Zweiter Pilotmarkt in Darmstadt: Rewe und die Grenzen des neuen Center-Konzepts

Zweiter Pilotmarkt in Darmstadt: Rewe und die Grenzen des neuen Center-Konzepts

Inhalt:

Vor anderthalb Monaten hat Rewe seinen zweiten Center-Pilotmarkt eröffnet und gerät damit schon in die Bredouille. Ist das neue Großflächenkonzept nur was für die ganz großen Großflächen?

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„Mach Deinen Einkauf zum Erlebnis“, schrieb Marktleiter Klaus Schneider seinen Kunden Ende November im schicken neuen Werbeprospekt und versprach einen kleinen Reigen an Lebensoptimierungen, wenn man ihn mal in seinem wiedereröffneten Laden besuchen würde:

„Freu Dich darauf, Dein Leben bunter, frischer und geschmackvoller zu machen. Freu Dich auf neue Inspirationen. Freu Dich auf Deinen Einkauf!“

Rewe Center in Darmstadt

Er hätte noch weiter texten können: Freu dich auf ungewöhnliche Eindrücke! Auf Hindernisse, die Deinen Einkauf zum Abenteuer machen! Auf spannende Expeditionen nach Lebensmitteln, die wir für dich aufwändig eingekorbt und im Laden versteckt haben! Freu Dich auf die Wiederentdeckung deines Spürsinns!

Vor anderthalb Monaten hat Rewe seinen zweiten Center-Pilotmarkt eröffnet. Er steht in Darmstadt, war – wie der erste – früher mal ein Toom und ist vielleicht die Antwort darauf, was in Zukunft mit den ganz, ganz großen Flächen im Konzern passieren soll. Auf den ersten Blick sieht alles so aus wie im nur wenige Kilometer entfernten Egelsbach: Der umgebaute Markt leitet seine Kunden auf einem vorgegebenen Weg vom Bistro zu den Kassen, SB-Warenhaus-typische Produkte (Küchenutensilien, Elektronik, Klamotten) sind auf einer großen, separat gestalteten Fläche in der Marktmitte hervorgehoben und sind bis zum Schluss immer im Blickfeld. Das Center legt großen Wert auf Lebensmittel „aus eigener Herstellung“, und am Eingang hängen Porträts lokaler Landwirte, deren Ernten es im Laden zu kaufen gibt. (Mehr zum Thema steht hier im Supermarktblog.)

Plan des neuen Rewe-Center in Darmstadt

Das Center ist deutlich moderner als die übrigen Märkte, die Rewe standardmäßig in die Landschaft klotzt. Vor allem aber zeigt es schon jetzt eindrucksvoll, wo die Grenzen des neu entwickelten Konzepts liegen.

Dass die Service-Shops (Apotheke, Lotto & Schreibwaren, Friseur) nicht so schick in den Markt hineinragen wie in Egelsbach, sondern hinter den Kassen in die Wand gedrückt sind, ist gar nicht mal weiter schlimm. Das Problem ist eher der Platz im Markt. Nach dem ersten Test vor einem Jahr hat Rewe in Darmstadt bereits einige Änderungen umgesetzt. Die auffälligste ist, dass Obst und Gemüse und Frischetheken nicht mehr am Anfang beim Bistro zu finden sind, sondern am Marktende, also sozusagen auf halber Wegstrecke.

Für die Bäckerei gilt das – als einziges – nicht. Die steht Seite an Seite mit der Bistrotheke, an der Rewe traditions- und vor allem fettreiche Mittagsspeisen zu Restaurantpreisen an die Kunden austeilt.

Bistro im Darmstädter Rewe-Center

Es erlaubt aber immerhin einen entspannten Start in den Einkauf. (Ganz bestimmt steckt ein ausgefeiltes Marktforschungsergebnis hinter der Taktik, den ausgerechnet mit einer riesigen Süßwarenabteilung beginnen zu lassen; unten leider nicht im Bild.)

Eingangsbereich im Rewe-Center Darmstadt

Die Nicht-Backwaren-Frische ans hintere Ende zu verlegen wäre an sich auch kein Problem, macht Konkurrent Real ja so ähnlich. Allerdings verursacht Rewe mit seinem Marktstand-Prinzip da hinten ein ordentliches Chaos. Fisch- und Fleischtheke sind (wie im Toom vorher) zwar an der Stirnseite des Marktes geblieben, und die Käsetheke steht gegenüber direkt im Markt, wo sich die Verkäuferinnen künftig von allen Seiten beim Zuschneiden und Saubermachen zusehen lassen müssen.

