Von wegen nachhaltig: dm opfert seine Werte kurz mal dem Rabattwettbewerb

Von wegen nachhaltig: dm opfert seine Werte kurz mal dem Rabattwettbewerb

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Bislang inszenierte sich dm stets als werteorientierter Gegenentwurf zum übrigen Handel. Doch die neue Werbekampagne der Drogeriemarktkette setzt nun auf Hamsterkäufe statt Nachhaltigkeit. Das ist ein risikoreiches Spiel. Ein Kommentar.

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Lebendige Arbeitsgemeinschaft“, „verantwortungsvolle Sortimentsgestaltung“, „gesellschaftliches Engagement“ – die selbst definierten Handlungsfelder von Deutschland erfolgreichster Drogeriemarktkette klingen gut überlegt und betonen Nachhaltigkeit.

Aber wenn man sich die Motive ansieht, mit denen dm derzeit für den 10-Prozent-Rabatt wirbt, den App-Nutzer:innen den ganzen Januar über aufs fast komplette Sortiment erhalten, sollte man in Karlsruhe womöglich zeitgemäß nachjustieren – und ein weiteres ergänzen: den gezielt angeregten Überflusseinkauf.

„Kurz mal zu dm…“ prangt gerade neben dem Bild einer Kundin beim Shoppen, die deutlich mehr Produkte in den Armen hält als ursprünglich geplant. „Und ich dachte, ich brauch keinen Korb“, grinst die Protagonistin auf einem zweiten Motiv in die Kamera. Der App-Rabatt machen aus dem schnellen Gang zum Drogeriemarkt eine glückproduzierende Hamsteraktion.

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Bewusster Konsum ist so nerd

Das ist einerseits konsequent, um weitere Kund:innen zum Download der dm-App und der Registrierung für ein Kund:innenkonto zu bewegen, um künftig deren Einkaufsverhalten besser nachvollziehen (und steuern) zu können.

Aktuelle dm-Werbung für Rabatte; Foto [M]: Smb, dm drogeriemarkt

Es ist aber auch ein – erneuter – Bruch mit allem, wofür dm eigentlich bislang stehen will. Jahrelang hat man sich in Karlsruhe als Gegenentwurf zum üblichen Rabattwettbewerb im Handel positioniert. Statt kurzfristiger Aktionen setzt man auf Dauerpreise, deren Veränderung am Regal transparent kommuniziert wird. Statt zum Mehrkauf anzuregen, betont man Nachhaltigkeit und bewussten Konsum. Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen, nicht der schnelle Euro.

Dass dm dieses Prinzip bei seinen Eigenmarken wie Balea schon länger aufgeweicht hat – wo stetige Produktneuheiten zum schnellen Austausch anregen (siehe Supermarktblog) – wird dabei gerne übersehen.


Auch die 10-Prozent-Rabattaktionen zu Beginn des Jahres gibt es schon länger – bislang wurden sie aber z.B. so beworben:

dm-Rabattwerbung im Jahr 2022; Foto: Smb

Hier kauf ich mehr als geplant

Mit der aktuellen Kampagne wird der Bruch mit den eigenen Werten nun überdeutlich. Sie reiht sich nahtlos ein in die Rabattschlachten, die insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel derzeit allerorten schlägt. Bereits im vergangenen Jahr hatte dm mit einer ähnlich gelagerten Aktion experimentiert. Damals waren es verzückte Kund:innengesichter, die mit einem übertriebenen „Waaaaas“, „Kraaaass“, „Boaaaah“ und „Jaaaaaa“ auf Sparangebote reagierten (siehe Supermarktblog).

dm-Rabattwerbung im Sommer 2024; Foto: Smb

Auf LinkedIn lobt der Leiter des dm-Marketings und Digitalgeschäfts, Mario Bertsch, die von HeimatTBWA entwickelte Kampagne als „emotional, nahbar, echt“ („No more words needed“) – und das mag ja auch zutreffen und gut sein, um eine jüngere Kundschaft anzusprechen, die genau das beim dm-Einkauf empfindet (das übliche LinkedIn-Geklatsche in den Kommentaren darunter produziert sich von alleine).

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Aber was sagt das über eine Marke aus, die so bereitwillig ihre bislang in den Fokus gerückten Werte über Bord wirft?

dm verwässert eine klare Positionierung und macht sich ein Stück weit austauschbar. Der bekannte Slogan „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“ steht zwar weiterhin in den Kampagnenmotiven. Er wirkt dort aber wie ein Relikt aus einer Zeit, als die Handelskette noch andere Prioritäten hatte. Heute heißt es eher: Hier bin ich Schnäppchenjäger:in, hier kauf ich mehr als geplant.

Schwere Zeiten für den WWF-Panda

Die selbst definierten Handlungsfelder werden dadurch nicht gleich bedeutungslos. Aber sie verlieren an Glaubwürdigkeit. Und das ist für eine Marke, die sich über Jahrzehnte als werteorientiertes Unternehmen positioniert hat, ein gefährliches Spiel. (No more words needed.)

dm-Marketingchef Mario Bertsch übrigens soll im Frühjahr laut „Lebensmittel Zeitung“ als Chief Marketing Officer zu Edeka wechseln, um dort u.a. die gerade begonnene Payback-Kooperation weiter anzuschieben. Wie passend, dass sein bisheriger Arbeitgeber das neue Bonusprogramm-Familienmitglied bereits willkommen heißt. (Das fällt natürlich leichter, nachdem die Edeka-Strategie, mit Budni einen landesweiten dm-Konkurrenten aufzubauen, krachend gescheitert ist.)

