„Mit AmazonFresh profitieren Mitglieder von flexiblen Lieferoptionen von Montag bis Samstag: (…) Kunden können bis 23 Uhr (…) bestellen und die Bestellung schon am nächsten Tag in einem gewählten 2-Stunden-Lieferfenster erhalten.“
So erklärt Amazon auf seiner Seite die Vorteile seines Lebensmittel-Lieferdiensts Fresh, der vor zwei Jahren in Deutschland gestartet ist (siehe Supermarktblog). Derzeit gilt dieses Versprechen aber nicht (mehr) für alle Kund:innen, die zusätzlich zur Prime-Abogebühr einen monatlichen Aufschlag von 9,99 Euro zahlen, um Fresh zu nutzen.
In einigen Postleitzahl-Gebieten hat Amazon die Lieferoptionen deutlich eingeschränkt.
Der Fresh-Standard sieht vor, dass Bestellerinnen und Besteller ihre Einkäufe in Zwei-Stunden-Zeitfenstern zwischen 8 und 22 Uhr nachhause gebracht bekommen: von 8 bis 10 Uhr, 10 bis 12 Uhr, 12 bis 14 Uhr usw. Im ganzen Liefergebiet? Nein, nicht im ganzen: In einigen Berliner Bezirken mag Amazon frische Lebensmittel momentan nur morgens oder abends liefern.
Vier statt acht Zeitfenster
Statt der regulären acht Zeitfenster stehen dort lediglich vier zur Verfügung (8 bis 10 Uhr, 10 bis 12 Uhr, 18 bis 20 Uhr, 20 bis 22 Uhr), zum Teil auch weniger (nur 18 bis 20 Uhr). Montags ist die Belieferung – wie im restlichen Liefergebiet – in der Regel erst ab 10 Uhr möglich. (So kann Amazon vermutlich Sonntagsarbeit in der Kommissionierung vermeiden.)
In meiner Stichprobe diese Woche schienen vor allem Lieferadressen am Stadtrand betroffen zu sein – und das auch nicht überall. In Köpenick, Karow, Steglitz und im benachbarten Potsdam ließ sich in der Regel weiterhin aus allen Zeitfenstern auswählen. In Lankwitz, Marzahn-Hellersdorf, Rudow und Hohenschönhausen hingegen wurde für die kommenden zwei Wochen eine eingeschränkte Auswahl angezeigt.
Nach welchen Kriterien Amazon Fresh-Zustellzeiten einschränkt, lässt sich schwer abschätzen – es scheint aber eine gewisse Variation zu geben. In einzelnen PLZ-Gebieten sind z.B. an manchen Tagen sämtliche regulären Zeitfenster verfügbar, zu anderen Daten wird hingegen nur eine drastisch reduzierte Auswahl angezeigt, etwa in Spandau und Britz. Womöglich handelt es sich nicht um eine grundsätzliche, sondern um eine temporäre Einschränkung.
Zu Gründen und Umfängen der Einschränkung möchte sich Amazon auf Supermarktblog-Anfrage nicht äußern.
Es liegt aber nahe, dass das Unternehmen damit entweder Personalengpässe (z.B. beim Lieferpartner) überbrückt oder Logistikkosten spart, z.B. weil in bestimmten Gebieten nur wenige Fresh-Kunden wohnen, die einzeln beliefert werden müssen. Oder weil Kunden in diesen Gebieten ohnehin mehrheitlich Lieferzeiten am Morgen und am Abend auswählen, sodass es sich nicht lohnt, dort noch einmal zusätzlich tagsüber hinzufahren. (Was jedoch nicht die Schwankungen in manchen Bezirken erklärt.)
Lieber andere liefern lassen
Die Erfahrung, dass sich lange Anfahrtswege zu einzelnen Kunden nicht lohnen, haben auch andere Lebensmittel-Lieferdienste gemacht. Einige stellen Einkäufe deshalb an ausgewählten Adressen nicht mit eigenen Mitarbeitern zu, sondern überlassen das Logistik-Partnern, die auf Next-Day-Delivery spezialisiert sind. Rewe und Edekas Bringmeister kooperieren dafür z.B. mit der Hermes-Tochter Liefery, übrigens längst auch für Innenstadt-Lieferungen.
Für die Zustellung der Fresh-Einkäufe hat Amazon vor zwei Jahren eine exklusive Vereinbarung mit DHL geschlossen (siehe Supermarktblog). Außer eigenen Fahrern schickte die Post-Tochter auch Subunternehmer „im Auftrag von DHL“ los (siehe Supermarktblog), zum Teil in Mietwägen. Wie lange die Vereinbarung mit DHL läuft, und ob Amazon bereit wäre, Fresh nach deren Ablauf mit einer eigenen Logistik weiterzuführen, ist nicht bekannt.
