Zwei Jahre nach dem Start: Die sieben bemerkenswertesten Probleme von Amazon Fresh in Deutschland

Zwei Jahre nach dem Start: Die sieben bemerkenswertesten Probleme von Amazon Fresh in Deutschland

Inhalt:

Amazons Lebensmittel-Lieferdienst punktet mit Flexibilität, Service und pünktlicher Zustellung. Mit der kontinuierlichen Anpassung an die Kundenbedürfnisse tut sich Fresh aber immer noch erstaunlich schwer.

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Als der Start von Amazon Fresh den deutschen Lebensmitteleinzelhandel vor zwei Jahren kurzzeitig aus seinem Dornröschenschlaf riss, war das trotz der eschatologischen Begleitberichterstattung vieler Medien noch lange kein Grund, an eine Marktrevolution zu glauben. Weil Amazon – allen Erfahrungen aus den USA zum Trotz – auf diesem Gebiet immer noch ein ziemliches Greenhorn war. Und im größten (bzw. vielleicht kompliziertesten) europäischen Markt für den Handel mit frischen Lebensmitteln ziemlich viel würde dazu lernen müssen (siehe Supermarktblog).

24 Monate später steht fest: Das Gespenst hat sich beim Erschrecken nicht mal richtig angestrengt.

Zumindest liegt diese Bilanz nahe, wenn man sich ansieht, wie Amazon den Dienst seit dem Deutschland-Start weiterentwickelt hat: quasi gar nicht. Als die FAS vor zwei Monaten den hiesigen Amazon-Chef Ralf Kleber interviewte (Paywall), lauteten Schlagzeilen zwar: „Amazon Fresh will in Zukunft deutschlandweit frische Lebensmittel liefern“. Dabei dürfte es sich bloß um ein Missverständnis gehandelt haben.

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Etailment fasste damals treffend zusammen:

„Falls Sie jetzt rund um Amazon und den Lebensmittel-Onlinehandel Schlagzeilen lesen, die nach Abteilung Attacke klingen und sich dabei auf das Interview mit Deutschland-Statthalter Ralf Kleber in der FAS (…) berufen, dann dampfen Sie das ein bisschen ein. Wie immer sagt Kleber mit der üblichen waghalsigen Undeutlichkeit nur, dass man weiter am Thema Lebensmittel dran sei. Gegenwärtig dreht sich Amazon dabei aber ziemlich auf der Stelle.“

Der folgende Text ist eine ausführliche Zusammenfassung dieses Ziemlichenaufderstelletretens.

Problem 1: Fehlende Personalisierung

Mit der Ankündigung „Fleisch und Fisch für Ihr Osteressen“ empfahl mir Amazon Fresh per Newsletter rechtzeitig vor den Feiertagen kürzlich ein paar besondere Spezialitäten, nach Ostern außerdem den neuen „Fleisch-Produktfinder“ („Jetzt ausprobieren“), später nochmal den „Kabeljau des Monats“. Und das wären ja auch alles hervorragende Hinweise – wenn Amazon nicht eigentlich wüsste, dass ich in meinen bislang 45 Fresh-Bestellungen in zwei Jahren noch kein einziges Mal Fleisch oder Fisch bestellt habe.

Man braucht keinen besonders ausgeklügelten Algorithmus, um daraus abzuleiten, dass ein Kunde mit diesem Bestellprofil vermutlich keine Angebote für Schweinemedaillons, Filetsteak vom Rind und Bio-Hähnchen benötigt, sondern – andere.