Käsetheke im Rewe-Center Darmstadt

Am großen Durcheinander dazwischen sind vor allem die Regale, Metalltruhen, Holztheken, Flechtkörbe, Gemüsekisten (mit und ohne Flechtverzierung), Kühlaufbauten und Plastikpaletten für Obst und Gemüse schuld.

Obst- und Gemüse-Abteilung im Rewe-Center Darmstadt

Ähnliche Lebensmittel lagern dort an unterschiedlichen Stellen, Bio ist noch mal woanders, und über der Insel mit den regionalen Lebensmitteln ist ein derart dichter Schilderwald gewachsen, dass die Lebensmittel darunter fast zu übersehen sind; wer einfach nur eine Orangen, Paprika oder Salat kaufen will, spaziert mit etwas Pech einmal über die komplette Marktbreite, um auch zu finden, was er sucht; und wieder zurück. Eine klare Einteilung fehlt völlig.

In der „Schnippelküche“ gibt es nicht nur geschnippeltes, sondern auch ungeschnippeltes Obst, aber offensichtlich nur zur Dekoration, weshalb keine Preise dranstehen, was doof ist, wenn man eigentlich bloß eine Ananas kaufen will, aber die sonst nirgends findet. In der Truhe mit der Überschrift „Eigene Herstellung“ lagern Ende Dezember: Kirschen, Erdbeeren und getrocknete Früchte. Könnte also sein, dass, die gar nicht „Hausgemacht! Direkt hier im Markt“ sind – sondern bloß: dass zu wenig Platz war, sie woanders unterzubringen.

Dieses Problem hat das neue Rewe Center gleich an mehreren Stellen. Die usrprünglich klar gegliederten Flure und Freiflächen sind allesamt zugeramscht mit Aufstellern, Kartonstapeln, Aktionspaletten. Mag sein, dass das daran gelegen hat, dass ich kurz vor Weihnachten dort einkaufen war – andererseits hatte das Center da ja gerade einmal vier Wochen offen. Wenn ein Markt in so kurzer Zeit nach der Eröffnung schon komplett produktverbarrikadiert ist, stimmt was Grundlegendes nicht.

Zugestellte Flächen im Rewe-Center Darmstadt

Offensichtlich ist Rewes neues Großflächenkonzept (Entwicklung: Interstore) nur für große Großflächen ausgelegt, und nicht für kleiner Großflächen. Jedenfalls nicht, um dort alles unterzubringen und noch genügend Platz für lustige Fertigknödel-Tischinszenierungen zu haben.

Einkaufsdekoration im Darmstädter Rewe-Center

68.000 Produkte gibt es der Lokalzeitung zufolge im Darmstädter Center zu kaufen, im Vergleich zum Egelsbacher Pilotmarkt ist die Verkaufsfläche aber deutlich kleiner: 6500 Quadratmeter statt 8200. (Angaben schwanken zwischen 8100 und 8300 qm.) In ehemaligen Toom-Märkten, die weniger praktisch geschnitten sind oder noch kleiner, könnte das zu einem großen Problem werden – weil das Konzept dann, ohne dass Rewe es drastisch abspeckt, überhaupt nicht mehr umsetzbar wäre.

Shop-in-Shop-Prinzip im neuen Rewe-Center-Konzept

Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Markt im Vergleich zum vorher auf derselben Fläche beheimatete Toom eine deutliche Verbesserung ist: angenehmer eingerichtet, mit zeitgemäßen Shop-in-Shops (Butlers hat wieder eine Fläche für Küchen- und Dekoartikel gemietet, Ernstings Family ist mit dabei, außerdem die Telekom), und das wöchentliche Werbeprospekt ist grundlegend renoviert worden.

Nur zur Erinnerung, so sah es dort vor dem Umbau aus (Bild vom Frühjahr 2013):

Früherer Toom-Markt in Darmstadt

Allerdings macht Rewe die vielen positiven Eindrücke, die Kunden aus dem neuen Bummel-Supermarkt mit nachhause nehmen könnten, durch das ärgerliche Kistenchaos und die kaputte Kundenführung gleich wieder zunichte.

