Deliveroo hat doch wieder Lust auf kleinere Städte (in Großbritannien)
Anderthalb Monate nach der Ankündigung von Deliveroo, knapp 600 Millionen Dollar Taschengeld vom Allzweckkonzern Amazon zu beziehen (siehe holyEATS #34), ist der britischen Wettbewerbsbehörde aufgefallen, dass sie was dagegen haben könnte, wenn A. und D. künftig gemeinsame Sache machen. Deshalb prüft die zuständige Competition and Markets Authority (CMA) derzeit, ob sie – nun ja: den Deal prüfen muss. Bis zur Entscheidung sind die Kooperationsmöglichkeiten der beiden Unternehmen per Vollstreckungsbescheid eingeschränkt.
Währenddessen ist der britische Delivery-Spezialist gerade schon dabei, die eingesammelten Millionen wieder auszugeben: unter anderem für die Expansion in 50 kleinere britische Städte. Für Juli ist der Start in den ersten zehn geplant (u.a. Banbury, Folkestone, Gravesend und Margate), hat sich Eater London bestätigen lassen; der Rest folgt im Laufe des Jahres. Ziel sei es, künftig 50 Prozent der Bevölkerung Großbritanniens zu erreichen (bislang sind es 40 Prozent). Damit konzentriert sich Deliveroo nicht mehr nur auf Großstadtkunden, die keine Zeit oder Lust aufs Kochen haben, sondern dürfte verstärkt auch Familien als Zielgruppe im Auge haben. Damit verfolgt das Liefer-Start-up in der Heimat eine Strategie, die das exakte Gegenteil des Manövers im deutschen Markt ist. Hierzulande hatte man sich vor fast genau einem Jahr aus mittelgroßen Städten wieder zurückgezogen – offiziell, um sich auf Städte zu konzentrieren, „in denen wir schnell expandieren“, ließ sich „NGIN Food“ damals sagen (siehe holyEATS #13). Übrig geblieben sind Berlin, München, Köln, Hamburg und Frankfurt. (Der Rest des Lieferlandes ist inzwischen tieforange.) Sollte es tatsächlich zu einer intensiveren Zusammenarbeit mit Amazon kommen (dürfen), hätte Deliveroo für die Amerikaner in den großen europäischen Märkten damit einen tendenziell uneinheitlichen Stellenwert.
Interessant ist in jedem Fall, wer in Großbritannien die Expansion in die Fläche steuern soll: der frischgebackene „VP for New Business“ (Eater) bzw. „Global VP Commercial“ (LinkedIn) Ajay Lakhwani, der vorher bei Amazon UK als „Category Leader“ für Amazon Fresh und Prime Now tätig war. (Hat die CMA sicher auch schon ergoogelt.)
Derweil wollte sich „Business Insider“ mal genauer ansehen, wie dieses Unternehmen funktioniert, dem gerade so viel Aufmerksamkeit zuteil wird, und hat sich dafür mit zahlreichen Leuten unterhalten, die für Deliveroo arbeiten oder mal gearbeitet haben. Das Ergebnis ist eher eine Art Sozialverhaltenszeugnis für Gründer Will Shu: „Ehemalige Mitarbeiter (…) beschreiben ihn als inspirierend“, aber auch als „sehr zugänglich“, „sehr offen“, „sehr unterstützend“ und als „sehr fleißigen Arbeiter“, der im übrigen zu einem „legeren Kleidungsstil“ neige, von sich sagt, er sei kein guter Koch und zunehmend „öffentlichkeitsscheu“ werde. Nun ja. In erster Linie arbeitet sich der lange, lange Bericht an einer Reihe merkwürdiger Personalentscheidungen ab, und man erfährt, dass sich die Arbeitskultur in der Londoner Zentrale schon länger der amerikanischer Konzerne annähere. Aus strategischer Sicht ist das eher mäßig relevant. Wer sich trotzdem für die zusammengekehrten Spekulationen interessiert: Der britische Originaltext ist momentan Mitgliedern von „Business Insider Plus“ vorbehalten; die arg holprige deutsche Übersetzung hingegen frei zugänglich.
KFC & Co. entdecken ein bisschen Verantwortungsbewusstsein
Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Tierwohl gehörten bislang nicht gerade zu den drängendsten Prioritäten vieler Gastro-Ketten. Inzwischen merken die Unternehmen aber, dass es nicht mehr reicht, bloß über die Abschaffung von Plastikstrohhalmen zu diskutieren, um Verantwortungsbewusstsein gegenüber Kund:innen zu demonstrieren. Gerade hat KFC bekannt gegeben, sich der Europäischen Masthuhn-Initiative anzuschließen, die zum Ziel hat, die Haltungsstandards der Tiere deutlich zu verbessern (bevor sie zu Hot Wings und Filet Bites werden). Das bedeutet u.a. mehr Platz und bessere Bedingungen in den Ställen sowie eine Einschränkung der Überzüchtung. KFC will diese von Tierschutz-NGOs erarbeiteten Vorgaben in fünf europäischen Märkten umsetzen (außer Deutschland sind KFC UK und Irland, KFC Niederlande, KFC Belgien und KFC Schweden dabei). Dafür gilt eine – großzügig bemessene – Übergangsfrist bis 2026. Der „Guardian“ glaubt, dass dadurch der Druck auf andere Unternehmen in der Branche steigen werde, sich dem anzuschließen. Und bei der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, die die Initiative mit auf den Weg gebracht hat, erklärt Präsident Mahi Klosterhalfen: Man sehe „jetzt keinen Grund mehr, warum sich nicht alle Unternehmen anschließen können“, wenn sich selbst KFC beteilige, das „in einem preissensiblen Markt fast seinen gesamten Umsatz mit Hühnerfleisch“ erziele.