Für die regelmäßig ins E-Mail-Postfach geschickten Newsletter bleibt dieses aus der Bestellhistrie abeleitbare Wissen jedoch ungenutzt – ausgerechnet beim Big-Data-Spezialisten, über dessen Kernkompetenzen Deutschland-Chef Kleber (in einem Interview vom Mai 2016) sagte:

„Es hilft natürlich ungemein, 300 Millionen aktive Kunden zu haben, die sich in deinem Shop bewegen und ständig Signale geben.“

Außer natürlich, man entscheidet sich, diese Signale konsequent zu ignorieren. Nach zwei Jahren scheint es Amazon immer noch nicht geschafft haben, die Wochenempfehlungen für Fresh-Kunden zu individualisieren und schickt weiterhin offensichtlich duchstandardisierte Newsletter, noch dazu mit völlig nichtssagenden Allgemeinversprechen („Entdecken Sie unsere häufig wechselnden Angebote“???).

Die Empfehlungen auf der Fresh-Website scheinen dagegen tatsächlich auf den zuvor getätigten Einkäufen zu basieren. Sie sind deswegen aber nicht wesentlich besser. Aktuell „empfiehlt“ mir Amazon, doch mal frisches Gemüse und Bio-Dosenmais zu bestellen.

Fresh galt lange auch deshalb als Angstgegner klassischer Supermärkte, weil Amazon im Ruf stand, sein ohnehin schon großes Wissen über die Konsumgewohnheiten regelmäßiger Kund:innen durch den wöchentlichen Lebensmitteleinkauf noch vergrößern und verfeinern zu können.

Derzeit strengt sich das Unternehmen sehr an, von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen.

Problem 2: Vertauschte Priorisierung

Amazon wirbt mit „mehr als 100.000 Artikeln“, die auf der Fresh-Plattform für den „kompletten Wocheneinkauf“ verfügbar sind. Durch manche Produktkategorien kann man sich endlos durchscrollen. Dafür fehlen immer wieder (Frische-)Artikel, die es im Supermarkt um die Ecke ganz selbstverständlich zu kaufen gibt. Eine sichtbare Verbesserung des Angebots ist in den vergangenen Jahren nur sehr zögerlich erfolgt.

Zwar werden ständig neue Produkte ins Angebot aufgenommen – die Sortimentserweiterung scheint aber weniger kundengetrieben zu sein, sondern zielt eher darauf, Werbekostenzuschüsse von Markenartikelherstellern einzutreiben, die ihre Produkte auf der Fresh-Plattform unterbringen oder besser sichtbar machen wollen.


Screenshot: amazon.de

Gegenüber Herstellern listet Amazon z.B. (kostenpflichtige) Möglichkeiten für „Marketingplatzierungen“ auf, etwa das „Storefront Primary Placement“, das „Subcategory Primary Placement“ oder das „Subnavigation (Wayfinder) Fly-Out“. Markenprodukte können in der Menü-Übersicht „stellvertretend für eine gesamte Unterkategorie“ gezeigt werden; die Fresh-Startseite dient als „oberste Werbeflache“ für Partner, die „z.B. auf ein exklusives Produktsortiment“ hinweisen und neue Kund:innenen per „Product Sampling“ (kostenlose Produktzugaben) ködern wollen. „Samplings fördern effektvolle Kundenbindung“, erklärt Amazon dazu; „promotete Produkte steigen auch in der Suche nachhaltig“. Vor allem aber:

„Ihr Produkt gelangt in die Einkaufshistorie der Kunden.“


Screenshot: amazon.de

Ein „Sampling Paket Basic“ (mit „Marketingbox“ auf der Fresh-Startseite und einem „Hero Billboard“ auf der dazu gehörigen „Event-Seite“) kostete in der Vergangenheit bis zu 50.000 Euro. Bis zu 117.500 Euro wurden für ein „Sampling Paket Produkteinführung“ berechnet – zusätzlich zum Wert der kostenlos an Kund:innen ausgegebenen Ware, versteht sich.

Bezahlte Aktionen und Platzierungen gehören auch im stationären Handel zur Regel; Händler verdienen damit im Zweifel mehr als mit dem eigentlichen Verkauf der Produkte. Wie sehr Amazon bei Fresh aber von Anfang an auf Vermarktung drängte, anstatt zunächst ein für Neukund:innen ansprechendes Angebot zu gestalten, ist durchaus bemerkenswert.