Vor einigen Wochen erklärte Rewe auf meine Anfrage, wie die Resonanz auf die Modernisierung ausgefallen sei, man sei „mit der Entwicklung des Rewe Center in Egelsbach nach der Umstellung auf das neue Großflächenkonzept hoch zufrieden“. Die Weiterentwicklung in Darmstadt sei „dann wieder Basis für die konzeptionelle Weiterführung“. Hoffentlich eine, die das Platzproblem in den Griff kriegt. Weil der versprochene Erlebniseinkauf sonst nämlich beim Einkaufswagenzusammenstoß mit dem nächsten Kistenstapel endet.

Fotos: Supermarktblog

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15 Kommentare
  • Scheint so als hätte die REWE-Gruppe kaum ein Jahr nach Abschaffung der Marke toom das Konzept zumindest teilweise an die Wand gefahren. Das passiert also, wenn man eine Mischung aus dem für einen Supermarkt komplett unpassenden „IKEA-Du“ und EDEKA-Marktkonzept zusammenbraut um irgendwie in der SB-Warenhaus-Branche noch Fuß zu fassen, nachdem man toom jahrelang verkommen ließ bis die Märkte noch schlimmer aussahen als die nicht-umgebauten Hardcore-real-Märkte. Traurig, dass ein schickes Konzept (siehe Engelsbach) schon beim zweiten Markt nicht mehr passt, was soll so aus den 50 weiteren ehemaligen toom-Märkten werden? Außerdem wird allein schon der Name „REWE CENTER“ dadurch vollkommen ad absurdum geführt, dass auch normale Standard-REWE-Märkte neuerdings diesen Namen tragen wollen und dürfen, die aber mit SB-Warenhäusern so wenig zu tun haben wie REWE mit einem Möbelhaus (z.B. der Kaufmann-REWE „REWE CENTER Steffens“, 41812 Erkelenz). Außerdem wurde der Markenname 2006 abgeschafft, jetzt ist er wiederauferstanden und geistert durch die REWE-Gruppe.

    • Ich glaub, da ist noch nix an die Wand gefahren, Rewe muss halt schauen, was wichtiger ist bei kleineren Märkten: die Produktauswahl oder das Ambiente – und am besten einen Mittelweg finden. Durch eine Anpassung des nicht essbaren Teils des Angebots wäre das ja auch machbar.

    • 10 Artikel pro Quadratmeter sollten eigentlich kein Problem sein. Es ist halt mehr Aufwand, wenn pro Artikel weniger Regalfläche zur Verfügung steht.

  • Im Großen und Ganzen finde ich das Rewe Center in Darmstadt gut gelungen, und viele Kritikpunkte im Beitrag kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht liegt es daran, dass ich regelmäßig in diesem Landen einkaufe, aber das Suchen von Artikeln kommt bei mir nicht vor. Auch hätte der Autor ruhig mal mit Angestellten der kritisierten Käsetheke sprechen sollen. Von denen hört man eigentlich nur positives über ihren neuen Arbeitsplatz. Richtig und verbesserungswürdig ist das unsägliche vollstellen der Hauptwege, und auch die abgehackten Wurst- und Fleischtheken sorgen ab und an für Verwirrung, weil nicht klar ist, welcher Kunde denn nun „der Nächste“ ist, aber ansonsten ist das Rewe Center in seiner neuen Form sehr gelungen.

  • Warum wird hier von Pilot Märkten geredet? Rewe Center gibt es doch schon länger! In Bremen seit der Übernahme von Extra und ebenfalls in Bad Zwischenahn. Wir bekommen mittlerweile 3 verschiedene Prospekte Rewe, Rewe Center und Rewe City, wobei letzteres mehr ein Blatt ist.

    • Ich krieg nur City, obwohl ich auch einen Rewe (ohne City) im fußläufigen Bereich hab (1 km) und zusammen mit Rewe (mit City) auch Penny kommt, der im selben Gebäude wie der Rewe (ohne City) ist. Ganz dünn ist der City-Prospekt nicht. Die Angebote sind aber eh gleich, soweit der Artikel im Sortiment ist. Neuerdings sind übrigens manchmal sogar halbwegs billige Sachen drin.

  • Okay! Hatte mich nur gewundert, weil hier das Rewe Center schon Ewigkeiten steht und sich in einigen Artikel nur vom Preis unterscheidet und man in unserer Region das Gefühl hat Rewe ist stehen geblieben, während Edeka nicht nur Neueröffnungen feier, sondern auch ordentlich umbaut und Modernisiert. Mittlerweile haben wir nur noch einen Spar Markt, alle anderen sind Edeka und wirklich gut geworden. Hoffe ich mal, das der eine oder andere Trend von Rewe auch zu uns kommt.

