„Welten“ statt Läden: Wie Edeka seine Ambitionen im Fachhandel heimlich wieder einkassiert hat

„Welten“ statt Läden: Wie Edeka seine Ambitionen im Fachhandel heimlich wieder einkassiert hat

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Mit Budni und Naturkind wollte Edeka vor der Pandemie zu einer festen Größe im deutschen Bio- und Drogeriefachhandel werden, setzte dafür auf das Engagement seiner Kaufleute – und scheiterte. Jetzt sollen die Formate als Shop-in-Shop-Flächen bestehenden Supermärkten neue Impulse geben.

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Wenn Sie ein Zauberer, um Sie in seine Show zu locken, mit dem Versprechen ködert, er könne sich vorstellen, darin einen Elefanten aus seinem Hut zu zaubern, dann ist das eine sehr, sehr interessante Ankündigung; und falls es nachher nur für ein Kaninchen reicht: ernüchternd. Vor allem, wenn der Zauberer sich partout nicht mehr daran erinnert, stattdessen ein Tier mit Rüssel versprochen zu haben.

Ungefähr so ist das Edeka-Vorhaben gelaufen, in Deutschland zum Bio- und Drogeriefachhändler aufzusteigen.

Dabei ging vor vier, fünf Jahren alles so vielversprechend los, spätestens als Edeka-Vorstandschef Markus Mosa gegenüber der Nachrichtenagentur dpa genau das ankündigte: Mit Budni wollte Edeka dm, Rossmann und Müller deutschlandweit Drogeriemarktkundschaft streitig machen und kündigte „mittelfristig“ 50 neue Filialen pro Jahr an; mit dem selbst entwickelten Fachmarktkonzept Naturkind sollten gleichzeitig Bio-Fans von Alnatura, Denn’s und Co. weggelockt werden.

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„Dies ist der richtige Weg, weil Kunden bestimmte Sortimente in Fachmärkten suchen“, erklärte Mosa damals.

Nicht richtig in Fahrt gekommen

Im Edeka-Geschäftsbericht 2019 hieß es, man wolle den eigenen Kaufleuten „kontinuierlich neue Optionen für Wachstum und Diffe­renzierung (…) erschließen“: u.a. durch die „Entwicklung zeitgemäßer Vertriebsformate“, „auch jenseits des klas­sischen Vollsortimentsgeschäfts“. Und dpa ordnete ein:

„Das Wachstum durch Neueröffnungen ist wichtig für Edeka, weil das Bundeskartellamt dem Handelsriesen angesichts seiner ohnehin dominanten Marktposition kaum noch Spielräume für Zukäufe lässt. Außerdem ist Edeka im Gegensatz zu den international agierenden Konkurrenten wie Rewe, Aldi, Lidl oder dm nur im deutschen Markt aktiv. Wenn er seine Marktstellung nennenswert ausbauen will, muss der Handelsriese deshalb neue Geschäftsfelder etwa im Bio- oder Drogeriemarktbereich erschließen.“

Dass das nicht wie ursprünglich geplant klappen würde, hatte sich schon längere Zeit abgezeichnet: Budni expandiert zwar, aber vor allem in Hamburg und Berlin mit seinem ursprünglichen Betreiber, der Familie Wölke; die wenigen Edeka-Kaufleute, die eigene Budnis eröffneten, haben sich damit wieder zurückgezogen (siehe Supermarktblog).

Zur gleichen Zeit ist Naturkind – vermutlich auch wegen der Krise im Biofachhandel – gar nicht erst richtig in Fahrt gekommen. Den sehr sehenswerten Pilotmarkt in Hamburg-Altona (siehe Supermarktblog) gibt es weiterhin; Kund:innenberichten zufolge hat dort aber die Bedientheke, ursprünglich ein zentraler Baustein des Konzepts, inzwischen geschlossen.

Die einzige weitere Neueröffnung folgte im Vertriebsgebiet der Edeka Südbayern Ende des vergangenen Jahres am Münchner Stadtrand, wo Naturkind auf die Fläche zog, auf der Edeka-Kaufmann Wolfram Niggel zuvor einen regulären Supermarkt betrieben hatte (der inzwischen umgezogen ist).

