Gourmet, Plus: Weshalb nicht jeder Supermarkt einen eigenen Nachnamen braucht

Corso, Gourmet, Plus: Weshalb nicht jeder Supermarkt einen eigenen Nachnamen braucht

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Vier verschiedene Shops für vier verschiedenen Tankstellen? Und Supermärkte, die extra betonen müssen, dass sie für gute Lebensmittel stehen? Während Billa und Spar in Österreich immer neue Submarken entwickeln, zeigen Diskonter und Drogeriemärkte, dass es auch ohne geht. Zeit für radikale Entscheidungen.

Austria
Das Supermarktblog Österreich Special wird präsentiert von:

umdasch The Store Makers

Nirgendwo sonst ist die wundersame Welt der Submarken im Lebensmitteleinzelhandel so ausgeprägt wie in Österreich. Zumindest präsentieren die beiden führenden Supermarktketten ihren Kund:innen inzwischen einen ganzen Strauß an Formaten, aus denen die sich ihre von der Hauptmarke abgespaltene Lieblingseinkaufsstätte aussuchen können.

Schon seit Jahren pflegt die Rewe-Tochter Billa ihr Spezialformat Billa Corso, das sich an die Feinschmecker:innen unter den Normalsterblichen wendet (siehe Supermarktblog von anno dazumal); Billa Plus ist für die ganz großen Märkte hinzugekommen. Für junge Veganer:innen gibt’s Billa Pflanzilla (siehe Supermarktblog), das sich zum zweiten Geburtstag gerade einen eigenen Vegan-Brötchenknast und eine Frischzapf-Haferdrink-Station geschenkt hat. Billa to go für Eilige. Und gleich vier verschiedene Varianten an unterschiedlichen Tankstellen: Billa stop & shop (bei Jet), Billa NOW (bei BP), Viva Billa (bei OMV) und Billa Unterwegs (bei Shell).

Marktführer Spar teilt dagegen lieber nach Quadratmetern auf: normale Spar-Supermärkte bis 400 Quadratmeter Verkaufsfläche, Eurospar ab 1.000, und die SB-Warenhäuser werden zu Interspars. Dazu gibt es Spar Gourmet, das sich als „Spezialist für exklusive Lebensmittel“ in Eurospar-Größe versteht, aber ohne Non-Food. Außerdem: Spar Express für Tankstellen und Bahnhöfe, sowie neuerdings Spar enjoy to go als Kombination aus City-Supermarkt und Jausen-Versorger (siehe Supermarktblog).

Wer da noch durchblickt, darf sich einen Universitätslehrgang für Handelsmarkenkunde ans Revers heften.

Self-Checkout im LEH: Mehr Effizienz, Kundenzufriedenheit und neue Chancen für den Point-of-Sale

Maximaler Nutzen, minimaler Wartungs- und Kostenaufwand: Mit der Self-Checkout-Lösung matrix von umdasch The Store Makers und der Software von shopreme funktioniert Self-Checkout so einfach und problemlos, wie Händler*innen und Kund*innen sich das wünschen.

Der Wildwuchs mag in vielerlei Hinsicht historisch bedingt sein. Bei Spar etwa durch die Übernahme der Julius-Meinl-Supermärkte in Wien und Umgebung, die laut Spar „schon damals für Wiener Genusskultur“ standen, was der Zusatz „Gourmet“ weiter zum Ausdruck bringen soll. Und bei Billa durch die erst vor drei Jahren erfolgte Integration der größeren Merkur-Märkte in die Hauptmarke (siehe Supermarktblog).

Verwirrung, die auch noch Geld kostet

Die Differenzierung hat aber auch eine ganze Reihe an Nachteilen. Sie verwirrt nicht nur Kund:innen, sondern kostet auch Geld. Jede Submarke braucht eigenes Marketing, eigene Konzepte, eigene Sortimentsstrategien, Angebotsstrecken. Obendrein verwässert die Markenflut die Hauptmarke. Wofür stehen die Originale eigentlich noch, wenn es für jeden Anlass eine andere Variante gibt? Und sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Typen wirklich (noch) so groß?