  • Ich muss hier meinem Vorredner Ch. Bergoint zustimmen – auch ich kann viele in dem Artikel genannte Kritikpunkte nicht nachvollziehen und bin sehr erfreut, dass wir nun innerhalb eines Jahres schon zwei nagelneue Rewe-Center in einem Umkreis von 15 Kilometern als Einkaufsmöglichkeiten erhalten haben. Dass der Markt in der Vorweihnachtszeit etwas vollgestopft war, muss ich bestätigen – mittlerweile ist da wieder ein Normalzustand eingekehrt. Wobei man auch hier hinsichtlich engen Gängen differenzieren muss: wer seine Einkäufe ab und zu im Kaufland-Markt im nahegelegenen Weiterstadt tätigt, wird sich hinsichtlich Platz in den Gängen selbst bei einem „vollgestopften“ Rewe-Center wie im Paradies vorkommen. Auch wenn der Markt in Egelsbach in der Tat etwas besser (weil größer, das beschreibt der Artikel sehr gut!) geworden ist, lässt sich wohl doch sagen, dass das Rewe-Center nun Darmstadts modernster und gelungenster Supermarkt ist.

  • So, nun haben wir es auch mal geschafft, den Markt in Darmstadt zu besuchen. Gleich zu Beginn als positiv empfanden wir die helle und geräumige Tiefgarage, weil es am Samstag Schnee-Regen in Hülle und Fülle gab.
    Drinnen gab es nette Ecken mit ein paar guten Einfällen. Allerdings kannten wir einiges vom Globus, so zum Beispiel die Torte-to-go (geschichtet im Becher) für einen Euro. Oder das Mettbrötchen mit Zwiebeln oder die Bratwurst im Brötchen für einen Euro.
    Die Rezepte-Bar haben wir dann ausgiebig genutzt und uns ein paar Rezepte ausgedruckt, war ob des normalerweise vorherschenden Vandalismus an solchen technischen Geräten sehr gut funktionierte.
    Die Frische-Theken am Ende des Marktes gefielen uns sehr, sie waren locker-flockig gestaltet und luden zum Shoppen ein. Als wir dann noch eine Flasche Vorzugsmilch entdeckten, kam Begeisterung auf.
    Diese Begeisterung war dann aber ein paar Meter weiter zu Ende. Unser Rundgang endete in einem hellen, farblich und auch sonst nicht zum Rest des Marktes Drogeriebereich. Eine Wand versperrte auch den Weg gerade aus. Wir standen etwas ratlos in der Gegend herum, bis wir den Weg weiter zu der TK-Abteilung fanden.
    Anzuerkennen ist die frische, neue Art Waren zu präsentieren. In weiten Bereichen des Marktes herrscht eine angenehme Atmossphäre, die zum Schlendern und Entdecken einlädt. Allerdings ist das Konzept wie der Drogeriebereich zeigt, nicht konsequent zu Ende geführt worden.
    Die Käsetheke ist dabei aber als Highlight zu nennen, nicht ohne aber die Käsetheke mit der vom Globus zu vergleichen, die nochmal einen Ticken besser ist. Angenehm war auch, dass die Gänge im Gegensatz zum Blogbeitrag hier nicht mit Ware vollgestellt war. Allerdings gibt es gestaltete Ecken, die sind nicht für die Begehung mit dem Einkaufswagen geeignet.
    Fazit: Ein modernen, grundweg angenehmer REWE, bei dem wir, wenn wir um die Ecke wohnten, öfter einkaufen gingen.

  • Da fehlte was…

    Diese Begeisterung war dann aber ein paar Meter weiter zu Ende. Unser Rundgang endete in einem hellen, farblich und auch sonst nicht zum Rest des Marktes *passenden* Drogeriebereich.

  • Alles gut und schön. Ich gehe oft und gerne einkaufen, aber in diesen neugestalteten Rewe-Centern fühle ich mich hoffnungslos verloren.
    Die sind zwar schmuck ausgestaltet – keine Frage – aber nicht zum „Nur-Einkaufen“ geeignet.
    …und seit ich vor ein paar Wochen zum ersten Mal im Edeka Scheck-In Center im Frankfurter Ostend war, möchte ich eigentlich nur noch dort einkaufen; leider ist das ein bisschen zu weit entfernt für den regelmäßigen Einkauf.

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