Dennoch gewöhnt sich die Systemgastronomie nur sehr zögerlich daran, dass sie bald an denselben Maßstäben gemessen werden könnte, die Kunden bereits in zunehmendem Maße an Supermärkte und Discounter anlegen. Nicht nur beim Tierwohl, sondern auch, um zum Beispiel unnötige Verpackungen zu vermeiden. McDonald’s (das als Unterstützer der Masthuhn-Initiative bislang fehlt) hat im vergangenen Monat in einem Berliner Restaurant getestet, wie Alternativen zu den bisherigen Verpackungen ankommen. Dem „Tagesspiegel“ hat Deutschland-Chef Holger Beeck verraten, was dabei herausgekommen ist. Vor allem offensichtlich: ein schöner Marketing-Effekt. Denn in der Kondensation klingt das Ergebnis – ausbaufähig.
Manches ist „noch nicht entschieden“, anderes will Beeck „noch einmal länger testen“, hier „müssen wir noch einmal nachbessern“, dort wurde eine Lösung „sehr kritisch bewertet“. Nach echtem Fortschritt klingt das nicht. Eher so als optimiere die Burgerkette jetzt ein paar ihrer Verpackungen, bei denen eine ressourcenschondere Alternative ohnehin überfällig war. Dass man Gäste „vermutlich in Zukunft“ fragen wolle, ob sie zu Getränken überhaupt einen Strohhalm brauchen, müsste eigentlich längst selbstverständlich sein. Und statt der Plastikvollkatastrophe, in der McFlurry-Eis verkauft wird, kommt demnächst ein dünnerer Papierbecher zum Einsatz – der aber ebenfalls „leicht beschichtet“ ist (und damit fürs Recycling tendenziell ungeeignet sein dürfte). Man müsse „bei allen Maßnahmen immer auch unsere Gäste mitnehmen“, sagt Beeck – und meint natürlich, dass er Kund:innen lieber keine Umgewöhnung zumuten möchte, die Franchise-Nehmer beim Umsatz mit dem jeweiligen Produkt zu spüren bekommen könnten. So lange Journalisten wie die beim „Tagesspiegel“ das noch als „Umwelt-Offensive“ missverstehen, ist aber aus McDonald’s-Sicht natürlich erstmal nix zu befürchten.
(Wie skeptisch die Quickservice-Branche den Mehrweg-Trend tatsächlich beäugt, hat kürzlich Bloomberg notiert – mit einem Zitat des Dunkin-COO Scott Murphy, für den die sich derzeit auf breiter Front durchsetzenden Mitbringbecher der Kund:innen ein „operationaler Alptraum“ sind.)
Pret kriegt nach 16 Jahren einen neuen Chef
Im September endet eine Ära. Die nämlich des bloggenden Pret-CEO Clive Schlee, der angekündigt hat, die Geschäfte nach 16 Jahren an den bisherigen Pret-COO Pano Christou übergeben zu wollen (und selbst in die Position des „Executive Director“ zu wechseln.) Die Fachmedien sind sich weitgehend einig, dass das ein ziemlicher Einschnitt für das Unternehmen ist – es weiß nur niemand so genau, was das bedeutet.
Sagen wir mal so: Pret hat grade ziemlich viel vor. Nach dem Erwerb durch JAB im Vorjahr (siehe holyEATS #8) ist die Kekskasse so gut gefüllt, dass der britische Wettbewerber EAT übernommen wurde, um mit dem Veggie-Pret-Konzept turobexpandieren zu können (siehe holyEATS #35). Und nach den Niederlanden, Dänemark und Deutschland (siehe holyEATS #15) ist gerade die Schweiz als neuer europäischer Markt hinzugekommen. Der Verkehrsgastro-Riese SSP hat auf einen Schlag vier (!) Franchise-Prets am Flughafen Zürich eröffnet (an den Gates B, D und E sowie im Flugahfen-Shoppingcenter). Für den August sind zwei weitere Restaurants an Bahnhöfen in Brüssel geplant. Damit vergrößert die lange Zeit auf nur wenige Länder konzentrierte Kette zwar ihre Präsenz auf dem europäischen Festland; allerdings vorerst nur als Verkehrsgastronom und (bislang) nicht in Fußgängerzonen bzw. Innenstädten – den Lagen also, denen Pret in der Heimat einen großen Teil seines Erfolgs verdankt.
Es wird hochinteressant zu beobachten sein, ob sich die Schwerpunkte unter der neuen Führung verschieben. „Big Hospitality“ erinnert daran, dass mit gerade mal 400 britischen Stores auch in der Heimat noch Luft nach oben ist. (Rivale Costa hat rund 2.000 mehr.) Die Zeiten, in denen der Pret-CEO – wie Schlee – regelmäßig selbst über neue Entwicklungen bloggt und mit Kund:innen per Twitter korrespondiert, dürften vermutlich erstmal vorbei sein. Schlees bislang letzter Blog-Eintrag stammt vom Mai.
Nachschlag
- Espresso House ist Anfang Juli auch in Berlin gestartet und kommt inzwischen auf neun Ex-Balzac-Stores, die vor dem endgültigen Vergammeln gerettet wurden. (Facebook)
- Pizza Hut holt in den USA sein 80er-Jahre-Logo mit dem roten Dach (das eigentlich schon aus den 60ern stammt) zurück. (Nation’s Restaurant News)
- Und die BBC hat UberEats mit einem improvisierten Burgergrill-Lieferrestaurant im Vorgarten eines Reporters getrollt. (BBC)
Produkt der Woche: Morrisons neues Sandwich mit Bratwurst-Sauerkraut-Belag. (IGD)
Neueste Kommentare