Bei den Convenience-Shops ist die Differenzierung ja offensichtlich ohnehin nur der Tatsache geschuldet, sich mit unterschiedlichen Tankstellenketten verpartnern zu können. Das hat die Marketing-Abteilung in Wiener Neustadt vor eine interessante Herausforderung gestellt.

Die gelöst wurde, indem man Rewe-Großhandel-Geschäftsführer Jürgen Öllinger illustre Differenzierungsbemühungen in den Mund gelegt hat: So soll das Angebot von Billa stop & shop „den Bedürfnissen unserer Kunden nach Einfachheit und mehr Flexibilität, aber mit der gewohnt hohen Qualität“ entsprechen; Billa Now hingegen „steht für ein bequemes und qualitativ hochwertiges Einkaufserlebnis sowie den leicht zugänglichen Genuss für zwischendurch“; Billa Unterwegs besticht durch „übersichtliches Shop-Design mit einer attraktiven Produktauswahl und die Freundlichkeit der Mitarbeiter vor Ort“; während das „zeitlose und warme Design“ Viva Billa mitsamt der „breiten Produktauswahl und der langen Öffnungszeiten“ zu „modernen Nahversorgern“ macht.

Herzlichen Glückwunsch zu soviel Kreativgeschwurbel!

Dieser Supermarkt ist einfach nur – Spar? Foto: Smb

Was nutzt den Kund:innen wirklich?

Die eigentliche Frage ist, was den Kund:innen (und damit letztlich den Umsätzen der Handelsketten) am meisten nutzt.

Unterscheidet sich etwa die Markenerwartung an einen Spar Gourmet so fundamental von derjenigen regulärer Märkte, dass man sich als Kund:in weigern würde, stattdessen einen Eurospar aufzusuchen? Müsste der Interspar am Schottentor mit seiner exquisiten Lebensmittelauswahl nicht eigentlich konsequenterweise ein Interspar Gourmet sein? Und wenn Billa Plus, wie beworben, „Voller Frische“ steckt – gilt das für die übrigen Markttypen dann nicht?

Diskonter und Drogeriemärkte demonstrieren, dass es auch anders geht: Hofer und Lidl setzen (nicht nur in Österreich) auf ein einheitliches Markenkonzept – egal ob der Laden 800 oder 12.00 Quadratmeter groß ist (Ausnahme-Versuch: hier).

Auch Bipa (das ja ebenfalls zu Rewe International gehört) und dm verzichten weitgehend auf Submarken. Sie passen ihre Sortimente an die verfügbaren Flächen an, behalten aber ihr Kernversprechen bei.

Interessant ist, dass diese Submarken-Vermehrung im Nachbarland trotzdem ansteckend wirkt. In Deutschland etwa versucht Rewe, es den österreichischen Kolleg:innen gleichzutun: mit Rewe City, Rewe Center, Rewe to Go (an Tankstellen und in Hochfrequenzlagen), Rewe express (ebenfalls Tankstellen), Rewe Pick & Go (automatisierte Märkte) und seit Kurzem Rewe voll pflanzlich. Dazu meint die Tochter Lekkerland, für automatisierte Shops noch eine weitere Marke namens „Rewe Ready“ zu benötigen.

Segmentierung auf die Spitze getrieben

Liebe Supermarktketten, wie wär’s, wenn ihr euch endlich mal entscheidet? Entweder ihr schneidet den Wildwuchs radikal zurück und kehrt zu einer starken, klaren Hauptmarke zurück. Das spart Kosten, schafft Übersichtlichkeit und stärkt eure Markenidentität.