Problem 3: Unübersichtliche Bestelllimits

Wie bei anderen Online-Lieferdiensten für frische Lebensmittel gibt es (inzwischen) auch bei Amazon Fresh Bestelllimits für bestimmte Artikel. Die Abgabe in „haushaltsüblichen Mengen“ ist nicht unüblich. Bei Fresh stolpert man als Kundin oder Kunde aber oft erst dann darüber, wenn man die Bestellung bereits abschließen und bezahlen will. Auf der Artikelübersichtsseite erscheint der rot eingerahmte Hinweis „Leider können wir nicht Ihre gesamte Bestellung versenden“, neben dem betroffenen Produkt der Hinweis:

„Die Abnahmemenge dieses Artikels ist leider begrenzt. Wir haben Ihre Stückzahl auf die maximal mögliche Abnahmemenge geändert.“

Leider scheint die erlaubte Stückzahl stark zu schwanken, nicht nur bedingt durch die reine Verfügbarkeit. Bei frischem saisonalen Obst und Gemüse wird die Bestellmenge vermutlich begrenzt, um den Artikel auch noch anderen Fresh-Kunden anbieten zu können. Auch bei rabattierten Angebotsartikeln kriegen Vorratskäufer schnell Grenzen aufgezeigt. Transparent dargestellt ist das im Einkaufsprozess aber nur selten. (Dazu kommt, dass im Einkaufswagen angezeigte Bestelllimits nicht immer mit denen in der Artikelübersicht übereinstimmen.)

Problem 4: Gescheiterte Lokalisierung

Zum Start bot Amazon Fresh-Besteller:innen an, zusätzlich zum klassischen Supermarkt-Sortiment auch Spezialitäten aus ausgewählten „Lieblingsläden“ zu liefern: Feinkostgeschäfte, Kaffee-Röstereien, regionale Produzenten. In Berlin standen zunächst 28 Partner in der Übersicht, und Florian Baumgartner, Director Amazon Fresh Deutschland, versprach im Interview mit „Zeit Online“:

„Wir glauben, dass unsere Kunden den Service schätzen werden, lokale Spezialitäten direkt an die Tür geliefert zu bekommen. Deshalb werden wir das Programm weiter ausbauen und neue Lieblingsläden aufnehmen (…).“

Das war schon ein Dreiviertel Jahr später Makulatur: Die meisten Partner hatten sich bereits zu Beginn des darauffolgenden Jahres schon wieder verabschiedet; vielen war der Aufwand angesichts der geringen Zahl an Bestellungen wohl zu groß (siehe Supermarktblog). Inzwischen sind die „Lieblingsläden“ in „Lokale Lieblinge“ umgetauft worden, in Berlin sind von einst 28 noch sieben Partner übrig (Lindner, Zeit für Brot, Nordsee, bjuice, Kochhaus, Sagers, Hussel); von einer Ausweitung des Angebots ist keine Rede mehr.

Amazon hat es versäumt, sich auf die Bedürfnisse der Partner einzustellen – und ihnen enge Vorgaben gemacht, anstatt sie dabei zu unterstützen, den für sie neuen Vertriebskanal so gut wie möglich zu nutzen. Damit hat Fresh einen seiner größten Vorteile gegenüber den Wettbewerbern achtlos verspielt.

Problem 5: Fehlendes Verpackungs-Know-How

„Amazon achtet darauf, Verpackung zu vermeiden und gleichzeitig die hohe Qualität der Produkte zu wahren. Die meisten Bestellungen liefert Amazon in wiederverwertbaren Papiertüten“,

versprach Fresh-Chef Baumgartner im Amazon-eigenen Blog. Aber in den wiederverwertbaren Papiertüten wartet ein kleiner Vorrat an Einwegverpackungen auf die auspackenden Kund:innen.