Da waren’s nur noch drei

Die anderen beiden Naturkind-Märkte bestanden bereits zuvor und wurden lediglich umgeflaggt: in Dinkelsbühl (ehemals „Grüne Emma“); und in Heilbronn (ehemals „Biorübe“) – wobei letzterer offensichtlich inzwischen geschlossen worden ist: Der bisherige Link zur Website läuft bei Edeka Ueltzhöfer ins Leere:

„SEITE NICHT GEFUNDEN – Der Aufruf der Seite https://mein-ue.de/de/biomarkt-naturkind hat zu diesem Fehler geführt.“

Hat Edeka seine so kämpferisch angekündigte Expansion mit Fachmärkten also heimlich, still und leise wieder einkassiert?

„Stand-Alone-Fachmärkte, betrieben von selbstständigen Kaufleuten, sind für beide Vertriebslinien weiterhin möglich“,

erklärt eine Sprecherin der Hamburger Edeka-Zentrale auf Supermarktblog-Anfrage. Eine konkrete Planung scheint es dafür aber nicht mehr zu geben (oder man kommuniziert sie nicht). Die Schwerpunktsetzung ist inzwischen eine andere, wie sich auch an den Edeka-Geschäftsberichten ablesen lässt.

2019 hieß es noch:

„In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Fachhändler für spezielle Sortimente des täglichen Bedarfs fest in Deutschland etabliert. (…) Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, dass auch der EDEKA-Verbund sein Engagement im Fachhandel verstärkt.“

2020 versicherte man:

„Der EDEKA-Verbund investierte auch 2020 in die Weiterentwicklung seiner Fachmarktkonzepte – mit der klaren Zielsetzung, zusätzliche Wachstumspotenziale für den selbstständigen Einzelhandel zu erschließen.“

„Shop-in-Shop“ statt „Stand-alone“

2021 stand für Naturkind dann aber bereits das neue „Shop-in-Shop-Modul für unsere Kaufleute“ im Fokus – „zusätzlich zu den Stand-alone-Standorten“, wie Claas Meineke, Vorstand Marketing und Vertrieb in der Edeka-Zentrale, versicherte. Dazu hieß es:

„Als gesondert separierte Bereiche innerhalb eines Super- oder Verbrauchermarkts sprechen sie neue, Bio-affine Kund:innen an und erleichtern ihnen den Zugang zu Bio-Fachhandelsmarken sowie vielen weiteren hochwertigen Bio-Produkten aus allen Sortimentsbereichen.“

(Die Zielgruppe ist also eine andere: nicht Kund:innen, die schon im Fachhandel kaufen, sondern solche, die sich vorstellen können, mehr Bio im regulären LEH zu kaufen.)

Im aktuellen Bericht fokussiert man sich nun endgültig auf die „NATURKIND-Welten in neuen und bestehenden EDEKA-Vollsortimentsmärkten“:

„Zum Frühjahr 2023 sind es bereits 50 NATURKIND-Welten, zahlreiche weitere sind in Planung.“

50 Naturkind-„Welten“ in regulären Supermärkten zählt Edeka bislang in Deutschland; Foto: Edeka

Wieviele genau, will Edeka auf Anfrage nicht sagen: man werde „aus Wettbewerbsgründen keine näheren Details zu unseren Planungen bekannt geben“. Gleichzeitig versucht man Naturkind weiterhin als Bio-Eigenmarke in den eigenen Handelsformaten zu etablieren; auch das scheint aber – zumindest im Discount – nicht ganz so zu laufen wie erhofft (siehe Supermarktblog).

Budni aus der Box

Zusätzlich zu den „Naturkind-Welten“ hat Edeka kürzlich ein weiteres Shop-in-Shop-Format gestartet: die „Budni Beautybox“. Eine erste eröffnete kürzlich im E-Center Villingen-Schwenningen, eine zweite folgte im Marktkauf Senden, weitere sechs Eröffnungen sollen noch dieses Jahr folgen, in der Regel „auf Flächen von bis zu 250 Quadratmetern“ mit bis zu 8.500 Artikeln mit dem Fokus auf Körperpflegeprodukte samt Budni-Eigenmarken. Dazu heißt es von Edeka:

„Die budni beautybox ergänzt die Expansion des Filialnetzes in den Metropolregionen Hamburg und Berlin. Nach einer erfolgreichen Pilotphase in der gesamten Region Südwest kann das Konzept perspektivisch auch überregional ausgeweitet werden.“

Budnis „Beautybox“ im regulären E-Center; Foto: Edeka

Vom Plan, dank des Engagements und des Know-Hows der Edeka-Selbstständigen selbst eine starke Kraft im Fachhandel zu werden, ist inzwischen keine Rede mehr. In Hamburg versucht man das positiver zu formulieren und erklärt:

