Weißes Grunddesign verschwindet: Rewe positioniert seine Sparmarke ja! neu

Weißes Grunddesign verschwindet: Rewe positioniert seine Sparmarke ja! neu

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Schlicht verpackt, leicht wiedererkennbar, vor allem aber: günstig. So lautete über Jahrzehnte hinweg der Erfolgsdreisatz der Eigenmarken im Preiseinstieg der Supermärkte. Rewe macht jetzt Schluss damit.

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Schlicht verpackt, leicht wiedererkennbar, vor allem aber: günstig. So lautete über Jahrzehnte hinweg der Erfolgsdreisatz vieler Eigenmarken im Preiseinstieg, mit denen die Supermärkte den Discountern bei der besonders preisempfindlichen Kundschaft das Wasser abgraben wollen. Dieses Prinzip bröckelt schon länger; jetzt scheint sich auch Rewe davon abzuwenden.

Sichtbarstes Indiz dafür ist das neue Verpackungsdesign der Eigenmarke ja!, das nach und nach in den Regalen sichtbar wird.

Dass die Kölner ihren „Clever Sparen“-Produkten zuletzt eine neue Optik verpasst haben, ist fünf Jahre her (siehe Supermarktblog). Die damalige „behutsam gestalterische Anpassung“ bestand in einem leicht modernisierten Grunddesign, bei dem das dunkelblaue Markenlogo auf eine Art Einkaufszettel seitlich an den Packungsrand rückte; die jeweilige Produktbezeichnung steht seitdem in unterschiedlich farbiger Schrift direkt darunter. Mit den erneuten Änderungen geht Rewe nun einen Schritt weiter.

Die (gestalterisch leicht reduzierte) Zetteloptik mit dem Logo bleibt zwar erhalten. Gut sichtbar ist auch weiterhin der Hinweis am Packungsrand: „Eine Marke von Rewe“. Dafür verabschiedet sich ja! nicht nur von der einheitlichen Schrift für die Produktbezeichnungen, sondern offensichtlich auch von dem seit der Markengründung beibehaltenen weißen Grunddesign.

Tschüß, einheitliches Grunddesign!

Die neuen Packungen sind sehr viel farbenfroher gestaltet und spielen mit unterschiedlichen Schriften; die Produktbezeichnung rückt wieder stärker in die Mitte. Gleichzeitig werden erstmals nicht (nur) klassische Abbildungen verwendet, sondern auch Illustrationen (z.B. der kleine Astronaut auf dem „Raketen“-Wassereis).

Im Laden stehen derzeit vielfach noch Artikel mit dem alten Design; im Rewe-Online-Shop lässt bzw. ließ sich zwischenzeitlich aber schon ansehen, wie vielfältig die neuen Verpackungen werden.

(Die Abbildungen sind z.T. wieder durch die alten Varianten ersetzt worden; siehe z.B. Salted Chips, Gebäckstangen, Kartoffelringe und Salzstangen, Bacon Mais-Reis-Snack, Schokomüsli und Müsli-Riegel, Scheibenkäse (Gouda, Maasdamer, Butterkäse), Ayran, Senf, Eis Konfekt und Roter Bandit Fruchteis, Spülmittel. Schon vor längerer Zeit hatte Rewe das neue ja!-Design für – kein Scherz – Toilettenpapier eingeführt.)

Die Änderungen sind ein echter Paradigmenwechsel, weil sich ja! damit endgültig von der Idee abwendet, dass der so genannte Preiseinstieg im Supermarkt sich durch ein einheitliches Grunddesign auszuzeichnen hat, wie es lange üblich war.

Den Wiedererkennungswert tauscht Rewe gegen eine deutlich modernere Aufmachung ein, bei der die Marke ja! stärker als bisher als Klammer für das Sortiment funktionieren muss. (Was angesichts ihrer Bekannt- und Beliebtheit aber durchaus nachvollziehbar ist.)