Während alle großen deutschen Handelsketten derzeit um die Vorrangstellung beim Abbau überflüssiger Verpackungen buhlen, geht Fresh den entgegengesetzten Weg. Frischware ist in Plastikschalen gepackt, die nicht nur unpassend und/oder zu groß sind (ovale Mangos in quadratischen Packbehältern?), sondern auch den eigentlichen Zweck verfehlen: den angemessenen Schutz beim Transport. Das dürfte auch daran liegen, dass Amazon seine Lieferanten mit dem Problem alleine lässt, obwohl die meisten ja auch keine Spezialisten für Online-Lebensmittellieferbedingungen sind.

Eine konsistente Strategie (Papierschalen statt Plastik, Banderolen statt Plastikhüllen, alternative Packkonzepte) scheint es bei Fresh nicht zu geben; den Erwartungen vieler Kund:innen wird das angesichts der Änderungen im stationären Handel jedoch nicht mehr gerecht.

Problem 6: Unkalkulierbare Verfügbarkeit

Wenig ärgert Kundinnen und Kunden so sehr, wie umsortierte Sortimente in „ihrem“ Supermarkt, weil dann regelmäßig eingekaufte Produkte neu gesucht werden müssen. Amazon Fresh kann das noch steigern: Viele Artikel verschwinden von einem Tag auf den anderen komplett aus dem Angebot. Natürlich gibt es Auslistungen auch bei Edeka, Rewe, Lidl & Co. Bei Fresh gehört es allerdings zur Regel, dass Artikel vorübergehend oder dauerhaft im Online-Nirwana verschwinden. Tegut Orangen-Direktsaft? „Derzeit nicht verfügbar.“ Biozentrale Crunchy Müsli? „Derzeit nicht verfügbar.“ Lebensbaum Bio-Chai-Tee, Arla Sky Honig, Natur-Joghurt von Söbbeke? „Derzeit nicht verfügbar.“ (Und als Ersatz für den Sixpack Rothaus Tannenzäpfle schlägt der Amazon-Algorithmus ernsthaft Krombacher vor?)

Natürlich lässt sich auch ein anderes Müsli kaufen, und der Joghurt leicht ersetzen – aber gerade beim Lebensmitteleinkauf haben viele Kund:innen Lieblingsprodukte, bei denen sie sich nicht alle zwei Wochen umgewöhnen wollen. Für die ist Fresh derzeit nicht die ideale Wahl.

Und wenn sie deshalb ihr Liefer-Abonnement kündigen? Dann sind sie erstmal weg. Rückhol-Mails, in denen Kund:innen gefragt werden, warum sie schon länger nicht mehr bestellt haben oder mit personalisierten Rabatten zur Wiederbestellung aktiviert werden, verschickt Amazon nicht. Auf die Idee muss man erstmal nicht kommen.

Problem 7: Zerbrochene Allianzen

Die Münchner Biokette Basic gehörte zu den Fresh-Partnern der ersten Stunde, kündigte die Kooperation aber im vergangenen Jahr (siehe Supermarktblog) und kooperiert beim Online-Vertrieb ihrer Eigenmarke inzwischen lieber mit dem Wettbewerber Bringmeister.

Auch die Allgäuer Regionalkette Feneberg hat sich bei Fresh beim Schwesterdienst Prime Now längst wieder verabschiedet und ist zu Edeka übergelaufen.

Nur die (zur Schweizer Migros gehörende) Fast-Biokette Tegut liefert ihre Eigenmarken weiterhin an Amazon – und zeigte sich im vergangenen Jahr damit relativ zufrieden (siehe Supermarktblog).