„Ja, es ist richtig, wir sehen in unseren Shop-in-Shop-Fachmarktkonzepten großes vertriebliches Potenzial für unsere EDEKA Super- und Verbrauchermärkte.“

Und das mag ja zutreffen und realistisch sein. Es ist aber auch das Eingeständnis, mit den noch vor wenigen Jahren hochtrabend formulierten Kampfansagen an Wettbewerber im Bio- und Drogeriefachhandel endgültig (und gegen die eigene Selbstüberzeugung) mit der bisherigen Wachstumsstrategie gescheitert zu sein. (Nur dass man das nicht so offen zugeben mag wie Rewe, das sich 2017 vollständig von seinen Bio-Fachmarktambitionen mit Temma getrennt hatte.)

Ein neuer Expansionsplan muss her

Das ist schade, weil ein Edeka-Erfolg im Bio- und Drogeriefachhandel ja auch neue Akzente hätte setzen und auch bei anderen Marktteilnehmern Innovationen hätte anstoßen können. Vor allem bedeutet es aber, dass Edeka aktuell ohne konkreten Expansionsplan im stationären Handel dasteht, weil die dpa-Analyse von 2019 weiterhin gilt:

  • Edeka ist schon so groß, dass das Kartellamt weitere Übernahmen kaum erlauben wird (erst recht nicht, nachdem zwischenzeitlich mehrere Ex-Real-Märkte dazu gekommen sind).
  • Und außerhalb Deutschlands ist Edeka im stationären Handel nicht aktiv.

In Hamburg wird man sich nach einer anderen Strategie umsehen müssen, um überhaupt noch wachsen zu können – und das bedeutet: sich entweder an einer Abenteuerexpansion ins benachbarte Ausland versuchen; oder – Himmel hilf! – im Online-Lebensmittelhandel.

Dass die Edeka-Beteiligung Picnic die Expansion ihres Lieferdiensts in Deutschland seit kurzer Zeit so massiv forciert (siehe Exciting Commerce), dürfte vermutlich kein Zufall sein. Denn Marktanteile im wachsenden Online-Lebensmittelhandel zu gewinnen, kann Edeka so schnell ja keiner verbieten. (Wie die selbständigen Kaufleute darauf reagieren, ist eine andere Sache.)

Immerhin war’s nicht langweilig

Ob es denn nicht schwer werde für ihn und seine Kolleg:innen, sich in einem ganz anderen Geschäftsfeld gegen etablierte Konkurrenz durchzusetzen, hatte die „Lebensmittel Zeitung“ 2019 den Edeka-Kaufmann Uwe Kohler gefragt, Aufsichtsratsvorsitzender der Edeka Südwest und engagierter Ladenbetreiber, der fest an den Erfolg der neuen Formate glaubte:

„Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir das nicht könnten? (…) Natürlich müssen wir dazulernen. Aber wir Kaufleute lieben doch gerade solche Herausforderungen, sonst wird uns langweilig.“

Und wenn das die Messlatte ist, dann darf immerhin das von Kohler damals genannte Ziel als erreicht gewertet werden. Denn langweilig war Edeka mit seiner 180-Grad-Kehrtwende in den vergangenen vier Jahren ganz bestimmt nicht. (Auch wenn sich der versprochene Elefant in diesem Zuge längst als handelsübliches Kaninchen entpuppt hat.)

Oder wie es derzeit in der Edeka-eigenen Werbung heißt:

Ausriss: „Bild am Sonntag“

Danke an Boris!

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2 Kommentare
  • Wer schon fürs simple Wochenprospekt dreist (nur *gähn* etwas verdenglisht) die altbekannte FAZ-Werbung klauen muss, hat ganz offensichtlich nicht so viele Innovationen auf Lager.

  • Das einzig andere Fachmarktkonzept, mit dem die Edeka jenseits LEH ist ist wohl Trinkgut, wie Picnic forciert von RheinRuhr, Trinkgut wird inzwischen in Südwest an die Kaufleute gegeben und expandiert. Komplett neu aufgelegt und auf Expansion ist Trinkgut in Südbayern an den Start gegangen. Wenn man sich die von Rhein Ruhr betreuten Bestandsmärkte ansieht wäre eine Expansion in Minden zu erwarten.

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