Ein Stück weit dürfte dieser Entschluss auch der Entwicklung geschuldet sein, dass die Eigenmarken der Händler „inzwischen von vielen Konsumenten mit etablierten Marken gleichgesetzt“ werden, wie die Gfk im vergangenen Jahr analysierte (PDF):

„Im Grunde kann man sagen: Handelsmarken sind in der Wahrnehmung der Shopper häufig starke Marken, die nur bei einem Händler erhältlich sind.“

Vor allem aber erinnert Rewes Vorgehen bei ja! an die Strategie des Wettbewerbers Edeka, dessen Preiseinstiegsmarke Gut & Günstig schon seit längerer Zeit durch individualisierte Verpackungsdesigns auffällt und dadurch oft ähnlich wertig wirkt wie die Produkte, die darüber im Regal stehen.

ja! als neue „Qualitätsbasismarke“?

Ende Februar berichtete die „Lebensmittel Zeitung“ (Abo) von Plänen in der Kölner Rewe-Zentrale, ja! als „Qualitätsbasismarke“ neu zu positionieren. Das war aber vor allem auf die angebliche Absicht des Rewe-Chef-Einkäufers Hans-Jürgen Moog (der sonst in der Jury der ProSieben-Erfinder-Show für Sprödheit verantwortlich zeichnet) bezogen, die Marke auch bei Nonfood-Artikeln stärker einzusetzen.

An Details dieser Strategie werde noch gefeilt; als wahrscheinlich gelte jedoch, dass ja! auch bei Schreibwaren und im Haushaltssegment verwendet werde. (Wo die Marke freilich schon angekommen ist.)

Was mit Rewes 2012 eingeführter Nonfood-Marke Vivess passiere, war für die „LZ“ da noch „unklar“; dabei hatte Rewe bereits Mitte Dezember bekannt gegeben, auch diese Marke neu aufstellen zu wollen. Das war auch höchste Zeit – bislang haben die Vivess-Artikel nämlich ihr Bestes gegeben, möglichst unsichtbar seitlich an den Gondelköpfen in den Märkten zu hängen. Das hat Rewe auch selbst gemerkt:

„Trotz des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses war Vivess nur wenigen Kunden ein Begriff. Vorher war der Auftritt dezent, die Artikel waren eher unauffällig.“

Mit „frischen Farben“ und „pfiffigen Produkten“ soll sich das ändern. Seitdem sind die Artikel nicht nur leuchtend grün oder knallpink verpackt, sondern stellen auf der Packung auch stärker Zusatznutzen heraus: Spritzbeutel sind bspw. aus Leinen und „spülmaschinengeeignet“, Trinkhalme zu 40 Prozent aus FSC-zertifiziertem Papier und Eiswürfelformen gibt’s in Stäbchenform, um perfekt in Glas oder Flasche zu passen. Außerdem konzentriert sich die Vivess-Auswahl (zunächst) auf fünf Kategorien: Reinigen, Grillen, Party, Backen und Haushalt.

Da wäre es bloß schlüssig, für übrig bleibende Nonfood-Artikel verstärkt auf eine etablierte Marke wie ja! zurückzugreifen (zumal es unter der bereits jetzt schon Batterien oder Strumpfhosen zu kaufen gibt).

Die Markengrenzen verschwimmen

Darüber hinaus sind vor allem zwei Punkte für die weitere Entwicklung von ja! interessant. Der erste ist, in welchem Maße sich Rewe traut, trotz der klassischen Discount-Preispositionierung auch im Lebensmittelsegment stärker auf Differenzierungsmerkmale zu setzen.

Zaghafte Tests gibt es bereits: Die gekühlten Kaffee-Drinks von ja! stehen seit längerem mit dem neuen Design im Kühlregal; sie kommunizieren auf der Packung auch klar ihre Vorzüge: z.B. „mit 17% feinstem Espresso“, „ohne Gentechnik“ und (auf gelbem Störer) „ohne Trinkdeckel!“ zur „jährlichen Kunststoffeinsparung“ von 70 Tonnen. Das ist deutlich zeitgemäßer und konsequenter als es manche daneben positionierte A-Marke von sich behaupten kann.

Und – Punkt zwei – nimmt auch gleich das Dilemma vorweg, auf das sich Rewe mit Beschreiten dieses Wegs einlässt. Denn wenn ja!-Artikel zum Discount-Preis zunehmend besondere Produktvorzüge hervorheben, wäre damit auch ein Stück weit das bisherige Alleinstellungsmerkmal der Rewe-Mittelmarke Beste Wahl dahin.

Das neue Design trägt sein Übriges dazu bei: Die Grenzen zwischen den Eigenmarken verschwimmen zunehmend, wenn sich ja! und Beste Wahl – das vor zwei Jahren ebenfalls individuelle Packungsdesigns bekam – immer ähnlicher sehen.