Die Zahl der Lebensmittelhändler, die hierzulande bereit sind, mit Amazon zu kooperieren, ist weiterhin überschaubar. Im europäischen Ausland sieht das völlig anders aus: Die Allianz mit der britischen SB-Warenhauskette Morrisons besteht bereits seit 2016; und in Frankreich haben Amazon und das zu Casino gehörende Monoprix kürzlich bekannt gegeben, die Partnerschaft wegen des Erfolgs noch intensivieren zu wollen. Es sieht ganz so aus, als müsste Amazon, um im deutschen Lebensmitteleinzelhandel dauerhaft einen Fuß auf den Boden zu kriegen, tatsächlich selbst eine Handelskette übernehmen. Dafür gäbe es durchaus geeignete Kandidaten (siehe Supermarktblog).

Und trotzdem …

… kann all das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Amazon mit Fresh in Deutschland aus dem Stand vieles von dem richtig gemacht hat, was bei den Lieferdiensten von Rewe, Edeka & Co. auch Jahre nach dem Start nicht richtig oder nur unzureichend funktioniert.

Pünktlichkeit: Einkäufe werden im vereinbarten Zeitfenster zugestellt. Ohne Wenn und Aber. (Sie haben andere Erfahrungen gemacht? Bitte in den Kommentaren ergänzen!)

Kurzfristigkeit: Wer abends bis 23 Uhr bestellt, kriegt den Einkauf garantiert am nächsten Morgen gebracht. Kund:innen mussten keine Zeitfenster bunkern, es gibt keine ausgebuchten Slots, keinen Stress vor oder nach Feiertagen, keine Verzögerungen – bisher jedenfalls. Umso ärgerlicher ist, dass Amazon diese Verlässlichkeit derzeit nicht für alle Fresh-Kunden garantieren kann (siehe Supermarktblog). +++ Nachtrag, 7. Mai: Im Laufe der vergangenen Monate hat Amazon die Zeit für Bestellergänzungen kontinuierlich vorverlegt, von zunächst 23 Uhr bzw. 22.55 Uhr (bis Dezember 2018) auf 22.40 Uhr (Januar 2019) und 22.10 Uhr (Mai 2019). +++

Service: Ist ein bestellter Artikel bei Lieferung ausnahmsweise mal nicht verfügbar (was wirklich selten vorkommt), bringt Fresh in der Regel passende Ersatzware – die nicht in Rechnung gestellt wird.

Rückgabemöglichkeit: Wenn Waren nicht der erwarteten Qualität entsprechen, können sie einfach reklamiert werden und man erhält den jeweiligen Betrag gutgeschrieben – sehr viel einfacher als bei der Konkurrenz. Warum Artikel zurückgegeben werden, will Amazon aber nicht so genau wissen. Zwar lässt sich angeben, dass ein „Artikel beschädigt“ ist bzw. „Leistung oder Qualität ungenügend“ sind. Die Gründe im Dropdown-Menü sind aber offensichtlich nicht für den Verkauf frischer Lebensmittel angepasst worden.

Das heißt: Amazon weiß bei keinem einzigen der in den vergangenen zwei Jahren über Fresh zurückgegebenen Artikel, ob z.B. die Haltbarkeit des Joghurts überschritten war, ob der Spinat falsch gelagert und deshalb zu feuchtem Matsch zerfallen war, ob ein schwerer Artikel einen leichteren zerdrückt hat. So lässt sich nicht feststellen, ob bei der Lagerung, in der Kommissionierung oder bei der Zustellung nachgebessert werden muss. Amazon erstattet – und hat keine weiteren Fragen.

Was hat das zu bedeuten?

Allerhöchste Priorität scheint Fresh bei Amazon in Deutschland derzeit nicht (mehr) zu genießen. Zumindest wäre es eine mittlere Überraschung, wenn der Dienst bald in weiteren deutschen Städten starten würde – obwohl zahlreiche Branchenkenner genau das eigentlich von Anfang an erwartet hatten.

Ein Grund für Wettbewerber, um sich erleichtert zurückzulehnen, ist das aber noch lange nicht. Im Gegenteil: Dafür, dass sich Amazon mit Fresh in Berlin und München (mit Hamburg und Potsdam als Anhängsel) bislang nicht gerade konzeptionell verausgabt hat, funktioniert das Angebot in seinen Grundzügen ziemlich gut. Frische Lebensmittel, zügig kommissioniert und zu Kunden an die Haustür gebracht – ja, das geht gut.