Oder ihr treibt die Segmentierung konsequent auf die Spitze und entwickelt Submarken für wirklich jede Alters- und Zielgruppe:

  • „Billa genial lokal“, das konsequent nur Produkte aus einem Umkreis von 50 Kilometern verkauft, um – passend zu den sonstigen Bemühungen – regionale Erzeuger:innen zu stärken;
  • „Spar Workaholic“ speziell für Büroviertel, mit Fokus auf Convenience, Büromaterialien und einer integrierten Coworking-Zone für alle, die mal kurz raus aus dem eigenen Office müssen;
  • „Spar Senior“ mit extra breiten Gängen, großen Preisschildern, Sitzgelegenheiten und einem Sortiment, das auf die Generation 65+ zugeschnitten ist;
  • „Billa Earlybird“, das nach Feierabend zu „Billa Nachtschwärmer“ wird, mit wechselnden Sortimenten für ganz zeitig Aufgestandene und spät nachhause Torkelnde;
  • und „Spar Mikro AI“ für sehr kleine Läden mit KI-gesteuertem, täglich wechselndem Sortiment basierend auf den aktuellen Nachbarschaftstrends?

Das wäre allemal besser als dieser halbherzige Mittelweg, für jede Tankstellenkooperation eine neue Fantasiemarke aus dem Marketing-Hut zu zaubern, die allesamt dasselbe Kernversprechen abdecken sollen. Zeit für klare Entscheidungen!

Alle Texte aus dem Supermarktblog Österreich Special 2024 ansehen.

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3 Kommentare
  • Die Edeka macht es dem Kunden in DE auch nicht einfacher, zumal deren Vertriebslinien auch noch recht häufigen Änderungen unterworfen sind und sich die „Zuordnung“ eines Standortes auch noch je nach Regionalgesellschaft und Führungsform unterscheidet. Selbst im Discount leistet man sich noch drei Linien.

    Zu AT: Amüsant ist das bei Spar und Billa auch in der akustischen Werbung, wo oftmals runtergerattert wird, welche Vertriebsschiene gerade am Superduperangebot (nicht) teilnimmt 😉

  • Wenn hinter den Subnamen ein kohärentes Konzept steht, wäre es ja sinnvoll. In Österreich kenne ich mich nicht so aus, aber in Deutschland weiß ich, dass ich die aktuelle Aktionsware im „Netto City“ mangels Platz wohl eher nicht finde.

    Bei Edeka hingegen scheint die Wahl, ob die Großflächenmärkte nun „Marktkauf“ oder „E-Center“ heißen sollen, völlig willkürlich, und wird auch gerne hin- und hergewechselt.

  • Absurde Namensstrategien kann Rewe ja in Deutschland ebenfalls sehr gut. Hatte man doch zu Rewe-Leibbrandt-Zeiten noch eine klar formatbezogene, für den Verbraucher sofort zuordenbare Namensvielfalt: toom für die Großfläche, miniMal für Verbrauchervermärkte, HL für Supermärkte, Nahkauf für kleine Nahversorger, Penny für den Discount.
    Die Entscheidung, alles (bis auf Penny und Nahkauf) auf eine starke Zentralmarke, nämlich REWE, umzustellen, kann ich ja noch nachvollziehen (obschon mich die Omnipräsenz der Marke persönlich nervt). Warum man dann aber eine Wende rückwärts machen musste, um mit diversen Namenszusätzen wie „Center“ oder „City“ für maximale Verwirrung zu sorgen, entschließt sich mir nicht, zumal mir die Unterscheidungskriterien nicht einleuchten: ein Rewe Center kann ein flughangargroßes Stand-alone-Gebäude mit riesiger Parkfläche und zusätzlichem Haushaltselektroniksortiment auf der grünen Wiese sein – oder ein etwas größerer Stadtsupermarkt mit Lebensmittelschwerpunkt mitten im dicht besiedelten Wohngebiet. Ein Rewe City kann eine winzigkleine Klitsche oder ein normalgroßer Supermarkt mit oder ohne Bedientheke sein, ein Rewe ohne Namenszusatz aber auch. Selbstständig betriebene Nahversorger gibt es unter Nahkauf Klöbner genau so wie unter Rewe Müllerlüdenscheidt. Ein Rewe togo ist nicht etwa ein Spezialitätengeschäft für afrikanisches Essen, wie der Name suggeriert, sondern entweder ein Tankstellenshop mit Backwarentheke – oder ein Conveniencestore mit Warmhaltesofortessen, aber ohne Treibstoffversorgung…

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