Dasselbe gilt freilich auch für Gut & Günstig und die schlicht Edeka getaufte Mittelmarke des Wettbewerbers, der mit dieser Strategie trotzdem ganz gut zu fahren scheint.

Aller Voraussicht nach dürften sich die Supermärkte darauf konzentrieren, unter ihren Preiseinstiegsmarken modern gestaltete Produkte anzubieten, die es so oder in vergleichbarer Weise auch bei der Discount-Konkurrenz zu kaufen gibt. Alles, was (qualitativ) darüber hinaus geht, kaum oder nur schlecht mit dem Discount vergleichbar ist, lässt sich unter den Mittelmarken anbieten, mit denen die Händler höhere Margen erzielen können.

Redesign zur Aldi-Abwehr

Gleichzeitig kommt die Neupositionierung von ja! wohl zum richtigen Zeitpunkt: Rewe kann damit auch auf die Umstellungen von Aldi Süd und Nord reagieren, die derzeit aufwändig ihre eigenen Marken vereinheitlichen, sie in diesem Zuge auch moderner gestalten und vereinzelt neue Rezepturen formulieren.

Ganz ausgestorben ist das Warengruppen-übergreifende Grunddesign freilich noch nicht, auch wenn es zuletzt einige Verluste zu beklagen gab: Kaiser Tengelmann’s A&P etwa, genau wie Teguts Kleinster Preis. Bei Real glänzen – so lange es die Vertriebslinie nach ihrem Verkauf (siehe Supermarktblog) noch gibt – TiP-Artikel derweil weiterhin im 2018 angepassten weißen Einheitsdesign.

Und die von kleineren Handelsketten verkaufte Markant-Eigenmarke Jeden Tag mag die 80er Jahre dank ihres sehr schlichten roten Grunddesigns auch noch nicht gänzlich für beendet erklären. Obwohl das vermutlich nur eine Frage der Zeit ist.

Danke an Bastian N. und Jonas K. für die Hinweise!

Fotos: Supermarktblog"

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16 Kommentare
    • Wahrscheinlich als Ersatz für Teguts „Kleinster Preis“-Produkte, die es zunächst im Preiseinstieg gegeben hat.

  • So lang gibts »Jeden Tag« noch garnicht. Früher waren das lauter separate Marken, die in Namen und Design teils erkennbar an die von Aldi angelehnt waren. Metro hat noch Aro.

  • Strenggenommen ist die Farbe weiß sogar älter als die Marke „ja!“, wurde vorher ja schon von „Die Weißen“ benutzt. (You don’t say! 😀 )
    Bei den Kaffeegetränken ist das hervorheben der besonderen Vorzüge besonders lustig, weil nach meiner Marktbeobachtung alle Eigenmarken-Kaffeegetränke im Land den gleichen Hersteller haben: Die Schwälbchen-Molkerei (DE-HE 013).
    Insgesamt ein sinnvoller Schritt, weg vom Abschreckungs-Design zu kommen, auch wenn es den schnellen Griff ins Regal etwas erschwert. Aber ich denke, das gezielte Einkaufen der Billig-Produkte findet so nicht häufig statt. Entweder kauft man ein Produkt immer von ja, dann weiß man auch, wo es aussieht und wo es steht. (Spoiler: unten.) Oder man vergleicht doch kurz mit einem Blick über das Regal die Angebote und Alternativen. (Was wahrscheinlich auch nicht unerwünscht ist.)
    Ich habe jedenfalls die Gut-und-Günstig-Produkte schon immer als hochwertiger wahrgenommen als die ja!- oder Tip-Produkte (jenseits von Grundnahrungsmitteln). Bin gespannt, was davon nur in meinem Kopf stattfand und ob der Eindruck bleibt.

    • Das ist in meiner Wahrnehmung anders; auch die Molkerei Gropper (DE-BY-77723) scheint einen nicht unerheblichen Anteil am Eigenmarkengeschäft in diesem Bereich zu haben.

    • Die Ja!-Produkte sind super. Kaufe nur die Bioeigenmarken von Rewe und Kaufland noch lieber, das sind zum Teil besser als alles andere in den Länden. Zum Beispiel Bio-Frisch,ilch bei Rewe ist nicht mikrofiltrieet, das gibt es sonst kaum noch außerhalb vom Bioladen.