Es ist also vielleicht nur noch eine Frage der Zeit, bis die Einkaufsrafferei-Begeisterung auch bei Blau-Gelb („Wir lieben Lebensmittel“) ankommt. Der WWF-Panda, mit dem Edeka bislang so gerne wirbt, kann sich schon mal auf harte Zeiten gefasst machen.

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5 Kommentare
  • Spannende Sichtweise. Auf mich hatte diese Kampagne den völlig anderen Eindruck: Dass dm mit seinem Image, dass man dort immer deutlich mehr kauft als man wollte (wie bei IKEA), spielt, wie sympathisch. Also für mich macht die Kampagne dm deutlich nahbarer.

  • Ich bezweifle stark, dass die oben genannte Argumentation an der Thematik vorbei geht. Bekannt aus der Schulzeit: „Thematik verfehlt – setzen – Note 6“. Denn auch eine Aktion mit 10% ist bei der aktuellen Situation durch die Teuerungsraten nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“. Denn keiner wird wegen banalen 10% Rabatt einen Mehreinkauf starten, wenn der Rabatt bei z.B einem 1,99 EUR Shampoo nur 1 ct Rabatt sind. Zumal Rossmann mit 20% auf Lebensmittel Rabatt offeriert.

  • Die Beobachtung über die Schnäppchenkonsumausrichtung der aktuellen dm-Werbung ist richtig und der Schlussfolgerung, dass dm damit sein Image als nachhaltiges Unternehmen untergräbt, auch.
    Allerdings habe ich schon länger das Empfinden, dass es sich dabei eher um Greenwashing als um ernsthafte Nachhaltigkeitsbestrebungen handelt. Schon die Auslistung von Alnatura-Artikeln und der Einstieg in den Preiskampf bei Bio-Produkten vor Jahren zeigte ja in diese Richtung. Zudem verkauft dm nach wie vor umweltproblematische und überflüssige Produkte wie z.B. Weichspüler und andere chemische Duftkeulen in großer Zahl.
    Letztlich hatte dm ja schon mit der vor Ewigkeiten (noch zu Schlecker-Zeiten) erfolgten Aufkündigung des Gebietsaufteilungsabkommens mit Rossmann und der seither betriebenen aggressiven Filialexpansion seine anthroposophischen Wurzeln gekappt. Das ganze Nachhaltigkeitsgeklingel ist seither mehr Wohlfühltheater als echtes Bestreben.
    Dass dm mittlerweile recht offensiv davon abrückt, passt leider in die Zeit und die gesellschaftliche Entwicklung des immer stärker schambefreiten Egoismus. Klimaschutz ist over, die breite Masse will einfach weiter hemmungslos konsumieren, solange es noch geht – und das ohne schlechtes Gewissen.

  • dm hat meiner Meinung nach, bedauerlicherweise längst die Werte und damit die Seele des Unternehmens und besonders die von Götz Werner verkauft. Das fängt damit an, dass man auch bei den Eigenmarken vor Shrinkflation definitv nicht (mehr) zurückschreckt, besonders gerne zu Greenwashing greift und hört bei Gerichtsprozessen gegen eigene Mitarbeiter/BR auf. Sicher „tut“ dm im Vergleich zu den Wettbewerbern im Sozialen und Umweltbereich mehr, vieles dürfte davon aber letztendlich auch nur Marketing sein. Hygienepapiere und andere Produkte (die nach außen hin fast immer im Sinne der „Nachhaltigkeit“)bis zur Unbrauchbarkeit „optimiert“ werden. Das spiegelt sich auch zunehemend in den Bewertungen auf dem Onlineshop wider. (beispielsweise habe ich noch nirgendwo schlechtere Feuchte Toilettentücher als die von Sanft und Sicher vorgefunden und in den Bewertungen schreiben das sehr viele auch so)Zudem werden Produkte als „neu“ relauncht und haben dann plötzlich weniger Inhalt, so umgeht man elegant das „nicht erhöht seit“ auf dem Preisschild und kann damit weiterwerben. Man erinnere sich im Vergleich dazu daran, als vor einigen Jahren Colgate Palmomive in der Dentagardzahncreme den Inhalt reduzierte und dm öffentlichkeitswirksam das Produkt ausgelistet hat. Auch dass man bei dm ja angeblich nicht möchte, dass sich Kundschaft bevorraten muss, kann man mit dem Launch von derart vielen Limited Editions quer durch das ganze Sortiment nicht mehr Ernst nehmen. Der damit verbundene Hype auf Socialmedia erinnert schon wirklich an Fastfashion.
    Weiterhin finde ich, dass sich das Klima in vielen Filialen zwischen den Beschäftigten untereinander deutlich ins negative gewandelt hat. So habe ich schon öfter mitbekommen, wie sich untereinander lautstark über das zusammenstellen für Click&collectbestellungen oder über die Passfotofunktion beschwert wird.
    Kürzlich bin ich Zeuge davon geworden, wie eine (vermutlich) Filialleiterin eine ältere Mitarbeiterin derat unangebracht und vor den anderen Kunden an der Kasse wegen einer vermeintlcieheb Falschplatzierung von Adventskalendern „runtergeputzt“ hat. Selbst bei Discountern habe ich schon seit Jahren nicht mehr einen derartigen Umgangston (zumindest vor den Kundinnen und Kunden) erlebt.

    • Gibt’s ein, zwei konkrete Beispiele zu den Produkten, die als „neu“ relauncht werden und dann plötzlich weniger Inhalt haben?

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