Wieviele Kunden nutzen Fresh?
Wieviele Kund:innen Fresh bislang in Berlin und Potsdam, Hamburg und München nutzen, hat Amazon bislang ebenfalls nicht verraten. Nach zwei Jahren dürfte das Unternehmen aber ein gutes (datenbasiertes) Bild davon haben, in welchen PLZ-Gebieten der Dienst tendenziell stärker nachgefragt wird – und wo es zu verschmerzen wäre, Kunden zu verlieren, die mit den neuen Lieferzeit-Slots nicht einverstanden sind. (Diese PLZ-Gebiete können im Zweifel natürlich auch direkt nebeneinander liegen, nicht notwendigerweise am Stadtrand.)
Aus wirtschaftlicher Sicht ist diese Strategie nachvollziehbar. Fakt ist aber auch: Das Fresh-Versprechen der „flexiblen Lieferoptionen von Montag bis Samstag“ gilt derzeit nicht für alle Kund:innen, die monatlich rund 10 Euro zusätzlich für den Dienst zahlen sollen, im selben Maße.
Für Amazon, das sonst gerne die Priorisierung der Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden für sich in Anspruch nimmt, ist das – sagen wir: erstaunlich.
Mehr über Amazon Fresh zwei Jahre nach dem Deutschland-Start steht in den kommenden Tagen hier im Blog. Zu den bisherigen Supermarktblog-Texten über Fresh geht es hier entlang.
Vielen Dank an Franz S. für den Hinweis!
Titelfoto: Amazon, Foto: Supermarktblog
Nachtrag, 16. Mai: Nach der Hauptversammlung der Deutschen Post berichtet das „Handelsblatt“, dass Post-Chef Frank Appel wegen der Gewinnwarnung im Vorjahr „Fehler“ aus der Vergangenheit ausbügeln möchte: „Die Deutsche Post habe in der Vergangenheit die falschen Schwerpunkte gesetzt und sich zu stark auf den Ausbau der Marktanteile und neuer Geschäftsfelder konzentriert. Investitionen ins Kerngeschäft hingegen wurden vernachlässigt.“ Das lässt Interpretationsspielraum dafür, wie intensiv Services rund um das neue Geschäftsfeld der Zustellung frischer Lebensmittel mit DHL FoodDelivery künftig weiterverfolgt werden sollen. Gleichzeitig wäre es problematisch für DHL, dem „wichtigen Kunden“ Amazon z.B. durch eine Service-Verschlechterung bei Fresh weiteren Anlass dafür zu geben, die eigene Logistikflotte auszubauen. Durch die Passivkühlung der Fresh-Einkäufe könnte Amazon mit entsprechenden Kapazitäten die Zustellung (oder Teile davon) bei Fresh vermutlich unmittelbar übernehmen.
Aus meiner Sicht hat Amazon jetzt die DHL-Slots mit getnow angepasst, denn an meinen Standort, wo jetzt die fresh-Lieferzeiten auch eingeschränkt sind, decken sie sich mit den seit jeher angebotenen getnow-Zeiten. Denke also eher, dass das von DHL kommt.
Klingt plausibel, fände ich aus Amazon-Sicht aber wenig zufriedenstellend.
Zu deiner These „Montags ist die Belieferung – wie im restlichen Liefergebiet – in der Regel erst ab 10 Uhr möglich. (So kann Amazon vermutlich Sonntagsarbeit in der Kommissionierung vermeiden.)“ würde ich folgendes ergänzen: Da ein nicht unrelevanter Anteil der heutigen Onlinebestellungen von B2B Kunden (vor allem Kitas und Büros) und diese gerne am Montag morgen mit frischen Artikeln – vor allem Obst und Gemüse – beliefert werden, kann es durchaus sein, dass diese Zeitfenster deswegen für den B2C Kunden entfallen.
Auch richtig. Aber problematisch für Fresh, das ja nicht in erster Linie B2B-Dienst sein will. Sollten (z.B. durch die DHL-Planung) diese Zeitfenster für reguläre Kunden geblockt sein, wäre ich als aufgtraggebendes Unternehmen mit meinem exklusiven Lieferpartner tendenziell eher nicht zufrieden (und würde mich um den Aufbau eigener Kapazitäten bemühen).
[…] Amazon Fresh liefert frische Lebensmittel in einigen Bezirken Berlins derzeit nur noch morgens und abends. Offenbar muss sich sogar Amazon den wirtschaftlichen Zwängen der teuren Lebensmittel-Logistik beugen. Doch das Fresh-Versprechen der „flexiblen Lieferoptionen von Montag bis Samstag“ gilt damit derzeit nicht für alle Kunden, die monatlich rund 10 Euro zusätzlich für den Dienst zahlen sollen, kritisiert Peer Schader vom Supermarktblog. […]