      Schade um das weiße Design. Ich fand das schon Anfang der 90er in England cool, bevor es das bei uns gab / ich es wahrgenommen habe.

    • Gab es die „Die Weißen“ nicht eventuell schon zu DeSuMa Zeiten, z.B. bei Otto Mess in den 80er Jahren? Also noch lange vor Rewe und eventuell noch vor der Übernahme durch Leibbrand.

    • Beim DPMA stammt »DIE WEISSEN« jedenfalls von 1981 und hat bis 2001 einer gleichnamigen Lebensmittelvertriebsgesellschaft gehört. Dass 1983 eine Marke »DIE WEISSEN VON RHG – LEIBBRAND« nach Widerspruch gelöscht worden ist, spricht dafür, dass sie damals weder zu Rewe noch zu Leibbrand gehört hat.

    • Danke für die fundierte Information.
      Irgendwie habe ich im Hinterkopf die „Die Weissen“ bei Otto Mess Mitte bis Ende der 80er Jahre schon mal gesehen zu haben. Vom rechtlichen Status mal ganz abgesehen.

    • Ursprünglich scheint »Die Weißen« 1978 von der AVA verkauft worden zu sein. Ist aber unklar, ob es sich um die identische Marke handelt. Bekannt geworden ist sie jedenfalls durch Leibbrand. Rewe hat trotz bereits bestehender Kooperation mt Leibbrand 1982 »ja!« eingeführt. In dem Spiegel-Artikel ist unklar, ob die Rewe Dortmund eventuell »Die Weißen« übernommen hat. Der Deutsche Supermarkt hat jedenfalls »no name« gehabt, was offenbar 1978 die erste derartige Marke war. Die waren so ähnlich grellgelb wie »Ohne teuer«, aber mit aufdringlicher 70er-Jahre-Schrift.

  • Mir ist aufgefallen, dass seit einiger Zeit die Händler wieder die Hersteller bzw. Lieferanten als Inverkehrbringer auf ihren Eigenmarken angeben und nicht mehr den Standardsatz „Hergestellt für….“ Sowohl bei Rewe, Lidl und Kaufland findet sich mittlerweile größtenteils der Hersteller (oder zumindest deren Tochtergesellschaften, wie z. B. T. M. A. von Müller Milch, Zoma von Zott, Blumenhof Feinkost von Meggle oder ECC von Werner & Mertz) als Absender auf den Verpackungen. Bei Aldi, Norma und Müller Drogeriemarkt ist dies dagegen seit Jahren Standard. Edeka, Netto, Markant (“ Jeden Tag“), dm und Rossmann treten nach wie vor, (überwiegend) selbst als Hersteller auf.

  • Für mich erschwert das neue Design die Auswahl. Weiß war selbst im Halbschlaf zu finden (oder zu vermeiden, je nach dem…), und wie oben beschrieben wird die Abgrenzung zur Mittelmarke seeehr schwierig.
    Außerdem frage ich mich, wie klug es ist, immer dasselbe zu machen wie Aldi, zumal die ja auch etwas am Straucheln sind, zumindest positionierungs-mäßig. Vielleicht würde gerade der verwirrte Hart-Discount-Kunde ein klares „günstiger-wird’s-nicht“-Design mehr schätzen als das, was alle machen. Andererseits müssen die Marketing-Agenturen ja auch beschäftigt werden…

  • Mal wieder typisch deutsche Supermärkte. Statt sich um echte Probleme bzw echten Fortschritt zu bemühen ist man wieder knauserig und macht: Design.
    „Oder das mit den Ballons“ um beim Sparkassenwerbetrailer zu bleiben.
    Liegt’s nur an den geizigen deutschen Kunden das wir kein schöneres Einkaufserlebnis bekommen?

    • Ballons sind prima 🙂 Und sooo unansehnlich sind die Rewes doch auch wieder nicht, zumindest die neueren (jaja, ich kenne auch ein, zwei Gegenbeispiele, aber die Mehrzahl…). Und das Marketing denkt sich halt, dass wir werten Kunden so das „schöne“ Designerlebnis mit nach Hause nehmen können und uns dann beim Kochen wieder daran erfreuen. Oder so.

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