Würde sich Amazon konsequent darum bemühen, die vielen kleinen selbst aufgestellten Hürden abzubauen, wäre Fresh eine wirklich zeitgemäße Art, den Wocheneinkauf mit frischen Lebensmitteln zu erledigen, ohne in Läden darauf warten zu müssen, dass gleich noch eine zweite Kasse öffnet.

Im jetzigen Zustand spricht nach zwei Jahren aber einiges dafür, dass Amazon Fresh in Deutschland nur deshalb gestartet ist, weil das Angebot des Logistikpartners zu verlockend war, um den Test nicht zu wagen. Einen großen Teil des geschäftlichen Risikos konnte Amazon auf DHL abwälzen, dessen damaliger Paket-CEO Achim Dünnwald unbedingt den Zuschlag für das (einst) vielversprechende Geschäft haben wollte – um dadurch die eigene Lebensmittel-Lieferkompetenz zu stärken und der Amazon-eigenen Logistik nicht noch mehr Zustellvolumen zuzuführen.

Im vergangenen Herbst hat Dünnwald das Unternehmen verlassen. Und bei DHL dürfte die Begeisterung, das vermutlich verlustreiche Geschäft in der bisherigen Form aufrecht zu erhalten, begrenzt sein.

Wie es mit Fresh in Deutschland weitergehen soll (und ob die eigentlich naheliegende Fusion mit Prime Now noch kommt), ist zwei Jahre nach dem Start unklarer denn je. Womöglich auch: für Amazon selbst.

Danke an Alexander B.!

Korrektur: In der ursprünglichen Version dieses Texts stand, Feneberg sei auch Fresh-Partner gewesen. Das ist falsch. Die Kooperation mit Amazon bestand ausschließlich für Prime Now.

Fotos: Supermarktblog

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10 Kommentare
  • Zur Zuverlässigkeit: Samstag vor drei oder vier Wochen war irgendein Wettkampf in Berlin – da wurden wohl viele Kunden nicht beliefert (laut Sendungsauskunft wurde von DHL gar nicht erst abgeholt; der Mitarbeiter der Amazon-Hotline sagte, da hätte er schon zwei Anrufe gehabt). Schade nur, dass man eben wartet und wartet, Amazon also keinen Prozess hat, dem Kunden zu sagen, dass er jetzt bitte zu Rewe gehen möge…

    Und letzten Samstag änderte sich der DHL-Status für meine beiden Papiertüten (Lieferzeit 8 bis 10 Uhr) um 8.06 Uhr in „Der Artikel entspricht nicht unseren Versandbedingungen und wird an den Absender zurückgeschickt“. Vermutlich was ausgelaufen, trotzdem ärgerlich.
    Zum Beispiel könnte Amazon (weil sowas nun mal passieren kann, und ich könnte auch Verständnis haben…) für solche Fälle ein Notfall-Zeitfenster am Samstagabend frei halten. Aber der nächste frei Slot war Montag 14 bis 16 Uhr. Ernsthaft. Sorry, so lange kann man bei Lebensmitteln nicht warten, wenn der Kühlschrank leer ist. Punkt. Also mal wieder zu Ullrich am Zoo… und jetzt ernsthaft am überlegen, ob ich Fresh nicht einfach kündigen sollte. Ullrich war überraschend günstig. Die Kassenschlange nicht lang.

    Ob DHL durch sanfte Unzuverlässigkeit aus dem Vertrag mit Amazon kommen will?

    • Zumindest sieht es so aus, als sei Fresh derzeit nicht unbedingt der Lieblingsauftraggeber von DHL.

    • Aus irgendendeinem Grund war in meiner Erinnerung abgespeichert, dass es die Feneberg-Marke „Von Hier“ auch bei Fresh gab; bin aber unsicher und hab’s deshalb oben korrigiert. Danke für den Hinweis.

    • Feneberg war nur bei Prime Now aktiv, hatte aber selbst einen eigenen Service namens „Freshfoods“ am Start. Letzterer wurde mittlerweile eingestellt obwohl er technisch Edekas Bringmeister weit überlegen ist.

      Bringmeister.de zeigt bis heute auf diversen Seiten (Lieblingsprodukte, bisherige Bestellungen) falsche Preise an (München vs. Berlin) und ich wundere mich jedes Mal, dass noch keiner Edeka dafür abgemahnt hat. (Ja, ich hatte Bringmeister vor ca 10 Monaten darüber informiert und bis heute wurde es nicht gefixt).

  • Warum Amazon immer als der Superpersonalisierer gehypt wird erschließt sich mir nicht. Ich lese seit Jahren ausschließlich Sachbücher auf dem Kindle und was wird ebenso seit Jahren als Werbung im Standby eingeblendet? Werbung für Schundromane.

    • Die KI und Datenbank von amazon sind mit das mieseste, was es in der Hinsicht auf dem Planeten gibt.
      Fangen wir bei der Suche an. Wenn du dich auch nur bei einem Buchstaben vertippst, legt sich die Datenbank wie ein Käfer auf den Rücken und stellt sich tot, findet gar nix. Und gibt dir obendrein als Alternative völlig andere Dinge. Beispielweise suchst du eine CD und bekommst als alternative Kuchengabeln angepriesen. Das ist bei Google schon eine völlig andere Klasse. Da gibst du nur vier Buchstaben ein und Google sucht dir sofort die passende Webseite. Ja, das war jetzt übertrieben, aber die Suche bei amazon ist echt schlecht.

      Ein anderes Ding sind die Kaufempfehlungen von amazon. Es hat sich ja mittlerweile rumgesprochen das man von amazon nach einem Kauf die nfolgenden Monate genau das gleiche Produkt angepriesen bekommt. Wer denkt sich sowas aus ?
      Amazon könnte mächtig sein, aber da sie es nicht hinbkommen die Daten, die sie haben, sinnvoll miteinander zu verknüpfen, stehen sie sich selbst im Weg.
      Die Dinge, die man aufgrund seiner Käufer oder Suchen angeboten bekommt, entsprechen exakt 0% dem, was man vielleicht doch mal spontan kaufen würde.
      Amazon’s Drohung, sie würden mir bald Dinge anpreisen, von denen ich noch nicht mal wüsste das ich sie haben wolle, wird wohl noch etwas auf sich warten lassen – oder die Zeit, nach der ich diese Dinge doch tatsächlich haben will, ist noch nicht angebrochen.
      Die Problematiken gibts es jedenfalls schon seit den Anfangstagen von amazon und mich wundert, dass sich daran quasi null geändert hat.

    • Kann ja alles Absicht sein. 1&1 wollte mir auch immer Mobilfunkverträge andrehn, obwohl ich nie einen gekauft hab, und seit ich mich doch mal erbarmt hab und dafür Festnetz gekündigt, wollen sie mir Festnetz verkaufen.

  • Defacto ist Amazon Prime / Amazon Fresh nur was für den sinkenden Mittelstand, bzw. typischen Prenzlauer Berg Kunde. Des Deutschen „Geiz ist geil – Mentalität“ sind die zusätzlichen EUR 9,90 für den Extraservice recht „hoch“. Ein wichtiger Punkt ist, dass die Verfügbarkeit der Zeitfenster bei Amazon recht schwankend sind.

  • Unter DHL konnte ich noch die Uhr nach dem Lieferfenster stellen, in zwei Jahren 1 einziges mal 18 Minuten zu spät.

    Seitdem Amazon Logistics übernommen hat kommen die Lieferungen gerne 20-40 Minuten zu früh – Probleme hatte ich damit aber noch keine bisher.

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